Resümees
p. 393-404
Texte intégral
1Die ‘Verne-Libration’ oder der phantastische Raum (Gespräch) – Jean Delabroy
Indem sich der Vernesche Roman in den Zusammenhang mit dem positivistischen und rationalistischen Projekt stellt, das Hetzel im « Magazin für Erziehung und Entspannung » formuliert, scheint er zunächst einen phantastischen Gesichtspunkt auszuschließen. Gleichwohl sind diese Romane der Moderne von der phantastischen Vorbildung Vernes, der Poe und Hoffmann gelesen hatte, vollkommen erfüllt. Das Phantastische untergräbt den gelehrten Roman und triumphiert über die nostalgische und kritische Dimension. Im Innersten des vernunftgemäß erscheinenden Abenteuers kehrt die verdrängte Heldenzeit zurück, als mysteriöse oder furchtbare Gestalten, welche vom positivistischen Wissen nicht restlos erklärt werden können. Von der Reise zum Mittelpunkt der Erde bis zur Reise zum Mond setzt der phantastische Raum bei Verne jene Fortschrittsbewegung außer Kraft, welche das 19. Jahrhundert als endgültig eingetreten ansah.
2Was von einer Vampirgeschichte gelesen werden soll: ‘I am Legend’ von Richard Matheson – Luc Ruiz
« I am Legend » von Richard Matheson wird gewöhnlich als eine brillante Stilübung angesehen: Die Vampirlegende wird darin von der Science-fiction « eingeholt », während sich gleichzeitig eine Umkehrung der dem Menschen und dem Vampir jeweils eigenen Merkmale vollzieht. Indes erscheint der Roman Mathesons zuallererst als ein Dialog mit « Dracula », der damit spielt, dessen Worte in eine wissenschaftliche Erklärung umzuwandeln, die nicht den ganzen Ernst aufweist, den man erwarten könnte. Die Nennung von« Dracula »gilt als Indikator in einem Text, der die Mittel der Nachschrift und der Bezugnahme besonders geschickt verwendet und ein Geflecht bildet, so daß « I am Legend », eher als mit der phantastischen oder der Science-fiction-Literatur, mit einer Fabel oder einer Legende verglichen werden sollte.
3Die phantastische Erzählung : eine Art Neologismus, der eine gewöhnliche Lesart erfordert – Jean Bessière
Am Beispiel des « Aleph » von Borges wird vorgeschlagen, das Paradox des phantastischen Buchstabens unter dem doppelten Gesichtspunkt des Neologismus und der gewöhnlichen Lesart zu betrachten. Durch diese beiden Bewertungen wird gezeigt, daß sich der phantastische Text als eine Art Einzigartigkeit gibt – er wäre der radikal verschiedene Text – und als eine Art symbolischer Sackgasse, da die Einzigartigkeit und die Unterscheidung tatsächlich aus mehreren Lebensformen zusammengesetzt sind. Die phantastische Erzählung spielte hyperbolisch mit dem Übergang zwischen mehreren Lebensformen und gewänne ihren Verfremdungseffekt aus dem mit diesem Übergang verbundenen hermeneutischen Spiel. Diese Vorschläge erlauben, sämtliche gegenwärtigen Thesen über die phantastische Erzählung – sie sind alle dualistisch – neu zu bewerten und ihre Zurückweisung nahezulegen.
4Der Kriminalroman als Jurisfiktion – Claude Arney
Der Kriminalroman ist eine verwandelte Form des klassischen Romans. Er beinhaltet die Lösung einer Krise, und zwar nach einer strengen Strukturierungsform, die durchaus an das Märchen oder die vormoderne Erzählung erinnert. Auf der Erzählebene kann er auf eine funktionale und aktantielle kanonische Struktur zurückgeführt werden, wobei die Frage nach Sinn und Bedeutung nicht übergangen wird, sondern im Gegenteil eine Sättigung erfährt. Eine Erzählung also, die sinnhaft ist im Augenblick ihrer Strukturierung. Außerdem stellt diese Struktur eine fiktionale Verwandlung anderer Texte dar, unter anderem der Rechtsphilosophie Hegels, die im wesentlichen das Verbrechen und seine Komplexität auf einen Gesetzesbruch reduziert und das Rätsel des Lebens auf den Boden der Kriminalität und der rechtlichen, d. h. faktischen, Wahrheit hinübergleiten läßt.
5’White Jazz’ von James Elroy: ein postmodernes Werk schwarzer Kunst – Christophe Dufossé
Mit « White Jazz » vollendet James Ellroy sein Werk als schwarzer Romancier, wobei er versucht, eine Gattung zu sprengen, die er selbst vorübergehend wiederzubeleben unternommen hatte. Dieser Dekonstruktionsversuch des hard boiled-Romanmodells scheint mit einer gewissen postmodernen Achse in Verbindung zu stehen, die über den engen Rahmen der Paraliteratur weit hinausgeht. Indem diese Studie Ellroy in die Tradition des schwarzen Kriminalromans, aber auch in den Zusammenhang eines von Extremen faszinierten Amerikas wieder einreiht, beabsichtigt sie, « White Jazz »unter einem zweifachen Blickwinkel zu untersuchen, nämlich des möglichen Abschlusses des schwarzen Romans durch dieses Werk und der Hypothese der Öffnung dieser a priori ernsten Gattung hin zur Parodie.
6Die gegenwärtige Rätselhaftigkeit der Kriminalerzählung – Denis Mellier
Der zeitgenössische Roman ahmt immer wieder die Formen und die Bilderwelt der Kriminalliteratur nach. Am Anfang dieser Begegnung steht die Fremdartigkeit einer solchen Fiktion, die auch über die Auflösung des Krimirätsels hinaus fortbesteht. Dies werden wir als die Rätselhaftigkeit der Kriminalerzählung ins Auge fassen: eine Fragestellung, die sich mit dieser unnatürlichen Erzählform beschäftigt. Daraus ergeben sich Fragen, die die zeitgenössische Literatur interessieren, nämlich jene nach dem Chaos und dem Zufälligen, nach der Krise des einfachen Sinnes und nach der Obsession der Selbstreflexivität. Handelt es sich dabei um eine Entdeckung des modernen Romans in abgenutzter Form oder aber um die metafiktionale Entfaltung von Eigenschaften, die ursprünglich in der Form und den Bildern des Kriminalromans enthalten sind?
7Gespräch mit Jerome Charyn – Jerome Charyn
Unter Berufung auf sprachliche Überlegungen weist Jerome Charyn in diesem Gespräch die Möglichkeit zurück, bei seinen Romanen zwischen sogenannten Kriminalgeschichten und den übrigen Büchern zu unterscheiden. Ausgehend von den Beispielen Hammets, John Hawkes’ oder auch William Gass’, spricht Jerome Charyn von dem, was jede Literatur – also auch die Kriminalerzählung – zu erfassen sucht, sobald die Sprache mit den Beschränkungen zu spielen beginnt, die sie sich selbst auferlegt. Die Literatur ohne Vergangenheit – der Kriminalroman – wird hier als eine demokratische und offene Form beschrieben, die sich, ebenso wie die Kinobilder, ihre eigene Sprache schafft.
8Alexandre Dumas zwischen Geschichte und Abenteuer – Grundzüge einer Poetik des Mantel– und Degenromans – Sarah Mombert
Eine Definition der Gattung « Mantel- und Degenroman » stößt zwangsläufig auf das Paradox, daß Geschichte und Abenteuer, obwohl sie der Romanerzählung gegensätzliche Beschränkungen auferlegen, vereint werden und daraus Werke wie die drei Romane des Musketier-Zyklus von Alexandre Dumas hervorgehen können. Die Zugehörigkeit des Mantel– und Degenromans zum historischen Roman zwingt ihn in der Tat zu einer besonderen Verwendung der realia: Zeit, Ort und Geschehen laufen so zusammen, daß der Leser den Rahmen der Erzählung wiedererkennt. Im Gegensatz dazu führt das Abenteuer die Überraschung in die Erzählung ein, und die ganze Kunst des Mantel– und Degenromanciers besteht darin, aus den Freiräumen, die ihm die Geschichte läßt, das Beste zu machen und ihnen den Atem des Imaginären einzuhauchen.
9’Dramaxes’ : Grundzüge einer Grammatik der populären Heldendichtungen – Colas Duflo
« Dramaxes » sind einfache Bedeutungseinheiten. Dies können logische oder ideologische Axiome, Klischees oder sogar Typen von Personen sein. Die Interaktionen der « dramaxes » machen die unaufhörliche Bewegung in den « populären » Romanen aus (wir werden sie von nun an « dramaxical » nennen).
Strenggenommen spricht man von « dramaxes » nicht im Singular, sondern stets im Plural. Eine einfache Bedeutungseinheit wird erst zum « dramaxe » , wenn sie in ein Netz von « dramaxes » eingegliedert wird, welche das Drama bilden. « Dramaxes » gibt es nur zu mehreren. Die Theorie der « dramaxes » möchte einen Beitrag zur Untersuchung der Struktur und der enormen Produktivität des « populären Romans » leisten.
10Die/ eine diskrete Kosmologie des populären Romans – Cyrille Le Grand
In welchem Zusammenhang steht die Frage nach der Welt mit der Paraliteratur? Drei Arten von Texten werden hier näher betrachtet: die klassischen populären Romane (von den« Geheimnissen von Paris »bis« Fantômas »), die« Bildungsromane »Jules Vernes und die ersten« Zukunfts- »Romane. Die Welt, die im ersten Fall nur Dekor, im zweiten ein Vorwand zu Bildungszwecken ist, wird im dritten Fall zur Darstellung des Mannigfaltigen. In diesen drei Arten von Texten findet ein Aufspringen der Fiktion und des Fabulierens statt.
11Ein böses Zusammentreffen: ‘Mysery’ oder das Verschlingen des Lesers – Sophie Rabau
In Stephen Kings Roman « Mysery » trifft der Romanschriftsteller auf eine seiner treuesten Leserinnen. Warum führt diese Begegnung zum Tod der Leserin, statt zu einem euphorischen Treffen zwischen dem, der zu erzählen weiß und jener, die nur eine Geschichte hören möchte? Das erste Erklärungselement – die Verrücktheit der Leserin, die in die literarische Tradition der Person des verrückten Lesers eingeordnet wird – führt zu einer Gleichsetzung von Lesen und Verschlingen. Vor allem aber hebt die Begegnung des Autors mit der verrückten Leserin die Vermittlung durch den Text auf und führt zu einer Literalisierung der Bilder. So zeichnet sich in Kings Roman ein Gegensatz zwischen dem einsamen Schreiben von Romanen und dem Verlangen nach mündlichem Erzählen in praesentia ab.
12Arsène Lupin und die anderen – Daniel Couégnas
Die in der Zeitschrift « Je Sais Tout » von 1905 bis 1914 veröffentlichten Kriminalerzählungen und –romane sind zum großen Teil von den literarischen Modellen und den damals beliebten Themen angeregt: Es handelt sich um mondäne, psychologisierende oder um Sporterzählungen, die sich außerdem den Erfordernissen des populäreren Kriminalromans, wie ihn Conan Doyle verkörpert, zu unterwerfen versuchen. Aber allein – oder fast allein – Maurice Leblanc und Arsène Lupin ist es gelungen, in der Nachwelt Fuβ zu fassen. Sie sind aufs engste mit der Belle Epoque verbunden und haben einen mondänen Kriminalroman hervorgebracht, dessen Verfremdungscharakter, Selbstironie und spielerische Schreibweise die Merkmale einer bestimmten literarischen Moderne tragen.
13Über den literarischen Primitivismus von Robert Erwin Howard – David Bensoussan
Der faszinierende Robert E. Howard! Ein kurzes und bewegtes Leben als ungeliebter Schriftsteller (er begeht 1936 mit dreißig Jahren Selbstmord), ein umfangreiches Œuvre, das in schneidendem Ton aus einer verängstigten Feder voller Inspiration hervorquoll. Der als Vater jenes heute beliebten Genres der heroic fantasy bekannte Autor gewinnt kaum dadurch, daß man ihn nach seinen Epigonen beurteilt; er unterscheidet sich im übrigen radikal von ihnen durch die eigentlich « primitive » Intensität und Reinheit seiner phantasmatischen Bilder und seiner poetischen Sprache. Sein Werk bleibt noch wiederzuentdecken, wenngleich es nur innerhalb seines literarischen, historischen und psychischen Kontextes angemessen gewürdigt werden kann; es muß auf seinen inneren Zusammenhalt und seinen bemerkenswert gelungenen Stil untersucht werden, der es durch instinktive Virtuosität erreicht, die ursprünglichen und untrüglichen Triebkräfte der epischen Kunst in ihrem vollen Glanz der kraftvollen und aufrichtigen Einfachheit wiederzufinden.
14Das Abenteuer als ethische Erfahrung: die Superhelden der amerikanischen comic-books – Jean-Paul Gabilliet
Die Superhelden der amerikanischen comic-books erfüllen bei deren Lesern wesentliche Aufgaben der kulturellen Identifikation. Sie wiederholen die Geschichte von der Transzendenz in spielerischer Form, die für den säkularisierten Alltag der Moderne akzeptabel ist. Der Begriff des Superhelden erscheint als Produkt eines Synkretismus von christlicher Kulturtradition und kapitalistischer Ideologie, welche beide den Körper als bevorzugten Erscheinungsort der Übernatur betrachten. Gleichwohl trägt die Vorstellung eines zu positiven ethischen Zwecken eingesetzten übermenschlichen Körpers dazu bei, die « schizophrene » Erfahrung der Moderne zu sublimieren, in welcher das Individuum vergeblich und manchmal mit einer gewissen Eitelkeit versucht, sich dauernd aus dem Alltag hinauszutranszendieren.
15Der Ritter-Abenteuerroman (im Mittelalter) – Pascale Chiron
Was hat der mittelalterliche Arthusroman mit dem « Grafen von Monte Christo » gemein? Daß er zur weiten literarischen Kategorie der « Abenteuerromane » gehört. Das Abenteuer liegt gewiß in den Ereignissen, die dem Helden zustoßen; es liegt aber mehr noch in dem, was dem Roman zustößt.
Eher als einen Abschnitt im Leben des Ritters offenbart das Abenteuer ein bestimmtes Verhältnis des Individuums zur Gruppe, der persönlichen Suche zur Suche nach gemeinschaftlichen Werten, welche der Held verkörpern soll. Diese nostalgisch gefärbte Suche nach einem Gleichgewicht bringt den Roman in Gang. Wenn Lanzelots Pferd weiter « ziellos » umherirrt (während gleichzeitig der Ritter in einem Liebestraum gefangen ist), so kann der Roman seine Gedanken weiterspinnen und den Leser in den Wald des Sinnes hineinführen, in dem sein Schicksal jenem des Abenteuerhelden begegnet.
16Lesuire und der Abenteuerroman – Jean Gillet
Ausgehend von einem Roman, der einigen Erfolg hatte und im Jahre 1782 das Vorhaben erkennen ließ, Abenteuer nach dem französischen Modegeschmack zu schildern, versucht dieser Artikel, Ort und Bedeutung des so in den Vordergrund gerückten Abenteuers zu bestimmen.
Der französische Abenteurer will sich zunächst den englischen Romanen entgegenstellen: Die Kritik an« Robinson Crusoe »greift die Unwahrscheinlichkeiten des Defoeschen Romans an. Lesuire hält ihnen jedoch kein Streben nach Glaubwürdigkeit, sondern vielmehr eine Geschichte entgegen, die ihre eigene Unwahrscheinlichkeit unterstreicht, indem sie zwischen dem Burlesken und dem Traumhaften hin und her schwankt.
Dieser Versuch, die einzelnen Register des Abenteuerromans zu erfassen, leidet unter einem instabilen Ton, der von einer « französischen Fröhlichkeit », welche Anzügliches mit derber Komik verbindet, bis zu Anwandlungen von Empfindlichkeit in der Art eines Rousseau, von einer gesetzgebenden und beinahe kolonialistischen Utopie bis zu den konventionellsten burlesken Effekten reicht, was insgesamt den Eindruck vollkommener Zusammenhanglosigkeit vermittelt.
Das dabei am beständigsten auftauchende Schema ist die Identitätssuche des Romanhelden: Die Struktur des Familienromans gestaltet in der Tat den gesamten Text. Den inkonsequenten Ereignissen im Leben des Helden wird so die beständige Wiedergewinnung seiner Identität und seiner sozialen Stellung entgegengesetzt, das einzige wirkliche Abenteuer unter den zusammenhanglos verstreuten Ereignissen.
17Das Wahre und das Falsche: komplementäre Bipolarität in ‘Der Traum im roten Häuschen’ von Cao Xueqin – Yinde Zhang
Der von buddhistischem und taoistischem Denken zutiefst durchdrungene Roman « Der Traum im roten Häuschen » macht die Illusion und die Leerheit der menschlichen Existenz spürbar, indem er sie durch die wechselseitige Durchdringung der wirklichen und der Traumwelt ausdrückt. Der Artikel versucht, indem er sich auf diesen klassischen chinesischen Roman aus dem 18. Jahrhundert stützt, zu zeigen, daß das Phantastische, insbesondere in seinem übernatürlichen Sinn, an diesem Spiel des Ineinander-Übergreifens und der Komplementarität beteiligt ist. Aus dem allgemeinen Prinzip der Aufeinanderfolge von Yin und Yang gewonnen, jedoch keineswegs als die Erkenntnis oder die Rationalität übersteigend vorgestellt, geht er auf die problematische Wechselbeziehung zwischen leer und voll, wahr und falsch ein, indem er eine Sprache des Romans erkennen läßt, die mehr den philosophischen und kosmologischen Anschauungen Chinas entspricht.
18Das Abenteuer mittels Metaphern in zwei Romanen von J. Conrad – Nathalie Martinière
Die analogen Verfahren (Metaphern und Vergleiche), die J. Conrad bei den Beschreibungen des Raumes in « Typhoon » und « The Secret Agent » einsetzt, zeugen von einem besonderen Status des Abenteuers in seinen Romanen. Es zu beschreiben ist nur dank der Verwandlungen möglich, die der Raum erfährt: die Verflüssigung der Stadt in« The Secret Agent », die Versteinerung des Meeres in « Typhoon ». Über das dargestellte, unaussprechliche Abenteuer müssen immer wieder Metaphern und Vergleiche gelegt werden. Die Handlung tritt aus dem allzu engen Erzählraum hinaus, während neue Bezugspunkte als Garanten des Romanzusammenhangs hinzukommen. Auf Grund dieser Figuren bleibt das Abenteuer ein Phantasiegebilde, das sich stets seiner Verwirklichung entzieht, indem es einem anderen Ort zustrebt. Der Erzählraum wird zu einem Palimpsest, und die Figur der Reise verwandelt sich in eine unendliche Irrfahrt. Diese vergebliche Suche klingt am Ende wie ein Widerhall der persönlichsten Entscheidungen des Schriftstellers, welcher die englische Sprache wählt, als ob das Abenteuer der Erzählung – ebenso wie jenes des Seemanns – in einer Reise bestünde, im Aufbauen neuer Bezugspunkte in einer fremden Sprache sowie im Raum der Metapher.
19Zu Stephen King: Phantastisches, Literatur und Kino – Irène Bessière
Das phantastische Kino gibt von sich selbst ein paradoxes Bild: Während das Phantastische gewöhnlich als das Gebiet der Ungewißheit aufgefaßt wird, erzielt das Kinobild etwas Eindeutiges. Folglich kann die Kinobearbeitung niemals eine einfache Übertragung sein. Der Übergang von der verbalen zur visuellen Vorstellung hat einen Verlust zur Folge, nämlich jenen der Diskontinuität des Textes, welche die Kinofassung nicht wiedergeben kann. Gleichzeitig bringt dieser Übergang einen Gewinn mit sich, einen gesteigerten Zugang zur Wahrheit durch das Bild hindurch. Von diesen Abgrenzungen ausgehend bestimmen wir die dem phantastischen Entwurf angemessene Kinobearbeitung als diejenige, welche nicht einem Übermaß an Vorstellungen anheimfällt, sondern nach dem Vorbild der literarischen Erzählung ihre Suggestionskraft beibehält.
Von diesem Standpunkt aus werden speziell zwei der gelungensten Verfilmungen von Texten Stephen Kings untersucht: « The Dead Zone » von David Cronenberg und « The Shining » von Stanley Kubrick.
20H. P. Lovecraft: Phantastisches und Schrift – Gilles Ménégaldo
Die meisten Erzählungen Lovecrafts bringen eine zusammenhängende imaginäre Welt zur Entfaltung, eine« moderne Mythologie ». Den Objektivierungstechniken, die in die Problematik wissenschaftlicher oder journalistischer Untersuchung eingebunden sind, werden gleichwohl Störungsstrategien gegenübergestellt, die das Phantastische wieder einführen. Die Sprache versucht, das Undenkbare und Unvorstellbare auszudrücken, sei es durch ein Übermaß an Vorstellungskraft oder im Gegenteil durch eine « Rhetorik des Unaussprechlichen ».
21Wenn dabei der pseudomythische Bezug der erfundenen Welt Dichte und Festigkeit verleiht, so behält die Schrift eine Undurchsichtigkeit, die in mancher Hinsicht auch für den Mythos typisch ist und für ihre Vieldeutigkeit sorgt. Das Werk lenkt so die Aufmerksamkeit auf die Bedenklichkeit des rationalistischen Diskurses und bringt Risse zum Vorschein, die den Zusammenhalt des Subjekts und den Zusammenhang des Sinnes in Frage zu stellen drohen. Wo der Mythos erklärt und Modelle entwirft, bezeichnet der paradoxe Bund von Mythos und Phantastischem die Diskrepanz, die zwischen unseren geordneten Vorstellungen von der Welt und der chaotischen Komplexität des « Wirklichen » besteht.
22’Die Eule’ von Joan Perucho oder die zerstörerische Ironie – Jean-Pierre Jardin
Diese Erzählung über eine Vampirjagd in Katalonien mitten im Karlistischen Krieg verwendet in parodistisccher Weise die Sprache und Gemeinplätze der verschiedenen populären Roman- und Filmgattungen: jene des Mantel– und Degenromans, der Abenteuererzählung à la Jules Verne, des Liebesfilms aus Hollywood und des phantastischen Romans in der Nachfolge Stockers. Die ironische Dimension des Werks – jener unhörbare Gesang, der nur mit der Melodie der ängstlichen aurea picuda vergleichbar ist – erneuert die Behandlungsart eines Themas, welche manche Schriftsteller an anderem Ort ge- und mißbraucht haben, und erinnert uns daran, daß vor mehr als drei Jahrhunderten auf spanischem Boden der große Ankläger der modischen Gedanken und Gattungen mit Namen Don Quichotte de la Mancha geboren wurde.
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