Zusammenfassung
p. 457-458
Texte intégral
1Die Abfallwirtschaft ist kein ausschließlich modernes Problem, bereits im Altertum entspricht sie einem Bedürfnis. Die Latrinen sind eine der Antworten, die römische Zivilisation auf die Frage der Beseitigung der menschlichen Exkremente gefunden hat. Die Latrinen sind ein Symbol der römischen Welt und zeichnen sich durch ihre Form aus, insbesondere durch eine Bank mit Öffnungen über einem Abwasserkanal. Auf der Bank können zahlreiche Personen Platz nehmen. Bei den neueren Studien wurden die anschaulichsten Überreste privilegiert, die zweifellos im ganzen Reich zu finden, in Nordafrika oder Vorderasien jedoch besonders bemerkenswert sind. Nun ist dies jedoch nur ein Teil der Realität, die es verdient, in ihrer Gesamtheit dargestellt zu werden. Nach einer Methode, die sich bereits bei den Thermen bewährt hat, haben wir uns in unserer Untersuchung auf einen Teil der römischen Welt begrenzt die gallischen, germanischen und alpinen Provinzen diejenigen, in denen die Fortschritte der modernen Archäologie es ermöglichen, selbst die unscheinbarsten und winzigsten Strukturen zu erfassen. Es wurden also sämtliche Latrinen, von den bescheidensten bis zu den prunkvollsten berücksichtigt.
2Im ersten der drei Kapitel dieser Arbeit wird eine detaillierte Typologie der Latrinen vorgeschlagen. Die Vorrichtungen, die dazu bestimmt sind, die menschlichen Exkremente aufzunehmen, haben nämlich sehr unterschiedliche Formen, weit entfernt vom gängigen stereotypen Bild. Die bescheidensten Strukturen Gruben mit oder ohne Schacht überwiegen. Die Einfachheit ihrer Realisierung macht sie zu der Lösung, deren man sich seit Urzeiten bediente. Es ist indessen zu bemerken, dass sie in Südgallien fast völlig fehlen. Andere, komplexere und nicht so häufige Hohlstrukturen, besitzen einen Wasserzulauf, sie dienen als Sickergrube ; die Gruben können auch einen Abfluss haben, der als Überlauf dient. Die Konstruktionen mit Abwasserkanal weisen unterschiedliche Formen auf, gemeinsam ist ihnen die Entsorgung, die sich von den Gruben unterscheidet, denn die Fäkalien werden weit fortgeführt. Man findet bei dieser Art Latrinen einfache Schächte am Ende oder über irgendeiner anderen Stelle eines Abwasserkanals, diese Latrinen bieten immer nur Platz für eine Person ; die kleinsten Öffnungen können nur als Urinoir gedient haben. Häufiger ist ein Raum, in dem an einer oder mehreren Wänden ein Abwasserkanal entlangläuft, über dem Kanal befindet sich eine Toilettenbank. Die Raumgrößen sind sehr unterschiedlich, von einigen Quadratmetern für eine sehr begrenzte Anzahl von Personen bis zu mehreren hundert Quadratmetern für Dutzende von Personen. Manchmal wird die Monumentalität noch durch eine Säulenreihe im Innenraum gesteigert.
3Die Latrinen über einem Abwasserkanal, der sich so verbreitert, dass er die gesamten Fläche des Raumes einnimmt, und mit einem Holzfußboden, waren nicht sehr verbreitet, sowohl in geographischer als auch in chronologischer Hinsicht, wahrscheinlich wegen ihrer fehlenden Effizienz ; dadurch, dass sich das Abwasser über die ganze Fläche verteilt, verliert es nämlich an Spülkraft und befördert die Fäkalien nicht weit genug fort.
4Dem Nachtgeschirr wurde in dieser Abhandlung ebenfalls ein bedeutender Platz eingeräumt, es war die unerlässliche Ergänzung der gemauerten Aborte und wahrscheinlich überaus verbreitet. Da seine Überreste äußerst bescheiden sind, wurde seine Bedeutung bis vor kurzem unterschätzt, doch es ist umfangreich und vielgestaltig. Man findet die matella, das Urinal für Männer, das scaphium für Frauen und das lasanum, den Nachttopf ganz allgemein, ohne die Amphoren zu vergessen, die für ihren ursprünglichen Zweck unbrauchbar geworden, wieder verwendet an den Straßenecken stehen, und in denen der für bestimmte handwerkliche Tätigkeiten unentbehrliche Urin gesammelt wird. Das Nachtgeschirr, das in den Grabungen gefunden wurde, ist aus Ton ; in Pompeji wurden Nachtöpfe aus Bronze gefunden, doch es sind vor allem die Textbeispiele, die es ermöglichen durch pikante, lustige oder anzügliche Anekdoten die Vielfalt der Materialien und die Benutzung zu erfassen.
5 Das zweite Kapitel ist der Architektur der Latrinen gewidmet. Die Mauern entsprechen im Allgemeinen denen der umliegenden Bauten ; die Wände sind meistens recht leicht gebaut : opus craticium in Cavalaire, Holz und Lehm in Straßburg, es bleibt das Problem der zahlreichen isolierten Gruben bestehen, sie waren von sehr leichten Strukturen überdacht, die kaum Spuren hinterlassen haben. Die Dächer der Latrinen sind meistens mit Ziegeln gedeckt, doch auch Dachschindeln sind durch ein Beispiel belegt. Nur selten findet man Türen ; die Öffnungen sind meistens durch einen Vorhang verschlossen, der den Zutritt bei jeder Tages und Nachtzeit ermöglicht und indiskrete Blicke fernhält. Gewöhnlich wird der Abort zusätzlich durch einen Vorraum isoliert. Über die Fenster weiß man wenig, manchmal sind sie nur anhand ihres im Verputz erhaltenen Negativabdruckes fassbar. Es ist übrigens wahrscheinlich, dass die Art der Beleuchtung sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. In den ältesten Latrinen dürfte es recht dunkel gewesen sein ; die Fenster, wenn solche existieren, befinden sich im oberen Bereich der Wand und die opake Verglasung verwehrt indiskrete Blicke.
6Hauptbestandteil der Latrinen ist eine Toilettenbank, die von Konsolen gestützt sein kann. Die meisten erhaltenen Bespiele sind aus Stein, doch die Entdeckung von Holzbänken lässt vermuten, dass dieses Material wohl überwog.
7In den einfachsten Latrinen werden feste und flüssige Exkremente in Gruben aufgefangen. Manche von ihnen sind mit Holz ausgekleidet, diese Auskleidung kann sehr unterschiedliche Formen annehmen : horizontale Balken, aneinander gereihte Pfähle, Flechtwerk aus Zweigen, « Korbflechterei » oder ein wieder verwendetes Fass. Anderswo sind die Gruben aus Stein gebaut und mit Mörtel verfugt, oder unverfugt belassen. Die Bauweise Abwasserkanäle unterscheidet sich nicht von der anderen Bauten. Manchmal sind am Eingang des Kanals Schieber eingebaut, die einen Spüleffekt bewirken. Auch am Abfluss kann ein Schieber platziert sein ; der dadurch konstante gehaltene Wasserspiegel hindert die unangenehmen Gerüche am Aufsteigen. In zahlreichen Fällen kommt das Spülwasser der Abwasserkanäle von den Thermen, in deren Nähe die Bedürfnisanstalten sich häufig befinden. Vor den Sitzbänken läuft in Rinnen sauberes oder als sauber geltendes Wasser, in dem der Schwamm für die Intimreinigung gesäubert wird. Diese Rinnen können gegebenenfalls durch ein einfaches Gefäß mit Wasser ersetzt werden. In besonders prachtvoll ausgestatteten Latrinen ergänzt ein labrum, ein Brunnen oder ausnahmsweise ein Nymphaeum (zum Beispiel in den Thermes des Lutteurs in Saint-Romain-en-Gal) die Anlage.
8Auch die Fußböden weisen eine große Vielfalt auf. Gestampfter Lehm überwiegt, doch gelegentlich trifft man auch Holzfußböden an. Der einfachste Belag besteht aus einer Schicht Mörtel oder Ziegelmörtel, der in seltenen Fällen mit Ziegeln gepflastert ist. Mosaiken sind ausgesprochen selten. In luxuriöseren Latrinen zieht man ihnen einen Plattenbelag vor. Über die Wände ist weniger bekannt. Häufig ist weißer oder roter, gelegentlich auch mit farbigen Motiven bemalter Putz. Besonders bemerkenswert sind nur die Dekore der Latrinen in den eben genannten Thermes des Lutteurs und in den Latrinen von Rottenburg am Neckar. In den untersuchten Regionen wurden in den Latrinen keine Skulpturen entdeckt ; einzig die Nischen der Latrine der Grands Thermes von Xanten lassen deren Existenz vermuten.
9Im dritten Kapitel werden die Latrinen unter dem wirtschaftlichen und soziologischen Aspekt betrachtet. Die öffentlichen Bedürfnisanstalten befinden sich in der Nähe der monumentalen Zentren, Heiligtümer, campi und Gymnasien, überwiegend aber in unmittelbarer Nähe der Thermen. Über-raschenderweise ist das Amphitheater von Nîmes das einzige Gebäude für öffentliche Veranstaltungen, in dem man 120 Urinale identifiziert hat. In Privathäusern ist für die Latrine kein bestimmter Platz vorgesehen, dieser hängt vor allem davon ab, ob der Abort für die Dienerschaft oder die Herrschaft bestimmt ist.
10Die chronologische Entwicklung der Latrinen wurde ebenfalls erörtert. Es gibt kein gesichertes Zeugnis vor der augusteischen Zeit. Die ersten Latrinen, im Wesentlichen Gruben und seltener Schächte, stammen aus dem ausgehenden 1. Jh.v. Chr. Für die erste Hälfte des 1. Jh.n. Chr. häufen sich die Beispiele, insbesondere in Privathäusern und seltener im öffentlichen Bereich, was darauf hinweist, dass man seine Notdurft vorwiegend zuhause verrichtet. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nimmt die Zahl der privaten und öffentlichen Latrinen deutlich zu. Oft befinden sie sich in der Nähe von Thermen, die in dieser Zeit entstehen. Sie zeugen davon, dass das Problem der Abfall-beseitigung von den Behörden und den Euergeten ernst genommen wird. Die meisten Überreste und die prunkvollsten Bauten stammen aus dem 2. Jh. ; im 3. Jh. nimmt ihre Zahl ab ; im darauf folgenden Jahrhundert findet man sie vorwiegend in den villae ; Zeugnisse aus dem 5. Jh. sind extrem selten.
11Obwohl kein Name eines Euergeten überliefert ist, der eines dieser Bauwerke finanziert hat, ist es wahrscheinlich, dass manche Latrinen zwar privat, der Öffentlichkeit jedoch zugänglich waren, vielleicht war der Zutritt kostenpflichtig. Im Fall der Gruben, ist es wahrscheinlich, dass ihr Inhalt als Einkom-mensquelle landwirtschaftlich genutzt wurde.
12Die Latrinen sind Orte der Geselligkeit, wo sich Personen unterschiedlicher Herkunft begegnen, und wo die Regeln für Schamgefühl und Anstand nicht gelten. Schließlich und endlich spiegeln sie die sanitären Verhältnisse im Altertum, die den heutigen Bedingungen in den Entwicklungsländern zu entsprechen scheinen.
13Die Latrinen haben, zugegeben in einem bescheidenen Maße, durch ihre Vielzahl dazu beigetragen, die Hygiene im privaten und öffentlichen Bereich zu verbessern, in ökologischer Hinsicht bleibt eine Verbesserung des Zustandes jedoch aus. Die Krankheitskeime proliferieren nach wie vor in Stadt und Land ; erst im 19. Jh., nach der Entdeckung der Bakterien und Mikroben, ändern sich die Verhaltensweisen.
14 Übersetzung Isa Odenhardt
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