Die Deutsche industrie und der Marshallplan 1947-1952
Le patronat allemand face au Plan Marshall, 1947-1952*
p. 449-465
Résumé
Les industriels d’Allemagne de l’Ouest, si on compare leur attitude à celle de leurs homologues des autres pays européens, ont réservé un accueil particulièrement favorable au Plan Marshall. Il va sans dire qu’ils étaient à la recherche de produits et de financement, tout comme les autres. Mais ils souhaitaient avant tout bénéficier, avec l’aide du Plan de reconstruction économique de l’Europe, d’une égalite de traitement. Etant donné que l’objectif essentiel du Plan Marshall était la coopération économique, il constituait, du point de vue de l’industrie, le cadre le plus approprié pour la reconstruction de l’Allemagne de l’Ouest ; celle-ci, privée de pouvoir politique, représentait néanmoins un potentiel économique nécessaire à la reconstruction de l’Europe occidentale. Bien que les implications politiques du Plan Marshall aient été jugées extrêmement positives, certains de ses principes et de ses consequences economiques ont fait I’objet de critiques, en particulier de la part des syndicats patronaux et des entreprises. Elies touchaient en l’occurrence les mesures prises, dans le cadre du plan Marshall, en matière d’économie, de finances, de commerce et d’investissements. Mais ces critiques étaient assorties de propositions puisque les industriels participaient activement à la définition des programmes de reconstruction annuels, aux travaux de l’OECE ainsi qu’au dispositif du Plan Marshall.
Texte intégral
1Als der amerikanische AuBenminister Marshall im Juni 1947 in seiner Harvard-Rede ein umfangreiches Hilfsprogramm für Europa ankiindigte, war die wirtschaftliche Lage in den Westzonen des besetzten Deutschland alles andere als günstig. Amtlichen Zahlen zufolge erreichte die industrielle Produktion in der Bizone im zweiten Quartal 1947 gerade 40 Prozent des Niveaus von 1936. Noch im Oktober überschritten lediglich die Elektrizitäts- und Gasversorgung, der Bergbau und die Elektroindustrie zwei Drittel des Standes dieses Referenzjahres. Und die Aussichten boten ebenfalls wenig AnlaB zu Optimismus : Der Ende August 1947 von der amerikanischen und britischen Militarregierung veroffentlichte « Revidierte Plan für das Industrieniveau » der beiden Zonen legte zwar Kapazitätsgrenzen fest, die im Durchschnitt etwa dem Niveau des Jahres 1936 entsprachen, doch insbesondere fur den Export wichtige Branchen wie Stahl oder Maschinenbau blieben nach wie vor deutlich niedrigeren Hochstgrenzen unterworfen. Alliierte Restriktionen und Kontrollen dieser Art empfanden die deutschen Unternehmer verständlicherweise nicht nur als diskriminierend, sondern auch als hinderlich fur einen raschen Wiederaufbau. An einer Teilnahme am amerikanischen Rekonstruktionsprogramm waren sie deshalb nicht nur wie die Industrien in den ubrigen westeuropaischen Landern aus wirtschaftlichen Griinden interessiert, sondern mehr noch aus politisch-psychologischen. Der Marshallplan, so ihre Hoffnung, würde ihre Rehabilitierung beschleunigen und endlich die so lange vorenthaltene « Gleichberechtigung » Westdeutschlands bringen.
2 Diese hohen politischen Erwartungen waren jedoch von Anfang an begleitet von Zweifeln an der wirtschaftlichen Konzeption des Wiederaufbauprogrammszweifel, die nach den ersten ernüchternden Erfahrungen in teilweise massive Kritik am Marshallplan umschlugen. Der folgende Beitrag zeichnet die einzelnen Etappen und Faktoren dieser Entwicklung nach : Wie reagierten die deutschen Unternehmer, so lautet die Ausgangsfrage, auf die Marshall-Rede und die anschlieBenden Verhandlungen über das « European Recovery Program » ? Welche konkreten Ziele hofften sie mit Hilfe des ERP zu erreichen ? Mit welchen Mitteln versuchten sie die Planungen und Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene zu beeinflussen ? Welche eigenen Vorschläge zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit stellten sie den amerikanischen Konzepten entgegen ? SchlieBlich : welches waren die Hauptkritikpunkte am Marshallplan ? Im Mittelpunkt dieses Beitrages stehen also nicht die Auswirkungen des ERP auf die reale wirtschaftliche Entwicklung Westdeutschlands in den Jahren 1948 bis 1952 – ein Thema, das von der Wirtschaftsgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik noch am intensivsten bearbeitet worden ist1, sondern die Einstellungen maBgeblicher Industrieller und Wirtschaftsverbfinde zum Marshallplan und ihre Versuche, auf die Arbeit der deutschen Marshallplanverwaltung und die Entscheidungen in Paris EinfluB zu nehmen.
3Verständlicherweise können in dieser Untersuchung nicht sämtliche Branchen berficksichtigt werden. Um dennoch zu einigermaBen repräsentativen Ergebnissen zu gelangen, konzentriert sich dieser Beitrag auf den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und wichtige Branchenverbände wie die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie oder den Gesamtverband der Textilindustrie. Daneben sollen aber auch einzelne wichtige Unternehmer aus diesen und anderen Industriezweigen « zu Wort kommen ».
I. Reaktionen auf die Marshall-rede und die pariser erp-verhandlungen
4Die wohl erste umfassende Erwiderung auf die Harvard-Rede des amerikanischen AuBenministers aus Kreisen der Wirtschaft lag bereits vier Tage später, am 9. Juni 1947, vor. In einer zunächst für den internen Gebrauch bestimmten Denkschrift versuchte der Hauptgeschaftsffihrer der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie, Wilhelm Salewski, die wichtigsten Gedanken Marshalls mit den Interessen der Montanindustrie an Rhein und Ruhr zu verknfipfen. Bis dahin hatten sich die Uberlegungen von Unternehmern und Verbandsfunktionaren zur Rekonstruktion « ihrer » Industrien – zumindest wenn diese Plane alliierten oder deutschen Stellen zuganglich gemacht werden sollten-meist auf die jeweilige Besatzungszone konzentriert. Diese in kluger Voraussicht geübte « Bescheidenheit » wurde nun allmahlich zugunsten offensiverer Planungen aufgegeben, die auch die Nachbärlander einschlossen. Salewskis Denkschrift ist für diesen Wandel ein früher, deutlicher Beweis.
5Ohne fiber die Absichten des amerikanischen AuBenministers zu spekulieren, griff Salewski einen ihm zentral erscheinenden Aspekt aus der Rede heraus, nämlich die Forderung nach einer gemeinsamen Initiative und gemeinsamen Anstrengungen der europäischen Länder. Ansatzpunkte für eine solche Zusammenarbeit erblickte er vor allem in den Kooperationsmodellen und -erfahrungen der Zwischenkriegszeit. Eine Wiederbelebung der internationalen Kartelle hielt er deshalb, ungeachtet der insbesondere in den USA vorherrschenden kartellfeindlichen Stimmung, für unverzichtbar. Die Aussicht auf beträchtliche amerikanische Anleihen, die « als eine gewaltige Initialzündung den Motor der geschwächten europäischen Wirtschaft wieder zum Anlaufen bringen » sollten, erschien ihm jedenfalls AnlaB genug, « um mit allem Nachdruck und Ernst die Frage zu prüfen, wie durch Herbeiführung einer engen wirtschaftlichen Kooperation aller beteiligten Lander » die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden könnten. Auf die Rolle der deutschen Industrie im Rahmen eines solchen Programms ging der Verbandsfunktionar nicht eigens ein, doch läBt der Tenor seiner Ausfuhrungen keinen Zweifel daran, daß ihm ein gleichberechtigter Status vorschwebte2.
6Von dieser Prämisse ging auch Richard Merton von der Metallgesellschaft, einem in Frankfurt a. M. ansässigen Unternehmen, in einer Aufzeichnung vom 16. Juli 1947 aus. Er verwies auf die besondere Stellung Deutschlands als « wirtschaftliches Herz Europas » und forderte, « zunächst diesem Herzen die Stärkungsmittel zuzufiihren, die es vor dem Stillstand bewahren » und langsam wieder in die Lage versetzen könnten, seine Funktion für den « Gesamtkorper », eben Europa, zu erfullen ; Deutschland brauche deshalb die Hilfe des Auslandes so schnell und so umfassend wie möglich. Fur erforderlich hielt er Dollar-Kredite zur Finanzierung von Lebensmittel-, Rohstoffund, in geringerem Umfang, Konsumgütereinfuhren. Besonderen Wert legte er darauf, daß diese Kredite nicht von Regierung zu Regierung, sondern « an die deutsche Wirtschaft unmittelbar » gegeben werden sollten, denn je freier sich die Unternehmer-initiative in der gesamten Wirtschaft entfalten könne, desto schneller könne mit einer Wiederbelebung der nationalen und internationalen Wirtschaft im Sinne des Marshallplans gerechnet werden. Der Begriff der Souveränität, so seine abschlieBende Prognose, werde von alien künftigen Teilnehmerländern an einem Wiederaufbauprogramm neu defmiert werden müssen ; im deutschen Fall werde die « wirtschaftliche Souveränität » im Rahmen einer europäischen Regelung allerdings « noch stark wachsen » bzw. « in entscheidenden Punkten überhaupt erst geschaffen werden müssen », damit sich das Land als « wirtschaftlich gleichberechtigter Teilhaber » zum eigenen und zum Nutzen Europas entfalten könne3.
7Diese friihen Versuche, « im Windschatten » der amerikanischen Stabilisierungspolitik in Europa eigene, « nationale », branchen- oder firmenspezifische Interessen zu verfolgen, waren typisch für die kiinftige deutsche Integrationspolitik. Zwar lieBen sich auch die übrigen Länder von ihren « nationalegoistischen » Zielen leiten – für Merton iibrigens nicht nur begreiflich, sondern zunachst sogar eine wirtschaftliche Notwendigkeit –, doch waren sie nicht im gleichen MaBe wie die Deutschen gezwungen, ihre Interessen in « europaischer Übersetzung » zu artikulieren. Die Chancen, die Marshalls Offerte in sich barg, wurden auf deutscher Seite jedenfalls erkannt, und zwar sowohl in den maBgeblichen wirtschaftlichen Kreisen als auch in den im Aufbau begriffenen Behorden und in den politischen Parteien4. Die restriktiven Elemente der alliierten Besatzungspolitik konnten nun leichter attackiert werden, die Forderung nach Wiederankurbelung der Wirtschaft und des AuBenhandels bedurfte kaum noch einer Begründung. Von einer Beteiligung deutscher Experten an Ausarbeitung und Abwicklung des Programms, mit der man schon aus Effizienzgrunden fest rechnete, versprachen sich die Industriellen erstmals nach Kriegsende wieder die Möglichkeit, die Isolierung des besetzten Landes überwinden und auf die wirtschaftliche Entwicklung in Europa aktiv EinfluB nehmen zu konnen.
8Solche Erwartungen erwiesen sich jedoch rasch als illusorisch. Enttauschung bereitete schon die unter franzosischem Druck getroffene Entscheidung, keine Vertreter der drei Militärregierungen – von deutschen Repräsentanten ganz zu schweigen – zu den Beratungen des « Committee for European Economic Cooperation » (CEEC) nach Paris einzuladen. Auch die Verhandlungen selbst boten wenig AnlaB zu Optimismus5. Vor allem die französische Delegation achtete streng darauf, daß der ehemalige Kriegsgegner bei den Planungen « angemessen » behandelt wurde : Vorschlage von amerikanischer, niederlandischer und belgischer Seite, die in den Westzonen vorhandenen Kapazitaten vollständig zu nutzen und auf eine Normalisierung des Wirtschaftslebens hinzuarbeiten, wurden blockiert oder wenigstens entscharft. Insbesondere gegen eine Förderung der westdeutschen Stahl- und Metallindustrie erhob Frankreich Einwände : « La siderurgie allemande ne paraît pas necessaire a 1’equilibre du marché de l’acier », hieB es in einer Zwischenbilanz der CEEC-Beratungen aus franzosischer Sicht, und weiter wurde behauptet, « que les pays européens se font fort de suppléer par leurs propres moyens a la carence de I’Allemagne pour les produits mecaniques qu’ils en recevaient avant guerre6 ». Mogliche zeitliche Verzogerungen beim europäischen Wjederaufbau als Folge der Verdrängung der deutschen Konkurrenz hielten die französischen Verantwortlichen aus Gründen der Sicherheit, im Gegensatz etwa zu den Amerikanern, durchaus für vertretbar.
9Der CEEC-SchluBbericht vom 22. September 1947 spiegelte erwartungsgemäB diese gegensätzlichen Standpunkte wieder7. Die Notwendigkeit einer engen Verknüpfung der deutschen Wirtschaft mit den ubrigen euräipaischen Volkswirtschaften zog zwar keine der Delegationen in Zweifel, aber schon der Grundsatz, daß sich Westdeutschland nicht auf Kosten der anderen Teilnehmerlander entwickeln durfe, paBte nicht recht mit der Feststellung zusammen, Europa werde so lange nicht « gedeihen » können, wie die Wirtschaft der Westzonen gelähmt sei. Ebenso verhielt es sich mit dem französischen Interesse an einer Steigerung der Förderung und des Exports von Ruhrkohle und dem niederlandischen und belgischen Wunsch nach einem breitgefächerten Handelsaustausch mit dem östlichen Nachbarn. Immerhin : Wahrend zu Beginn der CEEC-Beratungen von einer Gleichbehandlung Westdeutschlands auch nicht im geringsten die Rede sein konnte, batten sich die Aussichten am Ende doch gebessert. Aufgrund amerikanischen Drucks und wirtschaftlich motivierter Kooperationsbereitschaft von Ländern wie Holland oder Belgien entsprach die den Westzonen zugedachte Rolle bei der Rekonstruktion Europas zumindest der Tendenz nach den deutschen Wünschen und Vorstellungen.
10Dennoch wurde vor allem in denjenigen Branchen, die sich durch die Beschlüsse der Pariser Konferenz benachteiligt fuhlten, Kritik laut. Die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie beklagte sich beispielsweise darüber, daß die deutsche Stahlindustrie « nur als Objekt am Rande des Geschehens » stehe. Insbesondere die Produktionsvorgabe von 10 Mio. Tonnen Rohstahl für das Jahr 1951 erregte den Unwillen des bereits erwahnten Hauptgeschaftsfuhrers, entsprach diese Menge doch nicht einmal 20 Prozent der Planzahl fur alle Teilnehmerländer, während die deutsche Stahlindustrie vor dem Krieg « etwa 40 Prozent der Erzeugung ganz Europas » hervorgebracht hatte. Anstatt die in Westdeutschland vorhandenen Produktionskapazitaten zu nutzen, so Salewski, müᏸten in den übrigen Ländern neue Anlagen erbaut werden, um wie geplant 1951 den Vorkriegsstand zu erreichen. Amerikanische Einwände gegen die überzogene Ausbaupolitik einiger CEEC-Mitglieder fanden deshalb verständlicherweise seinen Beifall8.
11Die wohl scharfste öffentliche Kritik formulierte jedoch kein Unternehmer, sondern kurioserweise der Sozialdemokrat Fritz Baade. Das renommierte Institut für Weltwirtschaft in Kiel, dessen Leitung er im April 1948 übernahm, verfügte allerdings iiber traditionell gute Beziehungen zur Wirtschaft, so daß ein zumindest stillschweigendes Einverständnis industrieller Kreise als wahrscheinlich gelten kann. In der Einleitung zu einer Dokumentation ausgewählter Abschnitte aus den Berichten des Harriman-und Herter – Komitees, die zusammen mit weiteren von Prasident Truman eingesetzten Ausschüssen den CEEC-Vorschlag analysiert und Empfehlungen zur Realisierung des Marshallplans erarbeitet batten, attackierte Baade mit einer für damalige Zeiten ungewohnlichen Scharfe den CEEC-Report. Mit dem BeschluB, keine deutschen Experten an den Beratungen zu beteiligen, war fur ihn eine Benachteiligung der Westzonen bereits vorprogrammiert. Die wirtschaftspolitische Zielsetzung der sechzehn europäischen Nationen und der Militärregierungen sah er darin, die westdeutsche Ausfuhr von Stahl, Walzwerkserzeugnissen, schweren Maschinen und Produkten der Schwerchemie weitgehend zu unterbinden und das fruhere industrielle Zentrum Europas in ein Rohstoffexportland zu verwandeln. Die Folge sei, daß eine « geradezu phantastische Menge » solcher Erzeugnisse auf den europäischen Wunschlisten erscheine. Auf diesem Wege, so Baade, hofften die CEEC-Länder, so schnell wie moglich die durch die « Ausschaltung » der deutschen Konkurrenz freiwerdenden Plätze besetzen zu können9.
12So dachten insgeheim wohl die meisten deutschen Industriellen, obgleich sie sich in der Öffentlichkeit weit groBere Zurückhaltung auferlegten als Baade. Und unter ausschlieBlich wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, wiesen die Planungen der CEEC ja durchaus Mängel und Widersprüche auf. Insbesondere die Sorge, Deutschland könnte mit Hilfe des Wiederaufbauprogramms aus einem Fertigwaren- in ein Rohstoffexportland verwandelt werden, war nicht völlig unbegründet. So kam eine Studie des « Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung » zu dem Ergebnis, daß die Ausfuhrplüne fur die Bizone eine Steigerung der Rohstoffexporte « weit über den Umfang von 1936 hinaus » vorsahen, während die geplante Ausfuhr von Fertigwaren am Ende der Vierjahresfrist erst 75 Prozent der Vorkriegshohe erreichen sollte10.
13Kritische Reaktionen hatte der CEEC-Bericht auch auf amerikanischer Seite ausgelöst. Vor allem die Reports des Harriman- und des Herter – Ausschusses, auf die sich die deutschen Proteste hauptsächlich stützten, bemängelten, daß die geplanten HilfsmanaBhmen fur Westdeutschland wegen der groBen Bedeutung seiner Industrie für den europäischen Wiederaufbau nicht ausreichend seien. Allerdings sprachen sich beide Expertenteams zugleich fur weitere alliierte Kontrollen und Restriktionen aus, um dem Sicherheitsbediirfnis der europäischen Nachbarn genüge zu tun. Diesen Aspekt übersahen Baade und seine Gesinnungsfreunde aus der Industrie jedoch geflissentlich, wenn sie kritische Kommentare aus den USA zur Legitimation der eigenen Einwände und Proteste zitierten.
II. Versuche zur instrumentalisierung des Marshallplans
14Lange bevor die ersten amerikanischen Hilfslieferungen einsetzten, versuchten die deutschen Industriellen auf andere Weise vom Marshallplan zu profitieren : Sie benutzten ihn als Argument gegen die zunehmend als hinderlich empfundenen alliierten Restriktionen und Eingriffe. Das Gelingen des ERP hing, glaubte man den Erklärungen aus dem Unternehmerlager, in erster Linie von einer intakten und leistungsfahigen deutschen Wirtschaft ab ; Hilfe für Westdeutschland bedeutete demnach zugleich Hilfe fur Europa. Warnungen vor einem MiBerfolg des Wiederaufbauprogramms und damit vor einer Verschwendung von Steuergeldern, so das Kalkiil, wiirden in der amerikanischen Offentlichkeit ihre Wirkung nicht verfehlen.
15Einen ersten AnlaB, dieses « Rezept » zu erproben, bot die Veröffentlichung des revidierten Industrieniveauplans für die Bizone Ende August 1947. Die « Arbeitsgemeinschaft der Verbande Deutscher Maschinenbauanstalten » wandte sich vor allem gegen die Diskrepanz zwischen der erlaubten Maschinenproduktion und der weniger eingeschränkten iibrigen Produktion. Weder genüge der revidierte Plan den Erfordernissen einer sich selbst tragenden deutschen Friedenswirtschaft, noch garantiere er die erwünschte Mithilfe beim europäischen Wiederaufbau : « Würde man der deutschen Wirtschaft die notwendige Bewegungsfreiheit zurückgeben, so konnte Europa mit wirkungsvolleren Beiträgen zur Wiederherstellung seines Wohlstandes rechnen », als dies durch Reparationsleistungen möglich sei11.
16Das Bemiihen, den Marshallplan zur Durchsetzung eigener Interessen zu instrumentalisieren, war in der Kampagne gegen die alliierte Demontagepolitik noch deutlicher zu spiiren. Mit einer ausführlichen Stellungnahme vom April 1948 meldete sich erneut die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie im Namen einer der am starksten betroffenen Branchen zu Wort. Sie erkannte zwar « grundsätzlich » die Verpflichtung Deutschlands an, Reparationen zu leisten, protestierte jedoch unter Hinweis auf die « weltwirtschaftliche und weltpolitische Bedeutung » des Marshallplans gegen sofortige DemontagemaBnahmen. Bin unverziiglicher Demontagestopp im alien wichtigen Fällen lag nach Meinung der Verfasser der Denkschrift angesichts der « grundlegend veranderten Verhaltnisse im wohlverstandenen Interesse Westeuropas » und war erforderlich, um irreparable Fehler zu vermeiden. In einer zweiten Stellungnahme vom Juli 1948 beschwor der Verband ein weiteres Mai die « groBe Gefahr für die wirtschaftliche und soziale Zukunft Europas », daß nämlich die beteiligten Staaten auf den Erfolg des Wiederaufbauprogramms vertrauten, wahrend in Wirklichkeit die « drohende Erschütterung der deutschen Wirtschaft und ihrer Leistungsfähigkeit » die Grundlage des Planes untergrabe und sein Gelingen als « zum mindesten sehr zweifelhaft » erscheinen lasse12.
17Die massive Kampagne, an der sich Verbände, Firmen, einzelne Unternehmer, die Gewerkschaften, Politiker und sogar die Kirchen beteiligten, dürfte mit dazu beigetragen haben, daß die Economic Cooperation Administration (ECA) eine Kommission beauftragte, welche die Vereinbarkeit von Demontagen und Marshallplan untersuchen sollte13. Die Empfehlungen dieser Kommission waren aus deutscher Sicht zwar recht günstig, doch die im April 1949 von den drei Besatzungsmächten schlieBlich beschlossene Demontageliste folgte diesen Empfehlungen gerade in wichtigen Fällen wie der August-Thyssen-Hütte oder den Deutschen Edelstahlwerken in Bochum nicht14.
18Durch diese Entscheidung alarmiert, gingen einige prominente Industrielle noch einen Schritt weiter : Sie boten an, sämtliche Eigentumsrechte an den zur Demontage freigegebenen Werken der Stahlindustrie an das westliche Ausland abzutreten. Hans-Günther Sohl von der August-Thyssen-Hiitte, einer der Wortführer, begründete diesen Schritt damit, daß nach einmütiger deutscher Auffassung ein Verzicht auf die Demontagen den « gesamteuropaischen Interessen » dienen und einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit Europas leisten wurde. In die gleiche Richtung zielte auch der speziell auf die August-Thyssen-Hütte gemünzte Vorschlag, das Unternehmen zur Basis eines « Jugendaufbauwerks Europa » zu machen und die Gewinne zur Unterstützung der unter den Folgen des Krieges leidenden Jugend Europas zu verwenden15.
19Doch diese Angebote stieBen bei den Regierungen in Washington, London und Paris nur auf wenig Resonanz. Die « europäische Verpackung » branchenspezifischer oder gar betrieblicher Interessenpolitik war offenbar zu durchsichtig, um die Besatzungsmachte zu einer Änderung ihrer Politik zu bewegen. Erst als sich die Bundesregierung im Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 zum Beitritt zur Internationalen Ruhrbehorde verpflichtete und die Westmachte damit fiber ein wirksameres Kontrollinstrument verfügten, verzichteten sie auf die Verwirklichung ihres Demontageprogramms ; die Mehrzahl der « wichtigsten » Unternehmen blieb somit verschont16. Der Marshallplan erwies sich also als eines der schlagendsten Argumente im Kampf gegen die Demontagen. Die Warnungen vor einer Verzögerung oder sogar Verhinderung des Wiederaufbaus batten vor allem in amerikanischen Regierungs-und Wirtschaftskreisen doch zunehmend Gehor gefunden. Ein aus deutscher Sicht sehr willkommener Nebeneffekt dieser Kampagne war übrigens die Wiederbelebung der Kontakte zur amerikanischen Geschäftswelt – Kontakte, die sich auch bei der Losung anderer Probleme als hilfreich erweisen sollten17.
20Als nfitzlich erwies sich der Marshallplan schlieBlich auch bei der Abwehr der seit 1947 kursierenden franzosischen Pläne, den Produktionsschwerpunkt der europäischen Stahlindustrie nach Frankreich zu verlagern. Anstelle der frfiheren Erzlieferungen ins Ruhrgebiet zur dortigen Verhtüttung sollte kfinftig eine entsprechend gröBere Menge Kohle nach Lothringen transportiert werden. Die lothringische Stahlindustrie wäre dadurch in die Lage versetzt worden, einen Teil des westdeutschen Bedarfs die Rede war von etwa 5 Millionen Tonnen Rohstahl jährlich, zu befriedigen18. Dieser Plan, argumentierte beispielsweise Gttnter Henle vom Klockner-Konzern in Duisburg, laufe jedoch dem Marshallplan zuwider. Statt den innereuropäischen Gfiter-und Leistungsaustausch zu intensivieren, wtirde er eine der wichtigsten Wechselbeziehungen, den Austausch Minette gegen Ruhrkohle, paralysieren und die vorhandenen Anlagen auf Jahre hinaus ungenutzt lassen. « Die Lücken im europäischen Stahlbedarf müBten inzwischen mit amerikanischen Lieferungen gestopft werden, wenn nicht der europäsiche Wiederaufbau auf lange Sicht unter dem Fehlen des deutschen Stahlbeitrages leiden soil. » Der Verlagerungsplan sei deshalb « nur auf Kosten des Marshall-Planes und somit schlieBlich nur auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler durchführbar. » Der beste Wall gegen die « Ausbreitung der Sowjetsphäre », und damit griff Henle auch noch eine der insbesondere in den USA wirkungsvollsten politischen Begrfindungen auf, sei gerade für Westeuropa eine « gesunde deutsche Wirtschaft19 ». Wenngleich gewuB auch andere Uberlegungen daffir verantwortlich waren, daß diese Pläne am Ende aufgegeben werden muBten, so erleichterte der Marshallplan hier wie in den fibrigen Kontroversen die deutsche Argumentation ungemein.
21Das Wiederaufbauprogramm entfaltete in den Westzonen somit zunachst einmal eine politisch-psychologische Wirkung. Es lieB die Unternehmerschaft wieder optimistischer an die Zukunft blicken und gab ihr insbesondere Argumente an die Hand, mit denen sie ihre eigenen Interessen « fiberzeugender » vertreten und mit gröBeren Erfolgsaussichten verfolgen konnten. Angesichts dieser eigennützigen Absichten dflrften die amerikanischen Verantwortlichen allerdings hin und wieder gezweifelt haben, ob sie ihre hohen Ziele in Westdeutschland wiirden realisieren konnen. Immerhin ging es ECA-Chef Paul Hoffman doch um mehr als « material gifts » und wirtschaftliche Vorteile20. Manche hofften sogar, die Mentalität der Deutschen verändern zu können. Auf jeden Fall muBten die Deutschen davon überzeugt werden, « that the advantages for them are as great as for others if German economy is integrated into the economy of Western Europe21 ». Diese Vorteile lieBen jedoch in den Augen mancher Politiker und Industriellen gerade in Westdeutschland auf sich warten.
III. Praktische mitarbeit am wiederaufbauprogramm
22Aufgrund der Unzufriedenheit schon mit den CEEC-Planungen war in Unternehmerkreisen von Anfang an die Forderung nach direkter Beteiligung an den ERP-Arbeiten auf nationaler wie auf internationaler Ebene laut geworden. Als jedoch im Mai 1948 zunächst ein Kandidat für den Posten des deutschen « Chefdelegierten » in der aus Amerikanern und Briten bestehenden bizonalen Vertretung bei der « Organization for European Economic Cooperation » (OEEC) gesucht wurde, war das Interesse nicht sehr groB. Zwar waren einige prominente Namen im Gespräch : Henle, das friihere geschaftsführende Präsidialmitglied des Reichsverbandes der Deutschen Industrie, Ludwig Kastl, der Ehrenpräsident der Internationalen Handelskammer, Abraham Frowein, der ehemalige Reichsbankdirektor Karl Blessing und Hermann J. Abs von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Doch obwohl insbesondere die Amerikaner ihre Vorliebe für « groBe Namen » aus der Wirtschaft deutlich zum Ausdruck brachten, fiel die Wahl schlieBlich auf den bis dahin in der Offentlichkeit nicht in Erscheinung getretenen Miinchner Bankier Hans-Karl von Mangoldt. Im Gegensatz etwa zu Abs erfüllte er offensichtlich auch das Kriterium der politischen « Unbedenklichkeit », das damals oft das entscheidende war. Schon aus diesem Grund schieden in den obersten Etagen der Wirtschaft viele potentielle Kandidaten von vornherein aus. Hinzu kam, daß die Erfolgsaussichten eher vage, der Rang zu niedrig und die Handlungsspielräume vorerst zu gering waren, um dafür den « guten Ruf » zu riskieren22.
23Anders verhielt es sich mit der Mitarbeit in den OEEC-Komitees und im deutschen Marshallplanapparat. An den Verhandlungen der verschiedenen OEEC-Ausschüsse in Paris nahmen schon recht bald, meist als Begleiter bzw. Stellvertreter eines Beamten aus dem zustandigen Ressort, Industrielle teil. Wahrend die Deutschen anfangs mit der Rolle des passiven Zuhorers, allerhochstens des « Souffleurs » fur die amerikanischen, britischen oder franzosischen Vertreter der Besatzungszonen Vorlieb nehmen muBten, konnten sie im Zuge der Uberleitung der Verantwortlichkeiten nach und nach selbst in die Verhandlungen eingreifen. Allerdings agierten die deutschen AusschuBmitglieder anfangs eher unauffällig, getreu der Devise des Bundesministers für den Marshallplan, Franz Bliicher, notwendig sei vor allem « liebenswiirdige Bescheidenheit ». Aber schon im Friihjahr 1950 hielt ein Beamter des ERP-Ministeriums den Zeitpunkt für gekommen, « wo zu überlegen wäre, ob nicht die deutschen Delegationen aktiver (werden)... und die Ansprüche der deutschen Seite mit mehr Nachdruck herausheben » sollten23. Manchmal war diese Zurückhaltung aber auch Ausdruck schlechter Vorbereitung oder einfach ungeniigender Kenntnisse in Englisch und Französisch24. Jedenfalls entsprach die Rolle der deutschen Experten in Paris in den Anfangsjahren bei weitem nicht der Bedeutung des Wirtschaftspotentials, das sie « repräsentierten ». Noch im April 1952 stellte die Bundesrepublik in keinem der Pariser Ausschiisse den Vorsitzenden ; lediglich in zwei Fallen fungierte ein Deutscher als Stellvertreter. Zwar bedurfte es nicht unbedingt des Vorsitzes, um die eigenen Interessen zur Geltung bringen zu können – ganz ohne Bedeutung für die Reputation innerhalb der OEEC waren solche Posten jedoch keineswegs. Das Bundesministerium für den Marshallplan wies die Vertretung bei der OEEC deshalb auch an, sich verstarkt um eine angemessenere deutsche Repräsentation zu kümmern25.
24Die Industriellen, die in Paris AusschuBarbeit leisteten, zahlten nicht zur allerersten Garnitur ; einige prominente und gewichtige Namen waren aber doch darunter, etwa Hermann Dehnen von der Deutschen Kohlenbergbau-Leitung (Kohle-Komitee), Hans-Hero Vosgerau von Klockner (Stahl), Hans-Constantin Paulssen von den Aluminium Walzwerken Singen (Nichteisen-Metalle), Ulrich Haberland von Bayer (Chemie) und Bernhard van Delden von der gleichnamigen Baumwollspinnerei (Textil). Eine hohe Meinung von der Arbeit der OEEC-Ausschüsse hatten zumindest die Praktiker « zu Hause » nicht. Die Aussage des Hauptgeschäftsführers des Gesamtverbandes der Textilindustrie, er habe sich « bisher geniert », die amtlichen englischen und französischen Dokumente und die Berichte der deutschen Vertreter weiterzugeben, weil der Inhalt bislang « so mager » gewesen sei, daß er eine Übersendung « als eine Belastung der Empfanger » empfunden hatte, diirfte durchaus typisch fur die Einstellung in weiten Kreisen der Industrie gewesen sein26. Andere wuBten nicht einmal, « welche Aufgaben eigentlich bei der OEEC behandelt werden27 ». Aufwand und Ergebnis standen für viele Unternehmer offenbar in einem MiBverhältnis ; überdies lag die letzte Verantwortung fur die Abgabe von Stellungnahmen doch bei den zustandigen Ministerien. Daß sich der Bundesverband der Deutschen Industrie dennoch fur eine Intensivierung der Pariser AusschuBarbeiten aussprach, war wohl hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß die Komitees als « Informationsbörsen » und Plattformen für die Zusammenarbeit der Unternehmerverbände aus den verschiedenen Mitgliedslandern geschätzt wurden28.
25Neben dem Versuch, tiber die Teilnahme an den Pariser Planungs- und Koordinierungsaufgaben die Entscheidungen der OEEC von innen zu beeinflussen, bemühte sich der BDI gemeinsam mit den Spitzenverbanden der anderen Mitgliedsstaaten auch um eine Interessenvertretung von auBen. Die Initiative zur Grundung eines industriellen Beratungsgremiums scheint von der OEEC selbst ausgegangen zu sein. An der ersten Zusammenkunft am 18. Mai 1949 in Paris nahm von deutscher Seite Fritz Berg, der spätere BDI-Präsident teil ; er wurde sogleich in das neunkopfige Leitungsgremium dieser neuen « Informations- und Verbindungsstelle » bei der OEEC berufen. Wie die Mehrheit der in Paris anwesenden Verbandsvertreter votierte Berg für den franzosischen Vorschlag, eine im Aufbau und in den Funktionen « elastische » Organisation zu schaffen, die sich auf die wirtschaftspolitischen Probleme bei der Ausführung des Marshallplans konzentrieren sollte29. Aus dieser Verbindungsstelle ging im September 1949 der « Rat der europäischen Industrieverbände » (REI) hervor. Als « Verbindungsmann » der deutschen Industrie fungierte Gerhard Riedberg, der zugleich die Aufgabe des standigen Vertreters der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer wahrnahm. Die Mitgliedschaft in diesen internationalen Unternehmerorganisationen bedeutete nach eigener Einschätzung « einen wesentlichen Schritt voran in der Wiederaufnahme unserer ausländischen Beziehungen30 ». Allerdings verlagerte sich der Schwerpunkt der Aktivitaten des REI in den Jahren 1950/51 von der OEEC weg hin zu einer allgemeinen Interessenvertretung der europaischen Industrie in alien wichtigen, länderübergreifenden Wirtschaftsfragen.
26Am stärksten war die Industrie verstandlicherweise im heimischen Marshallplanapparat auf der fachlichen Ebene repräsentiert. In einigen der sogenannten Spiegelkomitees, deren Zuschnitt in etwa dem OEEC-Vorbild entsprach, kam die Mehrzahl der Mitglieder aus der Wirtschaft, beispielsweise in den Komitees für Kohle, Stahl, Chemie, Textil sowie Papier und Zellstoff31. Da die Gründung dieser Fachausschüsse auf eine Initiative aus der Industrie schon vom Dezember 1948 zurückging, wurden sie in Industriekreisen kurzerhand als eigene Domäne betrachtet. So beanspruchte etwa der Textilverband, jederzeit das Spiegelkomitee einberufen zu können. Um in dem ganzen « Organisations-Wirrwarr » zwischen der OEEC, der deutschen Vertretung in Paris, dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Marshallplanministerium in Angelegenheiten der Branche « einigermaBen Ordnung zu halten », legte der Verband groBten Wert darauf, daB fur Textilfragen nur zustandig sein konne « von amtlicher Seite das Textilreferat des Bundeswirtschaftsministeriums und von wirtschaftlicher Seite unser ( !) Spiegelkomitee »32.
27Sehr oft scheinen diese Komitees freilich nicht getagt zu haben ; uberdies ruhte die Arbeit offensichtlich hauptsachlich auf den Schultem derjenigen, die gleichzeitig auch in den OEEC-Ausschüssen in Paris saBen. Die Bemühungen des BDI, alle diese unter-nehmerischen Aktivitaten im Zusammenhang mit dem Marshallplan zu koordinieren und zu steuern, um auf diese Weise eine effiziente ERP-Politik betreiben zu konnen, batten nicht den erhofften Erfolg. Es dauerte bis Dezember 1950, ehe sich der Marshallplan-AusschuB des BDI konstituieren konnte, und dies wohl auch nur dank eines dringenden Appells an die einzelnen Verbände, Mitglieder zu benennen33. Gewisse Impulse erhielt die Tatigkeit der Komitees in Paris wie in Bonn noch einmal im Herbst 1950. Vor dem Hintergrund der amerikanischen Uberlegungen, die drohenden Rohstoffengpasse im Gefolge des Korea-Krieges durch BewirtschaftungsmaBnahmen zu überwinden, leitete der OEEC-Ministerrat Untersuchungen fiber die europäische Rohstoffversorgung in die Wege. AuBerdem forderte er von den Fachausschfissen, gemäB den Vorschlägen des Stikker-Plans, Analysen fiber die Integrationsmöglichkeiten in einzelnen Wirtschaftssektoren an34. Nach der Erledigung dieses Auftrags scheint das Interesse der Industrie an den Ausschüssen wieder nachgelassen zu haben.
28Wie erfolgreich war diese praktische Mitarbeit, d.h. in welchem AusmaB konnten eigene Vorstellungen und Ziele verwirklicht werden ? Die Tatsache, daß sich die Industrie nicht aus den Komitees zurfickzog, deutet darauf hin, daß sie zumindest als ntitzlich betrachtet wurden. AnläBlich der Gründung des Marshallplan-Ausschusses bescheinigte ihnen BDI-Präsident Berg sogar, daB sie « der Industrie von der fachlichen Ebene den gebtihrenden EinfluB » sicherten35. Ihr Nutzen für die Unternehmerschaft lag wohl dennoch in erster Linie in ihrer « kommunikativen » Funktion : Die AusschuBberatungen vermittelten einen gewissen Einblick in die Planungen der « Konkurrenz », und sie schufen einen festen Rahmen fur Kontakte mit Industriellen aus den anderen OEEC-Landern. Erwartungen, durch die Mitarbeit in den Kommitees EinfluB auf die Wiederaufbauplanungen oder die Aufteilung der ERP-Mittel nehmen zu können, muBten hingegen stark zurückgeschraubt werden. Dazu waren diese Einrichtungen schon aufgrund ihrer inneren Struktur und ihrer untergeordneten Stellung innerhalb der ERP-Bürokratien in Paris wie in Bonn nur bedingt geeignet. So diirfte es zwar möglich gewesen sein, einzelne unliebsame MaBnahmen und Entscheidungen abzuwehren oder zu entschärfen – konzeptionelle Mängel des Marshallplans, von denen es nach Ansicht industrieller Kreise in Westdeutschland einige gab, lieBen sich auf diesem Weg kaum beheben. Entsprechend heftig fiel die Kritik an diesen « Fehlern » aus.
IV. Kritik am Marshallplan
29Auf der bereits erwahnten konstituierenden Sitzung des Marshallplan-Ausschusses lobte Berg das amerikanische Wiederaufbauprogramm geradezu iiberschwenglich. Erst der Marshallplan, so fiihrte er aus, habe Deutschland und Europa « neue Lebensmoglichkeiten » gegeben ; die Steigerung der europäischen Produktion iiber den Vorkriegsstand hinaus sei nur dank der amerikanischen Hilfe moglich gewesen. Er nahm den Marshallplan sogar gegen den insbesondere in industriellen Kreisen haufig erhobenen Vorwurf in Schutz, er sei « ein Instrument der Planwirtschaft » und sttinde im Gegensatz zur freien Marktwirtschaft. Mit der Bemerkung, die « Züchtung » neuer Industrien mit ERP-Geldern sei ein « typisch planwirtschaftlicher Fehler », deutete der BDI-Präsident jedoch an, daß dieses positive Urteil keineswegs uneingeschränkt galt36. Und in der Tat stieBen Konzeption und, in sehr viel stärkerem MaBe, Durchfürung des Marshallplans auf bisweilen massive Einwände aus der Industrie. Einige der Hauptkritikpunkte sollen abschlieBend kurz skizziert werden.
A. Wirtschaftspolitische Konzeption
30Die heftigsten Angriffe galten den vermeintlich « planwirtschaftlichen Zügen » des Wiederaufbauprogramms. Das Grundübel sahen diese Kritiker bereits darin, daß die amerikanischen Initiatoren den Ausgleich der Zahlungsbilanz als Ziel vorgaben, ohne zugleich darauf zu achten, daß zur Erreichung dieses Ziels ausschlieBlich marktwirtschaftliche Methoden angewandt wurden. Aus einer harmlosen statistischen GroBe, monierte beispielsweise Herbert Gross, ein der Industrie nahestehender Journalist, sei somit ein « Planungsinstrument » geworden, aus einem Indikator ein Voranschlag, ein « nationaler Haushaltsplan » für die Anforderung von Dollars. Als Ergebnis prognostizierte er eine « nationalistische Wirtschaftspolitik », welche die Grenzen in Europa verscharfe, anstatt sie abzubauen. Verstarkt werde diese Tendenz noch durch die « Zwangsjacke der zeitlichen Befristung ». Er auBerte zwar Verstandnis fur das amérikanische Bestreben, die Hilfe zu terminieren ; die Aufstellung nationaler Vierjahresplane, der sogenannten Long-term-Programme, begünstigte und verfestigte seiner Meinung nach jedoch planwirtschaftliches Denken37.
31Damit eng verknüpft war ein zweiter Einwand : Der Marshallplan, so klagte nicht nur Gross, fördere auf Kosten der privatwirtschaftlichen Internationalisiemng die Internationalisierung der Planungsbürokratien. Hermann Reusch hatte bereits Ende 1948 davor gewarnt, daß die freie Privatwirtschaft durch staatliche Eingriffe im Zusammenhang mit dem ERP gefahrdet werden konnte38. Im Oktober 1949, anlaBlich der Griindung des BDI, wiederholte Hauptgeschaftsfiihrer Beutler diese Warnung : Der Marshallplan konne nur wirksam werden, « wenn er nicht von Staat zu Staat, von Regierung zu Regierung vollzogen » werde ; die Industrie rniisse in die Lage versetzt werden, « in eigener Tätigkeit und in freier Initiative die mit dem Marshallplan verbundenen Impulse produktiv zu machen39 ». Und auch Fritz Berg erinnerte im Dezember 1950 daran, daß es entscheidend darauf ankomme, « in welchem Geist der Marshallplan gehandhabt » werde ; keinesfalls diirfe die Rohstoffknappheit nach dem Ausbruch des Korea-Krieges dazu ausgenutzt werden, eine « zentrale europaische Befehlswirtschaft » zu etablieren40.
32Wenn tiberhaupt, dann hatten solche Befürchtungen in der Zeitspanne zwischen Fruhjahr 1950 und Friihjahr 1951 eine gewisse Berechtigung, als die deutsche Mission der Economic Cooperation Administration (ECA) die Bundesregierung zu einer Korrektur der neoliberalen Wirtschaftspolitik drangte und starkere staatliche Eingriffe forderte. Die amerikanischen Vorschlage beispielsweise zur Investitions- und Rohstofflenkung sowie zur Kreditpolitik entsprangen jedoch weder planwirtschaftlichem Denken noch zielten sie auf die Etablierung eines entsprechenden Wirtschaftssystems ; erklärte Absicht war es vielmehr, die wirtschaftlichen Probleme in der Bundesrepublik rasch zu überwinden und damit zugleich das westliche Wirtschaftspotential zu starken. Uberdies spielten gerade die Wirtschaftsverbände, alien voran der BDI, bei der Umsetzung dieser Vorschlage eine maBgebliche Rolle ; es gelang ihnen sogar, den eigenen EinfluB zu steigern und staatliche Eingriffe weitgehend abzuwenden41.
33Die Warnungen vor den Gefahren des Dirigismus und der Planwirtschaft blieben freilich nicht auf diese Phase beschrankt, sie gehorten zum Standardrepertoire von Unternehmern und Verbänden während der gesamten vier Jahre und dienten offensichtlich weniger der Abwehr konkreter « Anschlage » auf die Privatwirtschaft als dem Zweck, die ökonomische Sphare von auBerökonomischen Einflüssen freizuhalten. Da dies im Fall der amerikanischen Hilfe nicht zu verhindern war, stellte die Industrie den Marshallplan vorsorglich unter Dirigismusverdacht, um allzu weitgehende Interventionsabsichten von vornherein zu diskreditieren. Zweifelsohne trug sie dadurch mit dazu bei, daß der « planerische Diskurs », der innerhalb der ECA, der OEEC und, weniger ausgepragt, innerhalb der deutschen ERP-Biirokratie gepflegt wurde, ohne gröBere praktische Wirkung blieb42.
B. Investitionspolitik
34Neben den « planwirtschaftlichen » Implikationen erregten auch die angeblichen « Doppelinvestierungen » den Unmut unternehmerischer Kreise. Damit waren die Bestrebungen der übrigen Empfängerländer gemeint, die eigenen Produktionskapazitaten zu Lasten der deutschen Industrie auszubauen. Dabei batten unter Rentabilitats-gesichtspunkten, so die weitverbreitete Überzeugung, gerade die deutschen Unternehmen besondere Förderung verdient43.
35Die heftigsten Proteste kamen aus der Stahlindustrie. Selbst um die aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung zu niedrige Erzeugungsobergrenze von 10,7 Millionen Tonnen Rohstahl zu erreichen, waren umfangreiche Investitionen erforderlich. « Vorsichtige » Schätzungen bewegten sich für den Zeitraum 1949 bis 1952 zwischen 1 und 2,5 Mrd. DM ; von diesem Volumen konnten laut verbandsinternen Berechnungen maximal 500 Mio. DM durch Selbstfmanzierung aufgebracht werden44. Wenn demgegenuber die franzosischen Planungen fur 1953 eine Jahresproduktion von 15 Millionen Tonnen Rohstahl anvisierten, eine Kapazitatsausweitung im Fall der teilweise demontierten bzw. reparaturbedurftigen deutschen Werke aber erheblich billiger zu werden versprach als ein Neubau – Hans-Günther Sohl errechnete für die August-Thyssen-Hütte einen Betrag von 80 DM pro Tonne gegenüber 200 bis 300 Dollar, erscheinen die Befiirchtungen deutscher Stahlindustrieller, « zu kurz zu kommen », zumindest erklarlich. Bemerkenswerterweise richteten sich die Attacken jedoch weniger gegen die französische Konkurrenz als gegen die « Newcomer » : Sohl erinnerte sogar an das gemeinsame Interesse, die mit ERP-Mitteln forcierten, « unorganischen und wirtschaflich nicht vertretbaren » Ausbaupläne anderer Marshallplanländer wie Italien und Österreich zu blockieren45.
36Gerade auf franzosicher Seite stieBen solche Appelle jedoch auf wenig Resonanz. Insbesondere das « Lieblingsprojekt » der deutschen Stahlindustrie, die Errichtung einer BreitbandstraBe, galt in Frankreich und den meisten anderen OEEC-Ländern als überflüssig. In der Bundesrepublik sah man dies verständlicherweise genau umgekehrt : « In deutschen Stahlkreisen herrscht einstimmig die Auffassung », konstatierte ein Beamier des nordrhein-westfalischen Wirtschaftsministeriums im Juni 1950, « daß die Herstellung von BreitbandstraBen in Holland, Italien und Österreich mit ECA-Geldern bedauerliche Fehlinvestitionen darstellen » wtirden ; die Rentabilität dieser Anlagen werde « niemals » gesichert sein und sich « nur durch partikularistische MaBnahmen (Schutzzölle) kiinstlich aufrechterhalten lassen. » Hinzu kam, daß die Stahlindustrie schon wegen der nach wie vor bestehenden allierten Restriktionen ihre Investitionsplane « absegnen » lassen muBte, bevor sie bei der OEEC eingereicht werden konnten46.
37Alle diese Schwierigkeiten batten zur Folge, daß sich unter den 30 Projekten, die bis November 1950 dem OEEC-Stahlkomitee vorlagen, kein einziges deutsches befand47. Verglichen damit sah die Bilanz bei den bis Ende 1952 aus ERP-Gegenwertmitteln finanzierten Programmen giinstiger aus. Hier rangierte die Stahlindustrie mit einem Volumen von rd. 168 Mio. DM hinter der Elektrizitätswirtschaft, dem Kohlebergbau, dem Wohnungsbau, der Bundesbahn, der Landwirtschaft und der Seeschiffahrt an siebter Stelle48 .
38Wenngleich andere Branchen mit ihren Investitionsvorhaben bei der OEEC und bei der ECA-Mission weniger Probleme batten – die Überzeugung, gegenüber anderen Mitgliedsländern benachteiligt worden zu sein, prägte die Einstellung industrieller Kreise gegenuber dem Marshallplan. Die nach Auffassung des BDI-Präsidenten Berg nicht wegzuleugnende « Kapitalfehlleitung » gait während der gesamten Laufzeit des ERP als einer der Hauptmängel49.
C. Liberalisierung des Handels
39Der Abbau der innereuropaischen Handelsschranken gehorte von Anfang an zu den unverzichtbaren Zielen der amerikanischen ERP-Politik. Es bedurfte allerdings beträchtlichen Drucks, ehe sich die Regierungen in Westeuropa bereit fanden, den Bilateralismus der ersten Nachkriegsjahre aufzugeben und mit der Liberalisierung Ernst zu machen. Seit Sommer 1949 forcierte schlieBlich auch die OEEC das Tempo, indem sie den Mitgliedslandern konkrete, verbindliche Liberalisierungsziele setzte50. Die Widerstände in den einzelnen Ländern waren zunächst gleichwohl beträchtlich.
40Wirtschaftsverwaltungen und industrielle Kreise in Westdeutschland bildeten bier keine Ausnahme. Obwohl angesichts der absehbaren AuBenhandelsabhangigkeit niemand daran zweifelte, daß gerade die westdeutsche Wirtschaft auf einen moglichst freien Handel angewiesen war, blieben die ersten handelspolitischen « Gehversuche » weit hinter den amerikanischen Erwartungen zurück. Selbst Ludwig Erhard, der spatere Bundeswirtschaftsminister, piadierte noch im Friihjahr 1948 fur bilaterale Handels- und Clearingabkommen als « Zwischenlösungen », ehe an eine Verwirklichung des « Ideals » eines multilateralen Warenaustauschs zu denken sei51. Von der später gern beanspruchten Schrittmacherrolle im LiberalisierungsprozeB konnte jedenfalls damals noch keine Rede sein. Im übrigen bedeutete « Liberalisierung » aus deutscher Sicht zunächst und vor allem verstärkte Mitsprache beim AbschluB von Handelsvertragen und Abbau der einseitigen alliierten Restriktionen und deckle sich damit nur partiell mit dem Liberalisierungsprogramm der OEEC. Erst mit dem am 10. Oktober 1949 vorgelegten « Memorandum der Bundesrepublik Deutschland über die Befreiung des innereuropaischen Handels von Beschrankungen » schwenkte die « offizielle » Politik auf den Kurs der OEEC ein. Mit einer Liberalisierungsquote von 74,9 Prozent übertraf die Bundesrepublik die 50-Prozent-Marke der OEEC sogar wesentlich52.
41Die Industrie reagierte auf den Liberalisierungsdruck seitens der ECA und der OEEC zunächst ebenfalls eher abwartend bis skeptisch. Die zeitgenossische Feststellung, « industry in general has not opposed liberalization53 », ist deshalb doch zu relativieren, denn die prinzipielle Zustimmung wurde stets mit konkreten Bedingungen verknüpft. So forderte selbst die Dachorganisation der Industrie- und Handelskammern, der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT), der traditionell freihandlerische Positionen vertrat, zugleich mit der « grundsatzlichen Bejahung des Prinzips liberalen Warenaustauschs tatkräftiges Handeln des Auslandes in gleicher Richtung54 ». An den Grundsatz der Gegenseitigkeit erinnerte, ungeachtet ihres allgemeinen Bekenntnisses zur Liberalisierung, auch die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie55. « Ungiinstige Ausgangsbedingungen » fuhrten die Farbenfabriken Bayer als Grund dafiir an, « daᏸ die deutsche chemische Industrie bei voller Anerkennung der Notwendigkeit eines freien AuGenhandels aus ihrer besonderen Situation heraus zunächst noch in gewissem Umfang als schutzbedürftige Industrie zu werten ist und daß daher die Liberalisierung... auf dem Chemiegebiet nur sukzessive » vorangetrieben werden sollte56. Diesen Standpunkt verfocht auch die Arbeitsgemeinschaft Gesamttextil, die sich tiber « mangelnde Startparitat » beklagte57.
42Kritik provozierte also weniger das Prinzip als vielmehr die Methode der Liberalisierung. Industrielle Kreise in Westdeutschland bevorzugten eindeutig den bilateralen Ansatz, der Raum für einen « handelspolitischen Kampf Mann gegen Mann und Delegation gegen Delegation » lieB und der, mit dem deutschen Wirtschaftspotential im Riicken, groBere Erfolge beim Aushandeln von Vereinbarungen versprach58. Dennoch lieBen die anfängliche Skepsis und die Vorliebe für bilaterale Abkommen allmählich nach. Als die Bank Deutscher Länder und die Bundesregierung im Herbst 1950 angesichts der Verschlechterung der Zahlungsbilanz einen voriibergehenden Liberalisierungsstop erwogen, sprachen sich BDI und DIHT nachdriicklich gegen einen solchen Schritt aus. Fritz Berg appellierte « im Namen der westdeutschen Industrie » an die Verantwortlichen, « die Liberalisierung nicht aufzugeben und alle Versuche, sie aufgrund temporarer Schwierigkeiten einzuschranken, zuriickzuweisen59 ».
43Als sich die Bundesregierung im Februar 1951, nach einem weiteren Anwachsen des Zahlungsbilanzdefizits, doch zu einer Suspendierung entschloB, mahnte der BDI recht bald « konstruktive Vorschlage zur allmahlichen Reliberalisierung » an, schon um « VergeltungsmaBnahmen » gegen die deutsche Ausfuhr zu vermeiden60.
44Einzig die Textilindustrie, damals freilich noch eine bedeutendere Branche als heute, meldete nach der deutschen Riickkehr in den Liberalisierungsverbund Bedenken an. « Wichtigste Vorraussetzungen » fur eine Einbeziehung textiler Erzeugnisse, etwa die Gleichheit der Devisendispositionschancen oder die ausreichenden Versorgung mit US-Baumwolle, seien immer noch nicht erfiillt. Massive Einwände erhob der Gesamtverband der Textilindustrie vor allem gegen die Inkraftsetzung der « Liste Comune » der OEEC, da diese Liste eine « totale Liberalisierung » auf dem Textilsektor zur Folge habe. Der Verband empfahl deshalb, von der gemeinsamen Liste abzuriicken oder wenigstens alle Produktionszweige gleichmaBig zu beriicksichtigen61. Zwar veranlaBten die weiteren Liberalisierungsschritte auch andere Verbände gelegentlich zu Protesten gegen vermeintlich einseitige Benachteiligungen oder das zu hohe Tempo, doch waren solche Proteste eher taktisch motiviert. Prinzip und Methoden der OEEC-Liberalisierungspolitik wurden spatestens seit der Uberwindung der Zahlungs-bilanzprobleme nicht mehr ernsthaft in Frage gestellt.
45Mit der Bilanz nach vier Jahren Marshallplan konnte die deutsche Industrie durchaus zufrieden sein. Mochte auch der materielle Beitrag des ERP zur wirtschaftlichen Erholung in Westdeutschland hinter den Erwartungen industrieller Kreise zuriickgeblieben sein, der AnschluB an die Entwicklung in Westeuropa war immerhin geschafft. Wichtiger dürften freilich die psychologischen Effekte gewesen sein : Der Marshallplan erleichterte und beschleunigte die Rehabilitierung ungemein. Er ebnete auch den deutschen Industriellen den Weg zurück an die Konferenztische und lieferte ihnen die Argumente für die allmahlich wieder ehrgeiziger werdenden Pläne und Forderungen. Dies war jedoch nicht der einzige Vorzug des ERP. Auch unter integrationspolitischen Gesichtspunkten standen der Marshallplan und die OEEC bei der Industrie hoch im Kurs62. Der Grund dafiir liegt auf der Hand : Es gab keine supranationalen Regeln, die den Handlungsspielraum der Bundesrepublik ähnlich stark einschränken konnten wie das konkurrierende Modell, die Europaische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, dies vermochte. Und aus der Sicht der Industrie war dies, allen « europäischen » Bekenntnissen zum Trotz, ebenso wichtig wie die Hilfe für den eigenen Wiederaufstieg.
Notes de bas de page
1 Vgl. dazu vor allem die Arbeiten von Werner Abelshauser, Knut Borchardt und Christoph Buchheim, in : Hans-Jiirgen Schröder (Hrsg.), Marshallplan und westdeutscher Wiederaufstieg. Positionen Kontroversen, Stuttgart 1990, und Gerd Hardach, « Transnationale Wirtschaftspolitik : Der Marshallplan in Deutschland 1947-1952 », in : Dietmar Petzina (Hrsg.), Ordnungspolitische Weichenstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Berlin 1991, S. 67-100.
2 Vgl. dazu Werner Biihrer, Ruhrstahl und Europa. Die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie und die Anfänge der europäischen Integration 1945-1952, München 1986, S. 85-88.
3 Aufzeichnungen Mertons v. 16.7.1947, Historisches Archiv der Metallgesellschaft, NL R. Merton, Korrespondenz Ma-Mu, Feb. 1947-Dez. 1948.
4 Vgl. zur Reaktion der « Politik » besonders Erich Ott, « Die Bedeutung des Marshall-Plans für die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland », (Wiederabdruck) in : Schroder (Hrsg.), Marshallplan, S. 60-78 ; Manfred Knapp, « Die Anfänge westdeutscher AuBenwirtschafts – und AuBenpolitik im bizonalen Vereinigten Wirtschaftsgebiet (1947-1949) », in : ders. (Hrsg.), Von der Bizonengriindung zur ökonomisch-politischen Westintegration, Frankfurt a. M. 1984, bes. S. 38-52. Neuerdings auch Klaus Schwabe, « German Policy Responses to the Marshall Plan, » in : Charles S. Maier/Günter Bischof (eds.), The Marshall Plan and Germany. West German Development within the Framework of the European Recovery Programm, New York/Oxford 1991, S. 225-281.
5 Vgl. zu den CEEC-Beratungen allgemein Imanuel Wexler, The Marshall Plan Revisited. The European Recovery Program in Economic Perspective, Westport, Connecticut 1983, S. 13-23 ; Michael J. Hogan, The Marshall Plan. America, Britain, and the reconstruction of Western Europe, 1947-1952, Cambridge 1987, S. 60-86.
6 Note der Direction Générale Économie et Finances v. 15.8.1947, Archives de I’Occupation Française en Allemagne et en Autriche, Colmar (kiinftig AO) EcoIASb.
7 Vgl. Die Wiedergesundung Europas. SchluBbericht der Pariser Wirtschaftskonferenz der Sechzehn Nationen, Teil I, Oberursel (Taunus) 1948.
8 Wilhelm Salewski, « Die europäische Eisenwirtschaft im Zeichen des Marshall-Planes », in : Stahl und Eisen (1948), S. 15-19.
9 Deutschlands Beitrag zum Marshall-Plan. Ausgewählte Kapitel aus den Harriman – und Herter-Reports. Mit einer Einleitung v. Fritz Baade, Hamburg 1948.
10 Franz Seume, Karl Georg Mahnke, « Die deutsche Industrie und das « Europäische Erholungs-Programm », in : Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 1948, Heft 2, S. 96-141, hier S. 137-140.
11 « Der Maschinenbau im revidierten Industrieplan », Denkschrift v. 13.10.1947, Bundesarchiv, Koblenz (künftig : BA), Z 35, 411, Bl. 61-77.
12 Vgl. dazu Biihrer, Ruhrstahl, S. 107f ; speziell zur britischen Politik Alan Kramer, « British Dismantling Politics, 1945-49 : A Reassessment », in : Ian D. Turner (ed.). Reconstruction in Post-War Germany. British Occupation Policy and the Western Zones, 1945-1955, Oxford/New York/Munchen 1989, S. 125-153, bes. S. 149f.
13 Vgl. dazu Dieter Scriverius, « Die britische Demontagepolitik im Spiegel der Überlieferung des Hauptstaatsarchivs Düsseldorf », in : Claus Scharf, Hans-Jürgen Schröder (Hrsg.), Die Deutschlandpolitik GroQbritanniens und die britische Zone 1945-1949, Wiesbaden 1979, S. 93-101, hier S. 99.
14 Vgl. dazu Am Abend der Demontage. Sechs Jahre Reparationspolitik, Bremen 1951, S. 168ff.
15 Vgl. zu diesen Offerten Bührer, Ruhrstahl, S. 108-111, und Edwin Hartrich, The Fourth and Richest Reich, New York/London 1980, S. 214f.
16 Vgl. dazu Horst Lademacher, Walter Miihlhausen (Hrsg.), Sicherheit-Kontrolle-Souverqänität. Das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949. Eine Dokumentation, Melsungen 1985.
17 Vgl. Werner Link, Deutsche und amerikanische Gewerkschaften und Geschäftsleute 1945-1975, Diisseldorf 1978 ; ders.. Building Coalitions : « Nongovernmental German American Linkages, » in : Maier/Bischof, Marshall Plan, S. 282-330 ; Volker R. Berghahn, The Americanisation of West German Industry, 1945-1973, Oxford 1986.
18 Vgl. Werner Bührer, « Die französische Ruhrpolitik und das Comeback der westdeutschen Schwerindustriellen 1945-1952 », in : Peter Huttenberger, Hansgeorg Molitor (Hrsg.), Franzosen und Deutsche am Rhein : 1789-1918-1945, Essen 1989, S. 27-46, hier S. 31f.
19 Gunter Henle, Ruhrgebiet und europäische Zusammenarbeit, Denkschrift v. 26.10.1948, Klockner-Archiv, NL Henle, Privat/Reden, Aufsätze, Veröffentlichungen/1945-31.12.1948.
20 « The granting of material assistance will not in itself bring about recovery in Europe », schrieb Paul Hoffman in einem Memorandum : « As we have assessed the problem, it has become increasingly clear that this uniting of people for common cause will take place only as they find a new hope and a new spirit. » Memorandum v. 28.6.1948, National Archives, Washington (künftig NA), RG 469, EGA, Office of the Administrator, April-Dec. 1948, Box 1.
21 American Consulate General an Secretary of State v. 23.11.1948, NA, RG 59, 862.50/11-2348.
22 Vgl. dazu Werner Bührer, « Auftakt in Paris. Der Marshallplan und die deutsche Ruckkehr auf die internationale Bühne 1948/49 », in : Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 36 (1988), S. 529-556, hier S. 537f.
23 Das Bliicher-Zitat stammt aus der Sitzung des ERP-Ausschusses v. 9.11.1949, BA, NL Blücher, 289, das zweite Zitat aus der Sitzung des ERP-Spiegelkomitees Eisen und Stahl v. 29.3.1950, Wirtschaftsvereinigung Stahl, Alt-Registratur (kiinftig : WVSAR), Eisen u. Stahlkomitee der OEEC, Paris, 9.3.1949-30.9.1950.
24 Zum Problem der Vorbereitung vgl. beispielsweise Marshallplan-Mitteilung Nr. 12 v. 18.6.1949, BA, Z14, 153. Das Sprachproblem taucht besonders in den ersten Berichten aus Paris häufig auf.
25 Albrecht an deutsche Vertretung bei der OEEC v. 17.4.1952, mit 2 Anlagen, BA, B146, 860.
26 Gesamttextil an Vogel v. 26.7.1950, Archiv der IHK Augsburg, NL Vogel, Marshall/Pariser Verhandlungen, April 1949 Oktober 1950.
27 Bericht Sitzung ERP-Spiegelkomitee Eisen und Stahl v. 29.3.1950, WVSAR (wie Anm. 23).
28 Vermerk Dumke v. 2.5.1950, BA, B146, 334. Beispielhaft für den informatorischen Charakter die Sitzungsberichte des OEEC-Stahlkomitees v. 2.73.3. und v. 20.-22.6.1949, beide WVSAR (wie Anm. 23).
29 Bericht Berg v. 23.5.1949, Archiv IHK Augsburg, NL Vogel, Industrie/AGEM, Februar-Mai 1949.
30 Fiinf Jahre BDI. Aufbau und Arbeitsziele des industriellen Spitzenverbandes, hg. v. BDI, Bergisch-Gladbach 1954, bes. S. 172 f. Vgl. auch BDI-Geschaftsbericht 1950/51, S. 13.
31 Vgl. dazu die Liste der Spiegel komitees v. 21.5.1949, BA, Z14, 153 ; Marshallplan-Information Nr. 25 v. 15.8.1949.
32 Gesamttextil an Vogel v. 26.7.1950, Archiv IHK Augsburg, NL Vogel, Marshall/Pariser Verhandlungen, April 1949 Oktober 1950.
33 Rundschreiben BDI v. 20.10.1950, ebenda.
34 Rundschreiben Bundesminister für den Marshallplan v. 21.10.1950, ebenda. Zum Stikker-Plan vgl. William Diebold, Jr., Trade and Payments in Western Europe. A Study in Economic Cooperation 1947-1951, New York 1952, S. 204-215.
35 Rede Berg anläBlich der Konstituierung des Ausschusses am 18.12.1950, BDI-Registratur, 12/Aufsätze Präsident Berg ab 1950.
36 Ebenda.
37 Herbert Gross, « Kritische Gedanken zum Marshallplan », Denkschrift v. 16.1.1949, Haniel-Archiv, Oberhausen künftig HA), NL H. Reusch, 4001290/4. Daß maBgebliche Industriekreise mit dieser Kritik iibereinstimmten, geht aus einer beigefügten Notiz des GHH-Lobbyisten Blank für Hermann Reusch hervor : « Beutler (Geschaftsfiihrer der Vorlauferorganisation des BDI und auch des BDI) und ich sind der Meinung, daß der Bericht vom Grundsatzlichen her alles wesentliche enthält... ».
38 Reusch an Collison v. 27.12.1948, ebenda, 40010146/231.
39 Zitiert nach Fünf Jahre BDI, S. 172.
40 Rede Berg anlaBlich der Konstituierung des Marshallplan – bzw. Europa-Ausschusses (wie Anm. 35).
41 Vgl. Werner Abelshauser, « Ansatze « korporativer Marktwirtschaft » in der Korea-Krise der frühen fünfziger Jahre », in : Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte 30 (1982), S. 715-756, bes. S. 717-727.
42 Vgl. Hardach, Wirtschaftspolitik, S. 98f.
43 Vgl. Gross, Kritische Gedanken (wie Anm. 37).
44 Vgl. « Marshall-Plan und Eisenschaffende Industrie der Vereinigten Westzonen », Denkschrift der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie v. 14.1.1949, Haniel-Archiv, NL H. Reusch, 4001290/4.
45 Hans-Gunther Sohl, « Gedanken zum Schuman-Plan », Denkschrift v. 2.6.1950, Klockner-Archiv, NL Henle, Europ. Gemeinschaften/Schuman-Plan/Korrespondenz I-Z/Mai 1950-Juli 1952. In ähnlicher Weise äuBerte sich auch der deutsche Vertreter im OEEC-Stahlkomitee, Max C. Muller : « Mir persönlich will das ganze Projekt Österreich nicht einleuchten.... » Bericht über die Sitzung des Stahlkomitees der OEEC v. 2./3.3.1949, WVSAR, Eisen und Stahlkomitee der OEEC, 9.3.1949-30.9.1950.
46 Stellungnahme zur 6. Durchfiihrungsverordnung zum Gesetz 24, Anlage zu Schreiben Moos v. 13.6.1950, Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, NW 75, 33, Bl. 164-168.
47 Vgl. Bericht liber die Tatigkeit des Eisen- und Stahlkomitees der OEEC v. 21.11.1950 inkl. Annex IV, WVSAR, Eisen – u. Stahlkomitee der OEEC, 1.10.1950-31.3.1951.
48 Vgl. Wiederaufbau im Zeichen des Marshallplans, AbschluBbericht der Bundesregierung, erstattet v. Bundesminister für den Marshallplan, Bonn 1953, S. 29. Speziell zur Stahlindustrie vgl. auch Jörg Bankmann, « Die Entwicklung der Finanzierungsprobleme der Eisen- und Stahlindustrie von 1948 bis heute », in : Stahl und Eisen 85 (1965), S. 1083-1086.
49 Reusch an Blücher v. 19.4.1950, BA, B146, 859.
50 Vgl. Hubert G. Schmidt, The Liberalization of West German Foreign Trade 1949-1951, o. O. 1952 ; Werner Bührer, « Erzwungene oder freiwillige Liberalisierung ? die USA, die DEEC und die westdeutsche AuBenhandelspolitik 1949-1952, in : Ludolf Herbst/Werner Biihrer/Hanno Sowade (Hrsg.), Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt, München 1990, S. 139-162
51 Ansprache Ludwig Erhards, in : AuBenhandel 1 (1948), Heft 1, S. 4-7.
52 Das Memorandum findet sich u.a. in BA, Z8, 1708. Vgl. auch : Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung, Bd. 1 : 1949, bearb. v. Ulrich Enders u. Konrad Reiser, Boppafd/Rh. 1982, bes. S. 114f.
53 Schmidt, Liberalization, S. 64.
54 DIHT Geschäftsbericht 1949/50, zit. n. Hans Günther Meissner, « Im Dienste des Auenhandels », in : Die Verantwortung des Unternehmers in der Selbstverwaltung, Frankfurt a. M. 1961, S. 335-387, hier S. 369.
55 Vgl. beispielsweise Vermerk Sitzung Engerer Vorstand v. 22.9.1949, Handakten Salewski (Kopie im Besitz d. Verf.)
56 Farbenfabriken Bayer an von Maltzan v. 13.9.1949, Institut fur Weltwirtschaft, Kiel, Wirtschaftsarchiv, NL Baade, II ERP/Liberalisierung.
57 « Paritat und Freiheit », Presseerklarung v. 10.10.1949, Archiv IHK Augsburg NL Vogel, Gesamttextil/AuBenhandel, 1.7.1948-31.12.1949.
58 Vgl. Biihrer, Liberalisierung, S. 156f. (wie Anm. 50). Das Zitat stammt von dem ehemaligen Staatssekretar im Reichswirtschaftsministerium, Hans Posse.
59 Berg an Vocke v. 24.10.1950, BA, B146/499. Für den DIHT vgl. Sitzung des Arbeitskreises der AuBenwirtschaftsreferenten v. 27.10.1950, DIHT/Alt-Registratur, 300-12, AuBenwirtschaftsreferenten, Sitzungen bis 1953.
60 Memorandum zur Frage der Wiederinkraftsetzung der Liberalisierung v. 25.7.1951, BA, B146, 525.
61 Gesamtverband der Textilindustrie an Erhard v. 20.2.1952, Ba, B146, 526.
62 Vgl. beispielsweise Ansprache Berg auf dem Europatag des BDI am 31.10.1952, in : Europatag in Trier, hg. v. BDI, Bergisch-Gladbach 1953, S. 68 (= BDI-Drucksache Nr. 18).
Notes de fin
* La traduction de ce résumé a été réalisée par le Service de traduction du ministère des Finances.
Auteur
Docteur ès lettres, chargé de cours d’histoire contemporaine, Technische Universität München, Institut für Sozialwissenschaften, LothstraBe 17/1, 8000 München 2. A déjà publié : « Ruhrstahl und Europa », München 1986 ; « Vom Marshallplan zur EWG », München, 1990 (coéditeur). En cours : Die Bundesrepublik Deutscbland in der OEEC, 1948-1961.
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Réseaux et flux financiers de Paris à Hambourg (1789-1815)
Matthieu de Oliveira
2011
La France et l'Égypte de 1882 à 1914
Intérêts économiques et implications politiques
Samir Saul
1997
Les ministres des Finances de la Révolution française au Second Empire (I)
Dictionnaire biographique 1790-1814
Guy Antonetti
2007
Les ministres des Finances de la Révolution française au Second Empire (II)
Dictionnaire biographique 1814-1848
Guy Antonetti
2007
Les ingénieurs des Mines : cultures, pouvoirs, pratiques
Colloque des 7 et 8 octobre 2010
Anne-Françoise Garçon et Bruno Belhoste (dir.)
2012
Wilfrid Baumgartner
Un grand commis des finances à la croisée des pouvoirs (1902-1978)
Olivier Feiertag
2006