Lexikalisierungsmuster zum Ausdruck der Lokalisierung und Fortbewegung im Deutschen: ein didaktischer Ansatz
p. 211-246
Texte intégral
1. Einleitung
1Das Deutsche verfügt über zahlreiche Lokalisierungs- und Fortbewegungsausdrücke, die französischsprachigen Lernenden viele Schwierigkeiten bereiten (u. a. De Knop & Gallez 2016; De Knop & Perrez 2014; Lemmens & Perrez 2018). In diesem Artikel werden zwei Lexikalisierungsmuster untersucht, die für das Deutsche besonders typisch sind und daher in einer didaktischen Perspektive von großer Relevanz sind: kausative Fortbewegungskonstruktionen (Sie brüllen Cruz von der Bühne) und Mehrwortverbindungen mit Positionsverben (Sie stehen unter Beobachtung). Beide Muster (im Folgenden LFA1) waren Gegenstand der Dissertationen, die wir in enger Zusammenarbeit mit Frau Prof. Dr. De Knop ausgeführt haben (Gallez 2020 und Hermann 2021).
2De Knop (u. a. 2020a) hat schon mehrmals darauf hingewiesen, dass das ‚Embodied Teaching’ es erlauben könnte, das Erlernen solcher Ausdrücke effizienter zu machen. Im Rahmen dieser Studie werden wir diesen Weg verfolgen und eine explorative Untersuchung vorstellen, die im Herbst 2021 mit französischsprachigen Studierenden durchgeführt wurde. In dieser Untersuchung wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich das Embodied Teaching für das Verständnis der beiden untersuchten LFA lohnt. Der Fokus liegt dementsprechend hier auf der Bedeutung dieser LFA und auf deren Rezeption durch Studierende.
3Im vorliegenden Beitrag werden zunächst die beiden untersuchten LFA beschrieben und aus der Perspektive des Fremdsprachenunterrichts betrachtet (Sektion 2). In Sektion 3 wird das Embodied Teaching als didaktischer Ansatz behandelt. Sektion 4 ist den methodologischen Aspekten unserer explorativen Studie gewidmet. In Sektion 5 werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und einige Ausblicke für die Weiterforschung dargestellt.2
2. Die untersuchten Konstruktionen und Mehrwortverbindungen
4Laut Talmy’s Sprachtypologie (u. a. 2000) gilt das Deutsche als satellite-framed language: So wird die Fortbewegung typischerweise im Verb ausgedrückt (siehe etwa fährt in (1)), während der Pfad der Fortbewegung in einem Satelliten kodiert wird (in die Garage in (1)). In den satelliten-orientierten Sprachen wird oft ebenfalls ein Co-event im Verb kodiert, das Angaben zu der Art und Weise oder der Ursache der Fortbewegung gibt (fahren = sich mit einem Fahrzeug fortbewegen). Außerdem ist im Deutschen die Art und Weise der Fortbewegung bzw. die Position „salient“ (vgl. u. a. De Knop & Gallez 2013). Dagegen wird im Französischen als verb-orientierter Sprache der Pfad im Verb ausgedrückt (rentrer = ‚reinbringen‘) und die Art und Weise der Fortbewegung, die etwa in einem zweiten Verb (Gerundiv) ausgedrückt werden kann, meistens nicht kodiert (siehe 2).
(1) | Er fährt das Auto in die Garage. |
(2) | Il rentre la voiture dans le garage. |
5Diese typologischen Eigenschaften des Deutschen lassen sich ebenfalls in den hier untersuchten LFA erkennen. Wie bereits angeführt, wird in diesem Beitrag auf kausative Fortbewegungskonstruktionen (2.1) und Mehrwortverbindungen mit Positionsverben (2.2) fokussiert. In diesen LFA kann die Lokalisierung bzw. Fortbewegung konkret (wie in 3 und 4), aber auch metaphorisch sein. So entspricht ins Finale (5) einem metaphorischen Ort und unter Kontrolle einem Zustand (6).
(3) | Er boxt sich durch die Menge. |
(4) | Er sitzt am Computer. |
(5) | Die Mannschaft spielt sich ins Finale. |
(6) | Sie stehen unter Kontrolle. |
6Im Folgenden wird auf die Besonderheiten der beiden LFA näher eingegangen.
2.1. Kausative Fortbewegungskonstruktionen
7In der Konstruktionsgrammatik werden Konstruktionen als Form-Bedeutungspaare definiert, die über ihre Bestandteile hinaus eine eigene Bedeutung haben (siehe u. a. Goldberg 1995, 2006; Ziem & Lasch 2013; Welke 2019). In diesem Beitrag werden Konstruktionen behandelt, die eine Fortbewegung ausdrücken. Es wird dabei auf kausative Fortbewegungskonstruktionen, bzw. auf die ‚caused motion‘ Konstruktion fokussiert. Auf syntaktischer Ebene umfassen die untersuchten Konstruktionen ein Verb, ein Subjekt, ein Objekt und ein obliques Argument bzw. eine Präpositionalphrase, die das Ziel der Fortbewegung ausdrückt (vgl. auf den Berg in (7)). Das Subjekt bezeichnet den „Causer“ (Maria in (7)), der im Verb ausgedrückten Handlung (brüllen), die wiederum dazu führt, dass das Objekt (ihren Hund) sich fortbewegt bzw. befördert wird.
(7) | Maria brüllt ihren Hund auf den Berg. (De Knop 2020c: 1371) |
8Im Verb wird die Ursache und/oder die Art und Weise der Fortbewegung ausgedrückt. Die Fortbewegung kann entweder konkret oder metaphorisch sein: Beim Ausdruck einer metaphorischen Fortbewegung in einen Zustand hinein, etwa in den Schlaf in (8), ist die Rede von Resultativkonstruktionen (Goldberg 1995, Goldberg & Jackendoff 2004). Letztere werden von Goldberg (1995) als metaphorische Erweiterung von Fortbewegungskonstruktionen betrachtet.
(8) | Die Tierpflegerin singt ihre Elefanten in den Schlaf. |
9Deutsche Fortbewegungskonstruktionen wurden u. a. in der Dissertation von Gallez (2020) sowie in Dalmas & Gautier (2013, 2018) und De Knop (2020c; 2020d) ausführlich behandelt. In dieser Studie werden sowohl Konstruktionen untersucht, die von De Knop (2020c; 2020d) als „caused-motion-Konstruktionen“ betrachtet werden, als auch die verwandten Resultativkonstruktionen. Die hier untersuchten Konstruktionen befinden sich laut Gallez (2020) auf einem Motion-Result-Kontinuum, das sich von konkreten Fortbewegungen über metaphorische Fortbewegungen bis hin zu Fortbewegungen in einen Zustand hinein erstreckt.
10Besonders interessant ist die Tatsache, dass diese Fortbewegungskonstruktionen im Deutschen häufig vorkommen, produktiv sind und mit Verben verwendet werden, die keine Fortbewegung bezeichnen (siehe De Knop 2020c; 2020d, Gallez 2020), vgl. etwa husten, köpfen und prügeln in Abb. 1. Die Verwendung dieser Verben ist ‚unerwartet‘, da ihre Bedeutung auf den ersten Blick mit der Bedeutung der Konstruktion unvereinbar zu sein scheint. Durch diesen unerwarteten Gebrauch der Verben stellen diese Konstruktionen eine Herausforderung für Lernende dar.
11Im Folgenden wird auf die verschiedenen Konstituenten der untersuchten Konstruktionen, nämlich das Verb, das Objekt und das oblique Argument, sowie auf die ausgedrückte Fortbewegung eingegangen. In Fortbewegungskonstruktionen behalten die Verben ihre lexikalische Bedeutung und vererben zudem die Bedeutung und Argumentstruktur der Konstruktion. So tragen in solchen Konstruktionen z. B. intransitive Nicht-Fortbewegungsverben zum Ausdruck der Ursache oder Art und Weise der Fortbewegung bei (etwa das Verb husten in (9)) und kommen mit einem Objekt (die Postkarte) und einer direktiven Präpositionalphrase (vom Tisch) vor.
(9) | Heiko hustet die Postkarte vom Tisch. (Ziem & Lasch 2013: 21) |
12In der vorliegenden Studie werden nicht nur Konstruktionen mit einem direkten Objekt (9) berücksichtigt, sondern auch Konstruktionen mit einem Reflexivpronomen im Akkusativ (10), so genannte „fake reflexives“ (siehe u. a. Goldberg & Jackendoff 2004, Ruiz de Mendoza Ibáñez & Agustín Llach 2016). Dieses Reflexivpronomen wird nicht vom Verb, sondern von der Konstruktion verlangt. In solchen Konstruktionen bezeichnen Subjekt und Objekt dieselbe Person/Entität.
(10) | Die Mannschaft hat sich ins Finale gespielt. |
13Das oblique Argument, das den Fortbewegungspfad bezeichnet, wird in den untersuchten Konstruktionen als Präpositionalphrase realisiert. In diesem Beitrag wird auf vier Präpositionen fokussiert: in, aus/von und durch. Die Präposition in deutet auf das Ziel der Fortbewegung hin und führt dementsprechend eine Nominalphrase im Akkusativ ein, während durch die Präpositionen aus und von die Herkunft der Fortbewegung ausgedrückt wird. In den angeführten Beispielen bezeichnet die Präposition durch eine Bewegung über eine Strecke, mit oder ohne Grenzüberschreitung (Engl. ‚boundary crossing‘). Alle vier Präpositionen führen Nominalgruppen ein, die entweder einen konkreten Ort (von der Bühne) oder ein metaphorisches Ziel bezeichnen, etwa ins Finale oder in den Schlaf, wobei letzteres ein Zustand ist (Resultativkonstruktion). In allen Fällen gibt es jedoch die Idee einer Fortbewegung, die konkret oder metaphorisch zu verstehen ist, je nachdem, was der Kern der Präpositionalphrase bezeichnet. Die Bedeutung der jeweiligen Instanzen dieser Konstruktionen ergibt sich somit aus der Kombination der unterschiedlichen Konstituenten.
14Konkrete Bewegungsverben können in Konstruktionen vorkommen, die eine metaphorische Fortbewegung ausdrücken, etwa tanzen + in die TOP-3 in (11), während Nicht-Fortbewegungsverben in Konstruktionen verwendet werden können, die eine konkrete Fortbewegung ausdrücken, wie brüllen + von der Bühne in (12). Dies wurde in der Dissertation von Gallez (2020) ausführlich diskutiert.
(11) | Sie hat sich in die TOP-3 getanzt. |
(12) | Die Fans brüllen den Sänger von der Bühne. |
2.2. Mehrwortverbindungen mit Positionsverben
15Der Gebrauch der deutschen Positionsverben wurde bereits von vielen Sprachwissenschaftlern untersucht (u. a. Serra-Borneto (1996), De Knop & Perrez (2014), Hermann (2021) usw.)3. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über den Gebrauch der drei grundlegenden Positionsverben stehen, liegen und sitzen gegeben. In dieser Sektion liegt der Fokus lediglich auf den Aspekten, die im Rahmen dieser explorativen Studie den Studierenden vermittelt wurden.
2.2.1. Die drei Positionsverben im Allgemeinen
16Als ursprünglicher Prototyp gilt der Mensch in seinen drei Hauptpositionen. Daraus haben sich zahlreiche Bedeutungen entwickelt, die Teil eines breiten semantischen Netzwerks sind. So werden Positionsverben auch mit anderen Lebewesen verwendet, sowie mit unbelebten Entitäten. Hinzu kommt, dass diese Verben nicht nur in einem positionellen Gebrauch, sondern auch – über ein Kontinuum – für den Ausdruck der Lokalisierung (Der Name steht auf der Liste) und des Zustands (bei prototypischen Funktionsverbgefügen, wie in Der Baum steht in Blüte) verwendet werden. Dies wird in Abb. 2 schematisch dargestellt:
17Daneben verfügt jedes Positionsverb über ein breites Spektrum an Bedeutungslesarten, die keineswegs willkürlich miteinander verbunden sind, sondern sich ebenfalls in einem logisch-strukturierten semantischen Netzwerk befinden. Ein Ziel der Untersuchung von Hermann (2021) bestand darin, die zugrundeliegenden Konzeptualisierungen zu identifizieren, die den Gebrauch der Positionsverben in Mehrwortverbindungen (Idiomen, Kollokationen und Funktionsverbgefügen) motivieren. So wurde u. a. gezeigt, dass der Gebrauch der Positionsverben als Funktionsverben auch stets mit deren ursprünglichen Vollverbsemantik verbunden ist. Im Folgenden werden einige End-Ergebnisse dieser semantischen Analyse kurz dargelegt.
2.2.2. Das Positionsverb stehen
18Die stehende Position gilt als Standardposition des Menschen. Wenn er steht, nimmt der Mensch verschiedene körperliche Erfahrungen wahr, wie u. a. das Gleichgewicht, die Vertikalität, den Widerstand und die Zentralität (Gibbs et al. 1994). Aus diesen Erfahrungen (oder „Image-Schemas“ – u. a. Oakley 2007) ergeben sich verschiedene Konzeptualisierungen, die die unterschiedlichen Bedeutungslesarten des Positionsverbs motivieren.4 Wir konzentrieren uns hier auf fünf davon:
19– Gleichgewicht > auf seiner Basis sein und funktionell sein
Das Konzept des Gleichgewichts ist die wichtigste Körpererfahrung, die mit der stehenden Position verbunden ist. Damit geht die Konzeptualisierung ‚auf seiner Basis sein’ einher: Wenn man steht, ist man stabil und funktionell. Dieser Gebrauch wird erweitert und tritt auch u. a. bei Gegenständen auf:
(13) | Die Tasse steht auf dem Regal. |
20– Vertikalität > Kontrolle und Dominanz
Wir erleben Vertikalität jedes Mal, wenn wir auf unseren Füßen stehen. Damit ist u. a. die Konzeptualisierung ‚Kontrolle und Dominanz‘ verbunden, da die Kontrolle meist eine obere Position und der Mangel an Kontrolle eine untere Position impliziert (vgl. Lakoff & Johnson 1980).
(14) | Die Familie steht seit Monaten unter Kontrolle. |
21– Widerstand > geschrieben sein und festgelegt sein
Die stehende Position erfordert eine gewisse Anstrengung und ermöglicht es gleichzeitig, äußeren Kräften besser zu widerstehen. Daraus ergibt sich die Konzeptualisierung ‚geschrieben sein und festgelegt sein’: Das Geschriebene ist etabliert, widerstandsfähig und bleibt über die Zeit bestehen:
(15) | Diese Information steht in der Zeitung. |
22– Widerstand > Kraft
Die Körpererfahrung des Widerstands ist mit einer weiteren Konzeptualisierung verbunden, nämlich die Kraft. Eine stehende Person hat die volle Kontrolle über ihre Bewegungen und befindet sich in einer starken Position:
(16) | Sie steht hinter seiner Entscheidung. |
23– Zentralität > ‚Exposure‘
Eine stehende Person ist besonders sichtbar und zentral. Damit geht die Konzeptualisierung der ‚Exposure’ einher: Eine Person befindet sich an einem Ort, an dem sie anderen ausgesetzt wird. Sie steht dann im Mittelpunkt und ist daher besonders auffällig und prädominant.
(17) | Das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ steht im Fokus. |
2.2.3. Das Positionsverb liegen
24Die liegende Position steht in direkter Opposition zur stehenden Position. Aus diesem Grund wird hier von den Gegensätzen der körperlichen Erfahrungen ausgegangen, die für die stehende Position etabliert wurden:
25– Horizontalität > breiter sein als hoch
Die Horizontalität spielt beim Gebrauch vom Verb liegen eine bedeutende Rolle. Sobald ein Gegenstand horizontal gerichtet ist (also breiter ist als hoch), und sich nicht auf seiner Basis befindet, wird er mit diesem Verb lokalisiert:
(18) | Die Matratze liegt am Boden. |
26– Horizontalität > geotopographische Lokalisierung
Aus der Horizontalität ergibt sich ebenfalls die Idee der geotopographischen Lokalisierung: Wenn z. B. eine Stadt auf einer Landkarte lokalisiert wird, wird sie in Bezug auf den Platz, den sie auf der horizontalen Ebene einnimmt, wahrgenommen (2D-Darstellung):
(19) | Das Dorf liegt an der Grenze. |
27– Kein Widerstand > Wehrlosigkeit, Schwäche
Die liegende Position erfordert keine Anstrengung. Außerdem ist eine liegende Person nicht widerstandsfähig, sondern im Gegenteil ihrer Umgebung gegenüber in einer schwachen Position. Damit ist die Konzeptualisierung der Wehrlosigkeit/Schwäche verbunden, sowie eine gewisse Passivität:
(20) | Die Organisation liegt in seinen Händen. |
28– Keine Zentralität > peripher und latent sein
Eine liegende Person ist zwar da, aber sie ist nicht besonders auffällig. Sie steht nicht im Mittelpunkt und zieht keine Aufmerksamkeit auf sich. Diese Konzeptualisierung impliziert auch, dass die Person/Figur nicht besonders sichtbar ist oder zumindest latent vorhanden ist (nicht hervortretend):
(21) | Drei Prinzipien liegen dieser Strategie zugrunde. |
29– Kein Gleichgewicht > keine Basis haben
Die liegende Position erfordert keinerlei Gleichgewichtssinn. Daraus ergibt sich die Konzeptualisierung ‚keine Basis haben‘: Gegenstände, die ‚orientierungslos‘ sind (z. B. ein Ball) oder welche, die keine Rigidität aufweisen (z. B. ein Handtuch) werden mit liegen lokalisiert:
(22) | Der Schal liegt auf dem Bett. |
30– Kein Gleichgewicht > Inaktivität, Stativität
Eine weitere Konzeptualisierung, die sich aus dem abwesenden Gleichgewichtssinn ergibt, ist die Idee der Inaktivität und Stativität. So ist eine liegende Person/Figur weder aktiv noch dynamisch:
(23) | Das Projekt liegt auf Eis. |
2.2.4. Das Positionsverb sitzen
31Die sitzende Position befindet sich zwischen der stehenden und der liegenden Position. Diese Position ist mit der Idee des Behälters (CONTAINMENT) verbunden: Wenn eine Person z. B. in einem Sessel sitzt, wird sie von diesem Sessel umhüllt, sie ist darin enthalten. Hier werden zwei daraus resultierende Konzeptualisierungen angesprochen, nämlich ‚blockiert, befestigt auf Position’ und ‚Mitgliedschaft’:
32– Behälter > Blockiert, befestigt auf Position
Hier ist die Person nicht nur in den Behälter eingehüllt, sondern auch darin gefangen (in (24) – oder darauf in (25)) und kann ihn nicht mehr verlassen. In Verbindung damit steht auch die Vorstellung, auf eine bestimmte Position fixiert zu sein und sich nicht mehr bewegen zu können (25).
(24) | Er sitzt im Gefängnis. |
(25) | Die Brille sitzt auf der Nase. |
33– Behälter > Mitgliedschaft
Der Behälter kann auch abstrakter aufgefasst werden und sich auf eine Gruppe beziehen, der eine Person angehört. Die Person ist dann in dieser Gruppe ‚enthalten‘.
(26) | Er sitzt in der Jury von The Voice. |
2.3. Herausforderungen für den Fremdsprachenunterricht
34Wie bereits angeführt, erweisen sich sowohl die Fortbewegungskon-
struktionen als auch die Mehrwortverbindungen mit Positionsverben (kurz LFA) als problematisch für französischsprachige Lernende. Dies kann u. a. auf die typologischen Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Französischen, sowie den metaphorischen Gebrauch der deutschen Verben zurückgeführt werden.
35Eine empirische Untersuchung von Gallez & De Knop (2016) hat zum Beispiel gezeigt, dass „ungefähr die Hälfte der Lernenden die Bedeutung von ‚caused motion’ Konstruktionen nicht einmal verstehen können“ (De Knop 2020c: 1384). Vor Allem die Produktivität dieser Kon-
struktionen und der daraus folgende unerwartete Gebrauch der Verben stellen für Deutschlernende eine große Herausforderung dar. In der Studie von Gallez & De Knop (2016) hat sich auch erwiesen, dass die Beziehung zwischen den Konstituenten den Lernenden Schwierigkeiten bereitet, auch wenn diese die einzelnen Wörter verstehen. Außerdem werden solche Konstruktionen im Unterricht und in den Lehrwerken kaum behandelt, obwohl sie u. a. in der Presse (Gallez 2020) häufig vorkommen. In den Lehrwerken wird der Ausdruck der Fortbewegung hauptsächlich im Zusammenhang mit Positions- und Fortbewegungsverben sowie Wechselpräpositionen diskutiert. Darüber hinaus sind Konstruktionen sprachspezifisch und es gibt nicht immer ‚eins-zu-eins‘ äquivalente Konstruktionen in allen Sprachen (siehe u. a. Boas & Ziem 2018), was eine weitere Herausforderung für Lernende darstellen kann.
36Das Erlernen der Positionsverben durch (französischsprachige) Studierende wurde bereits mehrfach untersucht (u. a. Lemmens & Perrez (2010), De Knop & Perrez (2014) und De Knop (2015, 2016)). Wie diese Autoren zurecht anmerken, beschreiben die meisten Lehrwerke nur den konkreten Positionsgebrauch der Verben und lassen deren metaphorische Erweiterungen – die eigentlich den Lernenden am meisten Schwierigkeiten bereiten – außer Acht. Daneben bereitet auch das Erlernen von Funktionsverbgefügen den Studierenden große Schwierigkeiten, die sie mit Hilfe der Lehrwerke kaum überwinden können (u. a. Kamber 2008; Mollica 2020; Suñer & Roche 2021): “learners are typically presented with lists clustering light verb constructions according to different formal criteria (e. g. same preposition, same verb, etc.) but fail to elucidate their meaningfulness.” (Suñer & Roche 2021: 425).
37Die zahlreichen Schwierigkeiten, mit denen französischsprachige Lernende beim Erlernen der beiden LFA konfrontiert werden, sind u. a. darauf zurückzuführen, dass das Deutsche und das Französische zu unterschiedlichen typologischen Klassen gehören (siehe weiter oben). So wechseln französischsprachige Lernenden des Deutschen von einem ‚einfachen’ System mit einem neutralen Verb zu einem ‚komplexeren’ System mit zahlreichen Art-und-Weise-Verben (‚manner-verbs’).
38Obwohl beide LFA in diesem Beitrag anhand verschiedener kognitionslinguistischer Ansätze beschrieben werden (Konstruktionsgrammatik und Image-Schemas-Theorie), weist ihre Didaktisierung eine grundlegende Gemeinsamkeit auf: Sowohl die kausativen Fortbewegungskonstruktionen als auch die Mehrwortverbindungen mit Positionsverben eignen sich besonders gut für das Embodied Teaching. Der Fokus unseres Beitrags wird dementsprechend auf dieser Gemeinsamkeit liegen; daher wird in der nächsten Sektion näher auf das Embodied Teaching eingegangen.
3. Das Embodied Teaching
39Wie in der Kognitiven Linguistik weitgehend angenommen, ist die Bedeutung von Konzepten keine objektive Darstellung der Welt, sondern eine subjektive ‚menschliche Konstruktion‘:
Seit Lakoff und Johnsons (1999: 22) wegweisender Arbeit zur konzeptuellen Metapherntheorie wissen wir, dass „human concepts are not just reflections of an external reality, but [...] they are crucially shaped by our bodies and brains, especially by our sensorimotor system”.
(De Knop 2020c: 1381)
40De Knop (2020a) erkennt zurecht, dass das Prinzip des Embodiments, obwohl es eine so wichtige Rolle in der Bedeutungskonstruktion spielt, kaum in der Fremdsprachendidaktik herangezogen wird. Daher schlägt sie vor, eine „embodied construction practice” im Fremdsprachenunterricht zu integrieren, damit die Bedeutungen von Einheiten den Lernenden nicht nur vermittelt werden, sondern auch durch sie konstruiert werden. Sie zitiert Rathunde (2009: 73) und schreibt „it is important to find ways to put the body back into the mind and create more embodied educational environments“ (2020a:150–151).
41Die ‚verkörperte‘ Kognition kann auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden, je nach den im Unterricht behandelten Konstruktionen (De Knop 2020a und 2020b): Es kann sich um interaktive Aktivitäten handeln, in denen Studierende ihren eigenen Körper einsetzen, oder sie kann auch durch Visualisierungen von Bildern und Gegenständen, Multimedia-Animationen (Roche & Suñer 2017; Suñer & Roche 2021), Gestik (MacArthur & Littlemore 2008) usw. gefördert werden. So plädiert De Knop (2020c: 1386) für ein „mehrkanaliges Lernen, das nicht nur verbale, sondern auch gestische oder visuelle Ausdrucksformen umfasst“.
42De Knop (2020b) beschreibt einige Möglichkeiten, den Unterricht anhand von konkretem Körpereinsatz oder Bildern auf eine embodied-orientierte Weise zu gestalten. Sie äußert allerdings einige Vorbehalte gegenüber der Effizienz dieser Methodik und betont die Notwendigkeit empirischer Untersuchungen: „Although the embodied methodology sounds promising [...] it has not been empirically tested yet and we cannot report on positive results attesting to the efficiency of this method“ (De Knop 2020b:141). Genau hier setzt unsere explorative Untersuchung an.
43In dem vorliegenden Beitrag wird ein möglicher Einsatz von Embodied Teaching für die beiden hier oben beschriebenen LFA präsentiert. Diese eignen sich besonders gut für einen verkörperten Unterricht „da sie konkret sind, visualisiert werden können und viele in den Konstruktionen dargestellte Aktionen oder Prozesse aufgeführt werden können“ (De Knop 2020c: 1381). Die hier untersuchten Fortbewegungskonstruktionen eignen sich für Embodied Teaching, weil die ausgedrückte Fortbewegung durch Visualisierung oder Gestik auch bei metaphorischen Fortbewegungen gezeigt bzw. wahrgenommen werden kann. Die Mehrwortverbindungen mit Positionsverben eignen sich ebenfalls besonders gut für diesen Ansatz durch ihre ursprünglich konkret-körperliche Bedeutung. De Knop (2020a) weist darauf hin, dass der Gebrauch dieser Verben anhand ihrer zugrundeliegenden Image-Schemas erläutert werden kann, was einen optimalen Ansatz liefert, um dem Embodiment seinen rechtmäßigen Platz im Fremdsprachenunterricht zu geben.
44Im Rahmen unserer Studie wurde eine verkörperte Unterrichtsmethodik ausgetestet. Nicht nur die Gestaltung des Unterrichts, sondern auch die Aufgaben in den Tests sind als ‚embodiment-orientiert‘ zu betrachten: So mussten die Studierenden u. a. beschreiben, wie sie sich die verschiedenen Szenen mental vorstellen oder wie die Szenen sich mit Bezug auf den menschlichen Körper interpretieren lassen. Es reicht unserer Meinung nach nämlich nicht aus, den Studierenden eine verkörperte Denkweise während der Intervention vorzustellen, wenn die darauffolgenden Tests diese Denkweise nicht ausreichend ans Licht bringen. Wie bereits von Alonso-Aparicio & Llopis-García (2019) und Llopis-García (2021) bemerkt, begünstigen viele bisher durchgeführte empirische Tests immer wieder die traditionellen Unterrichtsmethoden, da sie auf formale Aufgaben (Lückentext usw.) zurückgreifen: „[...] why are we assessing new methods with old ways?“ (Llopis-García 2021). Vielmehr soll hier auf die Bedeutung und das eigentliche Verstehen solcher LFA fokussiert werden, statt auf deren Form.
4. Studie
Forschungsfrage und Hypothesen
45Im Rahmen dieser Studie wird der Frage nachgegangen, inwiefern eine Unterrichtsmethode, die auf Embodiment basiert, das Verständnis der beiden LFA fördert. Wie bereits erläutert, liegt hier der Fokus auf der Entwicklung von autonomen verkörperten Konzeptualisierungsprozessen im Fremdsprachenunterricht. Es soll auch erforscht werden, inwiefern das Embodied Teaching nicht nur für das Verständnis von konkreten, sondern auch von abstrakten Situationen erfolgreich sein kann. Es soll allerdings betont werden, dass es sich hier um eine explorative Studie handelt, deren Ziel nicht darin besteht, eine neue Unterrichtsmethodik mit einer anderen (traditionellen) zu vergleichen.
TeilnehmerInnen
46An dieser Studie nahmen 23 Studierende im zweiten Bachelor der Studiengänge Germanistik bzw. Übersetzung an drei belgischen französischsprachigen Universitäten (Universtité catholique de Louvain, Université de Namur, Université Saint-Louis - Bruxelles) teil. Die Sprachkenntnisse der TeilnehmerInnen wurden auf der Grundlage des abgeschlossenen ersten Bachelor-Jahres und deren Selbsteinschätzung für die Kompetenzen Hören, Lesen, Sprechen und Schreiben nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER) bewertet. Im BA2 wird in Lehrplänen davon ausgegangen, dass das allgemeine Sprachniveau der Studierenden zwischen B1 und B2 liegt. Die Selbsteinschätzungen der Studierenden haben diese Schwelle jedoch etwas nach unten korrigiert: Die Durchschnittswerte für das Hören, das Lesen und das Schreiben liegen den Einschätzungen zufolge bei B1 und für das Sprechen bei A2.
Design und Durchführung
47Die Untersuchung, die wir an den drei Universitäten durchgeführt haben, dauerte 2 Stunden und bestand aus 4 Teilen: einer Einführung (ca. 15 Min.), einem Pretest (ca. 35 Min.), der Intervention zur Vermittlung der LFA durch Embodied Teaching (ca. 35 Min.) und einem Posttest (ca. 15 Min.). Französisch wurde dabei als Instruktionssprache verwendet, da es hier vor allem um die Rezeption der beiden LFA ging. Die Studierenden sollten nämlich die Bedeutung und den Gebrauch der LFA motivieren, und dies sollte nicht durch mangelnde Deutschkenntnisse beeinträchtigt werden. Aus dem gleichen Grund wurde den TeilnehmerInnen die Übersetzung von ‚schwierigeren‘ Wörtern (z. B. die Menge, das Gitter) sowohl im Pretest als auch im Posttest mitgeteilt.
48In der Einführung wurde den TeilnehmerInnen die Struktur der Intervention kurz erklärt. Daraufhin fand der Pretest statt. Dieser bestand aus zwei Teilen, die mit unterschiedlichen Aufgaben verbunden waren: In Teil A wurden kausative Fortbewegungskonstruktionen behandelt, während Teil B Aufgaben über Mehrwortverbindungen mit Positionsverben enthielt (siehe Anhang).
49In Teil A wurden das Erkennen unerwarteter Eigenschaften und das Verständnis von kausativen Fortbewegungskonstruktionen anhand der folgenden 6 Sätze ermittelt:
Abb. 3: Sätze vom Pretest – Teil A
Er boxt sich durch die Menge. |
50Zu jedem Satz wurden den TeilnehmerInnen drei Fragen auf Französisch gestellt: Die erste betraf das allgemeine Verständnis der jeweiligen Satzaussagen bzw. deren empfundenen Schwierigkeitsgrad (Likert-Skala). In der zweiten wurde gefragt, ob etwas Unerwartetes im Gebrauch des Verbs zu erkennen war (wenn ja, mit Erläuterung). In der dritten ging es um die mentale Darstellung der Szene: Die TeilnehmerInnen sollten die Situation auf Französisch kurz beschreiben und dazu ein vereinfachtes Schema zeichnen.
Abb. 4: Fragen – Teil A
a) Ich verstehe diesen Satz leicht (1) / schwer (6). |
51Teil B bestand aus den folgenden 6 Sätzen mit Positionsverben:
Abb. 5: Sätze vom Pretest – Teil B
Der Teller steht auf dem Tisch. |
52Zu jedem Satz wurden den Teilnehmenden wiederum drei Fragen gestellt: Bei der ersten ging es ebenfalls um das allgemeine Verständnis der Satzaussage. In der zweiten wurde nach der Bedeutung des Satzes gefragt. Bei der dritten Frage sollten die Teilnehmenden den Gebrauch des Verbs erklären. Dabei sollten sie auf den menschlichen Körper Bezug nehmen.
Abb. 6: Fragen – Teil B
a) Ich verstehe diesen Satz leicht (1) / schwer (6). |
53Die 12 Sätze des Pretests weisen ein gewisses Maß an Repräsentativität auf: Sie enthalten unterschiedliche Bestandteile (z. B. Präpositionen, Reflexivpronomen, Positionsverben) und sie haben entweder eine konkrete oder eine abstrakte Bedeutung. Anhand der Entwicklung von konkreten Sätzen zu abstrakteren Sätzen soll geprüft werden, inwiefern die verkörperte Denkweise sich auch für abstrakte Szenen als hilfreich erweisen kann.
54Nach dem Pretest wurden den Studierenden die beiden LFA anhand einer PPT-Präsentation auf einer verkörperten Art und Weise vermittelt: Bei den kausativen Fortbewegungskonstruktionen wurde anhand von Animationen und Gestik den Fokus auf die dynamische Darstellung der Szene gelegt. Bei den Mehrwortverbindungen mit Positionsverben wurde Bezug auf die eigene Körpererfahrung genommen und einige wichtige Image-Schemas erläutert, die für die drei Positionen typisch sind.
55Die letzte Phase bestand in einem Posttest: Hier wurden die gleichen Fragen wie im Pretest zu 12 neuen Sätzen gestellt. Nur die Hälfte der Posttest-Sätze waren den Pretest-Sätzen sehr ähnlich. Somit konnte bei den weiteren sechs Sätzen die Extrapolationsfähigkeit der Probanden getestet werden. Die Verteilung zwischen konkreten und abstrakten Sätzen war ebenfalls zwischen Pre- und Posttest gleich (siehe Anhang).
Resultate
56Die Antworten der TeilnehmerInnen wurden binär (richtig/falsch) oder nach Likert-Skalen kodiert und durch unterschiedliche statistische Tests mit SPSS 27 ausgewertet. Es sollte zunächst überprüft werden, ob für die gesamten Pre- und Posttests eine signifikante Verbesserung des Verständnisses und der Erkennungsaufgaben festzustellen war. Berücksichtigt wurden deswegen die Fragen b und c der jeweiligen Teile der Tests. Da die Gesamtdaten normalverteilt waren (Kolmogorov-Smirnov >0.05), wurde ein parametrischer T-Test für abhängige Stichproben durchgeführt, der aufwies, dass der Unterschied zwischen dem Pretest und dem Posttest tatsächlich hochsignifikant war. Nach der Intervention (M = 61.30, SD = 9,32) schnitten die Probanden signifikant besser ab als vor der Intervention (M = 34.52, SD = 4.97). Es zeigte sich, dass die Intervention einen erkennbaren Einfluss auf die Leistungen der TeilnehmerInnen hatte (t = -13.425, p = .000, n = 23). Daraus kann man folgern, dass sich das Verständnis und das Erklären von typischen Eigenschaften der untersuchten LFA durch die Intervention allgemein verbessert haben.
57Was die Effektstärke betrifft, so haben Pearson-Korrelationen gezeigt, dass der Effekt bei der Betrachtung der gesamten Pre- und Posttests (Teil A + B, Fragen b + c) relativ schwach ist (.218), während er bei der getrennten Berücksichtigung von Teil A und B stärker ist (Teil A: .333; Teil B: .329). Allgemein kann man daraus schließen, dass der Unterschied zwischen den gesamten Pre- und Posttests zwar hochsignifikant ist, aber dass der Effekt intensiver ist, wenn Teil A und Teil B gesondert untersucht werden. Deswegen wurden in einem weiteren Schritt für beide Teile die Gesamtdaten und anschließend die Antworten auf die Fragen b und c separat analysiert.
58Aufgrund der unterschiedlichen Verteilung der Gesamtdaten für die beiden Teile wurden für Teil A ein parametrischer T-Test und für Teil B ein nicht-parametrischer Wilcoxon-Test durchgeführt. Aus dem T-Test für Teil A konnte festgestellt werden, dass der Unterschied zwischen den Leistungen der Studierenden im Pretest (M = 17.96, SD = 3.96) und im Posttest (M = 27, SD = 5.66) hochsignifikant war (t = -7.576, p = .000, n = 23). Ähnliches konnte aus dem Wilcoxon-Test für Teil B festgestellt werden (z = 276.000, p = .000, n = 23), bei dem die Ergebnisse im Posttest (Mdn = 23) besser waren als im Pretest (Mdn = 17). Daraus kann man schließen, dass die TeilnehmerInnen durch die Intervention sowohl die kausativen Fortbewegungskonstruktionen als auch die Mehrwortverbindungen mit Positionsverben besser analysiert und verstanden haben.
59Im Folgenden werden die Resultate der Tests für die Fragen b und c in Teil A und für die Frage c in Teil B quantitativ dargestellt. In Teil A gab es bei der Frage b zum ‚unerwarteten‘ Gebrauch des Verbs in den untersuchten Konstruktionen einen signifikanten Unterschied zwischen dem Pre- und dem Posttest. Da die Daten bei den jeweiligen Fragen nicht normalverteilt waren, wurden hier nicht-parametrische Tests durchgeführt. Die statistische Auswertung der Daten hat gezeigt, dass die TeilnehmerInnen die besonderen Eigenschaften des Verbs beim Posttest (Mdn = 4) besser erkannt bzw. erklärt haben als im Pretest (Mdn = 1): Wilcoxon-Test z = 151.000, p = .004, n = 23. Was die Frage c zum Verständnis der Instanzen der Konstruktionen betrifft, so konnte Folgendes festgestellt werden: Im Vergleich zum Pretest wurden im Postest mehr Zeichnungen produziert und die Leistungen waren signifikant besser (Mdn Prestest = 1; Mdn Posttest= 4; Wilcoxon-Test z = 253.000, p = <.001, n = 23). Das heißt, dass die annotierten Schemata alle semantischen Eigenschaften der Konstruktionen widerspiegelten, nämlich sowohl die Art und Weise als auch die Fortbewegung (durch Pfeile angegeben). Auch bei der textuellen Wiedergabe der Bedeutung der Konstruktion war der Fortschritt im Posttest signifikant (Wilcoxon-Test z = 231.000, p = <.001, n = 23).
60Was Teil B betrifft, so haben die statistischen Auswertungen bei der Frage c zum Gebrauch der Positionsverben in den jeweiligen Beispielsätzen gezeigt, dass die TeilnehmerInnen im Posttest häufiger auf diese Frage geantwortet haben als im Pretest (M Pretest = 5.30, M Posttest = 5.87). Anschließend hat ein Wilcoxon-Test ergeben, dass sich die zentralen Tendenzen im Pre- und Posttest (Ränge) sich signifikant voneinander unterscheiden (z = 42.000, p = .018, n = 23). Interessanter ist aber die Tatsache, dass die Studierenden die konzeptuelle Motiviertheit der Positionsverben besser erklärt haben. Im Pretest (Mdn = 0) gab es deutlich weniger korrekte Antworten als im Posttest (Mdn = 5), was einen signifikanten Unterschied darstellt (Wilcoxon-Test z = 253.000 p = .000, n = 23).
61In der folgenden qualitativen Analyse werden die Resultate anhand von konkreten Beispielen diskutiert.
- TEIL A
62Wie oben erwähnt, verstehen Lernende solche Konstruktionen mit Nicht-Fortbewegungsverben oft nicht. Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass die Intervention zu einer stärkeren Bewusstmachung der Eigenschaften von Fortbewegungskonstruktionen und zum besseren Verständnis derselben geführt hat. Im Folgenden werden wir zuerst auf die Antworten auf Frage b zum ‚unerwarteten‘ Gebrauch der Verben eingehen und uns dann auf Frage c zur Beschreibung und schematischen Darstellung der Bedeutung der Konstruktionen konzentrieren.
63Bei der Erklärung des Gebrauchs der Verben (Frage b) haben die Lernenden schon im Pretest sowohl semantische als auch syntaktische Kriterien genannt: (i) Mehrere TeilnehmerInnen gingen davon aus, dass das Verb nicht in seiner lexikalischen Bedeutung verstanden oder dass die Instanz der Konstruktion als idiomatischer Ausdruck betrachtet werden sollte. Sie verstanden weder den semantischen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Konstituenten noch die Bedeutung der Konstruktion. Nur wenige TeilnehmerInnen erwähnten die Tatsache, dass das Verb keine Fortbewegung ausdrückt. Sie erkannten nicht, dass das Verb die Ursache oder die Art und Weise der Fortbewegung bezeichnete. (ii) Auf der syntaktischen Ebene gaben manche TeilnehmerInnen an, dass der Gebrauch eines Reflexivpronomens, eines direkten Objektes oder einer Präpositionalphrase unerwartet war, etwa bei sich in die Top-3 tanzen oder bei der Präposition aus mit dem Verb komplimentieren. (iii) Nur in seltenen Fällen wurden beide Aspekte in einer einzelnen Antwort erwähnt: Die Teilnehmer haben sich entweder auf die semantischen oder auf die syntaktischen Aspekte beschränkt.
64Nachdem in der Intervention erklärt worden war, dass das Verb seine lexikalische Bedeutung behält und so zum Ausdruck der Ursache oder der Art und Weise der Fortbewegung in der Konstruktion beiträgt, war den Probanden der Zusammenhang zwischen den Konstituenten deutlicher. Bei Frage b wurde im Posttest neben der Angabe des Reflexivpronomens und/oder anderer Ergänzungen auch die Bedeutung der Konstruktion erwähnt, nämlich die (metaphorische) Fortbewegung. Darüber hinaus gaben mehrere TeilnehmerInnen sowohl semantische als auch syntaktische Eigenschaften in derselben Antwort an. Auch der unerwartete Gebrauch der Verben in Fortbewegungskonstruktionen wurde im Posttest vermehrt genannt. Dies wird an folgenden Beispielen (Abb.7) mit den Ausdrücken provoquer un mouvement, initier un déplacement (‚eine Fortbewegung verursachen‘) deutlich.
Abb. 7: Teil A – Frage b
Die Fans brüllen den Sänger von der Konzertbühne. |
„Le verbe brüllen n’est pas un verbe de déplacement dans son emploi de base, mais ici, il le devient par les compléments qu’on lui ajoute.“ [AAV214] |
„brüllen n’est pas un verbe de déplacement mais il en initie un.“ [EAN522] |
„brüllen“ + „von“ |
65Auch die metaphorische Fortbewegung in einen Zustand hinein wurde im Posttest genauer erklärt:
Abb. 8: Teil A – Frage b
Der Nachbar hat den Dieb ins Koma geprügelt. |
„Tabasser est utilisé pour un déplacement d’un état à un autre.“ [AAC2046] (‚Prügeln wird für eine Fortbewegung aus einem Zustand in einen anderen Zustand verwendet.‘) |
66Was das Verständnis der verschiedenen Beispiele (Frage c) betrifft, zeigen die Antworten der Lernenden interessante Befunde. Erstens antworteten TeilnehmerInnen, die bei Frage b relevante Eigenschaften erwähnten, nicht immer richtig auf Frage c. In solchen Fällen hatten die Studierenden zwar das Prinzip der Konstruktion verstanden, nicht aber die Bedeutung der jeweiligen Instanz (siehe Abb. 9).
Abb. 9: Teil A – Frage c – Satz 1
Die Fans brüllen den Sänger von der Konzertbühne. |
„brüllen n’est pas un verbe de déplacement mais il en initie un.“ [EAN522] |
„Les fans crient tellement fort que les chanteurs arrivent sur la scène pour se faire acclamer.“ [EAN522] |
67Zweitens haben die TeilnehmerInnen nicht immer die Aspekte Fortbewegung und Art und Weise/Ursache wiedergegeben, dies könnte mit den typologischen Unterschieden zwischen dem Deutschen und dem Französischen zusammenhängen oder damit, dass die TeilnehmerInnen nicht verstanden haben, dass durch diesen Satz eine (metaphorische) Fortbewegung ausgedrückt wird.
68Schon im Pretest hatten die Studierenden versucht, die Bedeutung der Konstruktion nicht nur mit Text, sondern auch mit Zeichnungen darzustellen, allerdings nicht immer mit Hinweis auf die Fortbewegung bzw. die Zustandsveränderung. Im Posttest haben die TeilnehmerInnen die Konstruktion und den Zusammenhang zwischen den Konstituenten besser verstanden bzw. erklärt oder bildlich dargestellt (siehe Beispiele weiter unten). Im Folgenden werden zunächst ein paar Erläuterungen zu den Textantworten (Frage c1), dann zu den Zeichnungen (Frage c2) gegeben und letztendlich wird der Zusammenhang zwischen beiden diskutiert. Bei den korrekten Textantworten wurde der kausale
69Zusammenhang zwischen der im Verb ausgedrückten Handlung und der (metaphorischen) Fortbewegung genannt, siehe Abb. 10.
Abb. 10: Teil A – Frage c – Satz 6
Der Nachbar hat den Dieb ins Koma geprügelt. |
„Il l’a tabassé jusqu’à lui provoquer un coma.“ [AOV1175] |
„Le voisin a tabassé le voleur à tel point que celui-ci est tombé dans le coma.“ [NAA34] |
Die Fans brüllen den Sänger von der Konzertbühne. |
„Les fans hurlent sur le chanteur, ce qui a pour conséquence de le faire partir. “ [NAA34] |
70Im Französischen kann, wie oben erwähnt, die Art und Weise in einem zweiten Verb (Gerundiv) ausgedrückt werden, was sich in den Antworten zeigt, etwa mit en hurlant (‚brüllend‘) oder en sonnant (‚klingelnd‘) in Abb. 11. Das Hauptverb bezeichnet dann den Pfad der Fortbewegung oder das Resultat.
Abb. 11: Teil A – Frage c – Satz 5
Die Fans brüllen den Sänger von der Konzertbühne. |
„Les fans font partir le chanteur de la scène en hurlant.“ [SHA1155] |
Ein Mann hat Angela Merkel aus dem Schlaf geklingelt. |
„Un homme a réveillé A. Merkel en sonnant à sa porte.“ [PEU119] |
71Was die Zeichnungen betrifft, so wurden im Posttest die Fortbewegung und/oder die kausalen Beziehungen detailliert dargestellt (siehe Abb. 12).
72Dies kann als Beweis dafür gelten, dass die Studierenden die Kon-
struktion besser verstanden haben, was durch den Vergleich mit den Textantworten weitgehend bestätigt wird. Entweder stimmen beide Antworten überein (vgl. Abb. 13) oder sie ergänzen sich (vgl. Abb. 14). Vereinzelt ist nur c1 oder c2 richtig.
73Diese Antworten zeigen, dass die Studierenden die Szene und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Elementen der Fortbewegung visualisiert haben. Sie haben sich darauf gestützt, um im Posttest Instanzen der Konstruktionen, die sie noch nicht begegnet waren, zu verstehen und zu beschreiben. Bei manchen TeilnehmerInnen war der Fortschritt sogar erheblich: von 0 richtigen Antworten im Pretest zu mehr als 80% im Posttest.
- TEIL B
74Die 12 vorgelegten Sätze mit Positionsverben wurden im Allgemeinen gut verstanden. Dies sollte u. a. darauf zurückgeführt werden, dass die Übersetzung von ‚schwierigeren‘ Wörtern sowohl im Pretest als auch im Posttest angegeben wurde. Für die Wiedergabe der Bedeutung des Satzes auf Französisch wurde im Pretest und im Posttest entweder auf neutrale Verben zurückgegriffen (hauptsächlich être (‚sein‘) und se trouver (‚sich befinden‘)) oder gelegentlich auf andere Ausdrucksmöglichkeiten ohne Spezifizierung der Position (z. B. Die Präsentation steht nicht auf dem Programm. – La présentation ne fait pas partie du programme.). Dies ist vor dem Hintergrund des typologischen Unterschieds zwischen Deutsch und Französisch nicht erstaunlich.
75In den Pretest-Antworten auf Frage c, in der die TeilnehmerInnen den Gebrauch des Positionsverbs erklären mussten, fällt auf, dass sie oft (in 31/138 Antworten) auf die Opposition zwischen nicht-kausativen und kausativen Positionsverben zurückgreifen (Abb.15): So sei z. B. das Positionsverb stehen ein Zustandsverb und trete dementsprechend mit einer Präpositionalphrase im Dativ auf, während sein entsprechendes kausatives Verb stellen eine Bewegung (mit Akkusativ) ausdrücke. Dies gilt als die traditionelle Erklärung, die im DaF-Unterricht den Studierenden über den Gebrauch der Positionsverben erteilt wird. Hier ein Beispiel:
Abb. 15: Teil B – Frage c – Satz 1
Der Teller steht auf dem Tisch. |
„On utilise stehen car c’est une position dans ce cas et pas un mouvement. Quand il y a un mouvement ou un changement d’endroit on utilise le verbe d’action stellen.“ [AAC2046] |
76Diese nicht-kausative vs. kausative Opposition erlaubt es dennoch nicht, den Gebrauch von stehen z. B. im Gegensatz zum Verb liegen zu rechtfertigen. Aus diesem Grunde greift der traditionelle Ansatz hier zu kurz. In vielen anderen Fällen haben die TeilnehmerInnen versucht, den Gebrauch der Positionsverben anhand einer lückenhaften oder nicht-überzeugenden Erklärung zu rechtfertigen. So wurde z. B. in vielen Antworten auf eine konkrete (stehende, liegende, sitzende) Position des Gegenstands bzw. der Person hingewiesen oder es wurde behauptet, der Ausdruck sei idiomatisch und daher schwer zu motivieren (Abb. 16).
Abb. 16: Teil B – Frage c – Satz 2 und 4
Der Ball liegt im Garten. |
„Liegen, comme stehen, est un verbe de position qui décrit dans quelle position est un objet ou une personne. Ici la balle est à plat contre le sol, elle est donc comme couchée.“ [VNM225] |
Die Präsentation steht nicht auf dem Programm. |
„Aucune idée, c’est juste idiomatique.“ [EAN522] |
77Wie bereits oben angeführt, fällt in den Posttest-Antworten auf Frage c deutlich auf, dass die Studierenden den Gebrauch der Positionsverben besser motivieren können. Sie nehmen dafür Bezug auf die verschiedenen Körpererfahrungen, die mit den drei Positionen einhergehen. Bei einigen Antworten fällt auch besonders auf, dass die Studierenden sich die Szene genau vorstellen und sich mit deren Merkmalen auseinandersetzen. Sie reproduzieren also nicht blind das, was sie während der Intervention gehört haben, sondern demonstrieren ein ‚Embodied Reasoning’ und konstruieren die Bedeutung der Ausdrücke. In Abb.17 sind einige Beispiele (von jeweils unterschiedlichen TeilmehrmerInnen), die diese positive Erkenntnis darlegen:
Abb. 17: Teil B – Frage c – ‚Embodied Reasoning‘
Sein Bett steht momentan im Wohnzimmer. |
„Comme la position debout, le lit a une base stable qui permet l’équilibre.“ [SHA1155] |
Die Decke liegt im Korb. |
„La couverture est un objet sans consistance, mou, ce qui ramène à la notion du manque de besoin d’équilibre de liegen. On ne peut pas vraiment la poser d’une certaine manière.“ [DCL151] |
Er denkt, dass er über den Gesetzen steht. |
„Stehen implique verticalité, hauteur, donc puissance ; être au-dessus de la loi, c’est être plus fort qu’elle.“ [CAL228] |
Sein Nachbar sitzt jetzt im Vorstand. |
„Il se trouve dans ce poste. Ce poste l’englobe comme le fait une chaise quand on est assis.“ [PEU119] |
Das Thema ‚Klimaschutz‘ steht heute zur Debatte. |
„On a utilisé stehen parce que le thème est central au débat, bien mis en avant.“ [VNM225] |
Nach dem Krieg lag die Stadt in Trümmern. |
„Par rapport à la position couchée, la ville était faible, pas visible car détruite.“ [HOU475] |
78Bei den meisten richtigen Antworten wurden die Konzeptualisierungen und konkreten Körpererfahrungen genannt, die auch in Hermann (2021) für die jeweiligen Mehrwortverbindungen ermittelt wurden. Dennoch wurden in einigen Fällen auch andere, aber durchaus überzeugende Motivationen von den Studierenden hervorgebracht. Dies war vor allem der Fall bei dem Satz Nach dem Krieg lag die Stadt in Trümmern: In Hermann (2021) wird der Gebrauch von liegen hier anhand der Konzeptualisierung der Wehrlosigkeit erklärt. Neben dieser Erklärung traten in den Antworten der Probanden auch andere Konzeptualisierungen hervor: Horizontalität, kein Gleichgewicht, keine Basis usw. (Abb. 18).
Abb. 18: Teil B – Frage c – Satz 6
Nach dem Krieg lag die Stadt in Trümmern. |
„Plus rien n’a d’équilibre, tout est sur le sol, cassé.“ [FOU28] |
79Diese Antworten sind unseres Erachtens besonders vielversprechend: Die Studierenden zeigen Kreativität sowie logisches und intuitives Denken. Sie schlagen durchaus überzeugende Erklärungen vor und lassen ihrem intuitiven Embodiment-Denken freien Lauf. So erscheint ihnen das Funktionieren der Fremdsprache als weniger arbiträr; auch wenn diese einer anderen typologischen Klasse angehört als ihre Muttersprache.
5. Diskussion und Ausblick
80Der vorliegende Beitrag widmet sich zwei LFA, die sich in vielen Hinsichten unterscheiden, sei es in Bezug auf ihre Form, ihre Bedeutung, ihren Gebrauch, aber auch ihre theoretische Erfassbarkeit (Konstruktionsgrammatik vs. Image-Schemas-Theorie). Trotz dieser Unterschiede weisen beide LFA eine Gemeinsamkeit auf: Sie erweisen sich für (französischsprachige) Deutschlernende durch ihren starken ‚deutschen Charakter‘ als besonders herausfordernd. Ihrer Didaktisierung im DaF-Unterricht soll dementsprechend genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden – und genau hier setzt für beide LFA das Embodied Teaching an.
81Das Ziel unseres Beitrags war es zu beweisen, dass das Embodied Teaching sich für ein besseres Verständnis der beiden LFA lohnt. Die statistischen Ergebnisse unserer explorativen Studie bestätigen diese Annahme auf vielfältige Weise: (1) Die Studierenden verstehen die Bedeutung der LFA besser im Posttest als im Pretest. (2) Die Studierenden können die Motiviertheit der beiden LFA deutlich besser im Posttest nachvollziehen als im Pretest. (3) Die Studierenden sind auch in der Lage, ihr ‚Embodied Reasoning‘ auf weitere Beispiele zu extrapolieren und ihre ‚konstruktionelle Kompetenz‘ gezielt einzusetzen (vgl. unterschiedliche Sätze im Pre- und im Posttest). (4) Es stellt sich auch heraus, dass dieser Ansatz nicht nur für konkret-körperliche, sondern auch für abstrakte LFA hilfreich ist.
82Daneben soll auch allgemein hinzugefügt werden, dass die Studierenden der theoretischen Intervention gegenüber sehr positiv eingestellt waren. Den informellen Gesprächen am Ende unserer Intervention zufolge fanden sie den Ansatz mit Körpererfahrungen und mit Bildern/Schemata besonders stimulierend. Dies entspricht der Aussage von De Knop (2020b:141): „The teaching lessons become livelier and more active, they lead to more interactive learning in a natural setting”. Wir sind auch davon überzeugt, dass ein solcher Ansatz es ermöglicht, den Studierenden ‚auf den richtigen kognitiven Weg‘ zu bringen und ihre konstruktionelle Kompetenz zu fördern: Sie können die erlernten Kompetenzen ausweiten und sie somit auf weitere Ausdrücke anwenden (vgl. „Scaffolding-Strategie“ bei De Knop (2020c)). Daher ist es wichtig, dass die Studierenden die Konzeptualisierunsstrategien auch tatsächlich übernehmen (siehe u. a. Kanaplianik 2016).
83Neben diesen vielversprechenden Ergebnissen möchten wir jedoch kurz auf einige Einschränkungen unserer Studie eingehen. Wie bereits hervorgehoben, handelt es sich hier um eine explorative Studie, dessen Hauptziel darin bestand, die Effizienz des Embodied Teaching für das Verständnis der kausativen Fortbewegungskonstruktionen und der Mehrwortverbindungen mit Positionsverben zu erforschen. Diese Studie soll vielmehr als ein erster Schritt verstanden werden, der als Ausgangspunkt für weitere Analysen dienen könnte. Hier sollten u. a. folgende Aspekte berücksichtigt werden: (i) Der verfolgte Ansatz setzt nur eine begrenzte Anzahl an didaktischen Methoden ein. So wurden z. B. während der Intervention hauptsächlich Visualisierungen und Körpererfahrungen präsentiert, ohne den Einsatz von anderen verkörperten Methoden oder praktische Übungen. (ii) In einer weiteren Studie wäre es relevant, über die Rezeption hinauszugehen und die Produktion von solchen LFA zu testen. (iii) Einige Fragen konnten anhand der explorativen Studie nicht beantwortet werden. Somit ist nicht klar, ob es eine signifikante Korrelation zwischen Leistungen und Sprachniveau, bzw. Einschätzung der Schwierigkeit gibt. (iv) Das Vorhaben dieser Studie bestand nicht darin, die französische Übersetzung der LFA zu analysieren. Es wäre aber durchaus interessant, diesen kontrastiven Aspekt näher zu erforschen. Es ist nämlich zu erwarten, dass in diesen Ausdrücken die typologische Distanz zwischen Deutsch und Französisch besonders gut zum Vorschein kommen wird. (v) Auch das Design der Studie sollte für eine weitere Studie überarbeitet werden, damit das Embodiment sich noch mehr in den Aufgaben widerspiegelt und diese sich noch mehr von traditionellen formbasierten Aufgaben unterscheiden. (vi) Es wäre auch interessant, die Ergebnisse der Methode im Rahmen einer umfangreicheren Interventionsstudie mit Kontrollgruppe und ‚delayed posttest‘ zu erforschen.
84Als Schlussbemerkung sollte auch beachtet werden, dass das Embodied Teaching – auch wenn es vielversprechende Ergebnisse liefert – andere Methoden nicht ersetzen sollte. Vielmehr sollte es als ergänzender Ansatz genutzt werden, um bestimmte LFA aus einer bedeutungsorientierten Perspektive zu erfassen. In Suñer & Roches Worten (2021: 422): „the integration of such embodied experiences [...] can compensate for overemphasis on the formal aspects of grammar“. Wir sind außerdem der Meinung, dass diese Distanzierung von der Form sich als besonders hilfreich erweist, wenn ein Wechsel der typologischen Klasse vorliegt – wie es bei französischsprachigen Deutschlernenden der Fall ist.
85Letztendlich möchten uns herzlich bei Frau Prof. Dr. De Knop für ihre sehr inspirierenden Arbeiten über diese Thematik bedanken. Dank ihrer hervorragenden Betreuung unserer beiden Dissertationsarbeiten haben wir sehr viel von ihr lernen können. Und anhand dieser Studie haben wir gezeigt, dass ihr Wissen auch bei unseren Studierenden Früchte trägt.
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Abb. 19: Pretest
TEIL A
Er boxt sich durch die Menge.
Er hat den Gast aus dem Haus komplimentiert.
Heiko hustet die Postkarte vom Tisch.
Die Mannschaft hat sich ins Finale gespielt.
Die Schauspielerin lächelt sich in die Herzen der Kinofans.
Die Tierpflegerin singt ihre Elefanten in den Schlaf.
TEIL B
Der Teller steht auf dem Tisch.
Der Ball liegt im Garten.
Der Mann sitzt seit 5 Jahren hinter Gittern.
Die Präsentation steht nicht auf dem Programm.
Die Sekretärin steht für Fragen zur Verfügung.
Das Schiff liegt vor Anker.
Abb. 20: Posttest
TEIL A
Die Fans brüllen den Sänger von der Konzertbühne.
Ein Junge hat sich ins Krankenhaus gefeiert.
Luise hat sich durch das Buch gelacht.
Sie hat sich in die Top-3 getanzt.
Ein Mann hat Angela Merkel aus dem Schlaf geklingelt.
Der Nachbar hat den Dieb ins Koma geprügelt.
TEIL B
Sein Bett steht momentan im Wohnzimmer.
Die Decke liegt im Korb.
Er denkt, dass er über den Gesetzen steht.
Sein Nachbar sitzt jetzt im Vorstand.
Das Thema ‚Klimaschutz‘ steht heute zur Debatte.
Nach dem Krieg lag die Stadt in Trümmern.
Notes de bas de page
1 In diesem Beitrag wird die Abkürzung LFA (für Lokalisierungs- und Fortbewegungsausdrücke) als allgemeine Bezeichnung für die kausativen Fortbewegungskonstruktionen und die Mehrwortverbindungen mit Positionsverben verwendet.
2 An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei Prof. Dr. Ferran Suñer Munoz für seine Unterstützung bei der vorliegenden explorativen Studie bedanken. Seine Expertise in Interventionsstudien und deren statistischen Auswertungen erwiesen sich als besonders hilfreich. Wir möchten uns auch bei den BAC2-Studierenden der Université de Namur, der Université catholique de Louvain und der Université Saint-Louis - Bruxelles für ihre positive Mitarbeit bedanken.
3 Auch Lemmens (u. a. 2002; 2006) befasst sich mit Positionsverben (im Niederländischen) und liefert Ergebnisse, die für die semantische Analyse deutscher Verben ebenfalls von großem Nutzen sind.
4 Im Folgenden werden die Image-Schemas jeweils mit kleinen Großbuchstaben geschrieben und die daraus resultierenden Konzeptualisierungen in Standardschrift.
Auteurs
Université catholique de Louvain
Université Saint-Louis - Bruxelles
Université catholique de Louvain
Université de Namur
Université Saint-Louis – Bruxelles
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