Franz Ehrle sj und die Armenfürsorge
p. 297-309
Résumé
Der Beitrag wendet sich mehreren Studien Franz Ehrles zur Geschichte der Armenfürsorge zu, darunter der wichtigsten in Form einer 1881 erschienenen Monographie. Es wird aufgezeigt, wie diese Veröffentlichung in den Diskurs der sozialen Frage im 19. Jahrhundert einzuordnen und als eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf das Werk des deutschen Nationalökonomen und Journalisten Arwed Karl Bernhard Emminghaus (1831-1916) mit dem Titel „Das Armenwesen und die Armengesetzgebung der europäischen Staaten“ (mit Beiträgen mehrerer Autoren) zu verstehen ist. Ehrle wandte sich gegen dessen vom Geist des Kulturkampfes geprägte Kritik an der kirchlichen Armenpflege, indem er sich auf Quellen aus biblischer Zeit, der Antike, dem Mittelalter und der Moderne stützte, verwies auf das jahrhundertelange erfolgreiche Wirken kirchlicher caritas und plädierte gemäß dem Subsidiaritätsprinzip für ein einträgliches Zusammenwirken von Staat und Kirche im Bereich der Armenfürsorge, ferner für den konfessionellen Frieden, um den Armen bestmöglich Hilfe zukommen zu lassen.
This contribution examines several studies of Franz Ehrle concerning the history of care for the poor, the most important being his monograph published in 1881. The article demonstrates how discussion of the ‘social question’ in the 19th century was the general context in which the publication was written, and how this work of Ehrle may be particularly understood as a scientifically-based response to “The wretch and the pour law of the European states” of the German economist and journalist Arwed Karl Bernhard Emminghaus (1831-1916) and several other authors. Ehrle rejects the trend of interpreting ecclesiastical care of the poor as part of a cultural struggle, but draws on the Bible, antiquity, the Middle ages and modernity to show its proper context. He illustrates how the ecclesiastical notion of caritas which proved so successful for centuries could also prove a good model of collaboration between Church and State, and between the various Christian denominations, bringing not only peace amongst these institutions but also the best possible help to the poor.
Texte intégral
Hinführung
1Blickt man auf das umfangreiche Werkverzeichnis des bedeutenden Jesuitengelehrten Franz Ehrle (1845-1934)1, so lässt sich feststellen, dass dieser zwar vorrangig historische Forschungen zu scholastischen Themen und zum Bibliothekswesen betrieb, jedoch explizit drei seiner Publikationen sich auf das Thema der Armenfürsorge beziehen2. Diese Veröffentlichungen sind in den 1880er Jahren entstanden und fallen daher in die frühe Phase seiner Publikationstätigkeit.
2Die umfangreichste Studie Ehrles zur genannten Forschungsthematik kam unter dem Titel „Beiträge zur Geschichte und Reform der Armenpflege“3 heraus und soll im Mittelpunkt meiner Ausführungen stehen. Diese war nach kleineren Beiträgen Ehrles überhaupt sein erstes größeres monographische Werk in den ersten Jahren seiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Die Abhandlung erschien 1881 als 17. Ergänzungsheft zu den „Stimmen aus Maria Laach“ (später „Stimmen der Zeit“) im Freiburger Verlag Herder und umfasst insgesamt 133 Seiten4. Ehrle hatte nämlich nach seiner Rückkehr von seiner Ordensausbildung in England der Redaktion dieser Zeitschrift auf Schloss Tervueren und in Brüssel von 1878 an zwei Jahre lang angehört, ehe der vom Orden für die wissenschaftliche Tätigkeit vorgesehene junge Jesuit im Kontext der Eröffnung des Vatikanischen Geheimarchivs durch Papst Leo XIII. 1880 nach Rom übersiedelte und dort mit Ausnahme der Jahre des Ersten Weltkrieges fast durchgehend über fünf Jahrzehnte bis an sein Lebensende verblieb.
3Zwei weitere, allerdings im Umfang kürzere Beiträge von Ehrle zur Armenfürsorge entstanden gegen Ende der 1880er Jahre: Der erstere kam 1887 in der ordenseigenen Zeitschrift „Stimmen aus Maria Laach“ heraus, wobei es sich hierbei um eine ausführliche Rezension der im selben Jahr in Berlin veröffentlichten, fast 600 Seiten umfassenden Publikation des Juristen Emil Münsterberg (1855-1911) über „Die deutsche Armengesetzgebung und das Material zu ihrer Reform“ handelt5. Ehrle fand weitestgehend lobende Worte für die Publikation desselben, merkte allerdings an, dass der Autor im Hinblick auf die kirchliche Armenpflege unkritisch Vorurteile, die nicht auf dem Boden der Wissenschaft stünden, übernommen hätte, und konstatierte „eine sehr fühlbare Lücke“ im vorliegenden Werk wie auch in der deutschen Armengesetzgebung6. In diesem Zusammenhang monierte der Jesuit konkret mehrere Forderungen, wie das Zusammenwirken von staatlicher und privater Armenpflege aussehen sollte – dies hatte er bereits in seinem umfangreicheren Hauptwerk über die Armenpflege, das im folgenden Kapitel näher analysiert wird, the-senhaft dargelegt7. Der zweite Aufsatz Ehrles, eine Forschungsarbeit über „Die Armenordnungen von Nürnberg (1522) und von Ypern (1525)“, wurde im „Historischen Jahrbuch“ der Görresgesellschaft publiziert. Ihm ging es in diesem knapp 30-seitigen Beitrag um eine Untersuchung, Datierung und Bestimmung des Charakters der städtischen Armenordnungen im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Zugleich verwies er auf aktuelle Bezüge seiner Zeit: „Damals wurden die Wege eingeschlagen, auf welchen wir zum größten Teil noch jetzt wandeln“8.
Das Hauptwerk Ehrles zur Armenfürsorge: Intentionen – zentrale Aussagen – Argumentationslinien
4Wie kam es, dass Ehrle sich mit der Thematik der Armenfürsorge in einer größeren Publikation befasste? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für Ehrles Perspektiven der Armenfürsorge sicherlich die Zeit seines Aufenthalts in Großbritannien während seiner Ordensausbildung prägend war. Der junge Jesuit hatte nach seinen philosophischen Studien in Maria Laach und nach der Zeit als Lehrer und Präfekt in Feldkirch seine theologische Ausbildung im britischen Ditton Hall9, in einem Kolleg bei Liverpool, von 1873 bis 1877 erhalten; währenddessen wurde er 1876 zum Priester geweiht. Für ihn schloss sich nach dem Theologiestudium 1877/78 das Terziat an, das sich in Portico nahe bei Ditton Hall befand und der geistlichen Vertiefung diente10. Damals sammelte Ehrle seine ersten seelsorglichen Erfahrungen zunächst in der Pfarre St.-Franz-Xaver in Liverpool. Er wirkte als Seelsorgehelfer (Kaplan) für die katholischen Kinder in einem „Workhouse“, wo er Religionsunterricht erteilte11. Es gelang ihm auch, einem katholischen Mädchen, das bei einer methodistischen Familie arbeitete, einen Platz in einer katholischen Familie zu vermitteln und mehrere Kinder bei katholischen Schwestern unterzubringen12. Der junge Jesuit wurde gerade in Ditton Hall und in Portico mit dem sozialen Elend der Arbeiterschaft in einem englischen Industriegebiet konfrontiert und für deren Probleme sensibilisiert. Diese persönlichen Erfahrungen mögen den Jesuiten darin bestärkt haben, sich der Geschichte der Armenpflege zuzuwenden.
5Ehrle stimmte mit seinen „Beiträgen zur Geschichte und Reform der Armenpflege“ in den historischen Diskurs zahlreicher Autoren13 ein, die zur weiten sozialen Frage in der damaligen Zeit Stellung bezogen14. Dem Vorwort ist die Intention des Jesuiten zur Abfassung dieses Werkes zu entnehmen. Darin hielt er nicht nur die Dringlichkeit der sozialen Frage fest – diese stünde „auf dem ersten Platze der sogen. ‚brennenden Tagesfragen‘“ –, sondern es seien damit auch Gefahren verbunden, wenn dieses Problem verschleppt oder falsch behandelt würde15. Die Armenpflege sei die „Pflicht Aller“16. Aus seinen historischen Forschungen wollte Ehrle Erkenntnisse gewinnen, wie man zur Lösung gegenwärtiger Probleme beitragen könnte. In seiner Schrift sollten die „weniger bekannten Materialien“ präsentiert und „nur eine Sammlung einiger Studien über ein paar ausgewählte Punkte der Armenpflege älterer und neuerer Zeit“ vorgelegt werden. Aus diesem Grund klammerte er darin das fruchtbare Wirken der Klöster, der katholischen Vereine, wie der Gesellenvereine oder Vinzenzvereine, aus. Ehrle bezog bemerkenswerterweise auch Modelle der Armenpflege protestantischer Kreise mit ein17.
6Im ersten Kapitel von seinen „Beiträgen“ lässt sich ein weiterer, wesentlicher Beweggrund zur Abfassung dieser Studie ausmachen: Diese sollte Behauptungen im stattlichen Sammelwerk „Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in europäischen Staaten“ des deutschen Nationalökonomen und Journalisten Arwed Karl Bernhard Emminghaus (1831-1916) widerlegen, welches bereits 1870 im Berliner Verlag Hertig herausgekommen war18. Ehrle selbst wertete die Studie von Emminghaus zwar als die „noch immer bedeutendste Leistung, welche über unsern Gegenstand im letzten Jahrzehnt erschien“19. Er ging aber mit dessen Vorwurf der „principiellen Kritiklosigkeit der kirchlichen Armenpflege“ hart ins Gericht; ja er bezeichnete diesen sogar als „eine der schlimmsten Art von Geschichtslügen“20. Die „falsche Beurtheilung der Vergangenheit“ brachte der Jesuit in Verbindung mit den kulturkämpferischen Gesetzen auf dem Gebiet der Armenfürsorge. Deren Folge seien letztlich „mannigfache Vergewaltigungen, welche die Kirche wie auf vielen anderen Gebieten des politischen und socialen Lebens, so auch auf dem der Armenpflege, zu erleiden hatte“21. Ehrle nannte konkret die Ausweisung des Klerus aus der Armenverwaltung, die völlige Säkularisierung karitativer Stiftungen, die bürokratischen Maßregelungen der kirchlichen Wohltätigkeitsanstalten und Vereine im Zuge des wütenden Kulturkampfes.
7Ihm ging es um eine Richtigstellung von Fakten und damit um eine Verteidigung des Charakters kirchlicher Armenpflege. Mit seiner Schrift wollte er zwei unwahren Behauptungen in der Studie von Emminghaus entgegentreten: Erstens dem Vorwurf, dass das Christentum „das Almosengeben ohne Wahl als Bethätigung der Nächstenliebe, die zu üben sei ohne Ansehen der Person“, und somit ohne Differenzierung der Almosenempfänger angeordnet habe. Demnach habe die Kirche das Almosengeben befohlen, nicht um die Nöte zu lindern, sondern um sich zu bereichern22. Zweitens, dass erst im 9. Jahrhundert die erste bekannte Begrenzung der Empfangsberechtigten vom englischen König Egbert getroffen worden wäre, der die Bischöfe auf den Unterschied zwischen arbeitsfähigen und arbeitsunfähigen Armen aufmerksam gemacht hätte23.
8Ehrle fand „diese Anklage“ bezüglich angeblich fehlender kirchlicher Differenzierung in der Armenfürsorge „unglaublich“24. Er leugnete nicht, dass sich auch Missbrauch bei der kirchlichen Armenpflege einschleichen hätte können, aber er wandte sich gegen diese „kulturkämpferische Phrase“, dass „diese Kritiklosigkeit […] Geist und Grundsatz gewesen sein“ sollte25. Der Historiker Ehrle wollte diese Anschuldigung „an der Hand der Geschichte“ prüfen und verwies auch auf Ratzingers umfassende „Geschichte der christlichen Armenpflege“, die Emminghaus „nicht kannte oder verkannte“26.
9Jener begann seine Studie mit Nachweisen aus dem Neuen Testament, führte besonders das Beispiel Jesu an und verwies auf die traditionelle kirchliche Armutstheologie mit ihren religiösen Semantiken, wonach sich der Almosenspender reichen Lohn und wahre Schätze für den Himmel erwerben konnte oder die Reichen vor der Begierlichkeit ermahnt wurden27. Die Warnung vor dem Missbrauch des Almosengebens fand Ehrle sowohl im Neuen Testament, wie 1 Thess 4, 11, als auch in den Apostolischen Konstitutionen: „Die Unterstützung arbeitsfähiger Menschen, die vom Bettel leben wollen, ist streng untersagt, der arbeitsscheue Bettel selbst ist mit den schwersten kirchlichen Strafen belegt.“28 Nur die wirklich Notleidenden wären im Fokus der christlichen Armenpflege der frühen Christenheit, argumentierte Ehrle: so die Witwen und Waisen, die, die wirklich arm wären oder durch Krankheit und Unglücksfälle ins Elend gestürzt und dadurch der Arbeitskraft beraubt würden, Gefangene oder Fremde.29 Es habe jeder durch rechtschaffene Arbeit für sich selbst zu sorgen, Christsein und Trägheit seien unvereinbar, Arbeitsscheu sei als Sünde qualifiziert. Die Almosen wären genau dem vorhandenen Bedürfnisse anzupassen30. Ehrle führte Quellen bedeutender frühchristlicher Kirchenlehrer und Schriftsteller zu Praxis und Institutionalisierung der Armenfürsorge in den ersten Jahrhunderten an. Die heiligen Väter hätten die Kritiklosigkeit beim Almosengeben mit deutlichen Worten verurteilt. So habe Basilius einem seiner Schüler mitgeteilt: Es bedürfe „großer Erfahrung, um die habsüchtigen Bettler von den wahren Armen zu unterscheiden. […] Wer aber ohne Unterschied jedem dahergelaufenen Bettler austheilt, reicht ihm das Almosen nicht aus Mitgefühl mit seiner Hilfsbedürftigkeit, sondern wirft es ihm hin wie einem Hunde, welcher durch seine unverschämte Zudringlichkeit lästig wird.“31 Ähnliche Mahnungen zu Vorsicht und Bedachtsamkeit beim Almosengeben fand der Jesuit bei Ambrosius und Hieronymus: „Habe also Acht, daß du nicht Christi Besitzthum sinnlos verschwendest, indem du das, was eigentlich den Armen zukommt, an Nichtarme gedankenlos wegwirfst“32.
10Der konstantinische Staat förderte die schon bestehende kirchliche Armenpflege auf jegliche Weise33. Weitere konkrete und ausführliche Quellentexte in lateinischer und griechischer Sprache, auch im Hinblick auf die nötige Strenge bei unverdientem Almosen, nannte Ehrle aus dem Mittelalter, sowohl von einzelnen Gelehrten wie von Synoden. So habe die Synode von Orléans (511) die Bischöfe gemahnt, nur die arbeitsunfähigen Armen und Kranken zu unterstützen34. Das Betteln vagabundierender Armer sei durch den Kanon von Tours (567) insofern beseitigt worden, als dass jede Gemeinde für ihre eigenen Armen Sorge zu tragen hätte35. In der Frühen Neuzeit habe die Kölner Provinzialsynode (1536) festgeschrieben, dass in den Spitälern nur jene hilfsbedürftigen Personen Aufnahme finden sollten, welchen Krankheit, Schwäche oder Alter es unmöglich machten, sich durch ihrer Hände Arbeit die nötige Nahrung und Kleidung zu verdienen: „Denn es ist besser, daß dem Hungernden das Brod entzogen werde, wenn er anders seines Unterhaltes sicher die Arbeitspflicht vernachlässigt, als daß es ihm gereicht und er so in seiner sündhaften Faulheit bestärkt werde“36.
11Derartige Warnungen und Mahnungen waren mit den Provinzialkonzilien (-synoden) nach dem Konzil von Trient (1545-1563) noch zahlreicher geworden. Ehrle schloss daraus: „Im Gesagten dürfte zur Genüge der Nachweis geliefert sein, daß Kritiklosigkeit, das Geben, eben damit nur gegeben sei, niemals ein Princip der kirchlichen Armenpflege war, vielmehr als ein sündhafter und höchst verderblicher Mißbrauch zu jeder Zeit von den Aposteln, den heiligen Vätern und Concilien auf’s schärfste verurteilt wurde“37. Dann richtete der Jesuit den Blick auf das 19. Jahrhundert. Die Säkularisation der Armenpflege in den siebziger Jahren hätte den Zweck der Entchristlichung des öffentlichen Lebens, für diese „Gewalttat“ bräuchte man „einen Deckmantel. Es ist also diese falsche Anklage lediglich ein Rüstzeug des unseligen Culturkampfes […]“38.
12Im zweiten Kapitel seiner Studie erwähnte Ehrle Beispiele der städtischen, territorialen und reichsrechtlichen Normgebung auf dem Gebiet der Armenfürsorge in den katholischen Ländern der Niederlande und Spaniens aus dem beginnenden 16. Jahrhundert und zeigte die damit verbundenen theologischen Kontroversen über das Bettelverbot auf39. Diese Ausführungen rezipierte übrigens Georg Ratzinger in seiner zweiten bearbeiteten und erweiterten „Geschichte der kirchlichen Armenpflege“ und nahm die neuen Erkenntnisse in sein Werk auf40. Ausführlich erörterte Ehrle anhand von Quellen die berühmte Schrift „De subventione pauperum“ (1526) von Johann Ludwig Vives (1492-1540)41, die dieser für den Magistrat der Stadt Brügge zur Neuordnung des Armenwesens verfasst hatte und welche in ihren Grundzügen bereits in der Yperner Armenordnung (1525) verwirklicht worden war. Der spanische Humanist sprach sich unter anderem für ein Bettelverbot, für die Arbeitspflicht eines jeden Menschen aufgrund des göttlichen Gebotes und die obrigkeitliche Kontrolle der Arbeitsfähigkeit von Armen, für Erziehung und Bildung armer Kinder und gegen eine Almosensteuer aus. Vives’ Vorstellungen wie auch die Yperner Normen wurden zur Vorlage mehrerer Armenordnungen, zum Beispiel für diejenigen Kaiser Karls V. im Jahre 1531, welche die habsburgisch-niederländischen Provinzen betrafen42. Ehrle interpretierte wie Ratzinger (und später auch Uhlhorn) die Zunahme an Klagen über die Bettelei mit der ansteigenden Zahl an Bettlern, verursacht durch den wirtschaftlichen Wandel, so dass es zur Verfassung städtischer Armenordnungen kam43. Der schwäbische Jesuit verurteilte aufgrund seiner Forschungsergebnisse den „arbeitsscheue [n] Bettel“, den er von der Obrigkeit nicht nur verboten, sondern auch bestraft wissen wollte. Die Almosenspende an Arme, die nur in ihrem Untätigsein bestärkt würden, qualifizierte er demgemäß als sündhaft. Ehrle trat für ein gänzliches Bettelverbot unter der Voraussetzung ein, dass für Arme in anderer Weise ausreichend gesorgt würde, und plädierte daher für die Hausarmenpflege. Jedoch hätten weder freiwillige Beiträge zur Armenkasse noch die Armensteuer von der persönlichen Hilfeleistung zu befreien. Zwar hätten die Gemeinden sich in erster Linie um die eigenen Armen zu kümmern, dennoch dürften auswärtige Arme in Fällen dringender Not aufgrund des Gebotes der Nächstenliebe nicht ausnahmslos abgewiesen werden44.
13Ausführlich beschrieb Ehrle in den weiteren Kapiteln seiner Studie die Entwicklung der Armengesetzgebung im anglikanischen England des 19. Jahrhunderts und die Einrichtung des Workhouse, in welchem er selbst als Seelsorger tätig war45. Er sah bezüglich des sozialen Elends „eine nicht geringe Mitschuld“ der Arbeitgeber aufgrund der Lohnherabsetzung. Er unterstrich die Bedeutung der Religion für die Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber, nur sie könnte diesen deren Pflichten einprägen46. Da sich die staatliche Armenpflege insgesamt als unzureichend erweise, müsse diese durch die organisierte Privatwohltätigkeit notwendigerweise ergänzt werden. Dabei nannte Ehrle beispielhaft die Charity-Organisation Society (COS), in welcher politische, konfessionelle und persönliche Differenzen hintangestellt würden und welche vermittelnd zwischen der öffentlichen und privaten Pflege agierte. Die „unumgänglich nothwendige Zweitheilung der Armenpflege“ nannte Ehrle „ein System, das schon so viele Früchte getragen hat“47.
14Für das Elberfelder Modell48 der Armenpflege, mit welcher er sich in seinem letzten Kapitel auseinandersetzte, fand er lobenswerte Worte, verglich dieses mit dem Vinzenzverein und hob den gemeinsamen Hauptcharakter der beiden Einrichtungen hervor49. Dennoch plädierte der Jesuit für eine Ergänzung der gesetzlichen Armenpflege in Elberfeld (heute ein Stadtteil von Wuppertal): „Es sind eben die Funktionen der Pflege zu zahlreich und mannigfaltig; es gibt Arten von Unterstützungsbedürftigkeit, für welche die öffentlichen, theilweise durch Steuern aufgebrachten Gelder nicht verwandt werden dürfen“. Er verwies auf die Bedeutung der christlichen Nächstenliebe, die er als moralisch-religiösen Akt verstand50.
Reformideen: Zentralisierung, konfessioneller Friede, Zusammenwirken von Kirche und Staat
15Die Studie von Ehrle zeigt deutlich, wie sehr seine Darlegungen mit dem kirchenpolitischen Diskurs seiner Zeit verwoben waren51. In seinem Resümee ging der Jesuit ausführlich auf die Frage ein, welche Rolle der Staat in der Ordnung des Armenwesens einnehmen sollte – ein Thema, mit dem sich auch Autoren wie Ratzinger und Uhlhorn in besonderer Weise auseinandergesetzt hatten52. Für Ehrle war die Armenfürsorge prioritär Sache von Privaten – also nichtstaatlicher Einrichtungen und Personen – und der Kirche, erst in zweiter Linie der Gemeinde „und in Ausnahmsfällen auch des Staates“. Weil das „göttliche Gebot der Nächstenliebe […] das älteste Armengesetz“ ist, müsse durch dieses vor jeglicher öffentlichen Tätigkeit die Privatarmenpflege ins Leben gerufen werden53. Die öffentlichen Gewalten könnten auf diesem Gebiete nur ergänzend – im Sinne des Subsidiaritätsprinzips54 – wirken55.
16Hinsichtlich der Privatarmenpflege betonte Ehrle den ersten Platz, den die Kirche einzunehmen hätte. Allerdings würde die Kirche weder für sich das Monopol des caritativen Wirkens noch für ihre Vertreter die oberste und ausschließliche Leitung beanspruchen. Es müsse ihr aber eine ihrer Sendung und Tätigkeit entsprechende, also hervorragende Stellung zugewiesen werden, da sie die vorrangige Autorität, Verantwortlichkeit und Kompetenz im Sozialbereich besäße. Dem Staat räumte Ehrle eine gewisse Rolle in der Armenfürsorge ein: So sei die öffentliche Gewalt neben der privaten und kirchlichen Pflege für die Armenpolizei (für schuldbare oder arbeitsscheue Arme) zuständig und habe als gelegentliche Ergänzung der privaten Wohltätigkeit zu agieren, wenn sich Schwierigkeiten in der Ausübung ergäben56. Die öffentliche Gewalt müsse die von der Kirche geweckte und getragene Privatmildtätigkeit nach Kräften fördern57. Sie solle nur dann das Aufsichtsrecht erhalten, wenn Veruntreuungen und Missbräuche vorlägen. Ehrle übte Kritik daran, wenn die Armenpflege zum Staatsmonopol gemacht würde. Dies sei für das soziale Wohlergehen eines Landes ein „schwer schädigender Fehlgriff“58. Daher trat er für das Zusammenwirken von privaten und kirchlichen Vereinen, Anstalten und Stiftungen auf der einen Seite mit den staatlichen bzw. gemeindlichen auf der anderen Seite ein, ohne dass dabei die einzelnen Organisationen ihre Eigenständigkeit aufgeben müssten. Als Modell nannte er die schon erwähnte Charity-Organisation-Society in England59.
17Der Jesuit hob hervor, wie wichtig die Kooperation der Konfessionen untereinander wäre und betonte das fruchtbare Miteinander von Staat und Kirche in der Bedeutung für die Gesellschaft: Zu erfolgreichem Wirken auf dem sozialem Gebiet und speziell in der Armenpflege gehöre „der confessionelle Friede und das einträchtige Zusammenwirken von Kirche und Staat“60. Damit unterstrich er nicht nur die Bedeutung der Rolle der Kirche in der Armenfürsorge, sondern forderte auch deren Wirken ohne jedwede staatliche Einschränkungen – gerade auf sozialem Gebiet. Er hegte die Hoffnung, dass „der zum Gedeihen des Vaterlandes so nöthige confessionelle Friede bald wiederkehren [möge]“ und dann die „vereinten Kräfte der christlichen Liebe in heiligem Wettkampfe durch die Armenpflege der Linderung der gegenwärtigen Noth und durch die religiöse Erziehung der verwahrlosten Jugend der wirksamen Anbahnung besserer Zeiten sich widmen“ mögen61.
Schlussbemerkungen
18Das Buch Franz Ehrles zur Geschichte der Armenfürsorge kam 1881 als Ergänzungsheft der „Stimmen aus Maria Laach“ heraus. Seine Abhandlung versteht sich als Verteidigungsschrift gegen kulturkämpferische Phrasen, wonach zum Beispiel die kirchliche Armenfürsorge im Laufe der Geschichte angeblich kritiklos gewesen wäre. Der Jesuit befasste sich besonders mit dem Verhältnis von Staat und Kirche in der Armenfürsorge während des Kulturkampfes. Er übte Kritik an einer Monopolstellung des Staates in der Armenpolitik und an der Entchristlichung der Gesellschaft, forderte ein freies Handeln der Kirche in der Armenfürsorge und plädierte für eine Rechristianisierung der Gesellschaft.
Notes de bas de page
1 1Der aus Isny gebürtige Schwabe und Arztsohn Franz Ehrle trat als 16-Jähriger 1861 in das Noviziat der Jesuiten in Gorheim, damals zur Deutschen Ordensprovinz gehörig, ein. Siehe dazu den Beitrag von Klaus Schatz über Ehrle und die Gesellschaft Jesu in diesem Band. Die einzige größere Monographie zu Ehrle und einem spezifischen Thema stammt von P. Gangl, Franz Ehrle (1845- 1934) und die Erneuerung der Scholastik nach der Enzyklika „Aeterni Patris“, Regensburg, 2006 (Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte, 7). Weitere kurzbiographische Hinweise mit Literaturangaben bei M. Weitlauff, (art.) Ehrle, Franz, in Theologische Realenzyklopädie, Bd. 9, Berlin-New York, 1982, S. 366-369, hier S. 367; P. Walter, (art.), Ehrle, Franz, in Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 3, Freiburg 1995, Sp. 513f.; K. Schatz, Geschichte der deutschen Jesuiten (1814-1983), Bde. 1-5, Münster, 2013, siehe hier Bd. 5, S. 152.
2 Miscellanea Francesco Ehrle: scritti di storia e paleografia. Pubbl. sotto gli auspici di S. S. Pio XI in occasione dell’ottantesimo natalizio dell’E.mo Cardinale Francesco Ehrle, Rom, 1924 (Studi e testi, 37-41), Album: Pubblicazioni dell’E.mo Ehrle (Studi e testi, 42), hier das Werkverzeichnis.
3 F. Ehrle, Beiträge zur Geschichte und Reform der Armenpflege, Freiburg, 1881 (Stimmen aus Maria Laach. Ergänzungsheft, 17).
4 Vgl. zu der jesuitischen Kulturzeitschrift A. R. Batlogg, 140 Jahre „Stimmen der Zeit“, in Stimmen der Zeit 229, 2011, S. 433-434. Zur Rolle Ehrles in den „Stimmen aus Maria Laach“ siehe den Beitrag von Andreas R. Batlogg in diesem Band.
5 F. Ehrle, Die deutsche Armengesetzgebung und das Material zu ihrer Reform von Dr. Emil Münsterberg, Berlin, 1887, in Stimmen aus Maria Laach 32, 1887, S. 559- 564. Bei dem von Ehrle rezensierten Werk handelt es sich um die Dissertation Münsterbergs, die dieser beim bekannten Berliner Nationalökonomen und Sozialwissenschafter Gustav Schmoller (1828-1917) verfasste. Die Publikation von Münsterberg, der mehrere wissenschaftliche Studien zum Armenwesen vorgelegt hat, wurde als „Bd. VI., Heft 4 der staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen“ von Schmoller herausgegeben.
6 Ehrle, Armengesetzgebung (wie Anm. 5), S. 561.
7 7Über die Funktionen der privaten und der öffentlichen Wohltätigkeit schreibt Ehrle: „Die Privatpflege will das Elend der Mitmenschen lindern; die staatliche Pflege steuert den Nöthen der Armuth, um das öffentliche Wohl zu sichern.“ Ebd., S. 564.
8 F. Ehrle, Die Armenordnungen von Nürnberg [1522] und von Ypern [1525], in Historisches Jahrbuch 9, 1888, S. 450-479, hier S. 476f. Mit Ehrles These setzte sich Jahre später Otto Winkelmann auseinander. Siehe O. Winkelmann, Die Armenordnungen von Nürnberg (1522), Kitzingen (1523), Regensburg (1523) und Ypern (1525), in Archiv für Reformationsgeschichte 10, Heft 3, 1913, S. 242- 280, und 11, 1914, S. 1-18. Vgl. dazu den Band von S. Schmidt, J. Aspelmeier (Hg.), Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit, Stuttgart, 2006, darin besonders den Beitrag von A. Wagner, Armenfürsorge in (Rechts-) Theorie und Rechtsordnungen der frühen Neuzeit, S. 21-60.
9 In Ditton Hall hatte sich die Gesellschaft Jesu 1872 aufgrund des Kulturkampfes niedergelassen. Wegen des Jesuitengesetzes waren sie aus dem Deutschen Reich vertrieben worden. Zum Kolleg in Ditton Hall siehe Schatz, Geschichte (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 39-42.
10 Zu diesem Haus siehe ebd., S. 42f.
11 Seine Tätigkeit erwähnt Ehrle auch in seiner Studie über die Armenpflege. Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 61 u. 73f. Siehe auch K. O. Müller, Aus Familienbriefen des Kardinals Franz Ehrle, in Theologische Quartalschrift 116, Heft I/II, 1935, S. 1-52.
12 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 72-75; Schatz, Geschichte (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 43, Anm. 145.
13 Von den großen Werken über die kirchliche Armenpflege seien exemplarisch angeführt: das vom katholischen Autor Georg Ratzinger (1844- 1899) verfasste und vielzitierte Werk Geschichte der christlichen Armenpflege, Freiburg, 1868; dessen zweite überarbeitete Auflage erschien 1884, ebenfalls im Freiburger Verlag Herder. Die zweibändige Publikation des protestantischen Autors Gerhard Uhlhorn (1826-1901) lag zum Zeitpunkt des Erscheinens von Ehrles Werk noch nicht vor: Vgl. G. Uhlhorn, Die christliche Liebesthätigkeit in der Alten Kirche, Stuttgart, 1882 (Bd. 1); Ders., Die christliche Liebesthätigkeit im Mittelalter, Stuttgart, 1884 (Bd. 2). Erst in einem späteren Artikel ging Ehrle auf Uhlhorn ein und bezeichnete dessen Geschichte prinzipiell als „Uebersetzung der Arbeit Ratzingers ins Protestantische“, lobte manche Ergänzungen und einige Verbesserungen, die Uhlhorn vornahm. Siehe Ehrle, Armenordnungen (wie Anm. 8), S. 451.
14 Zu den Armutsdiskursen im 19. Jahrhundert: B. Schneider, Armutsdiskurse, Armenfürsorge und Industrialisierung im „deutschen“ Katholizismus während des langen 19. Jahrhunderts, in S. Steinberg, W. Müller (Hg.), Wirtschaft und Gemeinschaft. Konfessionelle und neureligiöse Gemeinsinnsmodelle im 19. und 20. Jahrhundert, Bielefeld, 2014, S. 35–61; ferner B. Schneider (Hg.), Konfessionelle Armutsdiskurse und Armenfürsorgepraktiken im langen 19. Jahrhundert, Frankfurt-Wien, 2009 (Inklusion/Exklusion, 15).
15 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. III.
16 Ebd., S. IV.
17 Ebd.
18 A. Emminghaus (Hg.), Das Armenwesen und die Armengesetzgebung in europäischen Staaten, Berlin, 1870. Darin bot der Herausgeber mit 24 Mitarbeitern aus verschiedenen Ländern auf 727 Seiten einen Überblick über das europäische Armenwesen, die Armengesetzgebung in ihrer historischen Entwicklung und ihrer damaligen Ausgestaltung.
19 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 2. Zu einer anderen Ansicht kam Ehrle, als er das Werk Münsterbergs 1887 rezensierte. Er hielt dieses für die Befassung mit der deutschen Armengesetzgebung wesentlich geeigneter als das Sammelwerk von Emminghaus. Ehrle, Armengesetzgebung (wie Anm. 5), S. 562.
20 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 1.
21 Ebd.
22 Ebd., S. 3. So hätten viele Mitarbeiter des Sammelwerkes dieses Urteil übernommen, wie Ehrle an einem konkreten Zitat des Züricher Professors Viktor Böhmert aufzeigt: „[…] der Klerus, als Beherrscher der Gewissen, sammelte aus reichlichen Schenkungen und Vermächtnissen, aus Anniversarien, Dispensen jeder Art, aus dem Ablasshandel u.s.w. große Schätze an und lebte bald nicht mehr für die Armen, sondern von den Armen.“ Zitiert in ebd., S. 5.
23 Vgl. ebd., S. 4.
24 Emminghaus nahm von seinem Vorwurf die ersten drei Jahrhunderte aus. Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 6f. Zu Theologie und Praxis der christlichen Armenfürsorge in der frühen Kirche siehe B. Schneider, Christliche Armenfürsorge. Von den Anfängen bis zum Ende des Mittelalters. Eine Geschichte des Helfens und seiner Grenzen, Freiburg-Basel-Wien, 2017, S. 45-80.
25 Vgl. Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 6f.
26 Vgl. ebd. – Zu Georg Ratzinger siehe Anm. 13 sowie das biographische Sammelwerk von J. Kirchinger, E. Schütz (Hg.), Georg Ratzinger (1844-1899). Ein Leben zwischen Politik, Geschichte und Seelsorge, Regensburg, 2008.
27 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 10f. Siehe auch Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 44.
28 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 10f.
29 Vgl. auch O. G. Oexle, Zwischen Armut und Arbeit. Epochen der Armenfürsorge im europäischen Westen, in C. Stiegemann (Hg.), Caritas. Nächstenliebe von den frühen Christen bis zur Gegenwart. Katalog zur Ausstellung im Erzbischöflichen Diözesanmuseum Paderborn, Petersberg, 2015, S. 52-73, hier S. 55-60.
30 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 11-13. Vgl. Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 40.
31 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 19f.
32 Ebd., S. 20f.
33 Ebd., S. 17f.
34 Vgl. Schneider, Christliche Armenfürsorge (wie Anm. 24), S. 105.
35 Vgl. ebd., S. 107.
36 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 23.
37 Ebd., S. 24.
38 Ebd., S. 25f.
39 Ebd., S. 27-59, hier S. 28.
40 Ehrle schrieb in einem späteren Artikel wörtlich, dass Ratzinger „mit selbständiger Verarbeitung ein Kapitel meiner ‚Beiträge‘ seiner zweiten Auflage einverleibt“ hat. Gemeint ist das Kapitel Ratzingers „Die neue Organisation und die alten christlichen Grundsätze“ auf den Seiten 437 bis 451. Ehrle, Armenordnungen (wie Anm. 8), S. 452. Allerdings kritisiert Ehrle, dass Ratzinger ihn in der Streitfrage über die städtischen Armenordnungen nicht ganz korrekt zitiert habe. Die zweite überarbeitete Auflage von Ratzingers Werk wurde von Ehrle grundsätzlich gelobt: „Verbessert wurde das Werk, um von einer Reihe von Einzelheiten abzusehen, durch die Richtigstellung einer Reihe schiefer Beurteilungen […] Fast in allen Abschnitten zeigt sich die emsig bessernde Hand, welche die Grundsätze und Anschauungen der verschiedenen Perioden schärfer hervorhebt, die Materialien besser gruppiert und neuen Stoff in einem Maße einschiebt, daß die Seitenzahl von 433 auf 616 gestiegen ist.“ Ebd., S. 450f.
41 Zu Vives siehe F. Domínguez, (art.) Vives, Juan Luis, in Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 10, Freiburg, 2001, Sp. 834f.
42 Über die Entwicklung im 16. Jahrhundert unter Einbeziehung von Ehrles Studien siehe Wagner, Armenfürsorge in (Rechts-) Theorie und Rechtsordnungen der frühen Neuzeit (wie Anm. 8), S. 30-38.
43 43Christoph Sachße und Florian Tennstedt sehen die Ursache für die Armenordnungen in einer gewandelten, negativen Wahrnehmung der städtischen Bevölkerung gegenüber dieser Personengruppe, da sich die zahlenmäßige Zunahme an Bettlern nicht belegen lasse. Dies., Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Vom Spätmittelalter bis zum 1. Weltkrieg, 2. Aufl., Bd. 1, Stuttgart, 1998, S. 36; A. Voß, Betteln und Spenden. Eine soziologische Studie über Rituale freiwilliger Armenunterstützung, ihre historischen und aktuellen Formen sowie ihre sozialen Leistungen, Berlin, 1992, S. 30, Anm. 63. Dazu Wagner, Armenfürsorge in (Rechts-) Theorie und Rechtsordnungen der frühen Neuzeit (wie Anm. 8), S. 29.
44 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 58f.
45 Ebd., S. 60-103. Für Ehrle war England „unzweifelhaft […] ein besonders geeignetes Terrain für Studien über die Armenfrage“. Ebd., S. 60.
46 Ebd., S. 93. Zur Kapitalismuskritik und das angespannte Verhältnis zur Industrialisierung siehe Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 49f.
47 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 94-103, hier S. 103. Zur Charity-Organisation-Society (COS) ausführlich W. R. Wendt, Geschichte der sozialen Arbeit, 4. Aufl., Stuttgart, 1995, S. 139-150.
48 C. Sachße, Traditionslinien bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland, in Aus Politik und Zeitgeschichte B9 (2002), S. 3-5, hier S. 4.
49 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 104-125. Ehrle würdigte zwar den Elberfelder Frauenverein zur Unterstützung Hilfsbedürftiger in bemerkenswerter Weise, dieser sei aber nicht ausreichend, um die Nöte zu lindern.
50 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 111. Vgl. Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 40.
51 Vgl. Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 58.
52 Vgl. A. Henkelmann, T. Jähnichen, Innere Mission – Caritas – Diakonie: Transformationen und Angleichungsprozesse im theologischen Verständnis des konfessionellen Hilfehandels seit „den langen 1960er Jahren“, in A. Henkelmann, T. Jähnichen, U. Kaminsky, K. Kunter (Hg.), Diakonie und Caritas in der Modernisierung des deutschen Sozialstaats seit den sechziger Jahren. Mit Beiträgen von Z. Hanussek und A. Losch, Stuttgart 2012 (Konfession und Gesellschaft, 46), S. 314-340, hier S. 325.
53 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 126f.
54 A. Baumgartner, (art.) Subsidiarität, in Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 9, Freiburg, 2000, Sp. 1076f.
55 Vgl. I. Franz, Katholische Publizistik und die Diskurse um Armut und Soziale Frage bis zum Kulturkampf, in M. Maurer, B. Schneider (Hg.), Konfessionen in den west- und mitteleuropäischen Sozialsystemen im langen 19. Jahrhundert. Ein „edler Wettkampf der Barmherzigkeit?“, Berlin-Münster, 2013 (Religion – Kultur – Gesellschaft. Studien zur Kultur- und Sozialgeschichte des Christentums in Neuzeit und Moderne, 1), Münster, 2013, S. 59-93, hier S. 82f.
56 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 127f. Vgl. Schneider, Armutsdiskurse (wie Anm. 14), S. 60f.
57 Ehrle, Armenpflege (wie Anm. 3), S. 129.
58 Ebd., S. 131.
59 Ebd., S. 132.
60 Ebd., S. 133. So auch bereits in seinem Vorwort: Ebd., S. IV.
61 Ebd., S. V. Siehe dazu den Band von Maurer, Schneider, Konfessionen (wie Anm. 55).
Auteur
Professor Dr. Michaela Sohn-Kronthaler, Universität Graz – Professeur à l’Université de Graz.
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