IV – Divergenz. Pierre Restany und die polnische abstrakte Malerei im Jahr 1960
p. 95–129
Texte intégral
1Hatte der Kalte Krieg keine bewaffneten Konflikte auf europäischem Gebiet verursacht, so äußerte er sich im Wesentlichen in einem ideologischen Gegensatz, einem Konflikt zwischen Formen der Repräsentation. Beide Großmächte nahmen die Kunst als Soft-Power-Träger für ihre Werte und ihre kontextuell spezifisch ausgeformte Weltanschauung in Beschlag. Die Institutionen und Diskurse der Kulturrepräsentanten brachten sie meist in ein Schema, in dem in den 1950er-Jahren die Abstraktion auf kapitalistischer Seite der Figuration auf kommunistischer Seite gegenüberstand.
2Solche die Spaltung befestigenden Repräsentationen, die an einen strengen, beidseits der Mauer klar verteilten Gegensatz zwischen den Formen des Ostens und denen des Westens glauben ließen, hatten sich jedoch gerade aufgrund der vorhandenen Rivalitäten im gegenseitigen Wechselspiel herausgebildet. Hüben wie drüben wurde um die Repräsentationsweisen konkurriert, wurden Terminologien entlehnt und zweckentfremdet. So hat Sophie Cras gezeigt, dass der Kunstkritiker Pierre Restany, als er die von ihm verteidigte Kunst als »Nouveau Réalisme« titulierte, den Namen einer an der Wende zu den 1950er-Jahren von der Kommunistischen Partei Frankreichs unterstützten Künstlergruppe aufgriff, die eine bewusst traditionelle Malerei betrieb. Cras erläutert, wie es dem Kritiker gelang, die Titulierung ihres ursprünglichen Inhalts zu entledigen, um stattdessen einen wahren Realismus einzufordern, der mit dem der Kommunisten unmittelbarer konkurrierte.158 Solche Aneignungen verändern die Deutung einer Bewegung, einer Praxis. Will man sie erkennen, dürfen die künstlerischen Beziehungen während des Kalten Krieges keinesfalls nach Maßgabe eines frontalen Gegensatzes aufgefasst werden. Es gilt die Bahnen nachzuzeichnen, auf denen es zu wechselseitigen Durchdringungen und Verblendungen gekommen war. Man muss das ganze Gewicht der Existenz eines rivalisierenden, konkurrierenden Modells für die Herausbildung der jeweiligen Repräsentationen ermessen. Internationale Zusammenkünfte wie die Kongresse der AICA sind, ganz ebenso wie die Biennalen von Venedig, São Paulo und Paris oder Ausstellungen wie die Documenta, in dieser Hinsicht besonders aufschlussreich.159 Die Diskurse über die Kunst, die darin Form annehmen, beruhen auf Einordnungen, Klassifizierungen, von denen manche dauerhafte Grundfesten für die Deutung der Kunst legen. Der Diskurs über die abstrakte Kunst zum Beispiel, den Werner Haftmann auf der II. documenta und in seinem Buch Malerei im 20. Jahrhundert unterbreitete, hat die Debatten über die abstrakte Malerei, namentlich in der Zeitschrift Das Kunstwerk, stark geprägt.160 Während des Kalten Krieges boten solche Veranstaltungen auch Gelegenheit für Begegnungen unter Künstlern, Kunstkritikern und Ausstellungskuratoren beider Blöcke sowie für das Aufeinanderprallen verschiedener Vorstellungswelten. Als Polen 1960 in Warschau und Krakau den Kongress der AICA beherbergte, wurde nämlich das polnische Informel, das bei dieser Veranstaltung eine wichtige Rolle spielte, von den polnischen Vertretern und den eingeladenen Kunstkritikern sehr unterschiedlich verstanden. Exemplarisch war in dieser Hinsicht Pierre Restanys Rezeption. Der Fall ist umso interessanter, als die Verständnisdifferenzen unverkennbar aus der andersartigen Beanspruchung des Begriffspaars von Wirklichem und Wirklichkeit durch die französischen und die polnischen Kunstkritiker erwuchsen.
1 – Der 1960 von der AICA in Warschau und Krakau veranstaltete Kongress
3Die 1948/49 gegründete AICA (Association Internationale des Critiques d’Art) wurde 1951 von der Unesco als regierungsunabhängige Organisation anerkannt. Sie beruft regelmäßig Kunstkritiker aus den Mitgliedsstaaten zu gemeinsamen Diskussionsrunden in den offiziellen Sprachen Englisch und Französisch ein. Ihr Ziel ist es, den Austausch unter Kunstkritikern zu gewährleisten, die Verbreitung ihrer Gedanken zu fördern und ihre Interessen zu wahren.161 Die alljährlich in verschiedenen Städten abgehaltenen Kongresse bieten Kunstkritikern aus Nord, Süd, Ost und West Gelegenheit, auf der Grundlage von Referaten einzelner Teilnehmer über ein gemeinsames Thema zu sprechen. Dank zu diesem Anlass organisierter Galerieausstellungen, Museumsbesuche, Theateraufführungen und Konzerte ermöglichen sie auch ein Kennenlernen der örtlichen Kunstszenen.
4Der VII. Kongress war seit Gründung der Vereinigung der erste, der in einem östlich des Eisernen Vorhangs gelegenen Land abgehalten wurde. Vom 5. bis 14. September 1960 empfingen Warschau und Krakau auf Einladung der von Juliusz Starzyński geleiteten polnischen Sektion Kritiker aus aller Welt. Repräsentanten aus den Vereinigten Staaten, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien, Japan, Mexiko, Brasilien, Ägypten, Israel, Ceylon, Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawien versammelten sich unter dem Vorsitz von James Johnson Sweeney. Unter den Teilnehmern befanden sich namentlich Will Grohmann, Vorsitzender der deutschen Sektion, Hans L. C. Jaffé, Vorsitzender der niederländischen Sektion, Haïm Gamzu, Vorsitzender der israelischen Sektion, sowie Jacques Lassaigne, Jean-Clarence Lambert und Pierre Restany für Frankreich.
5Die Begegnung war Anlass, über den internationalen Charakter der zeitgenössischen Kunst und über die Rolle der verschiedenen nationalen Szenen bei der Herausbildung dieser Kunst zu diskutieren. In dem Thema klang das Bestreben nach Bestimmung einer international ausgerichteten Kunstform an, das sich Ende der 1950er-Jahre durch mehrere wichtige Veranstaltungen in Europa hindurchzog. 1958 hatte Moskau die Ausstellung bildender Kunst der sozialistischen Länder organisiert, die zwölf kommunistische Nationen versammelte: die UdSSR, Albanien, Bulgarien, China, Nordkorea, Ungarn, die Mongolei, Polen, die DDR, Rumänien, die Tschechoslowakei und Vietnam. Ein Jahr darauf präsentierte Kassel die II. documenta, bei der Werner Haftmann seine Lesart der Kunst nach 1945 zur Anschauung brachte (der Untertitel lautete »Kunst nach 1945, Malerei – Skulptur – Druckgrafik«), indem er einen besonderen Schwerpunkt auf die abstrakten Arbeitsweisen legte. Und im November 1960 eröffnete in Paris unter dem Kommissariat von Jean Cassou die Ausstellung des Europarats mit dem Titel Les sources du XXe siècle (Die Quellen des 20. Jahrhunderts), in der die künstlerischen Ausdrucksformen der Jahrhundertwende, die »den modernen Stil« geprägt hatten, zu sehen waren.162
6Während ihres Aufenthalts in Warschau und Krakau nahmen die Kritiker an einem von der polnischen Sektion der AICA organisierten Programm mit Ausstellungsbesuchen in Museen und Galerien teil. Im Vordergrund stand dabei die Volkskunst, aber auch die Kunst, die für die Herausbildung einer nationalen polnischen Identität zu den fundamentalen Bezugsgrößen zählte, seien es das romantische dichterische Schaffen von Juliusz Słowacki, die Werke von Künstlern des 19. Jahrhunderts wie Jan Matejko oder später die des »Jungen Polen«.163 Der Kolorismus der beiden ersten Dezennien des 20. Jahrhunderts erfuhr dabei besondere Aufmerksamkeit. Die in den Galerien ausgerichteten zeitgenössischen Ausstellungen zeigten die abstrakten, nicht so sehr die konstruktivistischen als vielmehr die informellen, lyrischen, tachistischen, matieristischen Praktiken. Als Begleitinformation zu ihren Besuchen erhielten die Kritiker Kataloge (Abb. 4 und 5).164
Abb. 4 – Cover des Katalogs zur Ausstellung gk grupa krakowska 1960, die den Kritikern in der Galeria Krzysztofory anlässlich des Kongresses der AICA in Warschau gezeigt wurde

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST210
Abb. 5 – Cover des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, die den Kritikern in der Galeria Krzywe Koło anlässlich des Kongresses der AICA in Warschau gezeigt wurde

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
7Das von der polnischen Sektion der AICA unterbreitete Programm sollte die Liberalisierung des künstlerischen Lebens verdeutlichen, deren sich Polen seit Stalins Tod erfreute. Die sogenannte Tauwetter-Periode hatte zu einer allmählichen Entspannung in den inneren und äußeren Verhältnissen der UdSSR und zu einer relativen Lockerung der politischen Systeme in den Satellitenstaaten Moskaus geführt. Polen war eines der Länder, die erste Anzeichen dessen erkennen ließen.165
8Nach 1948 hatte das kommunistische Regime den Sozialistischen Realismus durchgesetzt, um den bis Mitte der 1950er-Jahre die künstlerischen Debatten kreisten, der dann aber infrage gestellt wurde.166 Dem künstlerischen Leben war das anzumerken: Die Koloristen, die von ihren Posten entfernt worden waren, wurden rehabilitiert.167 Im Zuge des Tauwetters machten Galerien und Clubs auf, die Begegnungen und Diskussionen zwischen Künstlern, Publikum und Kritik beförderten, so wie die Galeria Krzywe Koło in Warschau,168 die Galeria Krzysztofory in Krakau, doch auch R – 55 in Poznań und die Gruppe X in Wrocław. Die Bewegung pflanzte sich fort in den Kulturzeitschriften Pro Prostu (Einfach), Nowa Kultura (Neue Kultur) und Współczesność (Zeitgenossenschaft), aber auch in der künstlerischen Presse, verkörpert durch Przegląd Artystyczny (Kunstrevue) und die dort zu vernehmenden Stimmen von Kritikern wie Mięczysław Porębski oder Aleksander Wojciechowski, der bis 1960 ihr Chefredakteur war.169 Die für die polnische Avantgarde charakteristischen geometrischen Tendenzen wurden dabei indessen nicht übergangen. Nachdem der Stalinismus sie verdrängt hatte, knüpfte die Gruppe Zamek Mitte der 1950er-Jahre wieder an sie an und würdigte ihr Erbe in der Zeitschrift Struktury, die in Lublin erschien.170 Die erste Nummer der Zeitschrift Plastyka enthielt einen Text von Janusz Bogucki über die Geschichte der Formisten-Gruppe. Die Presse veröffentlichte Interviews mit Zbigniew Pronaszko und Henryk Berlewi.171
9Das Besichtigungsprogramm der polnischen Sektion der AICA rückte durchweg die Errungenschaften der Periode ins Licht. Die zeitgenössischen Kunstausstellungen wurden in Galerien präsentiert, die im Zuge des Tauwetters eröffnet hatten, wie Krzywe Koło und Krzysztofory. Für mehrere Katalogtexte zeichnete Aleksander Wojciechowski verantwortlich. Bestimmte Aspekte des Diskurses zur Abstraktion, die ja das Thema des Kongresses bildete, waren ebenfalls charakteristisch für diese Epoche.
10In der Tat hatte sich die Thematik des AICA-Kongresses von 1960 im Zusammenhang mit dem Tauwetter und der Forderung, ein Bild der sozialistischen Kultur jenseits von Einförmigkeit zu zeichnen, herauskristallisiert. Als Juliusz Starzyński 1957 beim Kongress in Palermo James Johnson Sweeney vorschlug, den Kongress nach Polen zu holen und dort »den internationalen Charakter der zeitgenössischen Kunst und die Rolle der verschiedenen nationalen Szenen bei der Herausbildung dieser Kunst« zu diskutieren, entsprach dieses Thema bereits der Position, für die der polnische Kunsthistoriker bei der 1958 in Moskau ausgerichteten Ausstellung bildender Kunst der sozialistischen Länder eintreten sollte.172
11Aus Sicht der sowjetischen Organisatoren sollte diese Ausstellung auf internationalem Parkett das Projekt einer sozialistischen Kunst beleuchten, die Vielfalt im Ringen um ein gemeinsames Ziel – den Sozialismus – durchaus willkommen hieß. Fortan konnte sich der Sozialistische Realismus im Einklang mit den nationalen Traditionen verschiedene künstlerische Ausdrucksformen anverwandeln. Unter dieser Maßgabe eröffneten die sowjetischen Veranstalter den Kommissaren der einzelnen Satellitenstaaten die Möglichkeit, ihre Sektion jeweils selbst zu organisieren. Mit ihrer Auslegung der sowjetischen Linie und ihrer Auffassung von nationaler Eigenart löste die polnische Sektion allerdings einen Skandal aus, übertrat sie doch bei Weitem die Schranken, die das Sowjetregime in Sachen Zurschautragung der Singularitäten gesetzt hatte. Die sowjetischen Behörden rügten die polnische Sektion wegen »Verrats an der sozialistischen Gesinnung und Ästhetik«.173 Ohne den geringsten Ausdruck des Bedauerns unterstrich Starzyński jedoch den Einfluss der französischen auf die polnische Kunst und beanspruchte das Recht, die nationale polnische Tradition fortzuführen und den Begriff »Realismus« umfassender zu deuten. In der von ihm organisierten Sektion waren Werke zu sehen, die aus den Quellen der modernen Kunst schöpften – besonders solche der koloristischen Richtung – und sich in ihren expressiven Formen auffallend von den Werken des Sozialistischen Realismus abhoben. Mit seiner Auswahl demonstrierte Starzyński, wie wichtig es ist, den Einfluss der unterschiedlichen Kontexte auf die künstlerischen Hervorbringungen anzuerkennen, und wie unmöglich, sie einer von allem losgelösten Doktrin unterzuordnen. Gestützt auf die marxistisch-leninistische Phraseologie, bekräftigte er somit seinen Standpunkt des nationalen Wegs zum Sozialismus und plädierte in diesem Zusammenhang für eine renationalisierte polnische sozialistische Kunst.174
12Auch wenn das Tauwetter bedeutsame Veränderungen im Leben der Polen mit sich brachte, stellte es doch weder einen radikalen Umschwung noch einen Bruch mit dem Sozialismus dar. Repräsentanten der stalinistischen Institutionen waren daran ebenso beteiligt wie Künstler, die Beiträge zum Sozialistischen Realismus geliefert hatten. Juliusz Starzyński, der Präsident der polnischen Sektion der AICA, war selbst eine dieser Figuren.175 Nach einer Promotion über Wilanow (1931) und einer Habilitation über das Mäzenatentum von König Jan III. Sobieski (1932) konzentrierte er sich auf die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Nach dem Krieg engagierte er sich mit voller Kraft im kommunistischen Regime und in dessen Institutionen. Von 1947 bis 1949 leitete er im Ministerium für Kultur und Kunst das Büro für kulturelle Zusammenarbeit mit dem Ausland, dann von 1949 an das Państwowy Instytut Sztuki (Nationales Kunstinstitut), das 1959 zum Instytut Sztuki Pan (Kunstinstitut der polnischen Akademie der Wissenschaften) wurde. Von 1950 bis 1970 hatte er zudem die Leitung des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität Warschau inne. Seit 1955 war er in der AICA aktiv und kuratierte mehrfach die polnische Sektion der Biennale in Venedig. Seine Einstellung wandelte sich im Laufe der Zeit. In der Frühzeit der Volksrepublik Polen zunächst Gewährsmann einer Ästhetik des Sozialistischen Realismus nach Maßgabe der Lenin’schen Widerspiegelungstheorie, begleitete er das Tauwetter in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre. Als Mann des Apparats folgte Starzyński den Veränderungen in der polnischen Szene, indem er darauf bedacht war, sie mit einem der marxistisch-leninistischen Phraseologie getreuen Diskurs zu flankieren.176
131960 hob Starzyński die anlässlich der Moskauer Ausstellung bildender Kunst der sozialistischen Länder von 1958 eröffnete Debatte auf eine internationale Ebene: Er verlieh ihr Sichtbarkeit und Glaubwürdigkeit, indem er sie den westlichen Kritikern unterbreitete. Das sozialistische System nicht infrage stellend, wollte er den Beweis für die Freiheit Polens erbringen, ohne sich der sowjetischen Konzeption einer bestimmten Vorschriften unterworfenen internationalen Kunst zu bequemen.177 Auskunft über die im Laufe der Begegnung geführten Debatten und die Positionen der Kongressbeteiligten geben Protokolle, die das Archiv der AICA in Rennes aufbewahrt.178 Starzyński bezog bei seiner Teilnahme an der von Giulio Carlo Argan geleiteten zweiten Arbeitssitzung zum Thema »Die moderne Kunst und der künstlerische Beitrag der mannigfaltigen Traditionen und Tendenzen unterschiedlicher Völker« einen deutlichen Standpunkt: »Nur Künstler, die an die historische Wirklichkeit ihres Volkes anknüpfen und gleichzeitig am Hauptstrom der Entwicklung ihrer Epoche teilhaben, werden sich in der Kunstgeschichte behaupten.« Seine Thesen illustrierte er anhand von Beispielen aus der polnischen Kunst.179
14Die polnischen Referenten gingen mit dieser Position konform. Mieczysław Wallis versicherte, allein ein wohldefinierter Nationalcharakter befruchte eine internationale Kunst. Das Protokoll der Kongressdebatten führt aus:
»Prof. Mieczysław Wallis unterstreicht die Mehrdeutigkeit des Begriffs ›international‹. Einerseits kann es sich um eine des Nationalcharakters entbehrende Kunst handeln, andererseits – um eine Kunst mit internationalem Wert. Nach Professor Wallis gewinnt eine Kunst, je nationaler sie in ihren Ursprüngen ist, desto mehr an internationalem Wert.«180
15Bei der ersten Debatte zum Thema »Die moderne Kunst als internationales Phänomen« unter dem Vorsitz von Jacques Lassaigne vertrat Jan Białostocki die Ansicht: »Dem Begriff des Internationalismus ist eher der Begriff des Individualismus entgegengesetzt als der der Nationalität. Die Begegnung der unterschiedlichen nationalen Inspirationen befruchtet eine wirklich internationale lebendige Kunst.«181 Die polnischen Kritiker verfolgten die Absicht, die nationalen Aspekte wieder in die Debatte über die internationale Kunst einzuführen. Die Wendung, die die Repräsentanten der polnischen Kritik den Gesprächen gaben, war eng mit dem kommunistischen Kontext verknüpft und symptomatisch für die Tauwetter-Periode.
2 – Die Wirklichkeit der Abstraktion
16Auch die begleitenden Texte zu den Ausstellungen waren charakteristisch für diesen Zeitpunkt im künstlerischen Leben Polens – so auch jene zu Konfrontacje 1960, organisiert von der Warschauer Galerie Krzywe Koło. Die aus Anlass dieser Ausstellung herausgegebene Publikation versammelte die kleinen monografischen Kataloge der Künstler, die im Laufe des Jahres 1960 ihre Werke in der Galerie präsentiert hatten: auf dem Gebiet der Malerei jene von Marian Bogusz (Abb. 6), Tadeusz Brzozowski, Tadeusz Dominik (Abb. 7), Stefan Gierowski, Tadeusz Kantor, Bronisław Kierzkowski, Adam Marczyński, Jerzy Nowosielski, Jan Tarasin, Jerzy Tchórzewski, Rajmund Ziemski und im bildhauerischen Bereich von Tadeusz Łodziana, Alina Szapocznikow, Alina Ślesińska sowie Magdalena Więcek. Jedes dieser schmalen Büchlein enthielt einen von Aleksander Wojciechowski verfassten Text und eine Biografie unter Angabe aller Gruppen- und Einzelausstellungen, an denen die Künstler in Polen und weltweit teilgenommen hatten.182 Begleitet wurden die Texte von drei bis fünf schwarz-weißen Reproduktionen und einer farbigen Grafik. Die polnische abstrakte Kunst wurde als am internationalen Geschehen beteiligt dargestellt: So wurde die Malerei von Tadeusz Dominik mit dem New Yorker Action Painting verglichen, von den Künstlern hieß es, sie bereisten die Welt, und die gediegenen Texte, die besonderen Wert auf sorgfältige Beschreibung der Werke legten, lagen in französischer Übersetzung vor.183 Auffällig an diesen minutiösen Ausführungen ist die Bezugnahme auf die Wirklichkeit zur Beschreibung bestimmter abstrakter Arbeitsweisen. Hier stand jedoch nicht jener Wirklichkeitsbegriff zur Rede, den westeuropäische Kritiker wie Werner Haftmann verwendeten, um das Geistige oder Autonome an der Abstraktion herauszustellen und deren Wirklichkeit abzugrenzen von der mimetischen und materiellen, die der Figuration zugeschrieben wurde.
Abb. 6a – Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 1

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 6b – Einzelseite aus der Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 2

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 6c – Einzelseite aus der Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 3

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 6d – Einzelseite aus der Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 4

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 6e – Einzelseite aus der Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 5

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 6f – Einzelseite aus der Monografie von Marian Bogusz, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 6

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7a – Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 1

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7b – Einzelseite aus der Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 2

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7c – Einzelseite aus der Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 3

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7d – Einzelseite aus der Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 4

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7e – Einzelseite aus der Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 5

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
Abb. 7f – Einzelseite aus der Monografie von Tadeusz Dominik, Teil des Katalogs zur Ausstellung Konfrontacje 1960, Warschau, Galeria Krzywe Koło, 1960, S. 6

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.SEST114
17In den polnischen Katalogen ging es vielmehr darum, aus den abstrakten Werken eines Marian Bogusz oder eines Tadeusz Dominik ein Thema herauszulösen, dessen Darstellung im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit stehen und dessen Behandlung offenbar die abstrakte Verfahrensweise der Künstler begründen sollte. So war zu lesen: »Vor fünf Jahren stießen wir im Laufe der Ausstellung der ›Gruppe 55‹, an der Marian Bogusz teilnahm, auf das Problem des Raums, der kraftvoll aus den Bildern dieses Malers hervortrat. Wir sagten damals, es sei ein imaginativer, ›philosophischer‹ Raum, der nicht mit Gegenständen gefüllt sei – sondern mit Gedanken. Es war jedoch auch ein wirklicher Raum, so wie seine geistigen Erkenntnisse wirklich sind.«184 Die Wirklichkeit steht im Zentrum des Texts, der die Monografie von Tadeusz Dominik eröffnet: »Die Abstraktion der Wirklichkeit … Die Wirklichkeit der Abstraktion … Diese Worte begleiteten die Vernissage von Dominiks Ausstellung. Eine genauere oder konzisere Definition wäre schwer für sie zu finden. In den abstrakten Bildern können wir deren realistische ›Ursache‹ erkennen, die aus der direkten, fast ungestümen Reaktion des Künstlers auf den Reichtum der Formen und Farben der Natur hervorgeht.«185
18Für Bogusz war der Raum, für Dominik waren die Formen und Farben der Gegenstand der Darstellung. Diese wahrte somit ihre mimetische Verbindung zu einer referenziellen physischen Wirklichkeit, von der sie sich nie ganz emanzipierte. Die Präsentation des Entwicklungsgangs der Künstler vom Sozialistischen Realismus hin zur Abstraktion und ihre Einreihung in die postimpressionistische Filiation Polens brachten innerhalb ein und desselben Diskurses Figuration und abstrakte Formen in Einklang, damit Letztere durch die marxistisch-leninistische Rhetorik geduldet werden konnten.
19So betonte Wojciechowski nachdrücklich die Kontinuität der Künstlerlaufbahnen. Zu Dominiks Malerei schrieb er: »Das Interesse an der afigurativen Malerei bedeutet keine Preisgabe der alten Überzeugungen. In der ›informellen‹ Kunst selbst bestehen heute als ›neuer Impressionismus‹ definierte Tendenzen.«186 Dieses Bemühen um Kontinuität wurde auch in der nach Perioden unterteilten Präsentation des Werdegangs von Marian Bogusz deutlich. Wojciechowski war sich über die Risiken einer Schematisierung im Klaren, ihm war aber daran gelegen, die logische Abfolge in den Erkundungen des Künstlers hervorzuheben.
20Folgende Chronologie stellte er auf: 1949 – »als er stark der Avantgarde der Nachkriegsjahre verbunden war«, sodass er dem Warschauer Club der Jungen Künstler und Intellektuellen angehörte; 1954/55 – »als er, sich der figurativen Konvention bedienend, seine Kunst abstrakter machte, indem er darin einen imaginären Raum einführte«; 1957 – »als er auf dem Gebiet der Abstraktion bereits reife Arbeiten zeigte, die die logische Konsequenz seiner vorherigen Erfahrungen bildeten«; 1959/60 – »als er schließlich, wie wir gegenwärtig sehen, seine neue Raumauffassung in seinen Arbeiten mit der neuen Funktion der Farbe zu harmonisieren vermochte«.187
21Mittels seiner Texte gewährleistete Wojciechowski die Kontinuität; auch achtete er, wie zuvor bereits Starzyński in Moskau, darauf, dass sich die abstrakten Praktiken in die marxistisch-leninistische Phraseologie integrieren ließen, wofür die »afigurative« Kunst zu sorgen hatte. Doch was war das?
22Eine Bezugnahme auf »afigurative« Malerei findet sich bereits ein gutes halbes Jahr zuvor in einem Artikel, den Wojciechowski in Przegląd Artystyczny publizierte.188 Darin rezensierte er die erste Biennale von Paris:
»Auf der Biennale trägt die der Abstraktion entgegengestellte Strömung, die manche Kritiker ›Afiguratismus‹ nennen, den Sieg davon. Ihr rechnet man unter anderem die Ausstellung der polnischen Sektion zu. Ich erlaube mir, hier eine der charakteristischen Einschätzungen unserer Ausstellung zu zitieren: ›Die Anspielung auf das Wirkliche ist allgegenwärtig, wenn Teresa Pągowska einen imaginären Raum entdeckt, und wenn Tarasin sonderbare Blüten erfindet. Doch versagen sie es sich, dieses in gewohnten Termini zu formulieren. Eine Bewegung, ein Klima, eine Farbe interessieren sie mehr als die Darstellung oder Interpretation der Wirklichkeit. So lässt Ziemski vor unseren Augen rote, gelbe, grüne Schlieren auf zart gearbeiteten und unendlich vielsagenden erdigen Hintergründen erscheinen. Im Übrigen sind die materiale Preziosität bei Gierowski, bei Kierzkowski und vor allem die kräftig strukturierten Zeichen bei [Jan] Lebensztejn [sic], die aus einem sich ständig wandelnden Umgang mit der Farbmasse entstehen, bei Weitem nicht unmotiviert. Diese Maler verleihen mit einem stolzen ästhetischen Anspruch der neuen Wirklichkeit ihres Lebens Ausdruck‹, schreibt Raoul-Jean Moulin in ›Les Lettres françaises‹ (Nr. 793).«189
23Der Begriff des »Afiguratismus« gewann eine Zeit lang die Aufmerksamkeit der polnischen Kritik. In derselben Ausgabe von Przegląd Artystyczny findet er sich ein weiteres Mal in einem Text von Porębski, der die auf der Biennale von São Paulo präsentierte polnische Malerei in gleicher Weise bestimmte,190 ferner im Katalogtext zu Tadeusz Dominik für die Galeria Krzywe Koło.
24Der dem kommunistischen französischen Kunstkritiker Raoul-Jean Moulin entlehnte Terminus diente dazu, den Begriff der Abstraktion zu vermeiden, und ließ sogar glauben, er sei diesem entgegengesetzt. So konnte der Anschein gewahrt werden, dass die polnischen Kunstpraktiken nicht im Widerspruch zu den sozialistisch-realistischen, gegen die abstrakten Verfahrensweisen gerichteten Doxa stünden. Indem sie ein abstraktes Erscheinungsbild mit fernen Naturreminiszenzen in Einklang brachten, konnten sie sich von der Abstraktion des Westblocks abheben, ja sogar eine Alternative zu den universellen Bestrebungen dieser Strömung verkörpern. Wojciechowski beharrte übrigens auf dieser scharfen Unterscheidung:
»Die als ›Afiguratismus‹ definierte (und von der abstrakten Kunst deutlich getrennte) Ausrichtung der Erkundungen manifestierte sich in mehreren Tendenzen. Eine davon war die Tendenz zur Schaffung von Objekt-Strukturen (zum Beispiel bei A. A. Pamedoro [= Arnaldo Pomodoro (?)] und anderen). […] Zahlreich waren auch die Anhänger der ›neuen Expression‹. Diese bediente sich der Anspielung, der Metapher oder des Zeichens und hatte manchmal ferne Entsprechungen in den Objekten und Formen der Natur.«191
25Die Frage der Internationalität und die Bewertung der Abstraktion durch die polnische Kritik waren mithin in hohem Maße durch die spezifischen Verhältnisse in der Tauwetter-Periode geprägt.
26Der Kongress der AICA von 1960 markierte einen besonders interessanten Moment, in dem sich die eine oder andere ernsthafte Wende in den Beziehungen zwischen Ost und West anbahnte. Unter anderem wurde dort das Ende des Binarismus von Abstraktion und Figuration deutlich, der die künstlerischen Identitäten der jeweiligen Blöcke bestimmt hatte. Ein Spiegelbild des Tauwetters, war er zugleich Zeugnis der Zeit, als dessen Errungenschaften bröckelten. Tatsächlich war seit 1956 das immer offenkundigere Interesse der Künstler an der Abstraktion mehr und mehr toleriert worden, wurde aber seit der Moskauer Ausstellung von 1958 zusehends ungünstig aufgenommen. Hinter das Stückchen Unabhängigkeit von der UdSSR zurückzufallen, das Władysław Gomułka nach den Aufständen vom Oktober 1956 Nikita Chruschtschow in zähen Verhandlungen abgerungen hatte, kam gewiss nicht infrage. Allzu große Unabhängigkeit gutheißen wollten die polnischen Behörden aber auch wieder nicht. Nachdem Gomułka abermals seinen Glauben an den Marxismus-Leninismus bekräftigt hatte, bekundeten ein Jahr später die vom Sekretariat des Zentralkomitees auf dem Parteitag vom März 1959 verabschiedeten Richtlinien ausdrücklich die Treue der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei zur realistischen Kunst. Die Redaktion von Przegląd Artystyczny wurde ausgetauscht und die Leitung der Malerin Helena Krajewska, einer Vertreterin des Sozialistischen Realismus seit der ersten Stunde, anvertraut. Starzyński wurde im selben Jahr von seinem Posten als Direktor des Instytut Sztuki Pan abberufen, den er 1968, nach der Absetzung von Jerzy Toeplitz, zurückerlangen sollte. 1960 begrenzte eine Richtlinie den Anteil an abstrakten Werken, die in Kunstausstellungen gezeigt werden durften, auf 15 Prozent. Sie wurde zwar nicht eingehalten, blieb aber bis zum Ende des sozialistischen Systems in Polen in Kraft. Der Kongress der AICA bezeichnete demnach einen Wendepunkt.
27Die Protokolle der Kongressdebatten zeigen, dass die Spezifität dieser Fragestellungen bei der Kritik in Westeuropa und den Vereinigten Staaten keine Beachtung fand.192 Keinerlei Interesse wurde bekundet an den Emanzipationsversuchen gegenüber Moskau und der dort vorherrschenden Auffassung von Internationalismus, ein Unterfangen, von dem die polnischen Kunstkritiker gleichwohl durch die Rückkehr zu Traditionen, nationalen Themen und individuellen Bestrebungen Beweis ablegten.
28Einzig Jean-Clarence Lambert schien die Bedeutung der Reflexion über das Individuum erkannt zu haben. Der Gründer und Chefredakteur der 1967 ins Leben gerufenen Zeitschrift Opus international stand Édouard Jaguer nahe, der mittels der Gruppe Phases zu internationalem Austausch, insbesondere mit den Ländern östlich des Eisernen Vorhangs, aufgerufen hatte.193 Jean-Clarence Lambert betrachtete die Mitglieder der Gruppe als Vertreter des »weder noch«, die, ohne proamerikanisch zu sein, auf der Suche nach einem dritten, »verteufelt antisowjetischen« Weg waren, und gleichzeitig erachtete er sie als regierungsfern, da sie sich für die Entkolonisierung aussprachen.194
29Nationale und internationale Perspektiven schienen Lambert bei den Debatten auf dem Kongress der AICA keine geeigneten Kategorien zur Analyse der künstlerischen Phänomene zu sein, weshalb er sich lieber für die Figur des Künstlers interessierte. Für ihn galt es in den so rasch entstehenden zeitgenössischen Stilen vor allem »die individuellen Werte von Brüchen und Beispielhaftigkeit« zu sehen: »Das Gemälde ist heute auf der Suche nach einem Autor.« Nach diesen Bemerkungen verlas er einen von den jungen Kritikern der Lubliner Gruppe Zamek verfassten Text.195 Statt ideologischer Interpretationen der künstlerischen Bewegungen wollte er die künstlerischen Praktiken in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Unter anderem waren es die Begegnungen auf dieser Reise, denen er sich in der im April 1968 erschienenen, Polen gewidmeten Nummer 6 von Opus international widmete (Abb. 8). Er berichtete von seiner Teilnahme an einer Inszenierung von Miron Białoszewski in einem Warschauer Sozialbau und erinnerte an die Mitglieder der Gruppe Zamek, die unterdessen in Warschau die Galeria Foksal gegründet hatten, auf die wir noch zu sprechen kommen werden (Abb. 9). Mit Blick auf Kantor und dessen Theater Cricot 2, auf die Skulpturen von Alina Szapocznikow und Magdalena Abakanowicz, die Malerei von Jan Lebenstein, die Plakate von Roman Cieślewicz, die Filme von Jerzy Skolimowski und die Musik von Krzysztof Penderecki skizzierte die Zeitschrift die Konturen einer Kunstszene, die weit über die Grenzen Polens hinaus ausstrahlte.
Abb. 8 – Titelblatt der Zeitschrift Opus international, 6: Spécial Pologne, April 1968

Abbildungsnachweis: Archiv der Autorin
Abb. 9 – Doppelseite des in Erinnerung an die Begegnung mit Miron Białoszewski verfassten Artikels von Jean-Clarence Lambert, »Le participe: une pièce de Miron Białoszewski«, in: Opus international, 6: Spécial Pologne, April 1968, S. 14 f.

Abbildungsnachweis: Archiv der Autorin
30Allgemein gesprochen, ermöglichte es dieser Kongress den Kritikern, so manchen Aspekt der polnischen Kunstszene zu entdecken und die durch das Tauwetter bewirkten Veränderungen wahrzunehmen. Die tieferen Strömungen, die sich durch die Debatten hindurchzogen, blieben der Kritik aus den kapitalistischen Ländern aber verborgen. So trugen die Kritiker aus Westeuropa und Amerika die Konzeption einer modernen Kunst vor, die keine Grenzen kennt und sich unter Achtung der Freiheit und der Zugehörigkeit zu nicht in Zweifel gezogenen nationalen Kulturen entfaltet. Die Infragestellung dieser nationalen Kulturen durch die UdSSR, die mehrmaligen Umschwünge, mit denen die Kritiker es in den zurückliegenden Monaten zu tun gehabt hatten, wurden nicht erörtert. Das Thema des Kongresses verstand jeder ganz anders, und die Teilnehmer übernahmen allesamt dasjenige in ihr eigenes Repräsentationssystem, was sie an bereits Bekanntes erinnerte.
3 – Pierre Restanys Sicht der Dinge
31Anhand des persönlichen Archivs eines Kunstkritikers wie Pierre Restany, das in den Archives de la critique d’art in Rennes bewahrt wird, lässt sich eine genauere Vorstellung davon gewinnen, wie sich solche Repräsentationen formierten. Neben dem Kongressprogramm enthalten die Archivakten Einladungen zu Ausstellungen sowie Kurzpräsentationen zu den Museen und zur Geschichte Polens, die den Gästen anlässlich des Kongresses von der polnischen Sektion der AICA zur Verfügung gestellt worden waren. Die Bibliothek versammelt die – häufig mit handschriftlichen Notaten versehenen – Kataloge der während dieser Reise besichtigten Ausstellungen. Diese Dokumente, die Ausstellungsbesuche und der eine oder andere persönliche Austausch bei seinem Aufenthalt in Polen sind in Restanys Sicht auf die polnische Kunst eingeflossen, die er in seinen Reiseaufzeichnungen196 ebenso dargelegt hat wie in den Veröffentlichungen »Notes de voyage: Pologne-Tchécoslovaquie« und »Le VIIe Congrès de l’AICA« in Cimaise in der Ausgabe von Januar/Februar 1961 sowie »Die Situation der Kunst in Polen«, veröffentlicht im Februar 1961 in Das Kunstwerk.197 Mit Ausnahme des zweiten, undatierten Typoskripts von »La Pologne et la tentation de l’Occident« (Polen und die Versuchung des Westens), das später entstand,198 hat Restany alle diese Texte im Anschluss an seine Polenreise verfasst (Abb. 10).199 In ihnen berichtet er immer wieder von den Eindrücken, die ihm von dieser Reise geblieben sind und die sich um ein paar Themen gruppieren lassen.
Abb. 10 – Pierre Restany, erste Seite des Manuskripts »La Pologne et la tentation de l’Occident«, Paris, 11. November 1960

Abbildungsnachweis: INHA, Collection Archives de la critique d’art, Rennes, Fonds Pierre Restany, PREST.XSEST55/12 (S. 1)
32Restany hatte die durch die Tauwetter-Periode bedingten Herausforderungen und den Wunsch der polnischen AICA-Vertreter, die künstlerischen Praktiken weiterzuentwickeln und dabei dem Kommunismus treu zu bleiben, sehr wohl erfasst. Er verstand, was aus Sicht der polnischen Kritik hinter den Begriffen des Internationalismus und des Afiguratismus steckte. Statt die von dieser Kritik entfalteten Themen genau und detailliert in den Blick zu nehmen, begegnete er ihnen jedoch mit seinen eigenen modernistisch-progressistischen Deutungsmustern. Die Rückkehr zu einer nationalen Tradition wurde als Archaismus wahrgenommen, ohne diesen zum Bestreben der Polen, sich von den sowjetischen Vorschriften zu emanzipieren, in Beziehung zu setzen. Aus dem Protokoll der Kongressdebatten tritt Restanys Sicht auf die Frage der Rückkehr zur Tradition klar hervor: Im Laufe der drei Arbeitssitzungen, »die von Jacques Lassaigne (Frankreich), H.L.C. Jaffé (Niederlande) beziehungsweise G.C. Argan (Italien) geleitet wurden, drehte sich die Debatte um ein allgemeines Problem des Ausdrucksvermögens: Ist die moderne Kunst (in ihrem Geist und ihrer Bestimmung) eine internationale Sprache an sich, oder bietet sie sich als transzendentale Summe der verschiedenen Traditionen dar? Aus diesen Diskussionen scheint sich eine Strömung herauszuschälen, die dazu neigt, eine Erneuerung der Kunst in der Rückkehr zu den ursprünglichen Elementen der nationalen Traditionen zu suchen. Auf diese Weise rechtfertigen sich heute etliche künstlerische Nationalismen und breiten sich willfährig sämtliche kulturellen Minderwertigkeitskomplexe aus. Dabei war doch die Tradition immer schon der Knebel der neuen Kunst, und nur indem der Panzer des Lokalismus durchbrochen wurde, konnten die geografisch ortsgebundenen Kunstbewegungen ihre historische Rolle vollauf spielen. Aber es wäre nutzlos, von einem Kongress (der AICA oder von anderer Stelle) Avantgarde-Proklamationen einzufordern.«200
33In Restanys Augen durfte die Kunst nicht als eine Manifestation der Nationalseele betrachtet werden. Kunstpraktiken, die sich auf die Suche nach einer polnischen Nationalidentität begaben, konnten sich nach seiner Meinung in keine moderne Tradition einschreiben. Restany verquickte historische Überlegungen mit Einschätzungen zur zeitgenössischen Kunst und zeichnete so das Bild von einem rand- und rückständigen Polen, dessen Identität sich aus Quellen aus einer anderen Zeit speiste.
34Dieses rückständige Image kommt jedoch nicht auf Anhieb zum Vorschein. Denn Restanys Texte heben an mit der Präsentation Polens als offener und experimenteller Schauplatz:
»Seit nahezu zehn Jahren steht Polen als Experimentierlabor der Avantgarde da. Das Land ist eine zum Westen hin geöffnete Tür, ein Nährboden, auf dem freier Gedankenaustausch geübt wird.«201
35Auf keiner Ebene des polnischen Geisteslebens hatte Restany je »den Eindruck eines direkten ideologischen Zwangs« gehabt.202 Seiner Ansicht nach gehörte Polen mit dem gleichen Recht der westlichen Sphäre an wie Deutschland oder Italien. Keine Rede davon, das Land durch das Prisma des Sozialismus zu analysieren, der gerade einmal am Ende der Texte Erwähnung findet.
36Diese besondere Lage Polens stellte Restany als unmittelbare Auswirkung der seit 1954 betriebenen Tauwetter-Politik dar, zu deren Inbegriff der damalige Erste Sekretär des Zentralkomitees der Volksrepublik, Władysław Gomułka, geworden war.203 Dabei hielt er allerdings fest, dass die Erinnerung an die stalinistische Periode »die absolute Unfähigkeit, die Zukunft in langfristigen Perspektiven ins Auge zu fassen, und daraus hervorgehend das Engagement in der Gegenwart« zur Folge gehabt habe, zwei Aspekte, die »die Hauptmerkmale des nationalen Gebarens bilden«.204
37Dieses seit dem Tauwetter »in der Gegenwart engagierte« nationale Gebaren verknüpfte Restany mit drei Grundthemen, die seit dem 19. Jahrhundert im Zentrum der polnischen Identitätsdebatten standen: Katholizismus, Polen als junge Nation, Romantik.205 Laut Restany schrieb sich das zeitgenössische Polen also in eine aus dem vergangenen Jahrhundert überkommene Tradition ein. Zwar habe der Stalinismus im Geistesleben Spuren hinterlassen, aber Land und Bevölkerung nicht so stark überformt, als dass er deren Identität hätte dauerhaft erschüttern können.
38Die nationale Tradition machte Restany sodann zum Charakteristikum des polnischen Geistes. Dieser sei geprägt von nationalem Sentimentalismus, intellektuellen Unsicherheiten, dem Glauben an eine katholische Kirche als materiellen Garanten für den Fortbestand eines bestimmten spirituellen Lebens. Die Kunst jedoch kenne keine wirkliche moderne Tradition. Restany hielt sich an das für den polnischen Nationalismus206 charakteristische Bild von einem Land, das nach den Teilungen des Reiches am Ende des 18. Jahrhunderts sein Nationalgefühl nie verloren und ohne Unterlass rebelliert hatte, bis es nach dem Versailler Vertrag wiederauferstand. In Restanys Augen hatte aber der Einfluss der drei Großmächte Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn auf allen Gebieten des Lebens offenbar die Bildung einer künstlerischen Identität verhindert und den provinziellen Charakter Polens verstärkt:
»Die Geschichte des modernen Polen ist die eines Durchzugsgebiets, auf dem sich italienische, französische, deutsche und österreichische Einflüsse verflechten. Am Anfang des Jahrhunderts war Warschau nur eine kulturelle Provinz von Paris und Krakau ein Vorort von München oder Wien. Nach der Oktoberrevolution in Russland war die Vormachtstellung von Paris zeitweilig zerschlagen. […] Bis 1939 blieb das moderne Polen in seiner Stil- und Ausdruckssuche auf das Ausland angewiesen.«207
39Nachdem sie stets den Einflüssen des Auslands unterworfen gewesen waren, dessen akademische Traditionen sie aufgriffen, hätten die Künstler, so Restany, nicht verstanden, aus welchen Gründen sie diese plötzlich mit »schönen sozialistischen Empfindungen« hätten schmücken sollen:
»Der Fehler war es zweifellos, nicht nur eine Thematik, sondern auch eine Technik durchgesetzt zu haben, die als allen zugänglich galt, nämlich die des naturalistischen Akademismus aus dem letzten Jahrhundert. Nun war aber dieser Stil im Gegenteil schon allzu gut assimiliert, ja verschlissen: Drei vorangegangene Generationen hatten in dieser Weise gemalt. Warum sollte man diesen Akademismus fortführen, indem man ihn mit schönen sozialistischen Empfindungen schmückte?«208
40Viele Künstler zogen es vor, das Malen aufzugeben. Die sozialistisch-realistische Ästhetik erscheint in Restanys Diskurs demnach als auferlegt und von den Polen erduldet. Damit war sie nicht weniger das Symbol einer Besatzung, als es die Machtbekundungen der drei Reiche waren, die Polen im 19. Jahrhundert unter sich aufgeteilt hatten. Auch wenn, Restany zufolge, die meisten Künstler sich dem Sozialistischen Realismus nicht gefügt hatten, erwiesen die Intellektuellen und Kunsthistoriker ihm ihre Gunst in dem Glauben, diese »Administration des Schöpferischen« werde die Formierung eines eigenständigen Nationalstils ermöglichen. »Die kommunistische Partei scheint ihren Irrtum ziemlich rasch eingesehen zu haben und hat auf die erstbeste politisch günstige Gelegenheit gewartet, Ballast abzuwerfen«,209 und dieselben Intellektuellen und Kunsthistoriker hätten sich heute zu Verteidigern der abstrakten Kunst aufgeschwungen. Das sozialistisch-realistische Projekt Polens wurde mithin als Verirrung innerhalb einer längeren Geschichte dargestellt, die durch eine Identitätssuche gekennzeichnet war.
41Restany bemühte sich in seinen Texten, das Bild Polens nicht auf den Sozialismus zu verengen: Die lebendigen Kräfte des Landes entwickelten sich ohnedies außerhalb von dessen Einflusssphäre. Die Gesellschaft erschien gespalten, so als lebten die Kommunisten und diejenigen, die Restany als »nicht engagiert« bezeichnete, in aller Unabhängigkeit voneinander.210
42Restany sah diese »nicht engagierten« Künstler mit einer Lage konfrontiert, die mit derjenigen Italiens bei der Befreiung oder Deutschlands nach dem Krieg vergleichbar war.211 Das Land musste sich der »fortwährenden Frustration« entledigen, die sich aus der »kulturellen Isolation« speiste, und »die Verspätung auf dem Gebiet der Ausdrucksformen aufholen«, sprich: »um jeden Preis aktuell sein«.212 Einmal mehr hatten die Neuerungen nach Restanys Darstellung ihre Quellen im Westen: Die polnischen Künstler erprobten Stile und Techniken, die sich im Westen bereits bewährt hatten.213
43In seinen Texten kam Restany auf einige figurative Künstler aus der Krakauer Gruppe zu sprechen, namentlich auf Daniel Mróz, Jerzy Skarżyński, Kazimierz Mikulski, Jonasz Stern sowie ein paar Überlebende der geometrischen Abstraktion. Zum Zeitpunkt der Niederschrift hielt er ganz Polen für mitten im Tachismus begriffen, besonders würdigte er die künstlerischen Materialerkundungen: Ohne Zahl seien die Nachfolger von Alberto Burri, Antoni Tàpies und Jean Dubuffet, unter ihnen Bronisław Kierzkowski, Tadeusz Kantor, Adam Marczyński und Jadwiga Maziarska. Er nennt die Papiercollagen von Marian Warzecha und Teresa Rudowicz und erinnert daran, wie Kantor dem Action Painting abschwor, um zu pastosen Wirkungen überzugehen, die er erneut mit Burri vergleicht; auch erwähnt er Kantors Theater Cricot 2, unter dessen Dach viele Künstler und Filmemacher zusammenarbeiteten. Als weitere Tendenz erkennt er einen »abstrakten Expressionismus«, der sich in Warschau konzentriere und für den Tadeusz Dominik, Jerzy Tchórzewski, Rajmund Ziemski stünden, Letzterer beeinflusst vom amerikanischen dripping. Tadeusz Brzozowski, Marian Bogusz, Jan Tarasin und Stefan Gierowski repräsentierten die abstrakte Landschaftsmalerei. In der Bildhauerei fiel Restanys Augenmerk auf (Jarosław?) Sowiński, Alina Szapocznikow und Alina Ślesińska.
44Nach Restanys Urteil hatte Polen durchaus seinen Rückstand aufgeholt: »Diese jungen Künstler nutzen virtuos die in New York, Paris oder Rom gebräuchlichen Vokabulare.«214 Nichts schien die polnische Kunstszene von den internationalen Strömungen zu unterscheiden. Und diese jungen Exponenten waren erfolgreich, wie etwa Jan Lebenstein, der 1959 auf der Biennale von Paris den Prix de la Ville de Paris erhalten hatte.215
45Und doch war dies lediglich ein Notbehelf, denn, so Restany, »Virtuosität ist nicht gleichbedeutend mit Originalität«,216 und diese abstrakte Strömung sei von den »besten Elementen der westlichen Avantgarde«217 bereits infrage gestellt worden. Nachdem Restany der polnischen Kunst zunächst Wert zugesprochen hatte, führte er sie nun als hinterherhinkend vor. Am Schluss seines Textes gab er, wie um diese Rückständigkeit beiläufig zu erklären und nicht weiter auf den polnischen Sozialismus eingehen zu müssen, einen letzten Hinweis auf die grundlegend anderen Produktionsbedingungen, unter denen die Künstler in Polen arbeiteten. Der Verband der Polnischen Bildenden Künstler sorge als offizielle gemeinsame Interessenvertretung für die organisatorischen und existenziellen Belange der Künstler. Der Staat sei der einzige Kunde, ein Kunstmarkt nicht vorhanden. Als es sich für den Westen öffnete, habe Polen dieses Gleichgewicht gestört, indem es die Hoffnung in »sensationelle Ausstellungen und wundersame Verkäufe bei den Kapitalisten«218 gesetzt habe. Restany erblickte darin nichts als einen Traum.
46Sein Fazit variierte je nach Entstehungszeitpunkt der einzelnen Texte. Unmittelbar nach dem Kongress erschien dieser Traum als Chance:
»Diese hier so sehr verschriene lyrische Abstraktion kann dort ihr wahres Gesicht zurückerlangen: In einem Terrain, in dem es weniger Wettbewerb um die Befreiung der Affekte und die ungehemmte Überhöhung des Individuums gibt, wird sie vielleicht gesündere Früchte tragen. Wieso auch nicht?«219
47Später, im undatierten Typoskript, gab Restany sich strenger: Die polnische Kunst erwecke keine Neugier mehr, Polen habe sich innerhalb der sozialistischen Länder lange Zeit »in seiner Ausnahmerolle eingerichtet«, der Westen erwarte fortan von einem liberalen Polen »neue Beweise, fasslichere, organischere und besser koordinierte Artikulationen seines Schöpfergeists«.220
48In diesen Texten ließ Restany Polen als Epigonen Frankreichs und der Vereinigten Staaten erscheinen, seiner Meinung nach in künstlerischer Angelegenheit die beiden Hegemonialmächte, wie er übrigens in den Diskussionen auf dem Kongress bekräftigt hatte.221 Die Eigenheiten des sozialistischen Systems, die Nationalcharakteristika, die Restany hervorhob – Katholizismus, junge Nation, Romantik –, änderten nichts an seiner Interpretation der abstrakten Erscheinungsformen der Kunst in Polen. Restany verortete das künstlerische Schaffen in Polen mit Blick auf die Ausdrucksformen, die für ihn auf der Höhe der internationalen Kunst waren und ihren Ausgang Ende der 1950er-Jahre in den französischen, amerikanischen, deutschen, italienischen oder auch japanischen Manifestationen genommen hatten, welche sich wiederum in die Dada-Ahnenreihe einschrieben.222 Das Lehnsverhältnis, das Polen vermeintlich zum Westen unterhielt, änderte somit nichts daran, dass das Land rückständig sei, weil es nicht begriffen habe, dass lyrische Abstraktionen und Tachismus bereits neuen Praktiken Platz gemacht hätten.
49Die Herabsetzung des polnischen Informel war aber keineswegs allein durch dessen Rückständigkeit begründet, sondern verrät zugleich, dass Restany mit der Abstraktion aufzuräumen suchte.223 Ende der 1950er-Jahre umgab er sich mit Künstlern wie Yves Klein, Jean Tinguely, Raymond Hains, César, Arman, die sich nach seiner Auffassung die Wirklichkeit aneigneten, indem sie in ihre Werke Konsumgegenstände – Fragmente der Welt – einbezogen. Restany betrachtete sie als Repräsentanten einer weltverbundenen, positiven, zukunftsgewandten »soziologischen Kunst«.224 Er konstituierte sie als Gruppe, indem er ihnen das Manifest des Nouveau Réalisme widmete, das drei – im April 1960, im Mai 1961 und 1963 veröffentlichte – Versionen in Folge erleben sollte und, wie wir in Erinnerung gebracht haben, den Namen einer Gruppe kommunistischer Künstler aufgriff und zweckentfremdete.
501960 hatte sich Restany demnach von der abstrakten Malerei distanziert. Nachdem er im Konzert von Michel Tapié, Julien Alvard, Charles Estienne, Michel Ragon eine Weile lang seine kritische Stimme zum Informel zu behaupten gesucht hatte, wollte er nun den Nouveaux Réalistes zum Durchbruch verhelfen.225 Durch dieses Aufräummanöver vermochte er sich in der französischen Szene deutlicher zu positionieren, aber sich auch abgrenzen von dem, was sich unterdessen der Kommunismus zu eigen gemacht hatte. Denn Restany war bezüglich seiner Kommentierung der polnischen Abstraktion gewiss nicht entgangen, aus welchen Pariser kommunistischen Quellen sich die polnische Rhetorik speiste. Zum Zeitpunkt des AICA-Kongresses war er sich vollauf bewusst, dass der Gegensatz von Abstraktion und Figuration nicht mehr dieselben Botschaften vermittelte wie zuvor. Das Tauwetter zeigte erkennbar Wirkung im Osten Europas, einige Staaten tolerierten die Abstraktion immer mehr. Diese konnte somit nicht länger die Werte von Autonomie, Freiheit, Subjektivität repräsentieren, die der Westen für sich in Anspruch nahm. Die kommunistische Doktrin hatte sich im Zuge des Tauwetters angepasst, und Restany konnte folglich nur ablehnen, was der Kommunismus fortan tolerierte. Von den Antagonismen des Kalten Krieges genährt, waren die von Restany vertretenen Aussagen zur Kunst dem Kommunismus radikal entgegengesetzt.
51Allerdings bleibt noch zu ergründen, weshalb Restany das Informel verwarf, die geometrische Abstraktion so schmallippig abhandelte und nicht ausführlicher auf ironischere und düsterere Tendenzen einging, die er doch bei einer Aufführung, die Miron Białoszewski in seiner Wohnung inszeniert hatte, oder auch in Kantors Theater Cricot 2 kennengelernt haben dürfte.
52Die postutopische Geometrie, Melancholie und Bizarrerie so mancher polnischer Kunstäußerungen waren nicht Teil dessen, was Restany als internationale Kunst ausgemacht hatte, die er damals, wie wir sahen, auf die Erben des Dadaismus beschränkte. Auch bargen diese Tendenzen Werte, die er der zeitgenössischen Kunst gerade abzusprechen suchte. Restany verwarf den »Pessimismus der unmittelbaren Vergangenheit«226 und kultivierte eine optimistische, konstruktive und progressive Sicht auf Welt und Gesellschaft. Für den Anteil der Destruktion im polnischen Schaffen hatte er wenig übrig und hielt sich nicht damit auf.
53Beiläufig widmete er sich der polnischen geometrischen Abstraktion, die sich nie dauerhaft etabliert habe:
»Nach der Oktoberrevolution in Russland war die Vormachtstellung von Paris zeitweilig zerschlagen: Die ›Artistes Révolutionnaires‹ (1920) nahmen die Botschaft des russischen Suprematismus und Konstruktivismus auf und gruppierten sich um Strzemiński, einen polnischen Schüler von Malewitsch und Theoretiker des Unismus. […] Doch obwohl sie in der Person von Strzemiński, [Henryk] Stażewski, Karol Hiller oder Maria Jarema hochrangige Vertreter hatte, hat die geometrische Abstraktion in einem Nachkriegspolen, das eher bonnardisierend und postimpressionistisch blieb, nie tiefe Wurzeln geschlagen.«227
54Knapp erwähnte Restany, dass sich 1960 in Lublin eine neo-unistische Gruppe gebildet hatte, ohne den Namen der Gruppe Zamek auch nur zu erwähnen, die doch gut bekannt war, da Jean-Clarence Lambert sich während der Debatten auf dem Kongress auf sie bezogen hatte.228 Restany bagatellisierte demnach die Bedeutung der geometrischen Kunst in Polen und banalisierte damit auch die Beziehung zur UdSSR. Den Konstruktivismus beschrieb er als vorübergehendes Phänomen: In Restanys Augen konnte er mit der Verwurzelung des französischen Einflusses in Polen nicht mithalten. Unter Bekräftigung seiner Auffassung von nationaler Hegemonie qualifizierte Restany das russische konstruktivistische und sozialistisch-realistische Erbe ab, zwei Tendenzen, die ihm als Verirrungen erschienen. Jegliche Praxis mit revolutionärem Anspruch wurde damit an den Rand der internationalen Bewegung gedrängt, ging es Restany doch, wie Jill Carrick analysiert hat, in seinem Theoriebeitrag hauptsächlich darum, die »Kunst der Avantgarde« von der sozialen Auseinandersetzung abzuschneiden.229 1967 verkündete er, wie wir schon sahen:
»Die Avantgarde-Kunst von heute ist eine Kunst der Integration ins Wirkliche, der Teilhabe und nicht des Eskapismus oder der Revolte. Das Eintreten für eine Sozialkritik ist dabei inexistent oder allenfalls ›supplementär‹.«230
55Auf diese Weise setzte sich Restany von der Lesart ab, dass die Avantgarden danach strebten, das Wirkliche und die Wirklichkeit zu verändern, und entschärfte damit deren Deutung. Jene polnischen Künstler, die seine Beachtung fanden, wurden als »nicht engagiert« und in Opposition zu den »kommunistischen Intellektuellen«231 befindlich sowie in der französischen koloristischen Tradition der Zwischenkriegszeit verankert präsentiert. Restanys Einschätzung der polnischen Szene war von seinen persönlichen Überzeugungen geprägt, aber nur im perspektivischen Gegenüber mit der Linie zu verstehen, welche die polnische Sektion der AICA vertrat.
56Im Lichte der Untersuchung des AICA-Kongresses erscheinen die Beziehungen zwischen den Kritikern aus dem Osten und aus dem Westen als komplex. Wirkliches und Wirklichkeit verweisen hier einmal mehr auf dem Werk äußerliche Bezüge. Auf sie zu referieren, war für die Kritik ein Mittel zur Einordnung des Werks. Je nachdem, wie das Werk sich zum Wirklichen und zur Wirklichkeit verhielt, die als ihm äußerlich aufgefasst wurden, kam ihm ein bestimmter Platz in einer gegebenen Gesellschaft zu. Und je nachdem, wie man diese verstand, konnte die Interpretation ein und derselben Bewegung dann eine andere Richtung einschlagen.
Notes de fin
158 Cras 2017 (2014) (Anm. 106).
159 Hierzu siehe beispielsweise das Forschungsprogramm zur AICA unter dem Titel »prisme – La critique d’art, prisme des enjeux de la société contemporaine (1948–2003)«, 2015–2018 geleitet von Antje Kramer-Mallordy und Nathalie Bouloucha an den Archives de la critique d’art in Rennes (http://acaprisme.hypotheses.org/); das Forschungsprogramm zur Biennale von Paris, »1959–1985, au prisme de la Biennale de Paris«, 2017–2019 geleitet von Elitza Dulgerova am INHA (www.inha.fr/fr/recherche/le-departement-des-etudes-et-de-la-recherche/domaines-de-recherche/histoire-de-l-art-du-xviiie-au-xxie-siecle/au-prisme-de-la-biennale-de-paris.html); siehe auch das Archiv der documenta (www.documenta-archiv.de); zur Biennale von Venedig siehe die Historical Archives of Contemporary Arts (www.labiennale.org/en/asac); ferner: Isobel Whitelegg, »The Bienal Internacional de São Paulo: a Concise History, 1951–2014«, in: Perspective, 2, 2013, S. 380–386, online: http://perspective.revues.org/3902; sowie das Archiv der Biennale von São Paulo (www.bienal.org.br).
160 Werner Haftmann war unter der Leitung von Arnold Bode mit der Ausarbeitung des kunsthistorischen Diskurses und der Thesenfindung der ersten drei Documenta-Ausstellungen in Kassel (1955, 1959 und 1964) beauftragt, die dazu beitrugen, seine Sichtweise in der breiten Öffentlichkeit zu verankern. Ferner war er Verfasser eines Überblickswerks zur Malerei des 20. Jahrhunderts, das sich auf die abendländischen Praktiken konzentrierte und aufgrund seines Erfolgs mehrfach neu aufgelegt wurde; Werner Haftmann, Malerei im 20. Jahrhundert, München 1954; siehe nicht zuletzt seine Einführung in der Ausgabe von 1955. Zu Werner Haftmann siehe Harald Kimpel, »Werner Haftmann und der Geist der französischen Kunst«, in: Schieder / Ewig 2006 (Anm. 75), S. 129–150; vgl. Gregor Wedekind, »Abstraktion und Abendland«, in: Nikola Doll u. a. (Hg.), Kunstgeschichte nach 1945. Kontinuität und Neubeginn in Deutschland, Köln und Weimar 2006, S. 165–181.
161 Vgl. Histoires de 50 ans de l’Association internationale des critiques d’art: dédié à Abraham Marie Hammacher (1897–2002), Paris 2002.
162 Siehe Jean Cassou, »Les sources du XXe siècle«, in: Les sources du XXe siècle, Ausst.-Kat. Paris, Musée national d’Art moderne, Paris 1960, S. XIII–XXVII, hier S. XIII.
163 Siehe Rennes, Archives de la critique d’art, Fonds AICA, Varsovie 1960, 7e congrès (Mappe 1), Programm »VIIth International Congress of Art Critics. VIIe congrès international des critiques d’art. VII międzynarodowy Kongres krytyków sztuki«; ebd., Fonds Restany, PREST.XSEST49, Mappe mit dem maschinenschriftlichen Dokument »Informations concernant les collections des musées et les expositions ouvertes à Varsovie et à Cracovie du 1er au 15 septembre 1960«. Darin zu finden ist eine detaillierte Aufführung der den Kritikern vorgelegten Ausstellungen alter und zeitgenössischer Kunst: 1) Historische Ausstellungen in Warschau: Polnische Malerei von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in unsere Tage und Polnische Druckgrafik des 20. Jahrhunderts, eine Retrospektivausstellung von Tadeusz Makowski (1882–1932), alle ausgerichtet im Nationalmuseum in Warschau, das auch dazu einlud, seine Galerien der mittelalterlichen Kunst, der dekorativen Kunst aus dem 17. bis 19. Jahrhundert sowie der antiken und ägyptischen Kunst zu entdecken; Die Anfänge des polnischen Staates im Staatlichen Archäologischen Museum in Warschau anlässlich des 1000. Jahrestags des polnischen Staates; Die Geschichte Warschaus vom 17. Jahrhundert bis in unsere Tage, präsentiert anhand der Dokumente im Historischen Museum der Stadt Warschau; eine Schau über Juliusz Słowacki, »gewidmet Leben und Werk eines der größten Poeten der Romantik« im Museum Adam Mickiewicz in Warschau; Der Künstler in der Industrie, eine »Ausstellung von Arbeiten der Studenten und Diplomabsolventen der Nationalen Hochschulen für Bildende Künste in Łódź (Stoffe und Gewänder) und Wrocław (Keramik und Glas) in der Zachęta, Galerie des Zentralbüros der Kunstausstellungen in Warschau«; und Folkloristische Inspiration im polnischen Kunstgewerbe und -handwerk im Foyer des Nationaltheaters Warschau. 2) Zeitgenössische Ausstellungen in Warschau: »Ausstellung der Malerei und Druckgrafik mit Werken von Künstlern, die an Einzel- und sonstigen Ausstellungen der Galerie beteiligt waren« in der von der Warschauer Sektion des Verbands der polnischen bildenden Künstler geleiteten Galerie der Schönen Künste; Konfrontacje 1960, eine Ausstellung in der Galerie Krzywe Koło; Polen in der künstlerischen Fotografie in der Polytechnischen Hochschule Warschau: Sie zeigte »das Leben des Landes und seiner Bewohner und die eingetretenen Veränderungen. Die Ausstellung hat retrospektiven Charakter und legt die künstlerische Bilanz der Mitglieder des Verbands der polnischen Fotokünstler im Lauf der 15 Nachkriegsjahre vor«; der Salon der Zeitschrift Współczesność, der eine Ausstellung mit Gemälden von Marek Oberländer präsentierte; die Verkaufsausstellung des Werks von Henryk Musiałowicz im Hotel Bristol; Gemälde von Mieczysław Antuszewicz im Klub Literatów (Schriftstellerzirkel). Im Rahmen der vom Verband der polnischen bildenden Künstler eingeleiteten Popularisierung wurden zudem an verschiedenen Orten in der Stadt, insbesondere in den Clubs der Unternehmen, begrenztere Ausstellungen organisiert. 3) In Krakau legte die Galerie der polnischen Malerei von 1750 bis 1895 im Nationalmuseum den Akzent auf die Entwicklung der polnischen Malerei im 18. Jahrhundert und deren Beitrag zur europäischen Kunst, auf Jan Matejko und auf die Vertreter der symbolistischen wie auch der realistischen Kunst des 19. Jahrhunderts; die Galerie der modernen polnischen Malerei im neuen Museumsgebäude präsentierte die polnischen Gemälde »vom Impressionismus bis in unsere Tage«. Die Säle zeigten den Impressionismus, die Reaktion auf den Impressionismus, den Symbolismus, die wichtigsten Manifestationen des »Jungen Polen«; die ersten beiden Jahrzehnte des Jahrhunderts mit ihren realistischen Tendenzen, in der der Kolorismus und ein bedeutendes Werkensemble von Olga Boznańska, Landschaften des Jungen Polen und Skulpturen von Xawery Dunikowski den Ton angaben; die polnische Malerei von 1912 wurde vorgestellt anhand der Probleme »des Formalismus bei T. Makowski und F. Kowarski und anderen«, aber auch der Koloristen und schließlich der jüngeren Malerei der Krakauer Künstler, ohne dass deren Namen genannt wurden. Ferner konnten die Kritiker sich die Skulpturen und Gemälde im Szołayski-Haus ansehen und die Sammlung Czartoryski ebenso besuchen wie die nationalen Kunstsammlungen im Schloss Wawel, die Ausstellung alter und zeitgenössischer Volkskunst im Ethnografischen Museum, die zeitgenössische polnische Druckgrafik im Palast der Schönen Künste, in dem der Verband der polnischen bildenden Künstler das gesamte in den vorangegangenen zwei Jahren auf diesem Gebiet entstandene Schaffen zeigte; die Galerie Krzysztofory präsentierte die Krakauer Gruppe und der Ausstellungssalon die Gruppe MARG.
164 Einige davon, bisweilen mit handschriftlichen Notizen neben den Werkbeschreibungen, haben sich in der Bibliothek von Pierre Restany bewahrt, darunter insbes. Konfrontacje 1960, Ausst.-Kat. Warschau, Galeria Krzywe Koło, Warschau 1960; Polska grafika współczesna 1900–1960, Ausst.-Kat. Warschau, Muzeum Narodowe w Warszawie, Warschau 1960; gk grupa krakowska 1960, Ausst.-Kat. Krakau, Galeria Krzysztofory, Krakau 1960.
165 Zu den Auswirkungen des Tauwetters auf die polnische Kunstszene und die fortschreitende Liberalisierung siehe Odwilż. Sztuka ok. 1956 r., Ausst.-Kat. Poznań, Muzeum Narodowe w Poznaniu, Galeria Sztuki współczesnej, 1996, darin insbes. Piotr Piotrowski, »The ›Thaw‹«, S. 243–259.
166 Zu den Diskursen zur Kunst der Periode des Sozialistischen Realismus siehe Pietrasik / Słodkowski 2016 (Anm. 65).
167 Siehe Anda Rottenberg, »Ministerstwo Kultury i Sztuki«, in: Aleksander Wojciechowski (Hg.), Polskie Życie artystyczne w latach 1945–1960, Wrocław 1992, S. 181–253, hier S. 201.
168 Siehe Witold Jedlicki, Klub Krzywego Koła, Paris 1963; B. Wojciechowska, »Marian Bogusz i Galeria ›Krzywe Koło‹«, in: Marian Bogusz 1920–1980, Ausst.-Kat. Poznań, Muzeum Narodowe w Poznaniu, 1982; Galeria Krzywe Koło, hg. von Janusz Zagrodzki, Ausst.-Kat. Warschau, Muzeum Narodowe Warszawie, 1990.
169 Siehe Anda Rottenberg und Waldemar Baraniewski, »Sztuki i mała stabilizacja«, in: J. S. Wojciechowski (Hg.), Idee sztuki lat. 60 oraz inne sesje, seminaria i wystawy Wentrum Rzeżby Polskiej, Orońsko 1994, S. 33–41.
170 Zur Zeitschrift Struktury siehe die Ausführungen in der vorliegenden Publikation, S. 132.
171 Siehe Życie Literackie, 19, 1957; Plastyka, Supplement, 1, zit. in: Piotrowski 1996 (Anm. 165), S. 243–259.
172 Siehe Susan E. Reid, »Toward a New (Socialist) Realism: The Re-Engagement with Western Modernism in the Krushchev Thaw«, in: Reid / Blakesley 2006 (Anm. 29), S. 217–239; dies., »The Exhibition Art of Socialist Countries Moscow 1958–1959, and the Contemporary Style of Painting«, in: Reid / Crowley 2000 (Anm. 29), S. 101–133.
173 Siehe Murawska-Muthesius 2002 (Anm. 6), S. 258.
174 So schrieb er: »Die bei der Moskauer Ausstellung gezeigte Kunst der zwölf sozialistischen Länder verweist auf kein einheitliches Bild und kann es auch gar nicht. Die Gründe dafür müssen in der Geschichte gesehen werden, in den mannigfaltigen Bedingungen gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung, die jeweilige Bewusstseinsunterschiede zur Ursache haben und auf spezifische Weise die aktuelle künstlerische Situation in den einzelnen Ländern beeinflussen.« Juliusz Starzyński, »Dyskusja nad wystawą sztuki krajów socjalistycznych«, in: Życie Literackie, 14, 1959, zit. nach Piotrowski 1996 (Anm. 165), S. 243–259.
175 Siehe Stanisław Mossakowski, »Juliusz Starzyński«, in: Rocznik Historii Sztuki, 11, 1976, S. 5–8; Joanna Sosnowska, »Juliusz Starzyński (1906–1974)«, in: Polska Akademia Nauk (Hg.), Rocznik Historii Sztuki, Bd. 36, Wrocław 2011; Marta Leśniakowska, »Władza spojrzenia – władza języka. Juliusza Starzyńskiego obraz sztuki i jej historii«, in: Modus, 12/13: Prace z Historii Sztuki, 2013, S. 27–52.
176 Siehe Piotrowski 1996 (Anm. 165), S. 243.
177 Zur Bedeutung der unterschiedlichen Auffassungen des Sozialistischen Realismus in den einzelnen sozialistischen Ländern für die Definition einer internationalen Kunst in der UdSSR siehe Jérôme Bazin, »Le réalisme socialiste et ses modèles internationaux«, in: Vingtième Siècle. Revue d’histoire, 109, 1, 2011, S. 72–87, online: www.cairn.info/revue-vingtieme-siecle-revue-d-histoire-2011-1-page-72.htm.
178 Siehe Rennes, Archives de la critique d’art, Fonds AICA, Typoskript »VIIe Congrès international des critiques d’art. Varsovie, septembre 1960. L’Art – Les Nations – L’Univers. Enquête internationale, Section polonaise de l’AICA«.
179 Siehe ebd., Fonds AICA, Varsovie 1960, 7e congrès (Mappe 1), Programm »VIIth International Congress of Art Critics. VIIe congrès international des critiques d’art. VII międzynarodowy Kongres krytyków sztuki«, Bulletin Nr. 3, o. S. Der englische und der französische Titel des Beitrags weichen inhaltlich etwas voneinander ab: »Modern Art and the Artistic Contibution of the Numerous Traditions and Tendencies of Different Nations«; »L’art moderne en tant que résultat et expression des multiples traditions et tendances des différents peuples«.
180 Ebd., Bulletin Nr. 2, o. S.
181 Ebd.
182 So nahm Stefan Gierowski 1958 an der Ausstellung Polnische Künstler in Wuppertal teil, 1959 an der Ausstellung Neue Malerei aus Polen in Duisburg, Soest, München, Bonn, Karlsruhe, Frankfurt am Main, Bremen, Hannover und Düsseldorf und im selben Jahr an der Biennale von Paris. Jerzy Tchórzewski war 1959 bei der Ausstellung Neue Malerei aus Polen und bei der vom »musée d’art et d’histoire, Paris« organisierten Ausstellung Art graphique polonais vertreten, 1960 zeigte er eine Einzelausstellung in der Pariser Galerie Furstenberg. Rajmund Ziemski nahm 1959 an der Ausstellung Neue Malerei aus Polen und an der Biennale von Paris teil. Tadeusz Dominik stellte 1959 in der Galerie Lambert aus, Jan Tarasin 1959 auf der Biennale von Paris. Alina Ślesińska präsentierte ihre Werke 1957 in der Pariser Galerie Simone Badinier, Magdalena Więcek die ihren 1959 in Soest wahrscheinlich im Rahmen der Schau Neue Malerei aus Polen sowie bei der ersten Biennale von Paris.
183 Siehe Aleksander Wojciechowski, Einführungstext in der Monografie von Tadeusz Brzozowski, in: Konfrontacje 1960, Ausst.-Kat. Warschau 1960 (Anm. 164), o. S.: »Die Bestrebungen gingen in Richtung Vereinfachung der bildnerischen Wirkungen. Die kompakten Blöcke oder losen Flächen, die zuvor den zentralen Schwerpunkt der Komposition ausmachten (›Veilleur‹ 1957, ›Deserteur‹ 1958, ›Barbier‹ 1959), sind von nun an von einem dichten Netz scharf gezogener Linien bedeckt. Die zuvor mit breitem Pinselstrich aufgetragenen Sprenkel werden zunehmend von Netzen unregelmäßiger Strahlen und Schlieren aus in dicken Schichten aufgetragener Farbe eingefangen. Der Bildgrund ist kaustisch, ohne die Würze, die bislang die kräftig gesättigten Farben besaßen. Insgesamt verliert das Gemälde ein wenig von seiner Dramatik und gewinnt dabei an Ernst und Nüchternheit.«
184 Aleksander Wojciechowski, Einführungstext in der Monografie von Marian Bogusz, in: Konfrontacje 1960, Ausst.-Kat. Warschau 1960 (Anm. 164), o. S.
185 Ders., Einführungstext in der Monografie von Tadeusz Dominik, in: Konfrontacje 1960, Ausst.-Kat. Warschau 1960 (Anm. 164), o. S.
186 Ebd.
187 Wojciechowski 1960 (Anm. 184).
188 Aleksander Wojciechowski, »La Biennale de Paris«, in: Przegląd Artystyczny, 1, 1960, S. 71 f.
189 Ebd.
190 Mieczysław Porębski, »Biennale à São Paulõ«, in: ebd., S. 70 f.
191 Wojciechowski 1960 (Anm. 188), o. S.
192 Siehe Rennes, Archives de la critique d’art, Typoskript (Anm. 178).
193 Andrzej Turowski, »›Phases‹ – niedokończony projekt«, in: Tytus Dzieduszycki-Sas 1934–1973, hg. von Piotr Majewski u. a., Ausst.-Kat. Lublin, Museum von Lublin, 2012, S. 43–52.
194 Unveröffentlichtes Gespräch der Autorin mit Jean-Clarence Lambert in Clamart am 14. November 2012; »Sekretna Polska. Z Jeanem-Clarence’em Lambertem rozmawiają Małgorzata Maria Grąbczewska i Piotr Majewski« (Das geheime Polen. Diskussion von Małgorzata Maria Grąbczewska und Piotr Majewski mit Jean-Clarence Lambert), in: Ausst.-Kat. Lublin 2012 (Anm. 193), S. 55–60.
195 Siehe Rennes, Archives de la critique d’art, Fonds AICA, Varsovie 1960, 7e congrès (Mappe 1), Programm »VIIth International Congress of Art Critics. VIIe congrès international des critiques d’art. VII międzynarodowy Kongres krytyków sztuki«, Bulletin Nr. 4, o. S.
196 Rennes, Archives de la critique d’art, Manuskript »Notes de voyage. La Pologne et la tentation de l’Occident«, signiert und datiert »octobre 1960, Cannes«; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960; Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, o. D. [1964]; die Dokumente finden sich in der Bilanz des Polenaufenthalts, Konferenz AICA 1960, Untermappe »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55.
197 Pierre Restany, »Notes de voyage: Pologne-Tchécoslovaquie«, in: Cimaise, Januar/Februar 1961, S. 78–90; ders., »Le VIIe congrès de l’AICA« in: ebd., S. 96–99; ders., »Die Situation der Kunst in Polen«, in: Das Kunstwerk, 8, 14, Februar 1961, S. 16–22.
198 Das Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, o. D. (Anm. 196), übernahm die Grundzüge des vom November 1960 datierenden Typoskripts. Es bezieht sich auf Ausstellungen polnischer Kunst in Chicago und in New York sowie in Pariser Galerien, die erst von 1961 an stattfanden.
199 Restanys Reise ist beschrieben in: Henry Meyric Hughes, »Pierre Restany, l’AICA et l’aventure est-européenne«, in: Leeman 2009 (Anm. 94), S. 387–401.
200 Rennes, Archives de la critique d’art, »Le VIIe congrès de l’association internationale des critiques d’art«, Fonds Restany, PREST.XSEST57/23.
201 Siehe Rennes, Archives de la critique d’art, Manuskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, Paris, 11.11.1960; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, o. D. [1964], Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
202 Ebd.
203 Ebd.
204 Ebd.
205 Diese drei Themen sind Gegenstand von Restanys nach dem Kongress der AICA geschriebenen Texten und bilden die Schwerpunkte der Unterkapitel »L’Église et les intellectuels«, »Une nation à la recherche d’un style« und »La nostalgie du passé« in dem Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
206 Siehe Jan Rubès und Alain van Crugten (Hg.), Mythologie polonaise, Brüssel 1998.
207 Rennes, Archives de la critique d’art, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
208 Ebd. Vergleichbare Bemerkungen finden sich in dem Manuskript »Notes de voyage. La Pologne et la tentation de l’Occident«, signiert und datiert »octobre 1960, Cannes«: »Sie hatten den akademischen Stil, den man sie zu verwenden nötigte, zu unmittelbar übernommen, um anderes zu empfinden als Verdruss und Zwang. Die gesamte Generation davor hatte in dieser Weise gemalt. Warum sollte man einen solchen Akademismus fortführen, indem man ihn mit schönen sozialistischen Empfindungen schmückte? Die kommunistische Partei scheint ihren Irrtum ziemlich rasch eingesehen zu haben und hat auf die erstbeste politisch günstige Gelegenheit gewartet, Ballast abzuwerfen.«
209 Siehe ebd.
210 Seit der Arsenał-Ausstellung von 1955, die Restany als den Beginn des Tauwetters auf künstlerischem Gebiet darstellte, »sind die kommunistischen Intellektuellen die offiziellen Hüter der Orthodoxie und des Konformismus; ihrer Bestimmung nach unverrückbar, laden sie ihre Verantwortung für die Entwicklungsmaßgaben nicht engagierten und risikobereiten Individuen auf. Die lebendige Forschung findet entschieden außerhalb der offiziellen Doktrin, der Elite und der Parteijugend statt. Seit sechs Jahren toleriert die Partei, wartet ab und sieht zu. Die kommunistische Partei, das Engagement im Sozialismus gewährleistet nichts Schöpferisches, und so finden sich die lebendigen Kräfte bei den nicht engagierten Künstlern.« Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960; Manuskript »Notes de voyage. La Pologne et la tentation de l’Occident«, signiert und datiert »octobre 1960, Cannes«, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
211 Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960, S. 1; Manuskript »La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, o. D. [1964], Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
212 Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
213 Siehe die Manuskripte (Anm. 211).
214 Manuskript »Situation artistique de la Pologne en 1960. La Pologne en plein tachisme«, Paris, 11.11.1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
215 In dem undatierten Text, den Restany aber wohl 1964 verfasste, bezieht er sich auf die Ausstellungen junger polnischer Künstler, die von den Galerien Yvon Lambert und Lacloche organisiert wurden, sowie auf die im MoMA in New York und in der Gres Gallery in Chicago.
216 Siehe die Manuskripte (Anm. 211).
217 »Wenn Polen sich in der internationalen Kunstwelt durchgesetzt hat, dann infolge eines historischen Missverständnisses. Die jungen Künstler des Landes waren die letzten Schürfer in der Mine des Informel. Damit haben sie den Niedergang verlangsamt, aber zugleich die letzten Ressourcen eines überholten Vokabulars erschöpft. Das Feuerwerk dauerte nicht lange. In eben dem Moment, als Polen diesen Stil übernahm und ihn für sein Eigen zu halten begann, wurden die Fundamente des abstrakten Lyrismus durch die besten Elemente der westlichen Avantgarde infrage gestellt. Die junge polnische Malerei wurde von dieser Beschleunigungserscheinung der Geschichte überrumpelt. Jetzt, da die westliche Mimetik am Zuge ist, teilt sie [die polnische Malerei] grausamerweise die Pariser und New Yorker Zweifel. Einstweilen noch zögert sie, verweigert sich einer allzu kategorischen Wahl: Es ist die Zeit der halben Sachen, der Zwischenfigurativen, der andeutenden Naturalisten, der abstrahierenden Landschafter. Wer wird folgen auf diese allzu brillante Generation, in der es vor Virtuosen wimmelt, wahre Poeten aber selten sind?« Manuskript »Notes de voyage. La Pologne et la tentation de l’Occident«, signiert und datiert »octobre 1960, Cannes«; Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
218 Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
219 Ebd.
220 Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, o. D. [1964], Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
221 Siehe Typoskript (Anm. 178). Der Text beginnt mit einer Einführung in die von Juliusz Starzyński, dem Vorsitzenden der polnischen Sektion der AICA, geführten Umfrage und verzeichnet die Antworten der internationalen Kritiker.
222 Restanys Antworten auf die von Starzyński zur Vorbereitung des Kongresses vorgelegte Umfrage, in denen er seine Sicht auf den Gegenstand des Kongresses ausführte, können solche Belange klären. Einzig die lyrische Abstraktion und die Dada-Tendenzen galten Restany als internationale Strömungen, hingegen verwarf er die geometrische Abstraktion, die rasch »den Scheitelpunkt ihrer internationalen Ausdehnung« erreicht und sich »gleichzeitig zu einem verknöcherten Konformismus« hin entwickelt habe, den der bildnerische Lyrismus, der sich nach 1945 durchsetzte, aus seiner »wackeligen Vormachtstellung« gestürzt habe; Rennes, Archives de la critique d’art, Fonds AICA, Warschau, 1960, 7e congrès (Mappe 2), Pierre Restany, »L’art moderne, langage international du lyrisme et de l’irrationnel«, in: L’Art – Les Nations – L’Univers. Enquête internationale, Section polonaise de l’AICA, Warschau 1960, S. 14–20, hier S. 15.
223 Anfang 1960 erhoben sich immer mehr Stimmen gegen die informellen Malweisen; an deren Stelle traten Debatten um das gesellschaftliche Engagement des Künstlers, für das Argan stand, und die Aneignung der Wirklichkeit durch Ingebrauchnahme der Objekte, wie Paula Barreiro-López bemerkt: »Ab 1962 mehrten sich die Stimmen, die sich gegen die informelle Ästhetik erhoben. Dass diese Strömung international im Abklingen war, wurde bei der XXXI. Biennale von Venedig deutlich, wo sich die Multiplikation mit der ›Formel Informel‹ bereits erschöpft zu haben schien. Das Ende dieser Bewegung konstatierte dann allerdings eine Gruppe von Kunstkritikern 1963 bei der IV. Biennale von San Marino sowie beim Convegno internazionale artisti, critici e studiosi d’arte in Rimini, der vorschlug, ›über das Informel hinauszugehen‹ (oltre l’informale). Diese Ereignisse gingen zurück auf die Initiative des streitbaren Kunsthistorikers und -kritikers Giulio Carlo Argan, der damals auch Präsident der AICA war. Um ihn hatten sich etliche Schlüsselfiguren der kämpferischen Kunstkritik der 1960er-Jahre gruppiert, darunter Pierre Restany und Vicente Aguilera Cerni.« Paula Barreiro-López, »La Biennale de San Marino et le Congrès de Rimini de 1963: Argan, Restany et Aguilera Cerni vers un art engagé«, in: Leeman 2009 (Anm. 94), S. 375–386, hier S. 375.
224 Siehe Leeman 2009 (Anm. 94); Richard Leeman, Le critique, l’art et l’histoire. De Michel Ragon à Jean Clair, Rennes 2010, insbes. den Abschnitt »La rupture: une nécessité historique et une fonction structurale«, S. 146 ff., in dem der Autor sich mit dem »réel sociologique« befasst. Siehe auch den Artikel von Paula Barreiro-López 2009 (Anm. 223), in dem sie zeigt, wie wichtig Argan für Restanys Entwicklung einer Reflexion über Kunst und Gesellschaft war und dass der französische Kritiker dieser Frage eine ganz andere Ausrichtung gab.
225 Siehe Leeman 2009 (Anm. 94), darin insbes. Richard Leeman, »Pierre Restany le dénominateur«, S. 15–17; Leeman 2010 (Anm. 224).
226 »Aufgrund meiner Tätigkeit in verschiedenen Ministerkabinetten war ich in guter Position, um zu fühlen, wie der Puls der Nation und ihrer produktiven Strukturen schlägt. Das Ende der 1950er-Jahre bedeutete das Ende der Wiederaufbauperiode, den Beginn des Wirtschaftswachstums, den Anfang des großen Abenteuers im Weltraum. […] Mit anderen Worten, ich habe für den Optimismus optiert […], im Gegensinn zum Pessimismus der jüngsten Vergangenheit.« Restany 1986 (Anm. 94), S. 267. Jill Carrick erklärt sehr gut, inwiefern das Manifeste du Nouveau Réalisme und andere Artikel eine »neue« Sicht eines »neuen« Frankreichs präsentierten, eines erstarkten Nachkriegsfrankreichs voller Optimismus und Energie, das der Niederlage, den Demütigungen und der Tragödie des Krieges den Rücken kehrte. Im Verlauf der im Januar 1959 unter Charles de Gaulle ausgerufenen Fünften Republik wie auch nach seiner Wiederwahl 1965 versuchte das neue Regime die inneren Konflikte zu vertuschen, die Frankreich in der Kriegszeit und danach aufgewühlt hatten. Dies geschah auf dem Weg der Mythen von Aufstieg, gesellschaftlichem Zusammenhalt und nationaler Einheit; siehe Carrick 2009 (Anm. 94), S. 82.
227 Pierre Restany, Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960, S. 4, Fonds Restany, PREST.XSEST55 (Anm. 196).
228 Siehe »VIIe congrès international des critiques d’art«, Bulletin Nr. 4 (Anm. 195).
229 Carrick 2009 (Anm. 94).
230 Restany 1967 (Anm. 95).
231 Pierre Restany, Typoskript »La Pologne et la tentation de l’Occident«, November 1960 (Anm. 196).
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