« Geeint durch das Band der Harmonie » Bürgerliches Musikleben in Köln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
p. 177-207
Texte intégral
Für Hans, den Geiger
1Als der junge Kammerassessor Karl Schorn in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts nach Köln versetzt wurde, erschien ihm das gesellige Leben der Stadt als ausgesprochen vielgestaltig. Fur einen « gebildeten jungen Mann, der es verstand in den besseren Kreisen zu verkehren », so erinnerte er sich noch viele Jahre später, sei das städtische Leben reich an Unterhaltung gewesen:
In der Winterzeit gab es wenige Abende, welche nicht mit irgend einer Einladung zu Thee, Spiel und Tanz, oder mit musikalischen Unterhaltungen, wie Conzerte, Quartette, Gesangvereine, Musikproben, Liedertafeln, musikalische Kränzchen und dergleichen besetzt waren; ja wenn in der Woche vielleicht ein oder anderer Abend frei war, so erheischten das Theater (in der Comödienstrasse) oder dieses und jenes der zahlreichen gastlichen Kölner Häuser einen ungezwungenen Familienbesuch. Es gingen die freiwillig übemommenen geselligen Engagements so weit, dass man beim Ausgange der Wintersaison gleichsam von einem socialen Drucke aufathmete und das Verlangen hatte, einigermassen wieder sich selbst angehören zu können.1
2Geselligkeit besaẞ einen wichtigen Stellenwert bei der Konstituierung des modernen Bürgertums und pragte die bürgerliche Lebenswelt in hohem Maẞe. Die Auseinandersetzung mit den Künsten – dem Theater, der bildenden Kunst und insbesondere der Musik – hatte daran einen wesentlichen Anteil. Zum einen war dies dem neuen Selbstbewusstsein der Btirgerinnen und Bürger geschuldet, die auch auf diesen Gebieten die Initiative ergriffen, wo vormals Adel, Geistlichkeit und Fürsten dominierten. Zum anderen wurden im 19. Jahrhundert die Künste ein wichtiges Mittel bürgerlicher Selbstdarstellung und Lebensinterpretation. Spätestens seit der Jahrhundertwende gehorte die ästhetische Bildung zum Leitbild des Bürgers.2
3Köln besaẞ im 19. Jahrhundert im Bereich der Musik ein ausdifferenziertes Vereinsleben. Es bestanden mehrere Instrumental-und Vokalvereine nebeneinander: Musikalische Gesellschaft, Singverein, Conzert-Gesellschaft, Sing-Akademie, Liedertafel und Männer-Gesang-Verein, um nur die bedeutendsten zu nennen. Das Spektrum des musikalisch-geselligen Lebens, das Schorn umreiẞt, spielte sich nicht nur in den Vereinen ab, sondern hatte auch in den bürgerlichen Häusern selbst einen Ort, und ebenso gehörte der Theaterbesuch dazu. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich jedoch auf die musikalischen Vereine als die wichtigsten Τräger bürgerlicher Musikkultur in Köln in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.3
4Bereits im 18. Jahrhundert hatte es in Köln, getragen von den Zünften, der Kaufmannschaft und vor allem den kirchlichen Institutionen, ein reichhaltiges musikalisches Leben gegeben. Neben der Domkapelle existierten zahlreiche Orchester und Chore in den Kölner Kirchen und Klöstern.4 Die Domherren betätigten sich als Förderer und Mäzene. So lud etwa der Domprobst Reichsgrafvon Oettigen häufig Musiker an seine Τafel, und das Domkapitel beauftragte einzelne Komponisten mit der Lieferung von Kirchenmusikwerken.5 Köln profitierte im 18. Jahrhundert auch von den musikalischen Traditionen der benachbarten Residenzstadt Bonn. Dort hatte der Kurfürst eine angesehene Opernbühne und ein Orchester aufgebaut, und die gastierenden Künstler traten dann häufig auch in der Domstadt auf.6
5Die weldichen Bewohner Kölns pflegten die Musik auf unterschiedlichstem Niveau. Regelmässige Abonnementkonzerte fanden in der Ritterzunft Zum Schwarzen Haus, in der Schusterzunft und – jeden Donnerstag um fünf Uhr – in der Balbiererzunft statt. « Wer eine Dame mit sich bringt, zahlt hierfür zehn S tuber », hiess es in einer Ankündigung.7 Die Kölner Kaufmannschaft veranstaltete zu besonderen Anlässen Festkonzerte, und eine Musikalische Akademie bot in der Sternengasse in den Wintermonaten jeweils zehn bis zwölf Abonnementkonzerte an. Im März 1778 gab sich dort der « Chur-Köllnische Hoftenorist Beethoven die Ehre [...] zwey seiner Scholaren zu produzieren, nämlich Mademoiselle Avendonc, HofAltistin, und sein Söhngen von sechs Jahren ».8
6Die Kölner Weinhäuser verfugten oft über festangestellte Musiker. Konzerte fanden in der Weinstube Ferrari in der Schildergasse, bei Ehl auf dem Domhof und im Saal der Witwe Cremer statt. 1797 hatte sich in der Weinstube Das Hüttchen beim Bürgerhauptmann Etzweiler ein aus Berufsmusikern und Laien zusammengesetzter Musikverein gegründet, der im kleinen Kreis die neuen Sinfonien der Zeit aufführte.9 Auch im Saal des Bürgerhauptmanns Rhodius gab es montags regelmäẞig Konzerte, ausgeführt von « Liebhabern » und « Tonkünstlern ». Den « verehrungswürdigen Zuhörern » wurde versprochen, « jedesmal mit abwechselnden neuen Arien, Duetten, Terzetten und Chören die Abendstunden angenehm zu machen ».10 Beim Abonnementkonzert am 12. Juli 1786 standen allein vier Sinfonien, darunter eine von Mozart und von Dittersdorf, dazu mehrere Arien und ein Quintett auf dem Programm, abgeschlossen wurde der Abend mit einer türkischen Musik im Garten. Diese « bunte » stilistische Mischung, die auch aufWerktreue noch wenig Wert legte – so wurden beispielsweise die einzelnen Sätze einer Sinfonie oft mit eingestreuten Arien « aufgelockert » –, blieb bis weit ins 19. Jahrhundert hinein kennzeichnend für das Konzertprogramm.11
7Mit der Auflösung des von den Zünften getragenen geselligen Lebens während der französischen Zeit hörten auch die Abonnementkonzerte in den Zunfthäusern auf zu existieren. Das Domkapitel floh nach Arnsberg, und 1805 wurde die Domkapelle aufgelöst, deren besoldete Mitglieder damit arbeitslos wurden. « Die braven Künstler samt ihren übrigen Zunftbrüdern und Gehülfen gehen, meist mit den noch unbezahlten Forderungen von zwei und drei Dienstjahren, darbend umher, kaum dass ein seltenes precaires Ungefähr sie noch irgendwo zusammenbringt », klagte der Kölner Kunstsammler Ferdinand Franz Wallraf über ihr Los.12 Dank einer von Kölner Bürgern organisierten Geldsammlung konnte die Domkapelle aber schon im Jahr 1808 wieder gegründet werden. Sie bestand jetzt neben 14 besoldeten Fachmusikern auch aus einer Anzahl von Dilettanten.13 « Liebhabervereinigungen » musikalisch gebildeter Laien wurden im frühen 19. Jahrhundert die vorrangigen Träger des städtischen Musiklebens. Von Berufsmusikern wollten diese Vereinigungen zunächst möglichst unabhängig sein. Erst ab den 1820er Jahren, vollends dann mit dem Virtuosenkult der 1830er und 1840er Jahre gewannen Berufsmusiker wieder an Boden.
Musikalische Gesellschaft und Singverein
8Beim Beginn der bürgerlichen Reorganisation des Kölner Musiklebens hatte der Richter Erich Verkenius eine entscheidende Rolle gespielt. Verkenius (1776-1841) entsprach dem zeitgenössischen Idealbild des « Dilettanten »14. Geboren in Köln als Sohn des Prokurators am kurkölnischen Hofgericht, war er schon als Neunjähriger in der Jesuitenkirche als Violinist aufgetreten. Während seines Jurastudiums in Wurzburg lernte er privat Klarinette. In der französischen Zeit arbeitete er zunächst als Rechtspraktikant in Köln und wurde 1810 zum Richter ernannt. Im gleichen Jahr schuf Verkenius eine Kammermusikvereinigung und 1812 mietete er zusammen mit den Musikliebhabern Marcus DuMont, Isaak Moll und Adolf Steinberger, dem späteren Oberbürgermeister, der ein guter Orchestergeiger gewesen sein soll, einen Saal, um Abonnementkonzerte zu veranstalten. Diese Konzerte existierten bis in die Mitte der zwanziger Jahre und gingen 1826 in die Conzert-Gesellschaft über. Sie hatten sehr familiären Charakter; beendet wurden sie mit einem Tanz. Nach einer Beschreibung der 1820er Jahren herrschte
in den Familienkonzerten [...] ein sehr gemütlicher Ton. Die Zuhörer saẞen in Hufeisenform sich gegenüber. Die Kölner Elegants der zwanziger Jahre, in blauem Frack mit blanken Knöpfen, in Nanking-Inexpressibles, das Kinn tief vergraben in der hohen weissen Binde, tänzelten während der Pausen in den freien Raum in der Mitte und schnitten die Cour.15
9Im Jahr 1812 war Verkenius einer der Gründer der Musikalischen Gesellschaft, des ersten Kölner Musikvereins im neuen, bürgerlichen Sinn. Die Musikalische Gesellschaft war ein Dilettantenorchester. Aufnahmebedingung war die Beherrschung eines Orchesterinstruments. Die ersten Notenanschaffungen waren die Sinfonien Nr. 1 bis 20 von Joseph Haydn. Noten bezog der Verein von seinem Mitglied Simrock, den Schrank für deren Aufbewahrung und die « Musikpulde » fertigte Reiner Santen, ebenfalls Mitglied der Gesellschaft. Musiziert wurde im geschlossenen Kreis der Mitglieder bei einem Glas Wein, den Elias Mumm lieferte.16 Die Stimmung war entspannt, die Tendenz betont egalitär: Die Statuten bestimmten ausdrücklich, dass « nach einem Solo, welches von einem Gesellschafts gliede vorgetragen wurde – möge die Ausführung auch noch so gelungen sein – [...] nicht applaudiert werden » durfte.17
10Keine Fachmusiker waren an der Gründung beteiligt, sondern fast ausschlieẞlich Kaufleute. Unter den 36 Gründungsmitgliedem von 1812 befanden sich 26 Kaufleute, zwei Fabrikanten, ein Buchhändler, drei Juristen und ein Staatsbeamter.18 Neue Mitglieder wurden per Ballotage aufgenommen. Für « Gelehrte, Künstler und andere mit einem stehenden Amte bekleideten Mitbürger » war die Gesellschaft zwar prinzipiell offen, « sie haben indess keinen Antheil an dem gesellschaftlichen Eigenthum, bezahlen daher auch weder Entree noch andere Beiträge, haben auch weder bei den Ballotements noch bei den Berathschlagungen Sitz und Stimme. » Die gleichen Beschränkungen galten für Ehrenmitglieder (« Regierungspersonen, Staatsbeamte, berühmte Gelehrte und Künstler »), die der Vorstand ohne Ballotage aufnehmen konnte.
Allen Bewohnern Kölns, die nicht wirkliche oder Ehrenmitglieder sind, ist der Zutritt in die Gesellschaft gänzlich untersagt. Nur Fremde haben die Freiheit, an den Vergnügungen und Unterhaltungen der Gesellschaft Theil zu nehmen, sobald sie von einem Mitgliede eingeführt werden.19
11Frauen waren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Nicht einmal an den Stiftungsfesten durften sie teilnehmen.20
12In anderen Kolner Musikvereinen waren schon im frühen 19. Jahrhundert auch Frauen aktiv, insbesondere in den Gesangvereinen lag es schon aus musikalischen Gründen – um « die Mannigfaltigkeit des Gesangs » zu erhöhen21 – nahe, Frauen mit einzubeziehen. Der 1812 gegründete Städtische Gesangverein war ebenso wie die 1835 entstandene Sing-Akademie ein gemischter Chor. Der Vorstand der Sing-Akademie bestand 1844 sogar zu einem knappen Drittel aus Frauen.22 Auch der Kölner Singverein, der zwischen 1820 und 1840 exisderte, war ein Zusammenschluss von « musikliebenden Damen und Herren zu einem gemischten Chor ».23 Die Mitgliederzahl lag zunächst bei etwa 50 Sängerinnen und Sängern, in den dreissiger Jahren bei 72 Mitgliedern.24 Der Singverein verfügte über ein reichhaltiges Repertoire: Bach, Handel, Gluck wurden gesungen, aber auch Haydn, Mozart und die neuere Musik von Cherubini, Weber, Spontini, Spohr und Méhul.25 Notwendig war eine gewisse musikalische Vorbildung der Mitglieder; Solopartien wurden reihum nach dem Los vergeben. Ebenso wie bei der Musikalischen Gesellschaft waren öffentliche Konzerte zunächst nicht vorgesehen: « unter dem Namen Singverein bildet sich eine Gesellschaft, welche praktische Ubung an den klassischen Werken der Tonkunst zum Zwecke hat, mit bloẞer Klavierbegleitung im geschlossenen Kreise ihrer Mitglieder », heiẞt es im ersten Paragraph der Gründungsstatuten.26 Zuhorer waren nicht zugelassen, jedoch war es « den Mitgliedern erlaubt, zweimal im Jahre ihre Familienmitglieder in den Singübungen einzuführen ».27 Erst ab 1827 wurde der Singverein der Leitung eines Berufsmusikers, Karl Leibl, unterstellt. Das Repertoire verengte sich, dafür wurden nun auch öfifentliche Konzerte gegeben.28
13Zwischen Singverein und Musikalischer Gesellschaft bestanden enge Verbindungen. Zu den ersten Mitgliedern des Singvereins zählten die Familien DuMont, Farina, Simrock, Steinberger sowie der Groẞvater und der Vater des Komponisten Max Bruch.29 Alle diese Namen finden sich auch auf den Mitgliederlisten der Musikalischen Gesellschaft. Auch das Grundverständnis teilten Musikalische Gesellschaft und Singverein: Sich durch « die Musik zu bilden, dann aber auch sich gemeinschaftlich und gegenseitig durch diese Kunst zu unterhalten, zu vergnügen und sie fernerhin zur Verschönerung des Lebens anzuwenden »,30 sollte der Zweck der bürgerlichen Musikausübung sein. Das eigene Musizieren, die eigene Produktivität stand im Vordergrund. Es ging darum, Musikwerke kennen zu lernen und sich anzueignen, ohne dass dabei auf Perfektion gesteigerter Wert gelegt wurde.
Nicht das Erreichen der Stufe höchster ästhetischer Vollendung, die den Virtuosen auszeichnet, war [...] zunachst entscheidend, sondern das stete, zielgerichtete Streben nach Entwicklung der individuellen Anlagen und Fähigkeiten, der Genuẞ des Teilhabens und Sichübens an den Kulturleistungen grosser Vorbilder.31
14Dieser Zielsetzung lag ein neues emphatisches Kunstverständnis zugrunde. Die Auseinandersetzung mit der Kunst sollte Teil eines individuellen wie gesellschaftlichen Prozesses der Erziehung des Menschen zur Humanität sein. « Das Ganze unsrer sinnlichen und geistigen Kräfte in möglichster Harmonie auszubilden » war, wie Friedrich Schiller es ausdrückte, der Endzweck der ästhetischen Erziehung.32 Aufklärung und Vernunft reichten nicht aus, den Charakter des Menschen zu bilden, so die zeitgenössische Aufklärungskritik. Neben die Verstandesbildung sollte die Gefühls-und Herzensbildung treten, sollte etwa durch die Betrachtung eines Bildes « das Gefühl für Schonheit, für reine Formen, für Harmonie der Farben, für Wahrheit, Kraft und Wurde der Darstellung » geweckt werden, wie es der Kölner Kunstverein anstrebte.33 Kunst verkörperte das Ideale, die Gegenwelt zur Welt der Arbeit und der Leistung, und in der Auseinandersetzung mit ihr sollte sich der Mensch gleichsam veredeln.34 Auch deshalb hielten die bürgerlichen Musikliebhaber zunachst Distanz zu den in den Grenzen ihres Metiers befangenen professionellen Musikern, weil – aus der Sicht der Liebhaber – « die meisten Musiker von Profession [...] nur Maschinen (sind), [...] indem der Zunftmäẞige kalt und gleichgültig bei der Musik bleibt, weil er weiẞ, dass er gesucht und bezahlt werden muss. »35
15Im Vorwort der ersten Statuten der Musikalischen Gesellschaft drückt sich in konzentrierter Form das neue bürgerliche Kunst-und Geselligkeitsverständnis aus:
Es ist uns Menschen zur Erhaltung des Lebens, der Gesundheit, der Leibes-und Seelenkräfte, der Munterkeit und Unverdrossenheit des Geistes, ja selbst zum Genuss der höheren Freuden, welche uns Fleiss, Arbeitssamkeit, Nutzbarkeit und Wohltätigkeit gewahren, unentbehrlich, dass wir zuweilen Ergötzlichkeiten oder sinnliche Freuden geniessen. Sollen diese Freuden jedoch nicht unanstandig für uns sein, so müssen sie zugleich den Geist beschaftigen; nur dürfen sie die Seek nicht zum ernsten Denken hinauf spannen, weil sie sonst aufhören, Erholungen zu sein, uns zur Arbeit werden. [...] Mit volligem Rechte zählt man daher zu den edelsten der sinnlichen Ergötzlichkeiten auch Musik. Diese Tochter aus Elysium beut einen Quell süsser, entzuckender Freuden [...], weil sie das ganze sinnlich-geistige Wesen des Menschen in Anspruch nimmt, nicht einseitig den Geist oder den Körper reizt, sondern sich der ganzen Natur bemächtigt, durch die Gefühle die Einbildungskraft, und durch die Einbildungskraft tiefe Gefühle erregt. Nicht weniger wohltätig wirkt sie aber in ihren Mitzwecken. Hoher hebt sie die Andacht im Bethause; feuriger macht sie den Muth des Kriegers; leichter wird bei ihren Tönen dem Landmanne und Handwerker seine Arbeit – durch ihren Zauber stimmt sie die Wehmuth zur Freude und löset den verhärteten Schmerz in Thränen auf. – Nie wirkt sie auf das thierische Gefühl, wenn sie auf das moralische wirken soll, und hat nichts an sich, was unedle Τriebe in Bewegung setzen könnte. So wie aber die Lebensfreuden überhaupt nirgends besser gedeihen und schmackhafter werden, als auf dem Boden der Geselligkeit: So wirkt die Musik auch vorzüglich im geselligen Kreise zur Erweckung, Nahrung und Verstarkung der edelsten Triebe des Herzens.36
16Die Dilettantenvereine verbanden das Bildungsideal ihrer Zeit mit geselliger Alltagspraxis. Nur in der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, im Austausch mit anderen könne der Einzelne sich selbst verwirklichen, so die zeitgenössische Auffassung. Mehr noch als in den Kunst-oder Theatervereinen, in denen die Burger vor allem Rezipienten waren, begegneten sie in den Musikvereinen der Kunst direkt.
17Der grundlegende Gedanke des gesamten bürgerlichen Assoziationswesens war das Zusammenwirken vieler Einzelner zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks. Die Musikvereine verkörperten diese Idee in besonderer Weise, liegt doch die Vorstellung des Orchesters und des Chors in der Schaffung nur eines (Klang-)Körpers aus verschiedenen Instrumenten beziehungsweise Stimmen.
18In dem Anspruch, dass « die Glieder der Gesellschaft auf einen festen Gesichtspunkt hinwirken, damit sie durch den Vereine ihrer gesamten Kräfte nur einen Korper ausmachen, der mittelst seiner Starke den Zweck der Verbindung realisieren kann »,37 steckte die auch allgemein-gesellschaftlich verstandene Utopie bürgerlicher Selbstorganisation. So schrieb die Kölnische Zeitung anlässlich des Niederrheinischen Musikfestes 1824 über das neue Phänomen der Musikvereine:
[...] Und Meisterwerke, die in voriger Zeit nur selten, an wenigen, durch Gelegenheit und Mittel gleichsam dazu bevorrechteten Orten zu hören waren, sind sie nicht durch zunehmende Weckung und Übung der Talente zum Gemein-Eigenthum geworden, dessen Genuβ jetzt allenthalben Dilettanten-Vereine gewähren, die freilich nach Verschiedenheit der Verhältnisse einen verschiedenen Grad des Erfolgs erreichen, aber hier und da mit freiwillig vereinigten Privatmitteln unverkennbar mehr leisten, als sonst beim Überfluss öffentlicher Mittel geleistet worden?38
19Die Dilettantenvereine waren Ausdruck eines bürgerlichen Selbstbewusstseins, das seine Kraft nicht zuletzt aus der Tradition bürgerlich-städtischer Selbstverwaltung schöpfte. Schon ein Zeitgenosse erklärte
die besondere musikalische Physiognomie Kölns [...] aus dem ehemaligen reichsstädtischen Wesen und seinen freien Einrichtungen, aus dem Bürgertum, das seine Bedeutung fühlte und sich nicht nur selbst regierte, sondern auch auf eigene Hand erlustigte.39
20In den Residenzstädten dagegen wurden auch im frühen 19. Jahrhundert die Instrumental-und Chorvereine starker von Berufsmusikern beherrscht.
21Im Umfeld des höfischen Konzertlebens war es für bürgerliche Dilettantenvereine ungleich schwerer, sich dauerhaft gegen professionelle Konkurrenz zu etablieren.40
Conzert-Gesellschaft
22Im Jahr 1827 gründeten Singverein und Musikalische Gesellschaft gemeinsam eine Conzert-Gesellschaft zur Förderung öffentlicher Konzerte. Dies entsprach einer allgemeinen Entwicklungstendenz der Musikvereine vom « Liebhaberkreis mit betonter Ablehnung konzertmässiger Aufgaben » hin zum Konzertverein unter Beteiligung und Leitung von Berufsmusikern.41
23Zur Conzert-Gesellschaft « vereinigen sich Freunde der Tonkunst zur regelmäẞigen Ausführung selbständiger Conzerte, wodurch den Musik-Liebhabern in Verbindung mit den Tonkünstlern hiesigen Orts Gelegenheit gegeben wird, ihr Talent zu üben, den sämtlichen Musikfreunden ein nach den vorhandenen Mitteln möglichst vollkommener musikalischer Genuss geboten und überhaupt der Sinn und die Theilnahme für Musik befördert wird. »42 Ziel der Conzert-Gesellschaft war die Bildung eines « gesellschaftlichen Fonds » für jährlich mindestens sechs Konzerte. Diese Konzerte, die ab 1827 regelmässig veranstaltet wurden, standen in der Tradition der in der französischen Zeit eingerichteten « Familienkonzerte », wurden jetzt allerdings bezeichnenderweise « Gesellschaftskonzerte » genannt. Hatte es sich bei den Familienkonzerten noch gewissermassen um gruppeninterne Privatveranstaltungen gehandelt, richteten sich die Gesellschaftskonzerte an eine gröẞere Öffentlichkeit. Durch die Bildung eines Fonds sollte dem Konzertwesen, das nun aufgrund der Anmietung eines gröẞeren Raumes und der Verpflichtung professioneller Künstler gegen Honorar einen vermehrten Geldbedarf hatte, eine sichere Grundlage gegeben werden.
24Die monatlichen Aufführungen begannen jeweils im Herbst und dauerten bis Neujahr. Von Neujahr bis nach Karneval fanden keine Konzerte statt, danach wurden sie fortgesetzt. Aufführungstag war jeweils der Dienstag. Feste Plätze gab es zunächst noch nicht, und während daher manche « Damen, die einen guten Platz haben wollten, [...] gleich nach Tische (erschienen) und [...] geduldig in vollem Staat bis zum Beginn um sechs Uhr » ausgeharrt haben sollen, zeigten sich andere Konzertbesucher weniger diszipliniert. In einer Ankundigung der Konzertsaison 1828/29 wurden « die Zuhörer [...] höflichst ersucht, das Orchester sowie den zwischen demselben und den Stühlen befindlichen Raum freizulassen ».43 Später wurde die Verteilung der abonnierten Plätze durch Los geregelt. Seit Beginn der dreiẞiger Jahre und bis die Gesellschaft 1857 in den Gürzenich umzog,44 wurden die Konzerte im grossen Saal der Casinogesellschaft gegeben. Das Gebäude war 1831 am Augustinerplatz errichtet worden, um « den höhern geselligen Vereinen der Bewohner dieser Stadt zu einem schonen und passenden Vereinigungspunkte » zu dienen, und als ein Ort, wo « zugleich Bälle, Conzerte und andere Vereine zum gesellschaftlichen Vergnugen oder zu sonstigen gemeinnützigen Zwecken Statt finden können ».45 Bald nach seiner Eröffnung entwickelte es sich zum zentralen geselligen Treffpunkt des gehobenen Kolner Bürgertums.
25Sowohl « ausübende » als auch « nicht thätige Musikfreunde » konnten Mitglied der Conzert-Gesellschaft werden.46 Die erste Person einer Familie hatte zwei, die zweite Person eineinhalb Thaler und die weiteren Personen hatten je einen Thaler als Beitrag zu zahlen. Die Beiträge für « diejenigen Dilettanten, deren Talent und Theilnahme für die Gesellschaft von Werth ist », konnten flexibel gehandhabt werden.47 Im Gegensatz zu den anderen Musikvereinen Kölns verzichtete die Conzert-Gesellschaft auf das Aufnahmesystem der Ballotage. Auch dies lässt auf die intendierte grössere Öffentlichkeit der Conzert-Gesellschaft im Vergleich zu den Musikvereinen schliessen. Die Direktion des Vereins hatte ein musikalisches Komitee aus vier Personen, die aus der Klasse der Ausübenden gewählt wurden, und ein dreiköpfiges gesellschaftliches Komitee, gewählt aus der Klasse der Nichtausübenden, inne. Die Direktion war befugt, durchreisende Tonkunstler gegen Honorar zum Auftritt in einem der Abonnementkonzerte beziehungsweise zu Sonderkonzerten einzuladen. Unter anderem traten Nicolo Paganini im Jahr 1831 und Franz Liszt in den 1840er Jahren mehrmals in Köln auf.
26Die Mitwirkung auswärtiger Künstler war in der ersten Jahrhunderthälfte noch häufig vom Zufall abhängig, langfristige Planungen scheinen zunächst noch nicht üblich gewesen zu sein.48 Dies änderte sich erst mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und der Dampfschiffverbindungen sowie der Entwicklung des Telegraphen. Die Virtuosen waren, bis in den sechziger Jahren zunehmend Konzertbureaus die Organisation und die Kunstlervermittlung übernahmen, meist auf eigenes Risiko gereist. War bekannt, dass in einer Stadt regelmässig anspruchsvolle Konzerte stattfanden und eine Konzertgesellschaft bestand, die den Konzertablauf und die Werbung dafür organisierte und zudem ein Honorar garantierte, dann zog dies reisende Virtuosen natürlich an. Es kam vor, dass ein öffentliches Gastspiel durch einen Auftritt in einem Musikverein angebahnt wurde. 1861 spielte Friedrich Smetana in Köln (für ein Honorar von drei Friedrichsd’or) in der Musikalischen Gesellschaft und berichtete seiner Frau daruber in einem Brief:
Es ist nun sicher, dass ich hier, freilich später einmal, für Honorar in den hiesigen Abonnementkonzerten spielen werde. Ich habe vollständig gesiegt. Vor dem Spiele dachte ich an dich und meine Kinder, für die ich erwerben muss – dann ging es, als ob die Lokomotive pfiffe.49
27Den Lebenserinnerungen eines Kölner Zeitgenossen zufolge war das Verhältnis zwischen Künstlern und Publikum im 19. Jahrhundert eng:
Die Künstler, die zu unsern Konzerten kamen, waren nicht die abgehetzten Menschen, die wir heure unmittelbar vor der Generalprobe kommen und sofort nach dem Konzert wieder abreisen sehen. In jenen schönen Zeiten kamen sie meist schon Samstags vor dem Konzert an, musizierten am Sonntagmorgen aufden Hillerschen Matineen, waren dann meist zu Tisch bei meinen Eltern und blieben bis zum Mittwoch in Köln, um den Tee in der Bahnhofstraẞe zu nehmen. Dadurch erklart sich auch das freundschaftliche Verhältnis, welches alle gröẞeren und kleineren Götter zu meinen Eltern hatten und auf uns Kinder übertrugen. An diesen Mittwochnachmittagen gab sich das ganze elegante Köln bei uns ein Stelldichein.50
28Die stärkere Orientierung an Berufsmusikern in der Conzert-Gesellschaft begründete sich im Anspruch der Musikliebhaber, « sich bei aller zweckfreien Geselligkeit zur Beherrschung des Instrumentes und zur Durchdringung des Stoffes emporzuarbeiten, um die Stufe ästhetischer Vollendung und virtuoser Übung zu erreichen ».51 Das Bürgertum huldigte in den Konzerten nun aber auch einer Virtuosität, deren Ansprüchen Laien nicht mehr gewachsen waren. Der Kult um den Virtuosen war zwar vielfach bioẞer Sensationslust geschuldet, gleichzeitig förderten die öffentlichen Konzerte aber auch die Entstehung eines bürgerlichen Musikpublikums mit einer neuen Rezeptionshaltung, nämlich eines Publikums, dessen musikalisches Urteilsvermögen durch die eigene praktische Musikpflege geschärft war. Dadurch wandelte sich das Bild des professionellen Musikers insgesamt: Es entwickelte sich ein neuer Typ des professionellen Musikers, « der durch die Beruhrung mit dem Dilettanten und dessen spezifischer Kunstauffassung zu einem neuen Musikverständnis geführt wurde. Zudem musste sich der Berufsmusiker hinfort an den Masẞtäben messen lassen, die der als Dilettant geschulte Hörer aufstellte ».52
29In Köln standen Conzert-Gesellschaft und mehrere Musikvereine unter der Leitung des gleichen Dirigenten. So war es etwa in den vierziger Jahren, als Heinrich Dorn sowohl Conzert-Gesellschaft als auch Musikalische Gesellschaft und Singverein dirigierte, üblich, dass auf den Sitzungen der Musikalischen Gesellschaft, die vor einem Konzert der Conzert-Gesellschaft lagen, die dort zur Aufführung bestimmten Orchesterwerke durchgenommen wurden.53
30Seit der Jahrhundertmitte strebten Künstler-und Laienbewegung auseinander. Bildungs-und Unterhaltungskultur trennten sich, und es entwickelte sich eine spezifische Hochkultur mit einem festgelegten « klassischen » Repertoire. Leitbild der Epoche wurde immer mehr
das strenge ästhetische, von einer gebildeten burgerlichen Elite jeweils als klassisch definierte Ideal einer « höheren » Kunst. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Marginalisierung und schliesslich in der Ausgrenzung des Dilettantismus aus dem burgerlichen Kunstbetrieb.54
31Die Repräsentativkultur erhielt zunehmend den Vorrang gegenüber der selbstbewussten Aneignung, Kunst wurde ein andachtig konsumiertes « Bildungsgut ».55
32Eine vollständige Kommerzialisierung des burgerlichen Musikbetriebs in Form einer Trennung, etwa dass die Conzert-Gesellschaft die Konzerte ausschlieẞlich mit Berufsmusikern veranstaltete und die Vereinsmitglieder nur als subskribierendes Auditorium fungierten, fand in Köln im 19. Jahrhundert aber nicht statt. Im stehenden Orchester der Gesellschaft spielten bis weit über die Jahrhundertmitte hinaus sowohl Berufsmusiker als auch Liebhaber. Anfang der 1860er Jahre wurden nichtberufstätige Musiker lediglich von den ersten beiden Pulten im Gürzenichorchester ausgeschlossen.56
33Im 19. Jahrhundert gehorte vor allem auch ein Chor zum geregelten Konzertleben, entweder als gemischter oder als Männerchor.57 Wie der Kölner Viktor Schnitzler sich für die Zeit um die Jahrhundertmitte erinnerte,
stand die damalige Zeit unter dem Zeichen der Oratorien, während die Sinfonien wie überhaupt reine Instrumentalstücke – weniger die Gunst des Publikums errangen. Man fand nichts dabei, vor den Sinfonien, die meist den zweiten Teil der Programme bildeten, nach Hause zu gehen.58
34Der Chor der Conzert-Gesellschaft setzte sich aus den Mitgliedern der städtischen Vokalvereine zusammen, d.h. des Städtischen Gesangvereins, der Sing-Akademie und des Singvereins, später auch des Männer-Gesang-Vereins, des Bachvereins und des Sängerbunds. Noch in den 1870er Jahren war der Eintritt in den Gürzenichchor nur gestattet, wenn die Betreffenden schon einem dieser Vereine angehörten. Soloparts übernahmen ausgebildete Sängerinnen und Sanger, die dafür auch honoriert wurden, aber nicht unbedingt professionelle Musiker im engeren Sinn sein mussten.59 Ein Reservoir an Nachwuchskräften schuf die Rheinische Musikschule, die 1849 durch private Subskription entstanden war und sich zum Zweck gesetzt hatte, « jungen Leuten beiderlei Geschlechts, die sich der Tonkunst als Künstler widmen wollen, eine moglichst tüchtige und allgemeine musikalische Ausbildung zu verschaffen. »60 Untergebracht war die Musikschule in den Räumen der Musikalischen Gesellschaft, 1869 wurde sie zum Konservatorium.
35Die bürgerlichen Musikliebhaber übernahmen in der ConzertGesellschaft auch die Rolle von Mäzenen. In den Statuten war die Bildung eines Unterstützungsfonds für bedürftige Musiker der Stadt festgelegt, der aus den Konzerterlösen finanziert werden sollte.61 Im Jahr 1846 war dieser Fonds offenbar schon so angewachsen, dass die neuen Statuten bestimmten, die Unterstützung allein aus den aufgelaufenen Zinsen zu gewähren.62 Über die Vergabe der Mittel « an alte und hülfsbedürftige Musiker » hatte die Direktion zu entscheiden, wobei « diejenigen Musiker, welche in den Conzerten der Conzertgesellschaft mitwirken, [...] sich vorzugsweise einen Anspruch auf Unterstützung » erwarben.63 Neben der Conzert-Gesellschaft entstand im Jahr 1844 zudem ein Orchesterverein, dessen Aufgabe darin bestand, Spenden von Musikfreunden zu sammeln, um damit die finanzielle Existenz der zunehmenden Zahl der Berufsmusiker des Orchesters abzusichern. Neben Spendeneinnahmen wuchs der Fonds des Orchestervereins vor allem durch die Unterstützung anderer Kölner Vereine, etwa des Männer-Gesang-Vereins, der ihm den Ertrag zahlreicher Wohltätigkeitskonzerte zugute kommen liess, und ebenso spendeten die Karnevalsgesellschaft und das Casino. Eine Sicherung der finanziellen Grundlage des Orchesters durch die Stadt erfolgte in der ersten Jahrhunderthälfte nicht, im Gegenteil: Die Conzert-Gesellschaft hatte für jede ihrer Aufführungen eine Armenabgabe quasi als Luxussteuer zu leisten. Erst Ende der 1850er Jahre wurde ihr dies erlassen und die Stadt erkannte die Beiträge zum Unterstützungs-beziehungsweise Pensionsfonds der Musiker an. 1888 wurde das Orchester städtisch.64
Liedertafel und Männer-Gesang-Verein
36Die Konzerte der Conzert-Gesellschaft waren also keine isolierten Ereignisse, sondern eingebettet in eine vielgestaltige städtische Musik-kultur, durch die das Konzertleben unterstützt und getragen wurde.65 Neben den Instrumentalvereinen und den gemischten Chören gehörte in den meisten deutschen Städten auch der vereinsmässig organisierte, ins Populäre wie ins Politische hineinreichende Männergesang zu dieser Musikkultur.66 In Köln waren dies die Liedertafel, die zwischen 1836 und 1859 bestand, und der 1842 gegründete Männer-Gesang-Verein.
Unter dem Namen Liedertafel besteht in Köln eine Gesellschaft, welche den geschlossenen Kreis ihrer Mitglieder bei einem einfachen Abendessen vereinigend, musikalische Unterhaltung und praktische Uebung im mehrstimmigen Mannergesange zum Zwecke hat.67
37Beitrittswillige mussten im Stande sein, « durch Gesang mitzuwirken [...] oder wenigstens als Freunde der Musik bekannt » sein (§ 2). Das Aufnahmeverfahren war die geheime Ballotage, im Unterschied zu anderen Kölner Vereinen, etwa der exklusiven Casinogesellschaft, konnte man sein Eintrittsgesuch aber selbst stellen: « Wer beizutreten wünscht, wendet sich deshalb schriftlich an die Direktion, welche den sich Meldenden in der nächsten Liedertafel [...] zur Abstimmung bringt » (§ 3). Die Liedertafel vermied jede interne Hierarchisierung, einen Liedermeister wählte sie « lediglich zur Wahl und Leitung der Gesänge », wobei jedes Mitglied wählbar war. War der Liedermeister einmal verhindert, wählten die Anwesenden ein fähiges Mitglied als dessen Stellvertreter (§ 7). Drei Direktoren waren für « Besorgung der gesellschaftlichen Angelegenheiten » zuständig, das heisst vor allem für die Auswahl des Gasthofes, in dem die monatlichen Treffen stattfanden, und für die Verabredung des Couvert-Preises mit dem Wirt.68 1838 wurden Jacob Almenräder zum Liedermeister, Peter Mülhens, Joseph DuMont und Jacob Bel zu Direktoren gewählt.69
38Der Kreis der Liedertafel bestand vor allem aus dem gehobenen Bürgertum Kölns. Elf Personen zählten zu den meistbesteuerten Notabeln der Stadt, ausserdem befanden sich vier amtierende Gemeindeverordnete und ein früherer Stadtrat unter den Mitgliedern.70 Am Beispiel der drei Direktoren lassen sich die gesellschaftlichen Verflechtungen innerhalb des städtischen Bürgertums exemplarisch aufzeigen: Der Kölnisch-Wasser-Fabrikant Mülhens war neben der Liedertafel auch Mitglied im Theater-Aktienverein, im Kunstverein und im Vorstand des Zentral-Dombauvereins, seit 1841 war er in der Handelskammer tätig. DuMont, der Verleger der liberalen Kölnischen Zeitung und seit 1846 Gemeinderat der ersten Wählerklasse, gehörte noch dem Kunstverein, der Musikalischen Gesellschaft und dem Vorstand der Rheinischen Musikschule an. Der Seidenwarenkaufmann Bel, Handelskammermitglied von 1834 bis 1837 und im Jahr 1848 Handelsrichter, war Mitglied des Theater-Aktienvereins und des Kunstvereins, darüber hinaus im Vorstand des städtischen Gesangvereins und der Rheinischen Musikschule. Mülhens und Bel gehorten 1832 beziehungsweise 1835 dem Komitee der Niederrheinischen Musikfeste an. Bel war zudem eingeschriebenes Mitglied der Conzert-Gesellschaft, auf deren Mitgliederliste sich auch mehrere Angehörige der Familien Mülhens und DuMont finden lassen. Das Kölner Bürgertum war in den Vereinen auf das Engste miteinander verknüpft, und daraus entstand ein dichtes gesellschaftliches Netzwerk, das nicht nur das musikalische, sondern das kulturelle Leben der Stadt insgesamt gestaltete und trug.
39Die Liedertafel gab keine öffentlichen Konzerte, jedoch Serenaden zu Ehren einzelner Persönlichkeiten, so etwa für den Violinisten Louis Spohr, als dieser am 2. Juni 1840 in Köln eintraf.71 Die interne Geselligkeit rangierte in der Liedertafel offensichtlich vor der Qualität des Gesangs. So urteilte der Kammerassessor Schorn, selbst ein Mitglied der Liedertafel, in seinen Lebenserinnerungen:
Wenn auch die technische Vollendung des Gesangs nicht ins Detail ging, so waren die Ensembles stets harmonisch und schwungvoll, weil sämmtliche Sanger gebildete Musikfreunde aus der bessern Gesellschaft waren.72
40Erst 1844 wurde beschlossen, auch temporäre Mitglieder ohne Stimmrecht aufzunehmen, « wozu die Vorsteher solche Herren vorschlagen würden, deren musikalisches oder überhaupt künstlerisches Talent zum Gedeihe der Gesellschaft für ihre Aufnahme spricht. » Nachdem sichergestellt war, « dass diese temporären Mitglieder nicht auf Kosten der Gesellschaft regalirt », also bewirtet würden, wurden « die Herren Peretti, Tenor und Reithmeyer, zweiter Kapellmeister des hiesigen Theaters » einstimmig in die Liedertafel aufgenommen.73 Seit der Mitte der vierziger Jahre trat die Liedertafel bei Festveranstaltungen auch öffentlich auf, etwa beim Sängerfest von 1846 oder bei der Einweihung der Altenberger Kirche in Anwesenheit des Königs im September 1847.74
41Einen Einblick in das Innenleben des Vereins gibt ein Lied, das die Vereinsmitglieder für ihre Frauen bei der « Liedertafel mit Damen » am 2. Februar 1846 sangen:
Unter allen Qualitäten/Unsrer Frauen Schmuck und Zier,/Ja von alien Raritäten/Leuchtet edle Wiẞbegier./<Sagt doch, was die Manner treiben/Jeden Mond zusammeneint,/Ohne uns oft kleben bleiben,/Bis das Frühroth scheint./[...]/Fängt der Mittwoch an zu tagen/Wird schon das Organ probiert;/Spät die Strasse eingeschlagen,/Die zum Gasthof führt./Bässe reih’n sich an Tenöre/An der Tafel froh entlang/Und gewaltig fall’n die Chöre/Ein in hellen Gläserklang./Jener nagt an einem Hinkel/Dieser stumm die Ohren spitzt/Der Solist ganz ohne Dünkel/Nah dem Meister sitzt./Und wie ist der Liedermeister/Bang um Takt und Ton besorgt,/Denn es wird nun immer dreister,/Nicht gehörig aufgehorcht./Dieser läẞt sich kraftig hören,/Jener stöhnt in tiefem Brumm./Andern treten vor die Zähren,/Schlägt die Stimme um[...].75
42Die von gesellschaftlichen Zwängen befreite, ungezwungene Geselligkeit in der Liedertafel sollte offenbar ein Gegengewicht zu dem zunehmend formlicher und « immer vornehmer werdenden »76 bürgerlichen Leben darstellen. Die Mitgliedschaft von Frauen konnten oder wollten sich die Zeitgenossen in einem solchen Rahmen nicht vorstellen.
43Frauen waren bei der Liedertafel nur bei gelegentlichen Ausflügen – so im September 1847 auf der Fahrt mit dem eigenen Dampfboot nach Plittersdorf – und bei der seit 1846 alljährlich am 2. Februar stattfindenden « Liedertafel mit Damen » im groẞen Saal des Casinos beteiligt.77 349 Personen hatten bereits im ersten Jahr an dieser Veranstaltung teilgenommen. In den Liedern, die auf diesen Festveranstaltungen gesungen wurden, betrieben die Manner einen regelrechten Kult um das « Weibliche », sangen ihre Lieder zum Lob der Musen und Grazien, aufMutter, Liebste und Gattin. Zum Abschluss sangen alle gemeinsam « Was ist des Deutschen Vaterland? ».78
44Der Männer-Gesang-Verein entstand 1842 in einer gewissen Konkurrenz zur Liedertafel. « Die Thatsache, dass einem von seinen Freunden die Aufnahme in die Liedertafel versagt werden musste, gab den ersten Impuls für die Gründung des Männergesang-Vereins. »79
45Die Liedertafel konnte ästhetisch und wohl auch politisch, « in Hinsicht von Tendenz und Leistung den Wünschen vieler nicht [...] entsprechen. »80 Der Männer-Gesang-Vereinstellte höhere Ansprüche an die gesanglichen Qualitäten seiner Mitglieder. Ebenso wie in der Liedertafel geschah die Aufnahme durch Ballotage, seit 1844 mussten sich die Bewerber jedoch vor der Aufnahme zusätzlich noch einer Prüfung ihrer musikalischen Qualitäten unterziehen.81 Im Gegensatz zum geschlossenen Kreis der Liedertafel trat der Männer-Gesang-Verein auch öffentlich auf. « Den Männer-Gesang in seiner ganzen Grösse und Macht zu Ehren zu bringen, Verbreitung des deutschen Liedes durch öffentliche Aufführungen zu patriotischen und vaterstädtischen, wohlthätigen Zwecken, der Devise: “Durch das Schone stets das Gute!” entsprechend », beschreibt die Vereinschronik als oberstes Vereinsziel.82 Die Mitglieder des Männer-Gesang-Vereins entsprachen also weit mehr als die der Liedertafel dem Typ des « Bürger-Sängers ».83 Sie verbanden mit der Musik nicht nur geselliges Vergnügen, sondern sahen in ihr auch eine Möglichkeit, für gesellschaftliche Veränderungen aktiv zu werden. Die Musik wurde allerdings nicht bloẞ als Vehikel für auẞerkünstlerische Zwecke begriffen, sondern das (ästhetisch) « Schone » und das (gesellschaftlich) « Gute » gehörten, entsprechend der Vereinsdevise, im bürgerlichen Musikverständnis zusammen. Die Männergesangvereine repräsentierten zusammen mit den Turnern die organisierte Nationalbewegung im Vormärz. So war etwa auch das grosse Sängerfest in Köln 1846 nicht nur ein Forum des musikalischen Vergleichs, sondern auch des politischen Meinungsaustauschs.84 Insgesamt sollte man die politische Bedeutung des Kölner Männer-Gesang-Vereins allerdings auch nicht überschätzen. Den meisten Mitgliedern ging es wohl vor allem um den Gesang. 1848 sang der Verein zwar für die deutsche Flotte und gab 1850 ein Konzert « zum Besten unserer, um ihr gutes Recht kämpfenden Brüder in Schleswig-Holstein »,85 ansonsten hielt er sich aber mit politischen Positionen eher zurück. Für die anderen Kölner Musikvereine gilt dies ohnehin, so heisst es etwa über die Musikalische Gesellschaft:
Die politischen Wirren beeinflussen das musikalische Leben der Gesellschaft kaum, nur am 25. März des Revolutionsjahres klagt das Protokollbuch liber schlechten Besuch, den es aber gleichermassen auf die Ferien und die politischen Zeitläufe zurückführt.86
46Die Gründungsversammlung des Männer-Gesang-Vereins hatte 1842 im Haus des Kaufmanns Wessel stattgefunden. Zunächst tagte der Verein im Bönnschen Hof am Waidmarkt, und ab Juni 1842 fanden die Proben in einem gemieteten Saal der Musikalienhandlung Eck & Co. statt. Die Sing-Akademie, an die sich der MännerGesang-Verein mit der Bitte gewandt hatte, deren Räumlichkeiten mitbenutzen zu dürfen, hatte dies abgelehnt. Von 1843 bis 1862 probte der Manner-Gesang-Verein dann im alten Zunftsaal der Brauer. Der Saal war dem Verein von der Stadt überlassen worden. Hier fand am 16. Februar 1843 auch das erste öffentliche Konzert des Vereins statt.87
47Bei seiner Gründung hatte der Manner-Gesang-Verein unverzinsliche Aktien (zwischen fünf und 300 Thalern) an die Vereinsmitglieder ausgegeben, zur AnschafFung eines Flügels sowie von Stühlen, Lampen und Musikalien.88 Die Aktienausgabe war ein häufiges Mittel gemeinsamer Selbstfinanzierung eines Vereins. So finanzierte auch die Musikalische Gesellschaft 1846 einen Flügel auf Aktienbasis, die Aktie für fünf Thaler. Die Aktienbesitzer waren prinzipiell untereinander ohne Ansehen der Person gleichberechtigt, aber auch im Verein machte unterschiedlicher Aktienbesitz einige gleicher als die anderen, ja er konnte sogar zur Ausbildung eines « inner circle » derjenigen führen, die Anteilscheine besaẞen, und diese internen Hierarchien verursachten im gegebenen Fall auch Konflikte.89
48Im ersten Jahr seines Bestehens musste der Manner-Gesang-Verein um seine innerstädtische Anerkennung kämpfen, allerdings schweigt die Vereinschronik über die genauen Hintergründe.90 Bei der Feier der Grundsteinlegung zum Weiterbau des Kölner Doms am 4. September 1842 beschloss der Verein, « seine Mitwirkung zu versagen, weil es bei dem Fest-Comité vergeblich versucht worden, eine Einladung für den ganzen Verein, somit eine Anerkennung seines Bestehens, zu erlangen ».91 Allerdings legte der Vereinsvorstand seinen Mitgliedern die Einzelteilnahme nahe. Für den 4. September verzeichnet die Chronik dann auch die « Mitwirkung fast aller Vereinsmitglieder bei der Feier der ersten Grundsteinlegung zum Kölner Dom ».92 Wohl nicht zuletzt um innerhalb Kölns Anerkennung und Wertschätzung zu erlangen, hatte der Männer-Gesang-Verein es sich zum Ziel gemacht, « neben der Ausbildung des Männergesangs selbst auch durch seine Leistungen gemeinnützige Zwecke soviel als möglich zu fördern ».93 Das gemeinnützige Engagement war auch die Voraussetzung dafür, dass die Stadt dem Verein die kostenfreie Nutzung des grossen Saales der Brauerzunft gewährte.94 Den Erlös seiner Konzerte spendete der Verein neben dem schon erwähnten Orchesterverein unter anderem der Dombaukasse, den Armenschulen und der Kleinkinder-Verwahrschule sowie einem Verein für die Thürmchen an Groẞ St. Martin.95 Beim einjährigen Stiftungsfest vermerkte der Dirigent Krahe in seiner Festrede:
Das junge Kunstinstitut befindet sich auf einem beneidenswerthen Hähepunkt seiner Existenz, fühlt sich in seiner moralischen Constitution über etwaige kleinliche Anfeindungen erhaben, und genieẞt jetzt schon einen guten Theil des Vertrauens, der Anerkennung und Hochachtung des besseren Theiles unserer Mitburger.96
49Der erste Preis, den der Männer-Gesang-Verein 1844 bei einem Sängerwettstreit im belgischen Gent gewonnen hatte, festigte in den nächsten Jahren seine innerstädtische Reputation.97
50Reiselust und überstädtische Orientierung waren wichtige Merkmale des Männer-Gesang-Vereins.
Der 5te Juni vorigen Jahres sah den Männer Gesang Verein in würdiger Repräsentation mittels dreier Omnibuswagen Sonntags nach der Dommesse unter Jubel und Gesang nach dem schönsten Punkte des Dünnthales, nach Altenberg abfahren. Wer der Theilnehmer denkt nicht mit Wonne an diese von dem schönsten Wetter begünstigte Fahrt, an das herrliche Mittagessen [...] an die dunklen Laubengänge, schattigen Wälder, klaren Bächlein, fischreichen Weyer, üppigen Wiesen und ganz besonders an die im Walde und in der Kirche so meisterhaft executirten Gesänge.98
51Bei Fahrten zahlte jedes Vereinsmitglied den gleichen Betrag in eine Kasse ein, so dass Besitzunterschiede nivelliert wurden und der Reichere nicht mehr ausgeben konnte als der Armere. Beim Sängerfest 1844 in Gent etwa hatte der Verein « gemeinschaftliche Wohnung im Hötel de Coutai; gemeinschaftliche Kasse für allgemeine Ausgaben durch Einlage von 5 Thalern à Person ».99
52Sowohl in der Liedertafel als auch im Männer-Gesang-Verein dominierten Kaufleute; sie stellten 44% beziehungsweise über 32% der Mitglieder. Die soziale Struktur des Männer-Gesang-Vereins war allerdings mittelständischer als die der Liedertafel. Kein einziges Mitglied wählte 1849 in der ersten Wählerklasse oder lässt sich auf einer der Meistbesteuertenlisten des Vormärz finden.100 Etwas weniger als die Hälfte wählte in der zweiten Klasse, knapp ein Viertel in der dritten Wählerklasse. Auch zählten keine Repräsentanten der politischen Elite Kölns zu den Mitgliedern des Männer-Gesang-Vereins. Einzig der Spezereihändler Clemens August Gohr war zwischen 1842 und 1845 auch Mitglied der Handelskammer. Eine Verbindung zwischen beiden Vereinen ergab sich aus der Τatsache, dass zwölf Mitglieder des Männer-Gesang-Vereins ebenfalls in der Liedertafel sangen.101
53Auch wenn sich keine Frauen unter den Mitgliedern befanden, kam es doch gelegentlich vor, dass Sängerinnen als Solistinnen bei Konzerten des Männer-Gesang-Vereins mitwirkten, wie etwa am 14. August 1848 die aus Köln stammende Konzertsängerin Sophie Schloss, wofür sie « dem Vereine ihr Bildniss zur Erinnerung ihrer Mitwirkung » verehrte.102 Drei Frauen waren sogar Ehrenmitglieder des Männer-Gesang-Vereins, unter anderem die Sängerin Jenny Lind, der im September 1845 als Dank für ihre Mitwirkung in einem Konzert « bei einer Serenade mit Fackelzug das Diplom der Ehrenmitgliedschaft und das silberne Vereinsabzeichen » überreicht wurden. Direkt nach dem Konzert war sie bereits « von den Damen Frau Dr. König und Frau Schaaffhausen mit einem Lorbeerkranz gekrönt » worden.103 Nach dem Auftritt Jenny Linds überboten sich Männer-Gesang-Verein und Liedertafel mit abendlichen Ständchen für die Sängerin.104
54Liedertafel und Männer-Gesang-Verein hatten trotz der anfänglichen Konkurrenz Kontakte untereinander, einmal durch Doppelmitgliedschaften, aber auch durch gemeinsame sängerische Aktivitäten. Am 9. September 1846 luden die Vorstände der Liedertafel und des Männer-Gesang-Vereins gemeinsam zur Mitwirkung an einer Serenade zu Ehren des Oberbürgermeisters Steinberger ein. Die Serenade kam dann allerdings nicht zustande: Noch bevor sich die Teilnehmer « abends acht Uhr am Thürmchen bei Merzenich » versammeln konnten, hatte Steinberger schon einen Brief, mit dem Zusatz « Eiligst » versehen, an die Vereinsvorstände gesandt und gebeten, die Serenade nicht zu halten.105 Auch bei der Organisation des Sängerfestes im Sommer des gleichen Jahres waren beide Vereine beteiligt. Die Initiative zu diesem Fest war vom Männer-Gesang-Verein ausgegangen, im vorbereitenden Komitee waren aber auch mehrere Mitglieder der Liedertafel vertreten.106
55Liedertafel und Männer-Gesang-Verein unterschieden sich jedoch in ihrer « Kultur » des gesellschaftlichen Umgangs. Die exklusivere Liedertafel legte Wert aufdie entspannte Geselligkeit bei ihren Treffen, während beim mittelständischen Männer-Gesang-Verein die Qualität des Gesangs und diszipliniertes Proben zentrale Bedeutung hatten. Durch Erfolge auf musikalischem Gebiet verschaffte sich der Männer-Gesang-Verein offenbar die bürgerliche Reputation, die die Mitglieder der Liedertafel schon qua ihrer gesellschaftlichen Stellung hatten.107
56Die Vielfalt des Kölner Musiklebens war keineswegs auẞergewöhnlich, sondern typisch für die bürgerliche Musikkultur insgesamt.108 In mit Köln vergleichbaren gröẞeren Handelsstädten wie etwa Bremen oder Frankfurt am Main existierten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Regel ebenfalls mehrere gemischte Chore, mindestens ein Instrumentalverein, eine Konzertgesellschaft und ein Männergesang-Verein nebeneinander.109 Auch relativ kleine Städte wie Elberfeld oder « mittlere » Städte wie Augsburg besassen bereits in der ersten Jahrhunderthälfte häufig ein entwickeltes und differenziertes Musikleben.110 In der Residenzstadt München war die städtische Musikkultur enger mit dem Hof verknüpft und das bürgerliche Musikleben fand vor allem innerhalb der allgemeinen geselligen Vereine statt, aus denen heraus sich aber seit den 1830er Jahren ebenfalls mehrere Musikvereine verselbständigten.111
57Bis in die Namensgebungen hinein verliefen die Entwicklungen in den unterschiedlichsten Städten ähnlich. Vereinsneugründungen orientierten sich an den Vorbildern anderer Städte und die Männergesangsbewegung organisierte sich als Netz lokaler Vereine ohnehin unter nationalstaatlichen Vorzeichen. Integrierend wirkten dabei nicht zuletzt die niederrheinischen und die überregionalen Musikfeste, gaben sie doch häufig den Anstoss, weitere Vereine entstehen zu lassen.112
58Warum bestand aber gerade im Bereich der Musik diese Vielfalt von Vereinen?
59Zum einen entsprachen die auf Selbsttätigkeit angelegten Musikvereine in idealer Weise dem Bild des Bürgertums von sich selbst. Wie kaum eine andere Vereinsform verkorperten sie den schichtund ständeübergreifenden Charakter des bürgerlichen Assoziationswesens und das bürgerliche Leistungsethos. Musikalisch fähigen, aber finanziell unvermogenden Personen wurde häufig durch die flexible Handhabung der Mitgliedsbeiträge der Eintritt ermöglicht, ein Prinzip, das es in anderen Vereinen so nicht gab. Durch die Vereinigung verschiedener sozialer Gruppen – etwa auch durch das gemeinsame Musizieren von Dilettanten und Berufsmusikern sowie durch gemeinsame musikalische Aktivitäten von Musikvereinen mit unterschiedlicher Sozialstruktur – trugen die Musikvereine wesentlich zur Ausbildung gemeinbürgerlicher Lebensformen bei.
60Im Medium der Musik konnten zum anderen neben sozialen auch politische Differenzen überbrückt werden. Die musikalische Harmonie entsprach dem Ideal bürgerlicher Harmonie: Unter alien Künsten protegiere der Bremer deshalb « die Musik am meisten oder liebt und verehrt sie am meisten, wie er sagt », so urteilte 1842 etwa ein Reisebericht über die Bremer Musikverhältnisse, weil man « Republikaner oder Ultraloyalist, Rationaler, Freier, Philosoph oder Orthodoxer und Pietist sein und die Musik doch sehr lieben kann, sollte es auch nur sein, weil sie Ohrenkitzel verursacht ».113 Musik – den patriotischen Männergesang einmal ausgenommen – zwingt nicht zu eindeutigen Stellungnahmen, und gerade diese Eigenschaft schätzte das Bürgertum so an ihr. Sie wird nicht erörtert wie Literatur, ein Bild oder auch ein Theaterstück, beim Reden über Musik « kann man doch in der Regel schon mit Ach! Und Oh! Mit Himmlisch! Und Göttlich! Auskommen. Nie braucht man sein Urtheil zu motivieren, weil auch die, welche die ganze Poesie der Musik fühlen, ihren Gefühlen nur selten mehr Begriffe oder Worte unterzulegen wissen ».114 Nicht zuletzt deshalb waren die Musikvereine geeignet, die städtische Bürgergesellschaft gegenuber dem zunehmenden Zerfall in Klassen zu stabilisieren und die « Einheit der bürgerlichen Lebenswelt »115 aufrechtzuerhalten.
Annexe
Résumé/Abstract
La vie musicale bourgeoise à Cologne dans la première moitié du XIXe siècle
La vie musicale à Cologne, marquée au XVIIIe siècle par l’empreinte des institutions ecclésiastiques mais aussi des corporations et des associations marchandes, connut un changement significatifdurant la période française de la ville (1794-1814). Alors que l’Eglise perdait de son importance comme support de la vie musicale, des sociétés d’amateurs composées de bourgeois virent lejour, comme la Musikalische Gesellschaft, société instrumentale fondée en 1812 et interdite aux femmes, ou le Singverein, fondé en 1820 et mixte. Réservées d’abord aux seuls membres dont il s’agissait de développer les aptitudes musicales grâce à une nouvelle compréhension de l’art, ces sociétés d’amateurs conservaient leurs distances vis-à-vis des musiciensprofessionnels.
En 1827pourtant, la Musikalische Gesellschaft et le Singverein créèrent ensemble une société de concert en faisant appel à des musiciens professionnels. En mettant en place une caisse d’assistance aux musiciens professionnels, les amateurs assumèrent ainsi le rôle de mécènes. L’orientation croissante de la Concert-Gesellschaft en faveur des musiciens pro-fessionnels reposait sur une manière d’appréhender la musique qui s’était modifiée, impliquant une plus grande exigence artistique mais aussi un certain culte de la virtuosité. Les dilettantes, qui constituaient à l’origine « les représentants véritablement légitimes de la culture bourgeoise » (Nipperdey), se muèrent de plus en plus en consommateurs, à mesure que s’intensifiaient l’appropriation de la culture et l’engagement pour la culture. Un public musical naissait, dont le jugement était renforcé par sa proprepratique musicale. Les amateurs, hommes et femmes, n’en continuèrent pas moins, jusqu’à la deuxième moitié du XIXe siècle, àjouer un rôle actif au sein de l’orchestre et plus encore des chœurs.
Loin de constituer des événements isolés, les concerts de la Concert-Gesellschaft se trouvaient au contraire intégrés à un environnement musical qui incluait également des chœurs d’hommes plus populaires et à orientation politique, comme la Liedertafel et le Männer-Gesang-Verein, créés respectivement en 1836 et 1842. La pratique au sein des sociétés musicales permettait aux membres de la bourgeoisie de Cologne de se cultiver et d’entretenir d’étroites relations, la même personne pouvant à la fois chanter avec la Liedertafel, être abonnée à la Concert-Gesellschaft et être membre de l’association artistique et théâtrale. Les sociétés musicales faisaient partie du réseau urbain de communication, reflétaient la volonté d’autonomie de la société civile bourgeoise et constituaient une des rares sociétés dans lesquelles les femmes étaient actives. Elles appliquaient l’éthique bourgeoise fondée sur le travail, gommaient les différences sociales et politiques, et maintenaient « l’unité des formes de vie bourgeoises ».
Middle-class musical life in Cologne in the first half of the 19th century
Musical life in Cologne, marked in the eighteenth century by the influence of ecclesiastical institutions and by that of merchants’ corporations and associations, changed significantly during the town’s “French” period (1794-1814,). While the Church was losing its importance as a supporter of musical life, societies of amateurs appeared composed of members of the middle class, such as the Musikalische Gesellschaft, an instrumentalsocietyfrom which women were banned, or the Singverein, founded in 1820, which was mixed. Atfirst these societies of amateurs, where membership was reserved for those who were developing their musical skills due to a new understanding of the art, kept their distance from professional musicians.
However in 1827, the Musikalische Gesellschaft and the Singverein together created a concert society by appealing to professional musicians. By initiating a fund to assist professional musicians, the amateurs thus assumed the role of patrons. The growing orientation of the Concert-Gesellschaft towards professional musicians was based on a new manner of understanding music implying a greater artistic requirement and also a certain cult of virtuosity. Dilettantes, who had atfirst constituted “the true legitimate representatives of middle-class culture” (Nipperdey), were transformed increasingly into consumers, as approval of and commitment to culture intensified. A musical public thus grew up whose judgement was reinforced by its own music-making. Amateurs, both men and women, however continued to play an active role in orchestras and even more so in choirs until the secondhalfof the nineteenth century.
Far from beingisolatedevents, the Concert-Gesellschaft concerts were, on the contrary, part of a musical environment which included malevoice choirs that were more populist andpolitically oriented, such as the Liedertafel and Männer-Gesang-Verein, created respectively in 1836 and 1842. Music-making within music societies allowed members of Cologne’s middle class to become cultivated and to maintain close relationships, as the sameperson could sing with the Liedertafel, subscribe to the Concert-Gesellschaft and be part of an artistic and theatrical association. Music societies were part of the urban communication network, reflecting the wishfor autonomy on the part ofmiddle-class civil society and constituted one ofthe rare societies where women were active. They applied the middle-class ethic founded on work, erased social and political differences and upheld “the unity of middle-class ways of life”.
Notes de bas de page
1 Schorn, K. 1898, Lebenserinnerungen, Bd.1. (1818-1848). Bonn, P. Hanstein: 239f.
2 Hierzu allg. Nipperdey, Th. 1988, Wie das Bürgertum die Moderne fand. Berlin, Siedler.
3 Zum Kölner Theater, in dem auch Opern und Operetten aufgeführt wurden, und zur musikalischen Praxis im Rahmen der privaten Familien-und Geselligkeitskultur vgl. Mettele, G. 1995, « Das Kölner Bürgertum und sein Stadttheater », Geschichte in Köln 38: 81-96; Dies. 1996, « Der private Raum als öffentlicher Ort. Geselligkeit im bürgerlichen Haus » in: Hein, D. und A. Schulz (Hrsg.), Bürgerkultur im 19. Jahrhundert. München, Beck: 155-169. Ausser Betracht bleiben im folgenden die Handwerkerund Arbeitergesangvereine, die in Köln wie in vielen anderen deutschen Stadten ab der Mitte der vierziger Jahre entstanden.
4 Wolff, Κ. 1912, Hundert Jahre Musikalische Gesellschaft. Cöln: 10. Die Musiker der Domkapelle waren besoldet, wurden aber bei besonderen Kirchenfesten durch mannliche und weibliche Laienvokalisten und-instrumentalisten ergänzt; ebd.
5 Unger, H. 1927, Festhuch zur Hundertjahrfeier der Conzert-Gesellschaft in Köln. Köln: 15.
6 Vgl. Quarg, G. 1992, « Mozart in Köln », Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 63: 219-224, hier: 219. Allg. zur höfischen Musikkultur Reimer, E. 1991, Die Hofmusik in Deutschland 1500-1800 Wilhelmshaven, Noetzel.
7 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 8. Allgemein zur bürgerlichen Musikkultur im 18. Jahrhundert vgl. Preuẞner, E. 1950, Die bürgerliche Musikkultur. Ein Beitrag zur deutschen Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts. Kassel, Baerenreiter-Verlag.
8 Zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 18. Der junge Beethoven war in Wirklichkeit schon acht Jahre alt gewesen; der Vater hatte ihn, wohl um das Spektakulare des Ereignisses herauszustreichen, um zwei Jahre jünger gemacht.
9 Oepen, H. 1955, Beiträge zur Geschichte des Kölner Musiklebens. 1760-1840. Köln, Volk: 29.
10 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 18, 20f.
11 Vgl. Nipperdey, Th. 1984, Deutsche Geschichte 1800-1866. München, Beck: 542.
12 Zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 21. Zur Veränderung des Berufsbildes des Musikers im Ubergang vom 18. zum 19. Jahrhundert vgl. Mittmann, J.-P. 1990, « Musikerberuf und bürgerliches Bildungsideal », in Koselleck, R. (Hrsg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. Stuttgart, Klett-Cotta, Bd. 2: 237-258.
13 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 22. An der Sammlung hatten sich übrigens auch Protestanten beteiligt.
14 Zu diesem im frühen 19. Jahrhundert durchaus positiv besetzten Begriff, der auf die individuelle Produktivität und Entwicklung musikalischer Fahigkeiten desLaienpublikums zielte, vgl. Schulz, A. 1996 « Der Künstler im Burger. Dilettanten im 19. Jahrhundert », in Hein, D. und A. Schulz [Anm. 3]: 34-52. Dort finden sich auch Literaturhinweise zur bürgerlichen Musikkultur in verschiedenen Städten. Allgemein dazu vor allem Dahlhaus, C. 1980, Die Musik des 19. Jabrbunderts. Wiesbaden, Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion.
15 Zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 42f, zu Verkenius: Ders, ebd.: 26f.
16 Wolff, K. 1912 [Anm. 4]: 33. Laut einer erhaltenen Rechnung aus den Anfangsjahren lieferte Mumm innerhalb von zwei Monaten für 74 Reichsthaler Wein; ebd.
17 Auszug aus den Statuten der Musikalischen Gesellschaft 1812/13; Stadt-und Universitätsbibliothek Köln (StUBK) Rh fol 1073.
18 Vgl. die Liste der Gründungsmitglieder bei Wolff, Κ. 1912 [Anm. 4]: 15.
19 Auszug aus den Statuten der Musikalischen Gesellschaft 1812/13; StUBK Rh fol 1073, §§ 22 u. 23.
20 Wolff, Κ. 1912 [Anm. 4]: 75.
21 So hatte es der Tübinger Sängerkranz 1841 ausgedruckt; zit. n. Lipp, C. 1986, « Frauen und Öffentlichkeit » in: Dies. (Hrsg.), Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen. Bühl-Moos, Elster-Verlag: 270-307, hier: 276.
22 In den Jahren 1848-1850 gehorten dem fünfzehnköpfigen Vorstand der Sing-Akademie sieben Frauen an, und auch im städtischen Gesangverein bestand im gleichen Zeitraum der Vorstand zu einem Drittel aus Frauen. Im Mozartverein waren im Jahr 1850 vier der acht Vorstandsmitglieder weiblich; vgl. die Kölner Adreẞbücher 1844, 1848,1849,1850. Leider sind über diese Vereine so gut wie keine Quellen erhalten. Auch in Elberfeld waren 1811 die Halite der 22 Gründungsmitglieder der Singschule weiblich; vgl. Illner, E. 1982, Bürgerliche Organisierung in Elberfeld 1775-1850. Neustadt an der Aisch, Schmidt: 192.
23 Fellerer, K.G. 1951, « Der Kölner Singverein 1820-1840 », Niederheinisches Musikfest. Jahrbuch. Dfisseldorf: 49-56, hier: 49.
24 Ders., ebd.: 54.
25 Vgl. das Verzeichnis der Notenanschaffungen bei Fellerer, ebd.: 50ff.
26 Statuten von 1820; zit. n. Ders., ebd.: 50.
27 § 7 der Statuten; zit. n. Ders., ebd.: 49.
28 Ders., ebd.: 52f Schon seit Beginn der 1820er Jahre wirkte der Singverein ebenso wie auch die Musikalische Gesellschaft allerdings bei den Niederrheinischen Musikfesten mit.
29 Ders., ebd.: 50.
30 Auszug aus den Statuten der Musikalischen Gesellschaft 1812/13; StUBK Rh fol 1073.
31 Schulz, A. 1996 [Anm. 14]: 35.
32 Schiller, F. 1983, Über die ästhetische Erziehung des Menschen (20. Brief). Stuttgart, Reclam; vgl. auch Schulz, A. 1996 [Anm. 14]: 43.
33 Jahresbericht des kölnischen Kunstvereins 1845; Historisches Archiv der Stadt Köln (HAStK) Best. 1386, Nr. 438-440. Zum kolnischen Kunstverein vgl. Mettele, G. 1998, Bürgertum in Köln 1775-1870 Munchen, Oldenbourg.
34 Vgl. a. Nipperdey, Th. 1988 [Anm. 2]: 13.
35 Aus einem Fragment von 1797, zit. nach Mittmann, J.-P. 1990 [Anm. 12]: 239f.; vgl. Dahlhaus, C. 1990, « Das deutsche Bildungsbürgertum und die Musik », in Koselleck, R. [Anm. 12]: 220-236, hier: 221.
36 « Vorwort zu den ersten Statuten der Musikalischen Gesellschaft 1813 », in: Festga.be zum achtzigsten Stiftungsfeste der Musikalischen Gesellschaft zu Köln am 26. Novembers 1892; StUBK Rh fol 1073.
37 « Vorwort zu den ersten Statuten der Musikalischen Gesellschaft von 1813 »; StUBK Rh fol 1073.
38 Zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 37.
39 RheinischeMusikzeitung 6.7.1850; zit. nach Ders., ebd. [Anm. 5]: 81.
40 Schulz, A. 1996 [Anm. 14]: 40.
41 Fellerer, K.G. 1951 [Anm. 23]: 56.
42 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1827; HAStK Best. 1147, Nr. 1.
43 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 53, 56.
44 Der Gürzenich war ein im 15. Jahrhundert errichtetes städtisches Fest-und Tanzhaus, das später als städtische Warenniederlage und seit den 1820er Jahren wieder als Konzert-und Ausstellungsraum genutzt wurde. AufInitiative Ferdinand Hillers, der 1849 das Amt des städtischen Kapellmeisters übernommen hatte, wurde er zu einem festlichen Musiksaal ausgebaut. Die « Gürzenichkonzerte » waren in der zweiten Jahrhunderthälfte die bedeutendsten Musikereignisse Kölns. Eine eingehende Beschreibung des Baus bei seiner Wiedereröffnung im Jahr 1857 bei Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 89.
45 Actenstücke und Notizen den Casino-Bau in Köln betreffend 3f StUBK Rh Kasten 20. Fur die Benutzung des Saals entrichtete die Conzert-Gesellschaft jeweils 120 bis 150 Thaler; Unger, H. 1927 [Anm. 5]; 53.
46 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1827; HAStK Best. 1147, Nr. 1.
47 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1827 § 4 u. 5; HAStK Best. 1147, Nr. 1.
48 Vgl. Blum, K. 1975, Musikfreunde und Musici. Musikleben in Bremen seit der Aufklärung. Tutzing, Schneider: 187. Allg. Literatur zum Konzert: Salmen, W. 1988, Dos Konzert. Eine Kulturgeschichte. München, Beck; Heister, H.-W. 1983, Dos Konzert. Theorie einer Kulturform. 2 Bde. Wilhelmshaven, Heinrichshofen; Krister, K. 1993, Dos Konzert. Form und Forum der Virtuosität. Kassel, Baerenreiter; Emans, R. und M. Wendt 1990, Beiträge zur Geschichte des Konzerts. Bonn, Schroder. Die beiden letztgenannten Bücher gehen allerdings nicht aufdie gesellschaftliche Organisation von Konzerten ein, die Perspektive ist rein auf das Kompositorische beziehungsweise die Künstler bezogen.
49 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 124.
50 Schnitzler, V. 1927 (1921), Erinnerungen ans meinem Leben, zit. nach Unger, H. [Anm. 5]: 145f.
51 Schulz, A. 1980 [Anm. 14]: 41.
52 Mittmann, J.-P. 1990 [Anm. 12]: 240f.
53 Unger, H. 1917 [Anm. 5]: 69, 74f.
54 Schulz, A. 1980 [Anm. 14]: 48.
55 Nipperdey, Th. 1988 [Anm. 2]: 34f., 53ff.
56 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 95. In Bremen spielte erst 1928 zum letzten Mal ein Dilettant als Pauker im stadtischen Orchester mit; Blum, K. 1975 [Anm. 48]: 121. Für München vgl. Tornow, I. 1977, Das Münchner Vereinswesen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. München, Wölfle (in Komm.): 124.
57 Blum, K. 1975 [Anm. 48]: 124.
58 Zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 116.
59 Ders., ebd.: 100. Als beliebte Solistin nennt Unger Fräulein Almenräder, die spatere Mutter des Komponisten Max Bruch; ebd.: 52.
60 Ders., ebd.: 80. Musikinstitute hatte es schon vorher in Köln gegeben. Bereits 1812 war ebenfalls mit privaten Mitteln ein « Musikalisches Institut für Unbemittelte » geschaffen worden; Ders., ebd.: 28.
61 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1827, § 19; HAStK Best. 1147, Nr. t.
62 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1846; HAStK Best. 1147, Nr. 2.
63 Statuten der Conzert-Gesellschaft 1846, § 10; HAStK Best. 1147, Nr. 2.
64 Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 73ff, 94,139.
65 Der Kritiker Louis Bischoff schrieb 1850 in der ersten Nummer der Rheinischen Musikzeitung: « [...] Alle diese Vereine, welche sich gegenseitig anregen, erganzen und unterstützen, bilden die Grundlage des musikalischen Lebens in Köln; sie sind die Quellen, welche dem Boden der Kunst beständige Nahrung geben und es möglich machen, dass seine Früchte gedeihen und dem Allgemeinen Genuss bieten »; zit. n. Unger, H. 1927 [Anm. 5]: 82.
66 Vgl. hierzu insb. Düding, D. 1984, Organisiertergesellschafilicher Nationalismus in Deutschland (18081847,). München, Oldenbourg.
67 § 1 Statuten der Liedertafel vom Dezember 1838; HAStK Best. 1066.
68 Statuten der Liedertafel 1844; HAStK Best. 1066.
69 Protokollbuch Dezember 1838; HAStK Best. 1066.
70 Nach preussischem Dreiklassenwahlrecht wählten im Jahr 1849 52 der 159 Mitglieder der Liedertafel (Liste von 1847) in der dritten, 30 in der zweiten und 23 in ersten Wählerklasse. 54 Mitglieder sind im Wählerverzeichnis des Jahres 1849 nicht aufgeführt.
71 HAStK Best. 1066, Nr. 13.
72 Schorn, K. 1898 [Anm. 1]: 269.
73 Protokollbuch 1844; HAStK Best. 1066, Nr. 6.
74 Die Direktion der Liedertafel wies dabei ihre Mitglieder eigens darauf hin, dass die Mitwirkung an der Probe « fur die Theilnehmer am Feste unerlässliche Bedingung » sei; HAStK Best. 1066, Nr. 67.
75 « Lob des Soprans, gesungen bei der festlichen Liedertafel am 2. Februar 1846 »; HAStK Best. 1066, Nr. 28.
76 So der Zeitgenosse Otto Elben, ein Mitglied der vormärzlichen Sängerbewegung; zit. n. Langewiesche, D. 1993, « Die schwäbische Sangerbewegung in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts – ein Beitrag zur kulturellen Nationsbildung », Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 52: 257-301, hier: 273.
77 HAStK Best. 1066, Nr. 15 u. 17.
78 Vgl. « Texte zu den Gesängen für die Liedertafel mit Damen » von 1846 und 1848; StUBK Rh Kasten 3382; HAStK Best. 1066, Nr. 19.
79 « Festrede, gesprochen von C. Krahe bei dem ersten Stiftungsfeste des Manner Gesang Vereins zu Cöln am 29. April 1843 »; HAStK Best. 1336, A 1. Zum MannerGesang-Verein vgl. vor allem Illner, E. (Hrsg.) 1992, Dos Gold der Kehlen. 150 Jahre Männer-Gesang-Verein. Köln, dort auch Hinweise auf weitere Literatur.
80 1992, Lieder für Koln. 150 Jahre Kölner Männer-Gesang-Verein. Köln: 264.
81 Krahe, C. 1867, Der Kölner Mdnner-Gesang-Verein unter der Leitung des königl. Musikdirektors Herrn Franz Weber. Biographische Notizen in chronologischer Folge. Köln, Bd. 2: 3.
82 Ders., ebd.: 1.
83 Illner, E.1992 [Anm. 79]: 8.
84 Vgl. hierzu Düding, D. 1984 [Anm. 66]; Ders. 1991, « Die deutsche Nationalbewegung als Vereinsbewegung », Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 42: 601-624; Klenke, D. 1989, « Bürgerlicher Männergesang und Politik », T. 1, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 40: 458-485 und Langewiesche, D. 1993 [Anm. 76]. Zum Sangerfest 1846 vgl. Mettele, G. 1997 [Anm. 33].
85 HAStK Best. 1336, A 5.
86 Wolff, Κ. 1912 [Anm. 4]: 36.
87 Lieder für Köln [Anm. 80]: 265; Wolff, Κ. 1912 [Anm. 4]: 39. In Köln übernahmen Vereine häufig die alten Zunfthäuser als Gesellschaftslokale. Von 1835 bis 1837 tagte die Musikalische Gesellschaft im ehemaligen Zunfthaus der Bäcker.
88 Ders., ebd.: 60; Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 2.
89 Greifbar ist ein solcher Konflikt in Köln in der Casino-Gesellschaft 1819; HAStK ZS ÜI/51/29.
90 Vgl. Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 2f.
91 Ders., ebd.: 12; Illner, E. 1992 [Anm. 79]: 26.
92 Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 3.
93 Subscriptionsliste für die Winterkonzerte 1843/44; zit. n. Illner, E. 1992 [Anm. 79]; 31.
94 Ders., ebd.: 23.
95 Subscriptionsliste für die Winterkonzerte 1843/44; zit. n. Ders., ebd.: 31; vgl. Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 34.
96 « Festrede » [Anm. 79]; HAStK Best. 1336, A 1.
97 Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 17. Die Liedertafel nahm 1845 am ersten deutschen Sängerfest in Würzburg und am Sangerfest in Koblenz, 1846 am Sängerfest in Brüssel und in Kleve und 1847 am Sängerfest in Arnheim teil; HAStK Best. 1066 Nr. 67-85.
98 « Festrede » [Anm. 79]; HAStK Best. 1336, A 1; vgl. auch Illner, E. 1992 [Anm. 79]: 24.
99 Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 16. Die gemeinschaftliche Kasse war ein Prinzip, das in anderen Stadten vor allem innerhalb der (in Köln relativ unbedeutenden) Turnerbewegung zu finden war. Bei den Turnern erhielt dieses Egalitatsprinzip noch eine besonders rigide und lustfeindliche Variante. Von den Stuttgarter Turnern ist bekannt, dass auf Fahrten die Taschen derjenigen, die losgingen, um Essen zu besorgen, durchsucht wurden, « ob sie nicht etwa weiteres Geld bei sich trügen, um sich einen unerlaubten Genuss zu verschaffen »; Langewiesche, D. 1990, « “[...] für Volk und Vaterland kräftig zu würken [...]”. Zur politischen und gesellschaftlichen Rolle der Turner zwischen 1811 und 1871 » in Grupe, O. (Hrsg.), Kulturgut oder Körperkult Tübingen, Attempto-Verlag: 49.
100 Die Referenzliste der Mitglieder stammt allerdings aus dem Jahr 1842.
101 Vgl. Mettele, G. 1997 [Anm. 33].
102 Krahe, C. 1867 [Anm. 81]: 7.
103 Ders., ebd.: 4. Die Liste der Ehrenmitglieder verzeichnet neben Jenny Lind noch Maria von Marra, Wien (1848) und Auguste de Maere-Limnander, Gent (1856); ebd.: 469. Eine Fahne des Vereins mit der Devise und dem Stadtwappen sowie der Umschrift « Coeln’s Frauen und Jungfrauen dem Maennergesang-Vereine MDCCCXLÜÜ » ist erhalten und befindet sich im Kölner Stadtarchiv.
104 Schorn, K. 1898 [Anm. 1]: 266.
105 « Durch Zufall erhalte ich eben Kenntniss » von der « mir für heute abend zugedachten Serenade. Indem ich mit der innigsten Rührung diese grosse Freundlichkeit [...] so annehme, als ob sie mir wirklich erwiesen ware, drücke ich zugleich den wohlgemeinten Wunsch und die Bitte aus, dass die Serenade unterbleiben möge »; HAStK Best. 1066, Nr. 12 u. 14.
106 Vgl. HAStK Best. 1066, Nr. 81.
107 Vgl. dazu den abweichenden allg. Befund Dieter Langewiesches, der die Liedertafeln als sozial und asthetisch elitar gegenüber dem Männergesangverein als sozial offen und kommunikativ unterscheidet; Langewiesche, D. 1993 [Anm. 76]: 260.
108 Für die folgenden Hinweise danke ich meinen Kollegen Frank Möller, Andreas Schulz und RalfZerback vom Frankfurter Forschungsprojekt « Stadt und Btirgertum im 19. Jahrhundert ».
109 Bremen: Singakademie (gegr. 1814/15), Grabaus Gesangverein (1821), Verein für Privat-Concerte (1825), Liedertafel (1827), Symphonie-Verein (1831), Philharmonische Gesellschaft und Singverein (1847), zudem existierten in den vierziger Jahren allein neun kleinere Männergesangvereine, die sich 1847 zum Bremer Sängerbund vereinigten; Blum, K. 1975 [Anm. 48]. Frankfurt am Main: Cäcilienverein (1818), Liedertafel (1827), Liederkranz (1828), Philharmonischer Verein (1834), Männerchor « Arin-Kunkelen » (1837), Mozart-Stiftung (1838), Orpheus (1838), Männerchor Concordia (1846) und Instrumentalverein (1847); Aufstellung von Ralf Roth, Frankfurt am Main.
110 Elberfeld: Singschule (1810), Gesangverein (1817), Musikverein (1824), Musikgesellschaft (1834), Instrumentalverein (1838), Liedertafel (1838), Manner-Gesang-Verein (1844), Liederkranz (1844), Gesangverein (1846), Sängerkranz (1846), Orpheus (1848); Illner, E. 1982 [Anm. 22]: 186f. Augsburg·. Liederkranz (1830), Musikverein (1832), Cacilia (1833), Liedertafel, Concordia (1849); Friedhelm Brusniak, Chorwesen im 19. Jahrhundert in Bayrisch-Schwaben, in: Millier, R.A. und M. Henker (Hrsg.) 1985, Aufbruch ins Industriezeitalter. München, Oldenbourg, Bd. 2: 556-569.
111 Liederkranz (1826), Bürger-Sänger-Zunft (1835), Liedertafel (1843), Philharmonischer Verein (1831), Privat-Musikverein (1834) und Musikverein im kleinen Rosengarten (vor 1835). Daneben bestanden zwei exklusive Berufsmusikervereine: Liedertafel der kgl. Hoftheater-Chorsanger (1840) und Gambrinia (1847); Tornow, I. 1977 [Anm. 56].
112 Im Bereich des Männergesangs existierten am Vorabend der Revolution in Deutschland mehr als 1100 Vereine mit mindestens 100000 Mitgliedern; Düding, D. 1991 [Anm. 84]: 615.
113 Blum, Κ. 1975 [Anm. 48]: 201.
114 Ders., ebd.; Reisebericht 1842.
115 Nipperdey, Th. 1972, « Verein als soziale Struktur in Deutschland im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert » in Boockmann, H. u.a. (Hrsg.), Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jahrhundert. Gottingen, Vandenhoeck und Ruprecht: 144, hier: 43.
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