Fritz Schachermeyr und seine Etruskerforschung1
p. 151-163
Texte intégral
1Fritz Schachermeyr (1895-1987)2 gilt weithin als bisher bedeutendster Althistoriker Österreichs. Es lassen sich auf ihn aber auch noch zahlreiche andere Superlative oder doch zumindest Elative anwenden: er war vielleicht der vielseitigste unter allen Altertumswissenschaftlern überhaupt, äußerte er sich doch mit wissenschaftlichem Anspruch nicht nur zu Fragen der Alten Geschichte, sondern auch zu Themen aus den Bereichen der Klassischen Archäologie, der Altorientalistik (speziell der Hethitologie), der Mykenologie, der Sprachwissenschaft, der Geschichtsphilosophie und der “Rassenkunde” – und eben auch der Etruskologie. Er war einer der profiliertesten Nationalsozialisten unter den Historikern, und hat von ihnen allen am konsequentesten von den Nationalsozialisten favorisierte Thesen der Rassenlehre für Fragen der Geschichtswissenschaft nutzbar zu machen versucht. Schließlich war Fritz Schachermeyr einer der prominentesten und höchstdekorierten Wissenschaftler der Republik Österreich nach 1945 überhaupt.
2Der vorliegende Aufsatz wird sich, dem Titel des Sammelbandes entsprechend, im Wesentlichen auf Schachermeyrs Etruskerforschung in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts konzentrieren, aber auch Ausblicke auf seine Beschäftigung mit den Etruskern in späteren Jahren bieten.
3Der gebürtige Linzer Schachermeyr promovierte im Juli 1920 in Innsbruck aufgrund einer bei Carl Friedrich Lehmann-Haupt3 erstellten Dissertation, die nie publiziert wurde und heute verschollen ist, sodass nicht einmal ihr genauer Titel eruiert werden kann, die aber auf jeden Fall die Beziehungen Ägyptens in der Zeit der XVIII. und XIX. Dynastie zur Ägäis und zu Vorderasien zum Inhalt hatte4. Nach erfolgter Promotion fand er in Innsbruck eine Anstellung als Mittelschullehrer am Städtischen Mädchenrealgymnasium5, doch strebte er eine Karriere auf akademischem Boden an – war er doch, wenn ihn seine Erinnerung später nicht getrogen haben sollte, von seinem akademischen Lehrer sogar schon während des Studiums “gar nicht als Student, sondern als Fachkollege aufgefaßt” worden6. Aus diesem Grund sah sich Schachermeyr alsbald nach einem Habilitationsthema um, wobei er den Bereich der Frühgeschichte diesmal zunächst zu meiden suchte und dementsprechend auf ein Thema aus dem Bereich der griechischen Epigraphik, die attischen Tributlisten, verfiel7. Er hatte während seines ersten Griechenlandaufenthalts im Sommer 1924 bereits einschlägige Vorarbeiten in Athen geleistet, als er erfuhr, “daß die englische und amerikanische Schule gemeinsam unter Leitung des hervorragenden Epigraphikers Wade-Gery ein ganz großes Unternehmen zur Neubearbeitung der Tributlisten planten. Da war für den kleinen Fritz Schachermeyr natürlich nichts mehr zu holen”8. Nun wandte er sich doch wieder der Frühgeschichte zu (und zwar “den großen Wanderungen um 1200 v. Chr.”9), wobei wiederum jene der Griechen seine erste Wahl gewesen sein dürfte. Erst als er – laut seinen Erinnerungen nach “einigen Jahren mühsamster Arbeit”10 – erkennen musste, “daß das Material für eine Bearbeitung einer ‘Griechischen Frühgeschichte’ nicht zureiche”11, wandte er sich schlussendlich der Etruskischen Frühgeschichte als Habilitationsthema zu, denn “für die Etrusker gab es in Italien bereits eine ganz ausgezeichnete archäologische Bezeugung durch die an der Küste liegenden Nekropolen”12. Tatsächlich dürfte die Entscheidung gegen die Griechen und zugunsten der Etrusker spätestens zu Beginn des Dezembers 1925 gefallen sein13.
4Zumindest in den folgenden beiden Jahren reiste Schachermeyr jeweils in der Zeit der Schulferien, “also in den heißen Monaten des Juli und August oder in der österlichen Regenzeit”14 in das Gebiet des alten Etrurien, aber auch nach Rom15, wo er wohl das “Museo Nazionale Etrusco” in der “Villa Giulia”16 besuchte17. Diese Reisen dienten nicht allein der Autopsie von etruskischen Monumenten innerhalb und außerhalb von Museen (wie etwa etruskischen Gräberfeldern), sondern jedenfalls ansatzweise auch der Lektüre von in Innsbruck nicht zugänglicher italienischer Fachliteratur18. Schließlich nahm er auch noch im Frühjahr 1928 am “Primo Congresso Internazionale Etrusco” teil19, der in Florenz und Bologna20 in der Zeit vom 27. April bis 5. Mai abgehalten wurde, und hielt in dessen Rahmen am 30. April in der “Aula magna”21 der Universität von Florenz einen (unpubliziert gebliebenen) Vortrag über Kleinasiatische und etruskische Grabformen22, in dem er offenbar Teilergebnisse seiner prinzipiell schon Ende 192723 abgeschlossenen Habilitationsschrift vorstellte. Vortrag und Teilnahme im allgemeinen verliefen für Schachermeyr augenscheinlich höchst erfolgreich; Pericle Ducati (1880-1944) und David Randall-MacIver (1873-1945), die beide gerade erst wichtige Monographien über die Etrusker veröffentlicht hatten24, “beglückwünschten” ihn nach seinem Vortrag “ungemein”25, der schon emeritierte Klassische Archäologe Friedrich von Duhn (1851-1930) schrieb ihm etwa ein Jahr nach dem persönlichen Zusammentreffen auf dem Kongress und zugleich etwa ein Jahr vor seinem eigenen Tod “Schon in Florenz hatte ich die Empfindung, und jetzt noch mehr, dass wir uns wissenschaftlich gut verstehen werden”26, und den später wegen seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten verfolgten Indogermanisten Alfons Nehring (1890-1967)27 drängte es sogar gleich nach Ende des Kongresses zur schriftlichen Mitteilung, “daß die Bekanntschaft mit Ihnen zu meinen schönsten Florentiner Eindrücken gehört. […] Aber auch so hoffe ich, daß wir nun in Beziehung bleiben, in wissenschaftlicher und menschlicher, und daß uns das Schicksal auch mal wieder zusammenführt”28.
5Während das eigentliche Habilitationsverfahren gleichfalls im Frühjahr 1928 nicht zuletzt dank Lehmann-Haupts Wohlwollen gänzlich reibungslos über die Bühne ging29, gestaltete sich die Drucklegung der, wie schon erwähnt, eigentlich bereits Ende 1927 fertiggestellten Habilitationsschrift beim Berliner Verlag Walter de Gruyter äußerst mühselig30. Schließlich wurde die Druckfassung unter dem Titel Etruskische Frühgeschichte offensichtlich nicht vor Herbst 192931, also erst etwa zwei Jahre nach Abschluss des Ur-Manuskripts, ausgeliefert.
6Diese gliedert sich in zwei Hauptteile von sehr unterschiedlichem Umfang: “Der historische Rahmen” (1-83)32, der sicherlich auf Schachermeyrs verschollener Dissertation aufbaut33, und “Die Etrusker” (85-307), in dem die “Frage nach der Herkunft des etruskischen Volkes”34 beantwortet werden soll – dies war ein damals hochaktuelles Thema; in der Zeit zwischen 1926 und 1937 erschienen mindestens drei Monographien mit einem einschlägigen Titel35. Der Verfasser bekundet gleich am Beginn des zweiten Hauptteils sein Bemühen, “allen in Frage kommenden Disziplinen” – und das sind nach seiner eigenen Auffassung Prähistorie, Archäologie, Geschichte, Sprachwissenschaft und Orientalistik – “gerecht zu werden und sie zur Lösung der zahlreichen Probleme möglichst gleichmäßig heranzuziehen”36. Bemerkenswert ist, dass Schachermeyr die Gleichsetzung von Volk (“Rasse”) und Sprache37 bzw. die Fragestellung an sich überhaupt nicht problematisiert hat, obwohl dergleichen durchaus bereits zuvor in einem berühmten Buch geschehen war, das Schachermeyr gewiss zumindest teilweise auch schon gelesen hatte, nämlich im zweiten Band von Oswald Spenglers “Untergang des Abendlandes”38. Doch hat der Autor der “Etruskischen Frühgeschichte” den Autor des “Untergangs” zwar beneidet, aber nicht geschätzt39.
7Als Schachermeyr seine Habilitationsschrift abgeschlossen hatte, war er in der Tat davon überzeugt, das “Etruskerproblem” definitiv gelöst zu haben, und zwar auf der Grundlage archäologischer Evidenz: “Eine restlose Lösung des Etruskerproblemes scheint mir […] die Früharchäologie zu bieten. Es wird sich mit Hilfe der Gräberforschung feststellen lassen, dass in der Zeit zwischen 1000 und 700 alle Grabformen und Beisetzungsriten, die uns aus Westkleinasien bekannt sind, auch in Etrurien und zwar als deutliche Neueinführungen auftreten, für die Italien keinerlei Vorstufen aufzuweisen hat. Grabformen werden aber auf dem Handelswege nicht importiert, am wenigsten in solcher Geschlossenheit und zwischen räumlich solchermaßen voneinander abgelegenen Ländern40. Es müssen somit namhafte kleinasiatische Volksteile in der angegebenen Zeit nach Etrurien ausgewandert sein, was allein für die Etrusker zutrifft”, nimmt er ebenfalls gleich am Anfang des zweiten Hauptteils das Resultat schon vorweg41. Derartige Argumentationsstrukturen sind in der Archäologie von heute nicht mehr üblich und gelten auch nicht mehr als statthaft42 (weshalb die Archäologie an der zeitgenössischen Diskussion über die Herkunft “der” Etrusker auch nicht länger teilnimmt), doch vermochte Schachermeyrs archäologische Beweisführung auch schon das wissenschaftliche Publikum der dreißiger Jahre in der Regel nicht restlos zu überzeugen43.
8Allerdings hat Schachermeyr in seiner Habilitationsschrift auch sprachliche Evidenz zugunsten einer Herkunft “der” Etrusker aus Kleinasien angeführt (ohne diese offenbar für ähnlich stringent wie die archäologischen Beweismittel zu erachten), und in der Sprachwissenschaft ist die Frage nach der Herkunft des Etruskischen bzw. der Sprecher des Etruskischen nie verstummt; so urteilte schon Giuliano Bonfante im Jahr 1983: “Linguists worry about Etruscan origins today far more than archaeologists do”44.
9Schachermeyrs Argument, das Suffix-ηνος im Ethnikon Τυρσηνοί weise auf eine Herkunft der Etrusker aus dem “Nordwesten” Kleinasiens “oder Lydien”45, ist 1993 (bzw. 1995) vom wohl besten damaligen Kenner der etruskischen Sprache Helmut Rix unter ausdrücklicher Berufung auf Schachermeyr wiederbelebt worden46. Andererseits hat Schachermeyr in seinem Buch – aus heutiger Sicht natürlich eher unzulänglich – diverse sprachliche Erscheinungen inklusive Namen des Etruskischen mit solchen altanatolischer Sprachen wie Lydisch und Lykisch (die für ihn im wesentlichen einen nichtindogermanischen Charakter trugen) verknüpft und auf diese Weise weitere Evidenz für eine kleinasiatische Herkunft “der” Etrusker zu gewinnen versucht47. Siebzig Jahre später hat der Etruskologe und Indogermanist Dieter Steinbauer, ein Schüler von Helmut Rix, dasselbe Verfahren auf einem natürlich bei weitem, ja geradezu unendlich höheren Niveau angewandt48 – und mit genau demselben Resultat für die Herkunft des Etruskischen49. Schließlich hat Schachermeyr 1929 auch noch auf das etruskoide Idiom auf der Insel Lemnos hingewiesen50, das der Indogermanist Giuliano Bonfante 1983 sogar als “from the point of view of the Etruscan language the only real evidence of its Eastern connections” bezeichnen wollte51, während Schachermeyr selbst schon durchaus mit der Möglichkeit einer “sekundären” “Besetzung der Insel durch die Etrusker” (gemeint ist offenbar: von Italien aus) gerechnet hat52. Dementsprechend lässt sich die “Etruskische Frühgeschichte” zumindest und gerade in bezug auf die Behandlung der sprachlichen Aspekte doch auch als durchaus zukunftsweisend einstufen.
10Als Nebenprodukte von Schachermeyrs Arbeit an der “Etruskischen Frühgeschichte” resultierten zwei Aufsätze, “Materialien zur Geschichte der ägäischen Wanderung in Kleinasien”53 und “Telephos und die Etrusker”54; der erstere bezieht sich dabei nur auf den ersten Teil “Der historische Rahmen” und nimmt m. W. gar nicht explizit auf die Etrusker Bezug.
11Die Reaktion auf die “Etruskische Frühgeschichte” fiel so aus, dass man zwar Schachermeyrs Anspruch, das “Etruskerproblem“ ein für alle mal entschieden zu haben, als nicht eingelöst ansah, aber gleichwohl seinem Kenntnisreichtum und seinem Scharfsinn die Bewunderung nicht versagte. Das geschah nicht nur in Rezensionen55. So schrieb Schachermeyr etwa sein sonst nicht immer unkritischer Indogermanistenfreund Wilhelm Brandenstein (1898-1967) auf einer Karte aus dem Jahr 1932 die folgende uneingeschränkte Anerkennung: “Ich habe übrigens Deine Etr[uskische] Frühg[eschichte] wieder einmal durchgenommen; es ist mir unfaszlich, wie Du diese ungeheure Arbeitsleistung neben dem Beruf bewältigen konntest. Ich habe solches nicht zu Stande gebracht”56. In seinem Forschungsüberblick über das “Etruskerproblem” von 193757 hat Brandenstein das Buch seines Freundes dann aber keineswegs als entscheidenden oder auch nur in besonderem Maße wegweisenden Beitrag hervorgehoben.
12Als Schachermeyr in Jena auf die Berufungsliste gesetzt wurde, erging andererseits folgende Begründung: “Allgemeine Aufmerksamkeit hat Schachermeyr mit seinem im Jahr 1929 veröffentlichten großen Buch ‚ Etruskische Frühgeschichte‘ erregt. Zwar der Nachweis, der das Ziel des Buches bildet, wird bestritten, der Nachweis nämlich, daß die Herkunft der Etrusker im nordwestlichen Kleinasien zu suchen sei. Aber die umfassende Kenntnis, die Vorlegung des Materials, die großen Gesichtspunkte und die mit historischem Takt getroffenen Fragestellungen, endlich die Vorzüge der Darstellung, die besonders in der Beschreibung der archäologischen Denkmäler hervortreten, haben volle Anerkennung, teilweise geradezu Bewunderung gefunden. Schachermeyr hat sich mit diesem Buch, das einen viel umfassenderen Inhalt hat[,] als der Titel verrät[,] und auf Grund genauer Kenntnis und großzügiger Betrachtung der Frühgeschichte der ganzen östlichen Mittelmeerwelt geschrieben ist, als Historiker von Rang ausgewiesen”58. Es lässt sich also feststellen, dass Schachermeyrs Habilitationsschrift in hohem Maß zu seiner ersten Berufung auf einen universitären Lehrstuhl (sc. im Jahr 1931 nach Jena)59 beigetragen hat.
13Schachermeyrs nunmehriger Ruf als Experte auf dem Gebiet der Etruskologie hatte zur Folge, dass ihn der Mitherausgeber der “Neuen Jahrbücher für Wissenschaft und Jugendbildung” Ernst Wilmanns (1882-1960) zu Anfang November 1930 um die Abfassung eines einschlägigen Beitrags ersuchte60, und Schachermeyr hat ein solches Manuskript dann auch umgehend innerhalb der folgenden drei Monate fertiggestellt61. Dieser dann auch noch 1931 erschienene Aufsatz trug den Titel “Die Etruskologie und ihre wichtigsten Probleme”62 und gliederte sich in drei Abschnitte. Nur der erste mit dem Titel Das Herkunftsproblem (619-624) rekapitulierte (grosso modo) den Inhalt der Habilitationsschrift. Hier liest man gleich im ersten Paragraphen “Infolge der durch den Rassenunterschied bedingten Verschiedenheit der Mentalität war es den Römern freilich unmöglich, die Wesensart der Etrusker ganz zu verstehen […]”63. Die zentrale Aussage lautet: “Ich glaube, daß schon das historische, philologische und kulturhistorische Material die Einwanderung aus Kleinasien mit hoher Wahrscheinlichkeit nahelegt. Unwiderlegliche, exakte Beweise scheint mir dann aber das archäologische Material, besonders die Vergleichung der Grabformen bzw. Riten und ihrer Entwicklung an die Hand zu geben”64.
14Im zweiten Abschnitt Die Weltstellung der etruskischen Kunst (624-627) finden sich dann für die Etrusker nur wenig schmeichelhafte Vergleiche und Urteile; so behauptet Schachermeyr, “dass schon bei semitischen Völkern mitunter eine gesteigertere und auch selbständigere Art der Produktivität festgestellt werden kann”, und dass erst recht bei “einer großen Zahl von indogermanischen Völkern”65 “eine schöpferische Produktivität” “in noch stärkerem Grade”66 zu finden sei. Insbesondere leugnet Schachermeyr aber einen besonderen Anteil des etruskischen Elements an der Entstehung der Renaissance, wie er u. a. auch von Oswald Spengler67 angenommen worden ist68.
15In der dritten und letzten Sektion Die Etrusker in Rom (627-631) attestiert der Autor den Etruskern zwar zunächst, dass sie “in Be- und Entwässerungsanlagen zu ihrer Zeit für ganz Italien Beispielloses geleistet haben” und “die etruskische Herrschaft für die Entstehung Roms von entscheidender Bedeutung war”69, das Gesamturteil fällt dann aber auch wieder nicht zugunsten der Etrusker aus: “Die Gemeinschaftsidee ist […] italisch. […] Das größte Werk italisch-römischer Nationalkraft ist die Überwindung der im Etruskertume waltenden schrankenlosen Gentilidee und ihre Eingliederung in das Gemeinschaftsprinzip. […] So war es also in erster Linie doch das italisch-latinische Element, das Rom groß gemacht hat. Wohl verdankt Rom den Etruskern viel, verdankt es ihnen vor allem doch die Gründung der Stadt. Was aber aus dieser Stadt geworden, was diese Stadt geleistet hat, war im wesentlichen das Werk der Italiker”70.
16In der bald auf NS-Linie gebrachten “Zeitschrift für Geschichtslehrkräfte” “Vergangenheit und Gegenwart” hatte sich Schachermeyr schon 1933 mit einem Beitrag über “Die Aufgaben der Alten Geschichte im Rahmen der nordischen Weltgeschichte” als ideologisch zuverlässiger Historiker zu profilieren versucht71, nun legte er 1934 noch mit einem knapper gehaltenen Aufsatz zur “Entzifferung” des Etruskischen nach72, in dem er zunächst ganz zu Recht dahingehend aufklärte, dass eine “Entzifferung” dieser Sprache bzw. der etruskischen Texte gar nicht mehr vonnöten sei, und anschließend “die Frage nach der Herkunft der Etrusker” als “das eigentliche Problem” herausstrich, was er schließlich wie folgt begründete: “[…] wir vermögen etruskisches Wesen erst zu verstehen, wenn wir es aus seinen Ursprüngen heraus verfolgen. Und wir brauchen dieses Verständnis, da die Etrusker das einzige mediterrane Volk sind, welches sich bis in spätere Zeit erhalten hat und uns historisch einigermaßen greifbar ist. In dieser Eigenschaft sind sie uns aber von höchster Wichtigkeit, nicht zum wenigsten, da wir durch sie all die unüberbrückbaren Gegensätze kennenlernen, welche zwischen den nichtnordisch-mediterranen Völkern und den nordisch begründeten Indogermanen bestehen”73.
17Zu den Etruskern hat sich Schachermeyr später meines Wissens nur noch im umfänglichsten Dokument seiner vom “nordischen Gedanken” geprägten und dominierten Weltanschauung, der monumentalen Monographie von 1944 “Indogermanen und Orient”74, ausführlicher und in bemerkenswerter Weise geäußert. Hier gibt es einen eigenen Abschnitt “Kleinasien und die Etrusker” (96-104), in dem man folgendes liest:
“Es ist natürlich ganz unmöglich, all die vielfältigen Argumentationen für und wider die kleinasiatische Herkunft der Etrusker hier vor dem Leser auszubreiten. Das Problem lässt sich mit dem uns zur Verfügung stehenden unzureichenden Material ja auch gar nicht lösen. Wir vermögen allein Wahrscheinlichkeiten zu gewinnen. Die sprechen allerdings eher für kleinasiatische als für bodenständig italische Abkunft.
Falls diese Wahrscheinlichkeiten trügen sollten, so hätten die Etrusker in unserem Buch überhaupt nichts zu suchen. Meine nachfolgenden Ausführungen haben daher ihre Geltung nur unter Vorbehalt. Wenn aber die Voraussetzung der kleinasiatischen Herkunft wirklich zutrifft, stellt sich der Sachverhalt etwa folgendermaßen dar.
Beheimatet waren die Etrusker ursprünglich in Westkleinasien, nahe der Küste. Ihren Zugang zum Meer fanden sie in einer der Lücken, welche die griechische Kolonisation mitunter gelassen hatte. Dem Blute nach waren es vorwiegend Kleinasiaten, aus westischen, ostischen und auch armenoiden Elementen gemischt. Dazu kam aber noch ein indogermanischer Einschlag, der sich auch in ihrer sonst ägäischen Sprache als Beimischung bemerkbar zu machen vermochte. Die indogermanische Komponente dürfte ursprünglich die Oberschicht dargestellt haben, doch unterlag sie einer ständig zunehmenden sprachlichen wie rassischen Anatolisierung. Sie teilte also das Schicksal des Aufgehens im Volkstum der Untertanen, wie es die Arier in Syrien oder die Normannen in Süditalien betroffen hatte. Geblieben ist der Herrenschicht (ähnlich wie in den genannten Parallelfällen) die der nordischen Art entsprechende ritterliche Lebensform, ja sie wurde mit besonderer Hartnäckigkeit gepflegt. Ihr wehrtechnischer und zugleich symbolhafter Ausdruck war wiederum der Streitwagen. So zeigte sich der etruskische Adel zwar nicht mehr so sehr in seiner inneren Haltung, wohl aber in der äußeren Lebensform dem des benachbarten Griechentums wie (bis zu einem gewissen Grade) auch dem der Hethiter und Phryger ähnlich. Gleich den Ariern im syrisch-mitannischen Bereich, gleich auch den Hethitern und Phrygern erwies sich das indogermanische Element im Etruskertum als recht anfällig, vor allem in religiöser Hinsicht. So waren die Etrusker in Blut, Sprache und in zahlreichen kulturellen Belangen (die Ritterschaft natürlich ausgenommen) mehr die Repräsentanten Anatoliens als des Indogermanentums.[…]
So wie die Phoiniker dauernd nach dem Westen fuhren und seit etwa 800 die Griechen in etwas nördlicherer Breite die nämliche Richtung einschlugen, gelangten auch die Etrusker nach Italien. […] Hier besiedelten sie das nach dem kleinasiatischen Gotte Tarku benannte Tarquinii. […] Der zeitliche Beginn dieser Einwanderungen ist umstritten, ihr Schwergewicht fällt aber sicher ins 8. und in den Anfang des 7. Jahrhunderts […].
In ihre neue Heimat brachten die Etrusker eine Fülle von fremdartigen Kulturbeständen […]. Vor allem handelt es sich wieder um die ritterliche Lebensform und Bewaffnung. Sie wird auch in Italien beibehalten, und insbesondere mit dem Streitwagen zeigt sich der Etrusker nach Ausweis der Grabfunde schier unzertrennlich. Auch an der Idee der ritterlichen Sippe hält er fest, ja er steigert sie noch in ihrer Bewertung. Gleiches gilt von der Clientelidee, welche den italischen Bauern wohl unbekannt gewesen sein mag, zu der sich aber schon bei den Hethitern Ansätze erkennen lassen.
Kleinasiatisch sind auch die Götter, vor allem aber die kultischen und rituellen Bindungen. […] Die Vorzeichenangst wie Sündebänglichkeit Anatoliens kehrt bei den Etruskern wieder und ist in das lebensfeindliche skurrile Sammelsurium der Etrusca disciplina eingegangen. […]
Durch sie fand, wie bereits erwähnt, die arische Idee des Rittertums […] ihren Weg weiter nach Westen. […] Von den Etruskern und nicht von den Griechen gehen […] auch jene ritterlichen Einflüsse aus, welche von manchen Italikerstämmen, besonders aber von den in Italien eingedrungenen illyrischen Völkerschaften, aufgenommen wurden.
Als zweites brachten die Etrusker […] nach Italien die städtische Zivilisation. […] Es kann aber als sicher gelten, daß es den aus Etrurien zugewanderten feudalen Geschlechtern niemals gelungen ist, Rom in Sprache und Volkstum zu etruskisieren. Ganz im Gegenteil, sie verfielen selbst […] einer weitgehenden Latinisierung.
Als drittes wurde die Einführung etruskischer Religionsvorstellungen für Italien von nicht geringer Bedeutung. […] Armenoide Neigung zu Zergeistigung, Höllenfurcht und Sündenpein wurzelte sich ein und hat von Rom und Toscana aus düsteren Schatten über alle späteren Kulturen wie Epochen Europas geworfen.
Im allgemeinen haben die Latiner und hat damit auch Rom–abgesehen von der Übernahme der Etrusca disciplina–einer geistigen Überfremdung erfolgreich Widerstand geleistet. Dies galt nicht nur gegenüber Zügen anatolischer Art, sondern auch gegenüber der nach griechischem Maßstab gemessen doch schon überalterten Idee der feudalen Ritterschaft. Allzusehr war sie bei den Etruskern auch schon der Eigensucht, der Unbeherrschtheit und damit einer inneren Zersetzung verfallen. In gleicher Weise rang sich Rom los von einer übersteigerten, die Gemeinschaft verleugnenden Schätzung der Sippenidee. Die Städte Etruriens waren ob des ethnischen Zwiespaltes im eigenen Land nie zu echten Gemeinschaftserlebnissen gelangt. In Rom, wo das Latinertum eindeutig obsiegt, dienen die ersten Zeiten der Republik vor allem dazu, die Eigenwilligkeit mancher Adelsgeschlechter in die Gemeinschaft zurückzuzwingen. […] Der Ritter wandelt sich zum Bauernkrieger und damit zum verantwortungsbewußten Träger einer in Bäuerlichkeit wie Einsatzbereitschaft wurzelnden Staatsidee. Er bildet im Senat die Auslese der wahrhaft Besten und teilt in den Comitien die Macht mit der weiteren Gemeinschaft.
So hat Rom seine Etruskerzeit von innen her überwunden und dadurch erst die Voraussetzungen für seinen unerhörten Aufstieg geschaffen. […]
Vergleichen wir die Westbesiedlung der Phoiniker und der Etrusker, so zeigt sich uns ein deutlicher Parellelismus. […] Die Gleichartigkeit ihres Geschickes ließ sie zu Freunden werden, doch alle übrige Umwelt war ihnen feindlich. Gegenüber den Exponenten des Indogermanentums, erst den Griechen, dann den Römern, erstand ihnen schier unausweichliche Urfehde. Daran mußten sie schließlich zerbrechen und vermochten (gleich allen hoffnungslos Geknechteten) allein die Rache des auf Zersetzung zielenden subversiven Blutes zu nehmen. […]
So viel über die Etrusker. Ich überlasse es dem Urteil des Lesers, ob es uns gelungen ist, die Möglichkeit ihrer kleinasiatischen Herkunft zu einem Bild von innerer Wahrscheinlichkeit zu gestalten. Ein absolut bündiger Beweis scheint mir allerdings auf diesem Wege so wenig wie auf irgendeinem anderen erbracht werden zu können”75.
18Dieselben Thesen werden später im Abschnitt “Das römische Imperium. I. Nationalstaat und Weltreich” (384-394) inhaltlich völlig unverändert in konziser Form wiederholt76.
19Neu ist hier zweierlei. Einerseits gibt sich Schachermeyr – anders als allem Anschein nach noch 193677 – nicht länger davon überzeugt, eine Einwanderung “der” Etrusker aus Kleinasien nach Italien zwischen 1000 und 800 “unwiderleglich” und “exakt”78 nachgewiesen zu haben, zum anderen schreibt Schachermeyr hier zum ersten Mal auch schon den noch in Kleinasien siedelnden Vorfahren “der” Etrusker eine indogermanische Komponente zu, wie von ihm selbst in einer Anmerkung hervorgehoben wird79.
20Mittlerweile schon lange Usus war in Schachermeyrs Publikationen hingegen die explizite Herabwürdigung und Geringschätzung aller in seinen Augen nicht von der “nordischen” = “indogermanischen” “Rasse” abstammender Völker bzw. Völkerkomponenten; diese findet sich in seinem veröffentlichten Werk etwa seit seinem – seinerseits bald nach dem nationalsozialistischen Machtantritt im Deutschen Reich erfolgten – Bruch mit seinem akademischen Lehrer Lehmann-Haupt80. Eine positive Hervorhebung und Würdigung der “Indogermanen” als “Rasse” bei gleichzeitiger Unterstreichung der Bedeutung “rassenmäßiger” Unterschiede, die eine Geringerschätzung von Angehörigen anderer “Rassen” als der “Indogermanen” doch immerhin schon impliziert, sticht freilich schon in Publikationen aus der Zeit vor 1933 ins Auge, lässt sich gerade auch in seinen beiden 1929 bzw. 1931 veröffentlichten (und jeweils noch etwas früher verfassten) etruskologischen Arbeiten entdecken81 und deutet unmissverständlich auf eine schon frühe einschlägige Prägung hin, die sich etwa als Folge einer jugendlichen Gobineau-Lektüre eingestellt haben mag82. Dementsprechend dürfte Schachermeyr mit dem Thema “Rasse” paradoxerweise vor 1933 und dann wieder nach 1945 opportunistischer als in der Zeit zwischen 1933 und 1945 umgegangen sein.
21Um das Jahr 1957 hat sich Schachermeyr in einem unveröffentlicht gebliebenen Entwurf eines Lebenslaufs gegenüber seinem einstigen Anspruch, das “Etruskerproblem” in der “Etruskischen Frühgeschichte” endgültig gelöst zu haben, dann noch skeptischer als im Jahr 1944 gezeigt; hier heißt es: “Wie ich jetzt erkenne, leidet das Buch unter dem Mangel, daß es die darin gewonnenen wahrscheinlichkeiten [sic] als allzu groß einschätzt und die Unsicherheitsfaktoren zu gering bewertet wurden”83.
22Damals trug er sich mit dem Gedanken an eine Neuauflage dieses Werkes und hielt sich wohl vor allem aus diesem Grund Anfang März 1958 wieder im “Museo Nazionale Etrusco” in der “Villa Giulia” in Rom auf84. Dieser Plan wurde dann aber nicht verwirklicht, und Schachermeyr scheint die Etrusker in der Folge mehr oder weniger aus den Augen verloren zu haben.
23Als Massimo Pallottino im Frühjahr 1985 den nunmehr neunzigjährigen Schachermeyr zur Teilnahme am für die Zeit zwischen 26. Mai und 2. Juni 1985 geplanten “Secondo Congresso Internazionale Etrusco” nach Florenz einlud, konnte dieser die Reise schon aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten85. Seine vorletzte Monographie galt zwar wiederum der Frühgeschichte – aber der griechischen86, und seine letzte Monographie galt zwar wiederum einem Volk, dem er das letzte Mal in jungen Jahren eine solche gewidmet hatte – aber den Hethitern87. Wenn sie ihm auch Karriereglück gebracht haben, die Etrusker waren Schachermeyr vermutlich in ihrer Eigenschaft als ein augenscheinlich größtenteils nicht “indoeuropäisches” (wie er sich nach 1955 auszudrücken beliebte88) Volk nie wirklich ans Herz gewachsen.
24N.B.: Die zitierten Briefe stammen aus dem Nachlass Schachermeyrs und befinden sich heute ausnahmslos in Privatbesitz.
Notes de bas de page
1 Für die Durchsicht des Manuskripts bin ich besonders Martin Peters zu Dank verpflichtet. Für die vorbildliche Betreuung im Archiv der ÖAW danke ich Stefan Sienell.
2 Zuletzt Pesditschek 2009; Pesditschek 2014; Pesditschek 2015.
3 Über die Beziehung Schachermeyrs zu Lehmann-Haupt s. ausführlich Pesditschek 2015.
4 S. ausführlich Pesditschek 2009, 82-84; von den hier genannten Zitaten vgl. insbes. Schachermeyr 1986, 7 Anm. 1: “Diese Arbeit blieb unveröffentlicht, da ich ihre Ergebnisse in weitem Maße in meiner Etruskischen Frühgeschichte eingebaut habe, die 1929 bei de Gruyter erschienen ist”.
5 S. ausführlich Pesditschek 2009, 89-94.
6 Schachermeyr 1984, 128.
7 Vgl. Schachermeyr 1984, 130 sq.: “Dabei wollte ich für die Habilitation aber nichts Frühgeschichtliches vorweisen und plante daher eine Neuherausgabe und Neubearbeitung der attischen Tributlisten, ein Thema, das mich schon seit meiner Gymnasiastenzeit verfolgt hatte”.
8 Schachermeyr 1984, 131; Theodor Wade-Gery (1888-1972) konnte sein schlussendlich auf vier Bände angewachsenes Projekt dann freilich erst im Jahr 1953 abschließen; vgl. jeweils ausführlich Pesditschek 2009, 105-109.
9 Schachermeyr 1984, 131.
10 Schachermeyr 1984, 131.
11 Schachermeyr 1984a, 9; vgl. Schachermeyr 1984, 131. Ein Werk Griechische Frühgeschichte aus der Feder Schachermeyrs erschien dann tatsächlich erst als sein vorletztes zu Lebzeiten veröffentlichtes Buch (Schachermeyr 1984a); vgl. dazu Pesditschek 2009, 661-666.
12 Schachermeyr 1984, 131.
13 Damals berichtete Schachermeyr einem Freund, dass er “für geraume Zeit von der italischen Frühgeschichte mit Beschlag belegt” sei (ÖNB, Handschriften-, Autographen- und Nachlass-Sammlung, F. Schachermeyr an F. W. König, Karte vom 12.12.1925, 797/56-2).
14 Schachermeyr 1984, 222.
15 Archiv der ÖAW, Nachlass Fritz Schachermeyr, Kt. 1, Wissenschaftliche Reisen, fol. 12; vgl. dazu auch F. Schachermeyr 1984, 222.
16 Fritz Schachermeyr selbst spricht vom “Museo Giuglio in Rom” (UA Wien, PA Fritz Schachermeyr, fol. 78). In diesem vom Architekten Giacomo Barozzi da Vignola (1507-1573) im Auftrag von Giovanni Maria Ciocchi Del Monte (1487-1555) – seit 1550 Papst Julius III. – erbauten Renaissanceschloss werden nach einigen An-und Umbauten seit den späten 1880er Jahren etruskische Funde aufbewahrt.
17 Zu diesen Italienreisen vgl. generell Pesditschek 2009, 110-114.
18 Vgl. den folgenden Passus im Vorwort zur Druckfassung der Habilitationsschrift: “Ungemein erschwert wurden mir meine Arbeiten durch die an den wissenschaftlichen Bibliotheken Innsbrucks herrschende Büchernot. Ist doch z. B. der Bezug aller die Altertumswissenschaft betreffenden Zeitschriften, soweit sie nicht in deutscher Sprache erscheinen, seit 1914 eingestellt. Die Wiederaufnahme des Bezugs durch die hiesige Universitätsbibliothek konnte bisher noch nicht erreicht werden. So mußte ich unter nicht geringen Kosten eine große Anzahl von Büchern von auswärtigen Bibliotheken entlehnen; da brauchte es einmal zwei Monate, bis ich Falchis Vetulonia [gemeint ist: Isidoro Falchi, Vetulonia e la sua necropoli antichissima, Firenze 1891] zur Hand bekam, und um die Studi Etrusci [sic] bemühte ich mich überhaupt vergebens; erst in Florenz konnte ich sie gelegentlich einsehen. Derjenige Teil der italienischen Fachliteratur, der in den verschiedenen Atti und Rendiconti der Provinzialpublikationen vergraben ist, bleibt mir zu meinem größten Bedauern überhaupt unzugänglich. Nur in Italien selbst hätte ich das Fehlende nachholen können, und zu einem längerem Aufenthalt daselbst hatte ich keine Gelegenheit” (Schachermeyr 1929, IXf., wo auch dem akademischen Lehrer Lehmann-Haupt für die Möglichkeit der Benützung von dessen Privatbibliothek gedankt wird – “ja ich muß sagen, daß ich ohne dieses Entgegenkommen, das der genannte Forscher seinen Schülern in so vorbildlicher Weise erweist, das vorliegende Buch niemals hätte schreiben können”).
19 Dazu ausführlicher Pesditschek 2009, 111-113.
20 Den Bologneser Teil des Kongresses hat Schachermeyr dann freilich ausgelassen, vgl. Pesditschek 2009, 112 sq.
21 Nachlass Fritz Schachermeyr, F. Schachermeyr an G. Böhm, Karte vom 30.4.1928.
22 Primo Congresso Internazionale Etrusco 1928, 18; Atti del Primo Congresso Internazionale Etrusco 1929, 82.
23 Vgl. Schachermeyr 1929, X und Pesditschek 2009, 114.
24 Ducati 1925; Randall-MacIver 1927.
25 Nachlass Fritz Schachermeyr, F. Schachermeyr an G. Böhm, Karte vom 30.4.1928.
26 Nachlass Fritz Schachermeyr, F. v. Duhn an Schachermeyr, Karte vom 12.2.1929.
27 Vgl. zuletzt Maas 2010, 538-543.
28 Nachlass Fritz Schachermeyr, A. Nehring an Schachermeyr, Karte vom 9.5.1928. Eine weitere Studienreise nach Etrurien hat Schachermeyr dann auch noch im Frühjahr 1930 unternommen, siehe Pesditschek 2009, 167-169.
29 Siehe Pesditschek 2009, 114-117; noch im Sommer desselben Jahres ehelichte er daraufhin seine langjährige Lebensgefährtin Gisela Böhm, vgl. Pesditschek 2009, 117-120.
30 Vgl. die detaillierte Schilderung bei Pesditschek 2009, 120-124.
31 Das Vorwort ist mit 17. August 1929 datiert (Schachermeyr 1929, X), und in den “Nachträgen” (Schachermeyr 1929, 308-310) werden auch noch etliche erst 1929 erschienene Arbeiten erwähnt.
32 Mit den fünf Unterkapiteln “Das vorderasiatische Gleichgewicht”, “Der kretisch-mykenische Kulturkreis”, “Die ägäische Wanderung”, “Die östlichen Mittelmeerländer nach der ägäischen Wanderung”, “Italien”.
33 Vgl. schon Näf 1994, 89.
34 Schachermeyr 1929, 87.
35 Pareti 1926; Mühlestein 1929b (vgl. Schachermeyr 1929, 310; in den “Nachträgen” ist ihm noch ein abschätziges Urteil über dieses mit dem seinen konkurrierende Werk möglich gewesen) und Brandenstein 1937. Vgl. auch Haack 2013b.
36 Schachermeyr 1929, 87 sq.
37 Vgl. auch Schachermeyr 1932, 245: “Disziplinen […], die unmittelbar auf Feststellungen ethnischer Natur ausgehen (so […] Sprachwissenschaft und Geschichte)”; tatsächlich haben sich in der Tradition der sog. “Junggrammatiker” stehende Sprachwissenschaftler (Indogermanisten) überhaupt nicht um die Identifizierung von Völkern oder gar “Rassen”, sondern nur um rein sprachliche Fragen gekümmert.
38 Vgl. insbes. Spengler 1922, 141 (“einen Sprachenwechsel der Rassen [d. h. Völker] kann man in früher Zeit gar nicht genug annehmen. […] Es genügt in frühen Zeiten die Tatsache, daß ein Volk sich als stärker erwiesen hat, oder ein Gefühl, daß dessen Sprache in der Anwendung überlegen ist, um […] die eigene Sprache dafür aufzugeben. […] Die Ehrfurcht vor der Muttersprache […] ist ein Zug der späten abendländischen Seele und dem Menschen andrer Kulturen kaum, dem primitiven gar nicht bekannt”–Spengler ist hier viel radikaler als viele Dekaden später der Indogermanist Wolfgang Meid, vgl. Meid 1991) sowie 189-202, und hier wieder bes. “Wenn in historischer Zeit die Namen Pfalz und Kalabrien gewandert sind, das Hebräische von Palästina nach Warschau, das Persische vom Tigris nach Indien verschlagen wurde, was läßt sich dann aus der Geschichte des Etruskernamens und der angeblich ‚tyrsenischen‘ Inschrift von Lemnos schließen? Oder haben die Franzosen mit den Haitinegern, wie die gemeinsame Sprache beweist, einst ein Urvolk gebildet?” (192) und “Trifft ein Historiker heute auf ein Volk, das etwas geleistet hat, so ist er ihm gewissermaßen die Frage schuldig: von woher kam es? Es gehört zum Anstand eines Volkes, von irgendwoher gekommen zu sein und eine Urheimat zu haben. Daß es auch dort zu Hause sein könne, wo man es vorfindet, ist eine fast beleidigende Annahme” (193). Im Grunde kaum anders differenziert auch die gegenwärtige Ethnologie und Anthropologie, vgl. etwa Marchesini 2013, 77 mit Lit. Für eine entsprechende Trendwende in der Etruskerforschung ist Pallottino 1947 verantwortlich gewesen, vgl. etwa Beekes 2003, 28f. Zur Geschichte der Forschung zwischen 1970 und 2000 siehe Aigner-Foresti 2001.
39 Vgl. Pesditschek 2009, 74, 299, 306 sq., 405, 443, 628, 638, 733 sq.
40 Vgl. auch Schachermeyr 1932, 247: “Die Ausbreitung eines Dekorationsstiles kann sowohl durch Wanderung wie auch lediglich durch nachbarliche Beeinflussung erfolgen, derartige Ausbreitung würde für die Annahme einer Wanderung nur dann beweisend sein, wenn sie Zwischenlandschaften überspringt”.
41 Schachermeyr 1929, 88. Schlussendlich rechnete er sogar mit zwei verschiedenen Einwanderungswellen der Etrusker nach Italien, einer am Anfang des 10. Jahrhunderts und einer um 800, vgl. Schachermeyr 1929, 305 sq. und Schachermeyr 1931, 623 sq.
42 Vgl. Pesditschek 2009, 125 mit Lit. und auch 443.
43 Siehe sofort im Text.
44 Bonfante 1983, 43.
45 Schachermeyr 1929, 283 sq.
46 Rix 1995, 130-135, gefolgt von seinem Schüler Gerhard Meiser, vgl. Meiser 1996, 199. Siehe auch Beekes 2003, 30 (ohne Erwähnung von Schachermeyr, Rix und Meiser).
47 Schachermeyr 1929, 244-251 bzw. 293-295.
48 Steinbauer 1999, 366-389 (“Etruskisch und die anatolischen Sprachen”; Lykisch, Lydisch und auch Karisch gelten mittlerweile als nicht weniger indogermanische Sprachen als das Hethitische).
49 “Unbezweifelbar steht somit wenigstens die kleinasiatische Herkunft der etruskischen Sprache fest” (Steinbauer 1999, 389). Mit sprachlichen Argumenten haben in jüngerer Zeit auch noch andere, in bezug auf die etruskische Sprache aber bei weitem nicht so kenntnisreiche Autoren eine kleinasiatische Herkunft “der” Etrusker befürwortet; vgl. u. a. Adrados 2005, Beekes 2003, Magini 2007, van der Meer [Archäologe] 2004, Woudhuizen 2004, 2008 und 2013. Gegen Steinbauer und auch Beekes dezidiert de Simone 2008 und 2011.
50 Schachermeyr 1929, 249 sq.
51 Bonfante 1983, 40, mit der späteren Einschränkung: “Here is a real contact with regions farther east; but we cannot yet base too much on a single find”.
52 So jüngst Eichner 2013, vgl. v. a. 39: “Es könnte sich um die Nachfahren sprachlich tyrsenierter und sozial unterprivilegierter Italiker handeln, deren Vorfahren zunächst eine sonst anderweitig so nicht greifbare indoeuropäisch-italische Sprache gesprochen hatten. Man meint eine Tyrsenia submersa aufzuspüren, unter der sich ausserdem noch weiter eine Indogermania submersa abzeichnet”.
53 Schachermeyr 1916 [1929]. Vgl. zur Genese ausführlich Pesditschek 2009, 142-144.
54 Schachermeyr 1929a. Vgl. ausführlich Pesditschek 2009, 144 sq.
55 Vgl. zu diesen Schachermeyr 1931, 622 Anm. 1; Pesditschek 2009, 125.
56 Nachlass Fritz Schachermeyr, W. Brandenstein an Schachermeyr, Karte undatiert, Poststempel vom 4.3.1932.
57 Brandenstein 1937.
58 AdR PA Friedrich Schachermeyr, fol. 19 sq.
59 Vgl. Pesditschek 2009, 180-193.
60 Nachlass Fritz Schachermeyr, E. Wilmanns an Schachermeyr, Brief vom 7.11.1930.
61 Nachlass Fritz Schachermeyr, E. Wilmanns an Schachermeyr, Brief vom 26.1.1931.
62 Schachermeyr 1931; vgl. Neppi Modona 1932b.
63 Schachermeyr 1931, 619.
64 Schachermeyr 1931, 623.
65 Schachermeyr nennt namentlich Hethiter, Perser, Griechen, Römer, “die Italiener mit ihrer Renaissancekultur” und Germanen. “Wenn wir mit all diesen Völkern […] die Etrusker vergleichen, fällt der Vergleich doch allzusehr zu deren Ungunsten aus” (Schachermeyr 1931, 626 sq.).
66 Sc. als bei Etruskern und Semiten.
67 Vgl. Spengler 1922, 155: “Ein gleiches Element, das sich nur dem zartesten Nachfühlen erschließt, ein leises Aroma in jeder Form verbindet unterhalb aller hohen Kultur in Toskana die Etrusker mit der Renaissance, am Tigris die Sumerer von 3000, die Perser von 500 und die anderen Perser der islamischen Zeit”. Siehe auch Haack 2013b, 399.
68 “Aber die Höchstleistungen, insbesondere die der Hochrenaissance, sind Florentiner Meistern zu danken, deren Herkunft somit gerade in dem den Etruskern fremdesten Landesteile liegt. Da ist es dann vielleicht auch kein bloßer Zufall, daß gerade Florenz dem germanischen Norden am nächsten steht und daß dieses die Stadt der mit deutschem Ausdrucke so benannten Gundfaloniere war. Zudem ist bei mehreren Meistern, vor allem bei Michelangelo, eine gewisse Geistesverwandtschaft mit deutschem Wesen unleugbar” (Schachermeyr 1931, 627).
69 Schachermeyr 1931, 629 bzw. 630. Die ebenda 628 zustimmend referierte Auffassung der damaligen Sprachwissenschaft, Roma sei “ein etruskischer Name”, wird heute allerdings bestritten, vgl. zuletzt Simon 2009 und Udolph 2012.
70 Schachermeyr 1931, 631. Detaillierter, aber mit derselben Tendenz Schachermeyr 1932a, 2363 sq. und dann vor allem Schachermeyr 1944, 102-104 und 385 sq. (siehe weiter unten im Text).
71 Schachermeyr 1933.
72 Schachermeyr 1934.
73 Schachermeyr 1934, 294 sq.
74 Vgl. Pesditschek 2009, 356-368.
75 Schachermeyr 1944, 99-104.
76 Vgl. vor allem “Belebung brachten erst die Etrusker. Dem Blute nach ein Gemisch von nordischen Adelssippen und beträchtlich überwiegenden anatolischen Elementen westischer, ostischer wie armenoider Herkunft, […] waren sie an ein städtisches Zusammenleben gewöhnt und brachten über Kleinasien vor allem die letzten Endes arische Idee der Ritterschaft. Ihr ritterliches Beispiel wirkte in den Kreisen der Latiner, Sabeller und Veneter zeitweise revolutionierend. Ritterliche Lebensart wurde nachgeahmt, Renn-und Streitwagenfahrt kam sehr in Mode. Als aber die politische Geltung der Etrusker und der Glanz ihres Adelstums nachher dahinschwand, wurde es auch bei den Nachahmern wieder stiller. Das bäuerliche Wesen obsiegte erneut […]. Roms Latiner haben es […] vermocht, unter Beibehaltung der städtischen Siedlungsform die übrigen Fremdeinflüsse weitgehend zu überwinden. Der Platz behielt seinen latinischen Nationalcharakter und assimilierte zum Teil die etruskischen Zuwanderer, stieß sie zum anderen Teile wieder aus. Man zwang die feudalen Geschlechter in den Rahmen einer latinischen Staatsgesinnung und ersetzte Ritterlichkeit durch Bauernkriegertum. Allein der Formelkram der Etrusca Disciplina und des kultischen Ritualismus erhielt sich weiter, vermochte aber die geistige Haltung des nunmehr wieder ganz und gar latinischen und damit indogermanischen Staatswesens in keiner entscheidenden Weise zu beeinflussen. […] Die etruskische Störung traf […] eher die höheren als die tieferen und tiefsten Schichten” (Schachermeyr 1944, 385f.).
77 Vgl. “die Tyrsener […] senden zwischen 1000 und 800 den größten Teil ihrer Bevölkerung nach der Westküste Italiens, wo sie vor allem in Etrurien eine neue Heimat finden” (Schachermeyr 1936, 249).
78 Schachermeyr 1931, 623.
79 Schachermeyr 1944, 587 Anm. 41. Für diesen Sinneswandel verweist er ausschließlich auf einige in der Zeit zwischen 1937 und 1939 veröffentlichte sprachwissenschaftliche Arbeiten, wobei er aber eben nicht mehr als einen “indogermanischen Einschlag im Etruskischen” anerkennen will, was er mit unfreiwilliger Ironie in folgende Worte fasst: “Indogermanen [d. h. Sprecher eines indogermanischen Idioms] waren sie so wenig wie die Lyder und Lykier” (mittlerweile gelten Lydisch und Lykisch schon lange als eigenständige indogermanische Sprachen, siehe schon oben im Text). Tatsächlich ist für das Etruskische in der genannten Zeit mehrfach eine zumindest “protoindogermanische” Komponente behauptet worden, vgl. zusammenfassend Kretschmer 1940, 260-267. Siehe auch Haack 2013b, 402.
80 Vgl. dazu ausführlich Pesditschek 2009, 215-221 und Pesditschek 2015.
81 Vgl. zur Behandlung des Themas “Rasse” in Schachermeyr 1929 bereits ausführlich Pesditschek 2009, 127-130 (hier auch zur Koppelung von “Rasse” und “Charakterveranlagung” schon in Schachermeyr 1924); zu “Rasse” in Schachermeyr 1931 vgl. gleichfalls schon Pesditschek 2009, 130 Anm. 597 und 147 sowie oben. Einschlägig ist etwa noch folgende Passage in Schachermeyr 1932, 247: “Daß jede Rasse ein Spezifikum ist, das sich auch bei Mischungen immer wieder meldet, ist mir eine erwiesene Tatsache. So schlägt die indogermanische Rasse überall, wo sie am Volkstume konstituierend mitwirkt, in folgender Weise durch: Neben dem materialistischen Interesse allgemeiner Art stehen Ziele idealistischer Natur, welche meist von begnadeten Einzelnen, in manchen Fällen aber auch von der Masse des Volkes (man denke z. B. an die Römer und ihre Hingabe an die Staatsidee) bis zu weitgehender Ausschaltung des persönlichen Egoismus vertreten werden. Auf dieser Grundtendenz bauen sich dann die Charaktere der einzelnen indogermanischen Tochtervölker in verschiedenster Weise auf. Ein Dekorationsstil konnte diesem Vielerlei niemals entsprechen. […] So manifestieren sich die Indogermanen wohl auf ethischem Gebiete weiter, nicht aber auf dem eines spezifischen Dekorationsstiles”; indirekt bedeutete diese Aussage eigentlich, dass der damalige Mitherausgeber der “Klio”, in der diese Suada erschien, nämlich Schachermeyrs akademischer Lehrer und Förderer Lehmann-Haupt von jüdischer Herkunft, “zu weitgehender Ausschaltung des persönlichen Egoismus” grundsätzlich nicht befähigt war. Vgl. auch Haack 2013b, 401-404.
82 Vgl. für die Annahme einer “Stigmatisierung” Schachermeyrs durch eine frühe Gobineau-Lektüre auch Pesditschek 2009, 391 Anm. 2033.
83 Archiv der ÖAW, Nachlass Fritz Schachermeyr, Kt. 1, Lebenslauf. Sehr sorgfältiger Entwurf etwa um 1957, fol. 9; vgl. Pesditschek 2009, 137.
84 Vgl. Pesditschek 2009, 512 sq.
85 Vgl. Pesditschek 2009, 683 sq.
86 Schachermeyr 1984a.
87 Schachermeyr 1986.
88 Vgl. Pesditschek 2009, 395 sq.
Auteur
Universität Wien, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik ; martina.pesditschek@univie.ac.at
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