Die Arbeitersprache als soziolinguistischer Stil
p. 359-375
Texte intégral
Ausgangslage
1Anfang der 70iger Jahre wurden die (soziolinguistischen) Merkmale der Arbeitersprache im Anschluss an die Studentenbewegung (1968 ff.) als ein wichtiges (systemisches) Kriterium zur (politischen) Klassenbestimmung genutzt. Die Arbeitersprache wurde als eine symbolische Operationalisie rung der Marxschen Theorie dichotomisch der bürgerlichen Sprache gegenübergestellt. Zu dieser Option passte die sprachsoziologische Theorie des Soziologen Basil Bernstein vom (defizitären) restringierten und (angemessen ausgebauten) elaborierten Kode. Die damalige Linke kritisierte scharf die bürgerliche Bewertung der beiden Kodes (→ Kompensatorische Erziehung für die Unterschicht oder Arbeiterklasse), in der groben systemischen Methodik aber teilten sich beide Lager ihre Ansichten.
2Im folgenden will ich die linguistischen und soziologischen (= soziolinguistischen) Kriterien der Kategorisierung« Arbeitersprache » diskutieren und neu bewerten.
Die Arbeitersprache als Untersuchungsobjekt in den siebziger Jahren
3« La langue est un système où tout se tient »(Saussure). In diesem Sinne ist die Sprache der Arbeiter keine langue, sondern eine Varietät mit unterschiedlich ausgeprägten Variablen. Folgende strukturelle Merkmale hat man der Arbeitervarietät im Sinne einer quantitativ belegten Dominanzkonfiguration auf taxonomischer Grundlage zugewiesen:
Pragmatik
4(i) regulierende Sprechakte (Instruktionen, Anweisungen, Aufforderungen) sind dominant;
5(ii) die Referenz auf andere Personen, auf Hintergrundinformationen, auf soziale Hintergründe etc. werden oft implizit gelassen, d.h. es wird davon ausgegangen, dass zwischen den an der Interaktion Beteiligten ein großes gemeinsames Wissen besteht ohne dieses in den Äußerungen explizit zu machen;
6(iii) „Sprache der Nähe“ (der persönlichen Betroffenheit) im Unterschied zu einer sprachlichen Ausdrucksweise, die beschreibender, distanzierter ist;
7(iv) hoher Anteil an emotionalen Reaktionen elizitierenden Rückkoppelungssignalen (« feedback »).
Semantik / Lexik
8(i) Beschränktes Lexikon: einfache N, V, Adj, ADV werden benutzt, diese wiederholen sich häufig;
9(ii) differenzierende Konstruktionen (Infinitivsätze, Subordinationen, unterschiedliche Perspektiven auf Ereignisse, Geschehen, Einstellungen) werden eher wenig in Erzählungen, Berichten, Argumentationen genutzt; wörtliche Rede wird indirekten Redetypen vorgezogen;
10(iii) deiktische Referenzmittel werden „situationsdistanzierteren“ Mitteln vorgezogen ( „konkret“ vs. „abstrakt“);
11(iv) das indefinite Pronomen« man »wird den personenspezifischen Pronomina oft mit einer generischen Perspektive vorgezogen (« Pronomen der kollektiven Solidarität »).
Morphosyntax
12(i) Kurze, einfache Sätze mit geringem Grad syntaktischer und grammatischer Differenzierung (z.B. Subordination, Modalisierungen, Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen);
13(ii) Probleme mit der Rektion von Verben (Flexion der abhängigen Objekte); Vermeidung komplexer pronominaler Objekte.
14Die jeweiligen Merkmale unter A, B und C zeigen – auf repräsentative Stichproben bezogen – geringere oder größere Vorkommenshäufigkeiten als bei sogenannten« bürgerlichen »oder Mittelschichtsprechern (Vergleichbarkeit vorausgesetzt, obwohl das ein Problem ist). Einige ausgewählte Beispiele aus den Bottroper Protokollen mögen dies belegen1:
(1) indefinites, unpersönliches man
15Tja, nu sagen Sie mir mal, was der Mensch is? Er ging arbeiten, und er hat gekocht, der Mensch, und hat trotzdem die Kinder versorgt. Man wurde nicht irrsinnig. Man hat doch einfach gar nicht mehr gedacht […] man hat nicht so dahingeschlummert. Man hat sich auch mit politischen Fragen unterhalten … (Putzfrau Maria B, Bottroper Protokolle (PR), 82)
(2) Arbeitersprache in der DDR: Gina2
16dit kam + bei mir so zum anfang + so vor (xx) bei uns da warn wa irgendwie soo so einjesperrt bloß nüscht sagen und und immer schön kuschen und + immer schön fleißig sein und arbeiten und + dann kannst dir wat holen und so ne^ (xx) + und zum anfang wa dit ooch hier + dis isset/ da isset ürgendwie viel lockerer also + da hat man mehr + ok zum beispiel + janz blödet beispiel hat man da n blatt papier liejen na und dann liecht dit da + is ooch ejal + bei uns + glei weg damit ja^ also + dit is n janz blödet beispiel jetzt aber so so so irgendwie so + aba ürgendwie mit der zeit (pff) + weeß nich + is dit allet schon so selbstverständlich daß man + dis ürgendwie so hinnimmt na dann isset halt so + also wird man auch automatisch n bißchen + freier denn ne^ + in seinen jedanken und + jefühlen ne^ äh +1,5+ klar ürgendwie
17(GINA [21] aus Ostberlin am 21.12.92 in einer Zahnarztpraxis in Westberlin)
18In (1) fallen die einfache Syntax und das kollektive Pronomen man auf. (2) ist einerseits von der niederdeutschen Berliner Umgangssprache (« Stadtdialekt ») geprägt, andererseits von direkter Rede mit infiniten Formen, der nachhaltigen deiktischen Verwendung von dit und so und dem (redundnaten) Gebrauch von kommunikativen Formeln wie aber so so so irgendwie so, na dann isset halt so, + weeβ nich +.
19Sinnvoll vergleichbare Dokumente aus der ehemaligen DDR fehlen leider. Die Interviews mit den Arbeitern der Warnow-Werft, die Erika Runge nach den Bottroper Protokollen in Rostock 1970 erhoben hat (Runge 1971) wurden von der SED schönkorrigiert: eine Kontrolle über Art und Tiefe der Eingriffe haben wir nicht. Außerdem wurde schon die Auswahl der KollegInnen im Vorhinein manipuliert. Wir finden dennoch gewisse Anzeichen für arbeitertypische Äußerungen:
20(3) Jetzt zahle ich 39 Mark Miete, ist alledings ohne Bad, aber sonst sind wir sehr gut untergekommen (Klaus R., 32, Rohrschlosser; Runge 1971: 56)
21(4) Und deswegen (→ keine Arbeitslosigkeit wie in der BRD), und ich bin hier zu Hause, meine Familie lebt hier, die Kinder sind hier aufgewachsen, da möchte ich doch schon hier bleiben (Klaus R., 57)
22Hätte man in den siebziger Jahren (3) und (4) mangelnde Kongruenz im Sinne bürgerlicher Kohärenzvorstellungen vorgeworfen, betrachtet man heute die fehlende anaphorische Referenz in (3) als ein kontextbezogenes Problem der Makrosyntax (Dittmar 2010) und die mangelnde Kohäsion in (4) als ein Problem der Prosodie einerseits (Akzentuierung von déswegen mit steigender Kontur zum Ende des Wortes) und der aufgebauten Projektion andererseits (Auer 2010). (3) und (4) sind nur exemplarische Beispiele für eine allgemeine Kritik: Der Kontext der mündlichen Rede sowie deren besondere Eigenschaften in der face-to-face Situation sind viel zu wenig berücksichtigt worden. Es kommen jedoch auch kulturelle Überformungen hinzu, die sich über institutionelle Muster im Arbeiter- und Bauernstaat herausgebildet haben. Dazu gehören die formelhaft gebrauchten redekommentierenden Kommunikationsverben sagen, meinen, ansprechen wie sie Runge (1971: 59)
23(5) aber ich kann sagen, dass ich mir meine Heimat geschaffen habe
24und Dittmar & Steckbauer (2004: 175) über Hausgemeine-schaftsleitungen
25(6) ich möchte sagen ich war da drüben nich anwesend aber ich möchte sagen ich akzeptiere deine Erklärung
26belegt haben. Auer (2000: 173) erwähnt diese Merkmale (u.a. auch « man ») ebenfalls. Hier hat sich über die einst eher wildwüchsige Arbeitersprache ein Repertoire konventionalisierter und institutionalisierter Muster gelegt (« expressions figées »)3.
Kritik
27An der sprachwissenschaftlichen Erforschung der brd- wie ddr-spezifischen Arbeitersprache in taxonomischen oder quantitativen Grenzen der siebziger und achtziger Jahre möchte ich linguistische, soziolinguistiche und soziokulturelle Kritik üben.
1. Exemplarische Linguistische Kritik
28(a) der Bezug zur Schriftsprache der Betroffenen ist nicht berücksichtigt; dieser gibt über „formale“ Kompetenz vergleichende Auskunft; den Mustern der Arbeitersprache entspricht meist Schriftferne im Alltagsleben4.
29(b) Gisela Schulz (1973) hat überzeugend nachgewiesen, dass die Sätze
30(7) Die Mutter schimpfte, weil Peter weglief
31(8) die Mutter schimpfte, denn Peter lief weg
32(9) Peter lief weg. Deshalb schimpfte die Mutter
33in ihrer koordinierten Gestalt der subordinierten kognitiv äquivalent sind. Diese Äquivalenz gilt für viele Paare {Subjunktor, Adverb} (z.B. obwohl ←→ trotzdem), die von Schulz an Beispielen aufgezeigt werden.
34(c) Die These von der redundanten Verwendung von Füllwörtern (präzisiert als Partikelgebrauch) hat Schulz ebenfalls anhand zahlreicher Belege widerlegt. Sie zeigt, dass die Partikeln ja, auch, doch, denn (39 ff.) in parataktisch aufgebauten Äußerungen an der Herstellung kausaler Relationen mitwirken. Insbesondere das lokale Adverb da erfüllt oft kausale Funktionen:
35(9) ich muβ ja irgendwie n Anfang machen, wollt da so direkt nich mit der Tür ins Haus falln; ich sag: „Is der Chef nich da?“
36(d) In den siebziger Jahren standen die Linguisten einer stark mündlich geprägten Arbeitersprache mit vor allem nur für die Schriftsprache konzipierten grammatischen Beschreibungskonzepten hilflos gegenüber. Unsere Kenntnisse über mündliche Gebrauchsmuster gesprochener Sprache sind erheblich erweitert und präzisiert worden. Mit Berrendonner (Fribourg), Deulofeu (Aix) und Gerdes & Kahane (2008) unterscheiden wir zwischen Mikro- und Makrosyntax, und wir verfügen über andere Kriterien der Kohäsion und Kohärenz5.
Soziolinguistische Kritik
37(a)‚Arbeitersprache‘ als Varietät zu beschreiben, impliziert das Konzept der langue variationsspezifisch in« kleine langues »(« où tout se tient ») zu unterteilen (vgl. für Details Dittmar 2009 a). Einerseits ist die ‚Arbeitersprache‘ als soziale sprachliche Gestalt von anderen (räumlich determinierten) Varietäten nicht systemisch hinreichend abgrenzbar, andererseits ist sie als soziale Erscheinungsform nur im Rahmen eines gestaltbezogenen Konzeptes von (Lebens-) Stil sinnvoll zu erklären (vgl. Dittmar 2009).
38b).‚Soziale Stile‘ als kommunikative Verhaltensweisen zu erfassen, „die das Ergebnis der Auseinandersetzung mit spezifischen Lebensbedingungen sind“ und die die „für das Selbstverständnis der Gemeinschaftsmitglieder ausschlaggebende Orientierungen“ darstellen (Kallmeyer 1994, 30), ist eher die aktuelle Position der Soziolinguistik. Die wichtigsten soziolinguistischen Implikationen dieser Konzeption (vgl. Dittmar 2009 b) gehen aus der Gegenüberstellung in Tab. 1 hervor.
39Die Option für den Stilbegriff ist ein Plädoyer für
das Wahrnehmen und Akzeptieren der ‚Arbeitersprache‘ als eine aus Arbeitsbedingungen und Lebenserfahrungen hervorgegangene Kultur mit eigenen kommunikativen Bedürfnissen, Manifestationen und Werten, die im Schulterschluss mit gemeinsamen Erfahrungen organisch gewachsen ist und sich auch nur im Rahmen gemeinsamer Erfahrungen in neue, anspruchsvollere Lebensformen verändern lässt;
die Entkoppelung dieses Stils von bürgerlichen Wertvorstellungen der Schriftkultur, des kontext- und situationsunabhängigen (expliziten) Sprechens, der Distanzhaltung in der face-to-face Kommunikation, der steten Kontrolle gefühlsbezogener Äußerungen (direkte Ausdrücke für Freude, Schmerz, Lust, Hass etc.); in-group vernetztes Nähesprechen mit großen Beständen gemeinsam geteilten Wissens ist ein die Bedürfnisse der Arbeiterkultur durchaus befriedigender Kommunikationsmodus;
Tabelle 1: Unterschiede zwischen den soziolinguistischen Konzepten Varietät und Stil (vgl. Dittmar 2009)
Varietätenanalyse | Stilanalyse | |
Gegenstand | Große Sprach- und Sprechgemeinschaften (Makrostrukturen: gesellschaftliche Makrostrukturen) | Kommunikationsgemeinschaften; soziale Gruppen unterschiedlichster Art (Institutionen, Vereine, Freizeitgruppen etc.); gesellschftl. Mikrostrukturen |
Daten erhebung | vorwiegend Interviews, Fragebögen, quantifizierbare Techniken; Sample- und Paneluntersuchungen; labovianische Instrumente | teilnehmende Beobachtung im sozialen Kontext über längere Zeit; Ethnographie; Chicagoer Schule der Soziologie |
Theorie | Anschluss an Grammatiktheorien; Postulat der ebenenadäquaten Beschreibung; probabilistische Regelbewertungen; korrelative Varietätengrammatiken für sprachliche und nichtsprachliche Performanz | Semiotik; kommunikative Kompetenz; Soziokulturelle Identität und Distinktivität von Gruppen; anthropologische Theorie sozialer Gruppen undKommunikationsgemeinschaften |
Methodik | Intraebenenspezifische Beschreibung; Operationalisierung von Daten;Variablenbeschreibungen; Prinzip der formalen referentiellen Identität von Varianten; nicht-normative Beschreibung | interebenenspezifische innersprachliche und kommunikative Ausdruckseigenschaften; multimodale Verfahren der Kookkurrenz- und Alternierungsanalyse; pragmatische Verfahren funktionaler Äquivalenz; explizite Normenbestimmung; extensiver Gruppenvergleich auf dem Hintergrund teilnehmender Beobachtung statt Samplestudien |
Erklärungspotenziale | Dominant linguistische Ansätze: Varietätenlinguistik; quantitative soziolinguistische Variationsforschung; Sprachwandeltheorien | Interdisziplinäre Ansätze: soziale und kognitive Anthropologie; Ethnographie der Kommunikation; Soziostilistik |
die Trennung von politischer Klassenanalyse der Arbeiterschaft und ethnographischer, kulturanthropologischer Beschreibung dieser Kultur als Lebensstil; es ist sinnvoll, diese Kultur als Kultur en soi-même zu verstehen. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, um im Rahmen größerer gesellschaftlicher Veränderungen von solchen Ressourcen der Arbeiterkultur auszugehen, die humanitäre und konstruktive soziale Werte darstellen (und nicht als „defizitäre“ Abart des Kapitalismus oder als „Unkultur“ abgetan werden). Wie ich am Beispiel der Arbeitersiedlung von „Eisenheim“ noch zeigen möchte, sind die in der DDR geschaffenen Hochhaussiedlungen kein sensibel auf die Arbeiterkultur aufbauendes Konzept.
Der sozialökologische und soziostilistische Ansatz der Chicagoer Schule
40Janne Günter
41Die Arbeiterkultur einschließlich ihrer Sprache sollte weder für makroparteipolitische Zwecke noch zu einem linguistischen Glasperlenspiel kontextfreier Anwendungsfrequenzen zweckentfremdet werden. Diesem Grundsatz hat sich Janne Günter in ihrem Buch „Leben in Eisenheim. Arbeit, Kommunikation und Sozialisation in einer Arbeitersiedlung“ (1980) verschrieben. Nach dem sozioökologischen Modell der Chicagoer Schule hat sie unter Rückgriff auf die Methoden der teilnehmenden Beobachtung die Lebensformen (Selbsthilfe & Selbstversorgung, Kommunikationsnetze & Kommunikation zu verschiedenen Anlässen, die Außenorientierung & die Sozialisation der Kinder) der 488 Einwohner im Stadtbezirk „Eisenheim“6 auf Angemessenheit der Lebens- und Kommunikationsformen untersucht. Mit dem Argument, die Siedlung sei in jeder Hinsicht rückständig, sollte sie aufgelöst und die Einwohner in moderne Hochhäuser in Oberhausen umgesiedelt werden.
42Den umfassenden sozioökonomischen Beschreibungen und Bewertungen von Janne Günter ist eine Sanierung und Erhaltung der Arbeitersiedlung zu verdanken. Kurz gesagt: architecture meets communication, so kann man die Vorteile der dezentralisierten Häuser- und Gartenstruktur der Siedlung umschreiben. Aufgrund eines günstigen Zusammenwirkens von homogener Einwohnergruppe (Werktätige der Zechen), nahe gelegenem Arbeitsplatz, angemessenen architektonischen Voraussetzungen, Tätigkeiten im Freien mit Kommunikationsmöglichkeiten draußen und drinnen trägt der Gartenstadtcharakter der Siedlung mit den vielen Möglichkeiten des kommunikativen Austauschs untereinander zu einem angemessenen guten Lebensstil bei.
43Diesem Grundsatz hat sich Janne Günter in ihrem Buch von (1980) verschrieben. Untersuchte soziale Gesichtspunkte sind:
44(a) Arbeitsplatz, (b) Kommunikation im Freien, (c) Geschichtlichkeit (Bräuche, „soziales Gedächtnis“), (d) Lebensformen (Selbsthilfe, Außenorientierung, Sozialisation der Kinder)
45Janne Günter (1975) betrachtet die Arbeitersprache als Ausdruck spezifischer Qualitäten:
kurze Sätze, Wiederholungen, Redewendungen (soziale Orientierung, Solidarität)
konkrete Erfahrungen werden verbalisiert (ohne Distanzierungen, Relativierungen)
direkter Kommunikationsmodus (szenische Darstellungen über den Modus direkter Rede)
spontan, vielfältig
grosse Anteile nichtverbaler Elemente (Prosodie, Gestik, Mimik etc.).
46Diese pragmatischen Charakteristika finden wir in neueren ethnographischen Untersuchungen zur Stadtsprache in Mannheim wieder.
Werner Kallmeyer (1994): Kommunikation in der Stadt
47Kallmeyer und Mitarbeiter finden in der Sprache „kleiner Leute“ (schriftferne Milieus) kommunikative Formeln (Formen der sozial. Orientierung) wie die folgenden:
48(11) mach kä schbrisch (mach keine Sprüche)
49(12) vazähle mol (laß mal hören)
50(13) däe hotse ja nät alle (der hat‘se ja nicht alle = der spinnt)
51Diese Äußerungen [(11) bis (13)] stammen aus der teilnehmenden Beobachtung einer „Literaturgruppe“ (LehrerInnen, Mittelschichtorientierung), deren Sprachverhalten demjenigen der mit der gleichen Methode beobachteten „Bastelgruppe“ ( „einfache“, eher schriftferne Leute aus dem Altstadtkern / Arbeitermilieu von Mannheim) gegenübergestellt wird. Neben den rituellen kommunikativen Formeln (siehe oben) weist die Kommunikation dieser der „Arbeitersprache“ nahestehenden Gruppe folgende Charakteristika auf:
52(1) In privaten Situationen wird der stark sozial markierte Mannheimer Dialekt ( „Mannheemer Gosch“), in öffentlichen Situationen der deutsche Standard verwendet.
53(2) Bei (verbalen) Auseinandersetzungen, die heftig sein können (keine „Frustrationstoleranz“ wie bei der Mittelschicht üblich!), wird die (konkrete) Direktheit bevorzugt. Vorwürfe werden klar formuliert, oft in Form regelrechter Anklagen. Die Sprechakte sind der Form nach einfach, aber wir finden oft scharfe Ironie oder Sarkasmen als Mittel des aggressiven Auseinandersetzens.
54(3) Themen: teilweise ernste, teilweise unterhaltende Berichte von aktuellen Ereignissen aus der „Filsbach“ (Stadtteil im Zentrum); Gespräche über Medien (Fernsehen, Radio), Promis und Reisen; Erzählungen aus dem privaten Erfahrungsschatz, oft über Männer und Frauen (und deren Befindlichkeiten). Schwierige persönliche Probleme werden nur unter vier Augen besprochen. In der Gruppe werden persönliche Probleme nur spielerisch und selbstironisch präsentiert.
55(4) Witze werden VOR anderen Redegattungen in geselligen Situationen bevorzugt. „Gute“ Witze, z.B. „dreckige“ oder „sexuelle“, werden, auch wenn sie schon bekannt sind, immer wieder erzählt – alle haben daran Anteil und freuen sich. Die Ethnographen (Kallmeyer et al.) schreiben: Die Lust an der Obszönität ist entscheidend für die Gruppenzugehörigkeit“. Auch „frotzelnde Phantasiespiele“ gehören zur Lieblingsform der Kommunikation. Gewisse Schamgrenzen dürfen aber nicht überschritten werden. Da das Leben dieser Leute in der Regel einfach, entbehrend und oft mit vielen materiellen und gesundheitlichen Problemen behaftet ist, will man „lustig“ sein und das primäre Ziel der Geselligkeit ist es, „Spaß zu haben“.
56(5) Die alltägliche (normale) Geselligkeit ist durch Nähe und Distanzreduzierung gekennzeichnet. Intensive Geselligkeit ist sehr nachhaltig und geht oft mit mehrfachem gleichzeitigem „Parallelsprechen“ einher.
57(6) Männer und Frauen vertreten unterschiedliche Auffassungen über Liebe, Ehe und Politik. Die Frauen lehnen z.B. die Rolle der „aufopfernden Frau“ ab. Man unterscheidet zwischen einem „Weibchen“, das alles tut (z.B. Make-up, schöne Kleidung), um Männern zu gefallen und einer „guten Frau“, die Mut, Humor und praktischen Sinn bei der Bewältigung der Alltagsprobleme zeigt, vor allem im Kontext der Erziehung von Kindern. Die Frauen orientieren sich an dem Ziel, die ‚Welt zu verändern‘ durch die Forderung nach Gleichberechtigung.
58Diese ethnographischen Stilbeschreibungen fokussieren den Lebensstil der sozialen Gruppe in ihrem alltäglichen sozialen Kontext. Die Dokumentation der funktionalen Ausprägungen im Interaktionsstil untereinander vertieft unser Verständnis der Ausdrucksbedürfnisse schriftferner Arbeitermilieus besser als Häufigkeiten von aus dem Kontext gerissener Sätze, deren Intention nicht schriftsprachliche Korrektheit sondern kommunikative Angemessenheit im Rahmen einer Gruppe miteinander Vertrauter. Die Mannheimer Beobachtungen materialisieren anhand von Diskursen und Konversationen nach den Methoden der Chicagoer Schule, was Janne Gunter schon dreißig Jahre zuvor behauptet hatte: allerdings ist diese Sicht nun breit durch soziolinguistische Daten belegt.
Aktuelle soziolinguistische Tendenzen
59Mit der DDR-Industrie ist 1989 ein riesiges Biotop relativ schriftferner Arbeitersprache untergegangen. Fast alle Betriebe der ehemaligen DDR sind heute modernisiert und an den modernen Kapitalismus angepasst. Die globale und „durchdigitalisierte“ moderne Welt des Kapitalismus ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Arbeitsprozesse in nahezu unendlich kleine unterschiedliche Aufgabenprofile auflösen und die in diesen Arbeitszusammenhängen Arbeitenden relativ kleine Gruppen bilden, die spezifische Bedürfnisse materieller wie kommunikativer Art haben. Eine Einteilung etwa in Schichten oder Klassen ist heutzutage überholt. Einerseits ist „Sprache“ im 21. Jahrhundert zum ERSTEN Male in der „modernen“ Geschichte im Marxschen Sinne eine Produktionskraft: die zahllosen „Call Center“ beschäftigen Menschen mit einer angenehmen, publikumswirksamen Stimme, deren Aufgabe es ist, Auskunftsuchenden in einem engen Informationsrahmen Auskünfte verarbeitungsleicht zu „materialisieren“ (vgl. Josiane Boutet, 2005). „Call Center“ bedürfen einer besonderen soziolinguistischen Analyse – was diesen Beitrag überfordern würde. Andererseits gibt es immerhin doch einige soziale Bedingungen, unter denen „Arbeitersprache“ tendenziell manifest wird:
60(a) in Produktionsbereichen, in denen allein manuelle Arbeit (repetitive, kommunikationsarme) deutlich überwiegt (siehe dazu Janne Günter); hierzu gehören die Sektoren der automatisierten Produktherstellung (Teilver-richtungen an Robotern);
61(b) interaktionsarme Arbeit im elektronischen Bereich, die zwar formale Kenntnisse, aber nicht sprachbezogene fordern;
62(c) alle Tätigkeitsbereiche, die schriftsprachliche Kenntnisse gar nicht oder nur wenig benötigen (die die einst in der Grund- und Hauptschule erworbenen Schriftfähigkeiten verkümmern; das führt häufig zu „funktionalem Analphabetismus“ (ca. 1 Mio. in Deutschland).
63Im Prinzip ist alle nicht-kreative, von Weisungen Vorgesetzter abhängige Arbeit der Entwicklung und dem Ausbau sprachlicher Fähigkeiten abträglich. Indirekt gehört dazu auch das extrem kurzfristige Wechseln von Tätigkeiten in der modernen Gesellschaft. Sprache kann nur über längere Gebrauchszeiträume mit gutem Trainingseffekt „elaboriert“ werden.
64Ein letzter Punkt ist die weit fortgeschrittene „Ethnisierung“ der modernden Gesellschaft. In deutschen Großstädten ist jeder dritte Schüler einer mit „Migrationshintergrund“. Deutsch wird häufig unter schwierigen Bedingungen der Zweisprachigkeit erworben.
65Ungeachtet dieser soziolinguistisch im Einzelnen zu untersuchenden Bedingungen des Verhältnisses von Arbeit und Sprache ist aber nach wie vor das Repertoire formaler kommunikativer Formeln (sozial-konventionelle Kollokationen) im Arbeitskampf „von denen da unten“ gegen die „da oben“ lebendig, wie der deutsch-französische Vergleich der Arbeitersprache und der Sprache der Arbeitslosen im Projekt „PROCOPE“ (Zusammenarbeit der Freien Universität Berlin mit der Université de Nantes über DAAD und EGIDE) manifestiert7. Am 19. April 2009 demonstrierten in Hannover deutsche und französische Arbeiter gemeinsam gegen die beabsichtigte Schließung des Reifenherstellers CONTI. Unsere Projektmitarbeiterin (siehe Anm. 6) Christin Wannagat war unter den Demonstranten und hat viele ihrer Kommentare und Erzählungen dokumentiert (Tonbandaufnahmen); einige Beispiele mögen die von den Demonstranten verwendeten „solidarischen Formeln“ illustrieren8:
66(14) Conti2 [Z. 39-44]: JAAˆ auf di: E ENTSche: idungsträger- (.) dE: nen ist eigentlich SchEIß EGAL was mit den leuten passiert- die sehen nur IHRE ZAHlenˆ ne (.) ABEr das ist KE: IN (.) JA <<acc>wie sagt man so schÖN> soZIALKOMpetentES unternehmertum ne (-) die sehen nur zu dass SIE selber VIEL in die tasche raffen- alles ANDERe ist den’ egALˆ
67Es geht um den Vorstand ( „di: E ENTSche: idungsträger“), die nicht als solche, sondern als „die da oben“ im Unterschied zu den „Leuten“ (wir, die da unten) bezeichnet werden. Die Kollokationen bedienen alte Klischees (die denken nur an sich, die raffen selber viel, denen ist es scheiβegal was mit den Leuten passiert etc.). Die in diesem und den folgenden Belegen gelb unterlegten kommunikativen Formeln sind Kommentare aus der Sprechersicht: (14) wirkt als „Distanzierung“ und „Ironisierung“, (15) und (16) unterstreichen, dass X mal gesagt werden muss, auch wenn das nicht „nett“ ist.
68(15) Conti5 [Z. 19-23]: kann mans nicht nAchvollzIEhen dass DIE nur durch Ihren äh weil sie da immer mehr immEr MEHR Rausschlagen wollen- (--) <<f>DASS DAS EBEN SO: > in ORDNung ist dass das SO gemacht wird aber äh (.) DAS iss’ wo: hl UnSERE gesellschaft (.) <<dim>muss man so sagen>↓
69(16) Conti8 [Z. 41-43]: wir haben alles mehr oder weniger AUfgebaut DIE sind jETZT später eingestiegen versUCHEn NU:: R PROFIT zu schlagen und die leute ALLEIn zu lassen
70(17) Conti9 [Z. 166-171]: während ANDERE die die es im grundegenommen diese KRISE verursachen AUF der wir HIER nun ausrutschen DIE werden mit MILLIARden gesPONSERT↓ <<dim>wenn man quer durch die industrie guckt>↓ALSO den ausRUTSCHER haben WIR↓ (.) WIR liegen auf der fresse und DIE können sich sonnen DIE sind auf dem sonnenDECK↓
71(18) Conti12 [Z. 21-22]: da sind DIE im vorstand eiskalt ich möchte mal sagen äh: h (-) es handelt sich da um äh (.) berufskriminelle mit doktortitel (.) das wars↓
72Durchgängig geht es um den „Feind oder Spielverderber“, „die da oben“, die immer mehr rausschlagen wollen (15), versuchen nur Profit zu schlagen (16), die werden mit Milliarden gesponsert (17), Berufskriminelle mit Doktortitel sind (18). Am letzten Beispiel sieht man deutlich, dass „die da unten“ sprachlichen Witz, Humor und Ironie haben und sich mit diesen sprachlichen Mitteln von ˶denen da oben˝ distanzieren (wir liegen auf der Fresse und die können sich sonnen, die sind auf dem Sonnendeck, 17). Die letzten beiden Beispiele (19) und (20), die die Struktur der ˶stadardisierten˝ GAT Transkription mit unterschiedlichen interaktiven Anteilen der Sprecher haben, unterstreichen noch einmal die stereotypen Inhalte der Belege (14) bis (18).
(19) Conti13 [Z. 56-61]:

(20) Conti12 [Z. 64-69]:

73Das Streben nach maβlosen Gewinnen wird den ˶Bossen˝ unterstellt (19); der Sprecher in (20) greit die Moral der ˶GroBen˝ und ˶Führenden˝ an: wo haben Sie uns denn hingeführt? Den Kommentaren ist ˶Bitterkeit˝ eingefärbt: die da unten müssen ausbaden, was die da oben falsch gemacht haben.
74Solange es hierarchische Verhältnisse in der Produktion gibt — Weisunggebende und Ausführende -, wird der Interessenunterschied von „ denen da oben“und„ denen da unten“ sprachlich in Distanzierungs-, Humor-, Ironie- und Kritikformeln erhalten bleiben.
Envoi
75Das Wesentliche an der Arbeitersprache – Ausdrucksformen Ausführender in verantwortungsferner Position – ist nicht ein taxonomischer Katalog sprachlicher Merkmale, sondern das soziolinguistische Profil eines sozialen Stils, mit dem lebensweltlichen Umfeld abhängiger, angewiesener Arbeit in den Domänen des Berufs umzugehen und in der Feizeit davon wiederum kulturbezogenen Abstand zu gewinnen. Häufig hängt das bisher diagnostizierte Verhalten mit Distanz zur Schriftsprache zusammen. Zum einen folgt aus der hier vertretenen ethnographischen und anthropologischen Position, „ Arbeitersprache“ als Bündel von sozio-kommunikativen Stilen zu sehen, die die lebensweltlichen Arbeits- und Freizeitbedingungen der Sprecher reflektieren. Zum andern sollten wir uns der Tatsache bewusst sein, dass Sprache („ où tout se tient“, Saussure) und sprachliche Stile eine soziale Funktion der jeweiligen Lebens- und Arbeitsbedingungen darstellen. „ Keine Verbesserung oder Verfeinerung der sprachlichen Stile zur Bewältigung der Alltagsprobleme ohne ständige Reflexion humanitärer Kommunikationsbedingungen“kann dann nicht mehr nur Anliegen der Gewerkschaften, sondern sollte dem ständigen 0bservatorium Sociolinguisticum eines Ethikrates unterliegen.
Bibliographie
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Kallmeyer, Werner (1995) : Ethnographie städtischen Lebens. Eine Einführung in die Stadtteilbeschreibungen. In : Werner Kallmeyer (Hrsg.) : Kommunikation in der Stadt. Teil II : Ethnographien von Mannheimer Stadtteilen. Berlin, 4-41.
Runge, Erika, Hrsg. (1968) Bottroper Protokolle. Frankfurt a.M. : SuhrkampRunge, Erika (1971) Reise nach Rostock, DDR. Frankfurt am Main : Suhrkamp.
Schulz, Gisela (1973) Die Bottroper Protokolle – Parataxe und Hypotaxe. Linguistische Reihe 17, München : Max Hueber.
Notes de bas de page
1 Bevor ich mich mit der Merkmaltypisierung der Arbeitersprache kritisch auseinandersetze, möchte ich auf eine historisch bedingte« Doppelbödigkeit »der soziolinguistischen Diagnose von« Arbeitersprache »eingehen. In vielen Tonbandaufnahmen mit Sprechern aus der ehemaligen DDR stellen wir ähnliche Merkmale wie für die westdeutsche Arbeitersprache fest (cf. Berliner Wendekorpus, Dittmar & Bredel 1999; Dittmar 2002): entindividualisierendes, aber solidarisches« man », einfache Syntax, dominant deiktische Referenzen, gehäufte Partikelverwendungen, die in ihrer verblassten Semantik ( „Füllwörter“) die Hinwendung zum „Andern“ über den verbalen Kode aufrecht erhalten, inhaltlich aber nichts Weiterführendes mitteilen
2 Das folgende wird in „literarischer Transkription“ wiedergegeben (vgl. Übersicht in Dittmar & Bredel 1999). Alles wird klein geschrieben; die Schreibweise bildet die umgangssprachliche Aussprache ab; (xx) = unverständlich; + = kurze Pause, ^ terminale Hebung der Stimme; + 1,5 + Pause von 1,5 Sekunden
3 Hier wäre noch auf die „Staatsundparteisprache“ der DDR, die Kopie dieser Sprache im Alltag und spezielle sprachliche Folgen des gesellschaftlichen Umbruchs einzugehen.
4 Heute gibt es in der BRD ca. 1 Mio. funktionaler Analphabeten, die die Haupt- und Realschule abgeschlossen haben, nach Jahrzehnten fehlenden Schrift-Sprachgebrauchs dann aber zu Analphabeten geworden sind.
5 In der gesprochene Sprache sind Äußerungen oft über Implikaturen und Inferenzen miteinander verlinkt (Konventionen, die für die Interpretation von Äusserungen im Kontext gelten).
6 Als« Kolonie Eisenheim »wurde die Arbeitersiedlung, die zum Zeitpunkt der Untersuchung noch 39 Häuser umfasste, zwischen 1844 (Beginn) und 1902 (Abschluß) aufgebaut. Sie entstand auf landwirtschaftlicher Fläche zwischen den beiden Zechen Sterkrade und Osterfeld.
7 Das deutsch-französische Projekt wurde, finanziert vom DAAD und EGIDE, von 2008 bis 2010 für die Kooperation von Berlin (FU) und Nantes (Institut du français) von Cyrille Granget und dem Autor durchgeführt. Die im Folgenden als Beleg angeführten Transkriptpassagen sind von der Mitarbeiterin Christin Wannagat, die Ihre Magisterarbeit über kommunikative Formeln deutscher und französischer Arbeiter geschrieben hat (FU, 2010).
8 Die folgenden Beispiele sind nach dem Transkriptionssystem GAT (vgl. Dittmar32008) transkribiert. ALLE Personen bleiben anonym; in ihrer MA-Arbeit hat Ch. Wannagat zu den jeweiligen Männern und Frauen ethnographische Kurzcharakteristika gegeben, die hier jedoch weggelassen werden. „Conti 1,2,3 ..n“ heissen die jeweiligen situativen Interaktionen, aus denen die Passage stammt.
Auteur
Freie Universität Berlin, Institut für deutsche und niederländische Philologie
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