Spätkarisch: Regionalisierung und Lautentwicklungen
p. 187-205
Texte intégral
1Die karischen Inschriften bilden zwei Gruppen: Die weitaus größte Gruppe besteht aus den archaischen Inschriften, die vor allem in Unterägypten (Totenstelen, Bronzevotive), Oberägypten und Unternubien (Graffiti) gefunden wurden. Sie setzen schon im 7. Jh. ein und reichen bis c. 500. Im Mutterland fehlen Inschriften aus diesem Zeitraum nahezu ganz. Die wichtigsten Ausnahmen sind die etwas längeren Inschriften auf einem Krater aus dem Zeusheiligtum von Iasos (38** a = C.Ia 3)1 und auf einer Oinochoe, die aus der Nekropole von Hydai stammt und von R. Tekoğlu und S.Ü. Türkteki publiziert werden wird. Sie sind also fast nur da belegt, wo Karer in fremdem Milieu die dort üblichen Schriftverwendungen übernahmen, und das illustriert auch eine Statuenbasis in Athen mit griechisch-karischer Inschrift (D 19 = G 1). Alle diese Inschriften sind in einem ziemlich einheitlichen Alphabet geschrieben.
2Wohl nicht vor dem 4. Jh. erscheinen dann auch Steininschriften im Mutterland, und damit ändert sich nicht nur die Schriftverwendung: Die Zeichenformen haben sich teilweise auch geändert und variieren stark, von Ort zu Ort. Wie wenig wir diese Variationen anhand der Funde bis jetzt überblicken können, zeigen die neuesten Funde: Die Bilingue von Kaunos, die Inschrift von Mylasa2 und die linke, 71 Jahre nach der rechten gefundene Hälfte der Stele von Hyllarima liefern alle drei neue Zeichenformen und haben auch neue Lautwerte für schon bekannte ergeben. Karien unterscheidet sich in dieser Hinsicht sehr von den Nachbarländern Lykien und Lydien, wo es solche Regionalvarianten nicht gibt (außer dem in Westlykien fehlenden ◊). Das Lydische ist außerdem hauptsächlich durch Grabstelen in der Metropole Sardes bekannt, das Lykische durch die Inschriften der aufwendigen Grabbauten an vielen Orten. In Karien gab es keine Metropole wie Sardes, und es gibt nur wenige Grabinschriften, die zudem alle sehr kurz sind. Offenbar war der Totenkult da nicht so wichtig, und damit entfiel ein Hauptmotiv für die private Schriftverwendung auf dauerhaften Monumenten – leider.
3Der Gebrauch der einheimischen Schrift erlischt in Lydien und Lykien irgendwann nach Alexander dem Großen. Eine griechisch-lydische Inschrift stand auf einer der Säulen des Athenatempels in Pergamon aus dem Anfang des 3. Jhs., in Lykien gibt es eine Reihe von Grabinschriften, die nach den Zeichenformen jünger zu sein scheinen als TL 29 in Tlos, wo Alexander genannt ist. Daß es auch karische Inschriften gibt, die ins 3. Jh. gehören, läßt sich nun an zwei Orten zeigen.
4Auf der Stele von Hyllarima tief im Landesinneren gehen die karischen und vier griechische Zeilen einer 263/2 v. Chr. datierten Liste der Apollonpriester voraus, und von den grieschischen Zeilen sind die später hinzugefügten nach Debord nicht lange vor dieser Liste geschrieben. Es ist aber unklar, ob an die karische, sukzessiv ergänzte Priesterliste auf der linken Seite die griechische nahtlos anschließt. Und mit dem Wechsel der Sprache korrespondiert ein fast vollständiger Wechsel in der Namengebung: In der karischen Liste gibt es nur nichtgriechische Namen, in der griechischen mit Ausnahme des Vaters des ersten Priesters und von dessen Nachfolger, die beide Τοννους heißen, nur griechische. Es ist also gut möglich, daß einige Zeit verging, bevor die Apollonpriester – mindestens vier, die wohl auch nacheinander amtierten – hinzugefügt wurden. Im Küstenort Kaunos scheint sich anhand von Zeichenformen eine Abfolge von Inschriften zu ergeben, die ins 3. Jh. führt: Die Bilingue ist wohl nach Alexander geschrieben: ‘letztes Viertel 4. oder frühes 3. Jh. v. Chr. (?)’, am ehesten 323/2 v. Chr.3. Die beiden Stelenfragmente D 16 = K 2 = C.Ka 2 und 30* = K 3 = C.Ka 4 und die Silberarmreife 41* = K 11 = C.xx 4-5 mit den gleichen Zeichenformen scheinen nach den Zeichenformen jünger zu sein, auch wenn die da verwendete Form des kaunischen š mit auf dem Querstrich aufsitzenden Bogen älter sein dürfte als die der Bilingue: Sie steht der in der archaischen Inschrift von Iasos verwendeten, einem a ähnlichen, aber deutlich davon unterschiedenen Form nahe, die dort unmittelbar nach dem ‘normalen’ š erscheint4.
5Die Felsgrabinschrift D 15 = C.Kr 1 in Taşyaka/Krya weiter im Südosten (im Sommer 2008 überprüft) hat eine weiterentwickelte, kursive Form des kaunischen š, die eher an die der Bilingue anschließt, und die Felsgrabinschrift 28* = K 10 = C.Ka 3 in Kaunos selbst eine noch stärker veränderte Form dieses Zeichens: Das könnte also die letzte kaunische Inschrift sein, an einem ziemlich bescheidenen Grab5.

Abb. 1. Formwandel des kaunischen š.
6Es gibt also karische Inschriften aus einem Zeitraum von mehr als 300 Jahren, genügend Zeit für eine wahrnehmbare Weiterentwicklung der Sprache. Lykische Inschriften setzen dagegen erst im 5. Jh. ein, und frühe lydische Inschriften gibt es sehr wenige. In beiden Fällen lassen sich daher nicht viele Veränderungen erkennen, während die karischen Inschriften trotz ihrer geringen Zahl und vor allem Kürze sehr viel mehr Material bieten. Im folgenden soll es daher nicht um eine Unterscheidung der verschiedenen lokalen Schriftvarianten im Mutterland gehen, sondern um einen Versuch, Lautveränderungen zu erfassen, die sich in diesem Zeitraum ergeben haben und deren Resultat das ‘Spätkarische’ ist. Dabei soll auch versucht werden, zwischen allgemein geltenden Veränderungen und regionalen Besonderheiten zu unterscheiden, soweit es der gegenwärtige Stand der Dokumentation zuläßt: Korrespondieren mit den Schriftvarianten Sprachvarianten, lassen sich Dialekte unterscheiden?
7Außer den archaischen und den spätkarischen Inschriften selbst ist dafür auch die Heranziehung der griechischen Namenüberlieferung unerläßlich, obwohl sie manche karischen Laute nicht adäquat wiedergeben kann. Dank der Publikationen Wolfgang Blümels ist sie besser überschaubar als die der Nachbarregionen. Auch hier kann aber jeder Neufund wichtige Informationen liefern.
8Die externen Beziehungen des Karischen stehen hier nicht im Vordergrund, aber die Heranziehung insbesondere des Lykischen erweist sich immer wieder als hilfreich: Ihm stand das Karische besonders nahe, während das Lydische zwar auch zur altanatolischen Untergruppe der indogermanischen Sprachen zählt, aber eine sehr lange separate Entwicklung durchgemacht hat: Karisch und Lydisch können daher ursprünglich nicht aneinandergegrenzt haben.
9Zunächst sollen drei Fälle betrachtet werden, in denen der Schwund eines Lautes in einer bestimmten Lautumgebung vorliegt – oder vorzuliegen scheint.
1. Schwund von p im Wortinneren
10Auf den Stelen von Saqqâra erscheint 15mal nach dem Namen des Toten im Genitiv ein Wort, das ‘Stele’ bedeuten wird: 6mal upe, je 1mal upesa (falsch abgetrennt?) und upa, 2mal úpe und 4-5mal ue (bei MY F = E.Me 5 ist das zweite Zeichen unklar). Sonst erscheint p zwischen Vokalen nur in ptnupi M 10a = E.Me 18, das ein ägyptischer Anubis-Name ist. M 28 = E.Me 36 ist neben úpe der Name qarpsi belegt, MY H = E.Me 7 dagegen qarsio[, das eine Ableitung vom gleichen Wortstamm sein wird6. M 17 = E.Me 25 ist der Name parpeùm belegt, dem auf der Apisstatuette MY K = E.Me 8 (a) paraeùm entspricht, ägyptisch mit prim wiedergegeben. Eine zweite karische Inschrift wiederholt den Namen, aber mit einer Verschreibung: Statt des zweiten a erscheint ein e mit Mittelstrich, der als Korrektur in a zu verstehen sein wird.
11Auf der Stele M 39 = E.Me 47 ist der Name paraiβreλ belegt (zu Ιμβαρηλδος in Halikarnassos), während parp- im Grab des Montemhet bei Theben in prpùriχ (Gangende links = E.Th 46, aber mit E = ù) wiederkehrt. Bemerkenswerterweise ist par- auch schon in zwei Graffiti belegt, die auf den Nubienfeldzug von 593 zurückgehen und damit älter sind als die Stelen von Saqqâra: In Abu Simbel erscheint AS 1 parśolou = E.AS 1 (das fünfte Zeichen fraglich), in der im Stausee untergegangenen Inschrift vom Gebel Sheik Suleiman parüd (GSS 72 F = E.SS 1; das letzte Zeichen fraglich).
12In den spätkarischen Inschriften ist p(a)rp- nicht mehr belegt, in der griechischen Überlieferung nur in dem Ethnikon Παρπαριοται der athenischen Tributlisten (5. Jh.) faßbar, das sich nicht lokalisieren läßt. In der langen Namenliste von Halikarnassos erscheinen die Namen Παραυδιγος, Παραυσσωλλος, einmal auch Παρυσσωλλος, und Παρασκως, von denen der erste an parüdχ anzuschließen scheint. In Mylasa ist nun Z. 3 und 5 parüriχ belegt, das sicher auf prpùriχ in Theben zurückgeht. In Z. 3 ist statt paruos vermutlich eher paruqs zu lesen: Das Zweitglied läßt sich dann an uqsi M 12 bzw. uksi auf dem Lion (vgl. den ON Υγασσος) anschließen. In Kindya hat eine Grabinschrift (D 6 = C.Kn 1) unter den Resten eines griechischen Epigramms nur pareüs, das an das archaische parpeùm > paraeùm anschließen dürfte. Das s kann die Dativendung sein, so daß hier auch m geschwunden sein dürfte (siehe 2).
13Die Belege legen also nahe, daß p(a)rp- und par(a)-nicht verschiedene Vorderglieder sind, und der schon in archaischer Zeit beginnende Schwund des inlautenden p spätestens im 4. Jh. abgeschlossen ist. Und es handelt sich wohl in allen Fällen um einen Schwund zwischen Vokalen: Klar ist das bei upe > ue, während qarpsi > qarsio[ nach Vereinfachung einer Konsonantenfolge aussieht. Aber parpeùm > paraeùm legt nahe, daß ein Sproßvokal eingetreten ist, bevor das p elidiert wurde, und die Schreibung para- vor Vokal wie dann auch die griechische Schreibung Παρα-gerade den Hiatus markieren soll, der durch den Schwund des p enstanden ist: para’eùm. Scließlich wurde das zweite a synkopiert, und so dürfte auch Παρυσσωλος kein Schreibfehler sein.
14Solange nur griechische Schreibungen bekannt waren, konnte Παρα-mit Namen im luwischen Gebiet verglichen werden, die das gleiche Erstglied aufzuweisen scheinen. So stellte Zgusta die drei halikarnassischen Namenbelege mit Παρασσερυμος und Παρασρουνις in Kilikien (Korykos), Παραμοας in Kappadokien (Kaisareia) zusammen (KPN, 542 Nr. 25). Dem Karischen näher läge Παραμουριανος, -νη im pisidischen Termessos, aber da sind Παδαμουρις und -ιανος, -νη die älteren Lautformen (alles Angehörige einer Familie). Die mit Παρα-gebildeten Namen weiter im Osten könnten gleichen Ursprungs sein, zumal für das Hieroglyphen-Luwische schon ein rundes Jahrtausend früher ein Lautwandel d > r charakteristisch war. Es könnte sich dabei also um luwisch pāta- ‘Fuß’ handeln, Παραμοας also ‘Fußkraft (habend)’ bedeuten (und Παδαμουρις eine Ableitung davon sein).
15Bemerkenswerterweise ist in Lykien Παρα- gar nicht belegt, dafür aber Παρπολινγις in Idebessos und Kormoi (KPN § 1208), Περπενδυβερις (KPN § 1242-1, Cau 2003, 320) und Περπεννυνεμις (Cau 2003, 320) in Arykanda, Περπενηνις (KPN § 1242-2) und Παρπενναου (Gen., Cau 2003, 312) in Kyaneai. Παρπολινγις könnte sogar karisch prpùriχ > parüriχ entsprechen, mit Dissimilierung von r – r, allerdings auch einem nicht ohne weiteres zu erklärenden Nasal.
16Diese lykischen Namen schließen also an die karischen wirklich an und bestätigen den p-Schwund. In Hyllarima wird daher b, 1 kδuśo piζi pususoτ abzuteilen sein (zur Umschrift ζ siehe 8. Beginn, zum Wort Anm. 29).
17In Kaunos dürfte dieser Lautwandel nicht stattgefunden haben. So ist Karpasyanda bei Kaunos in Kaunos selbst durch das Ethnikon Καρπασυανδεύς belegt und schon früher durch ΚαρβασυανδɛÞς in den athenischen Tributlisten. Die vor Ort belegte Schreibung mit p dürfte verläßlicher sein, so daß sich der Ortsname wohl an qarpsi in Ägypten anschließen läßt. Eindeutiger ist χùrpai, Genitiv χùrapaiś auf dem großen Stelenfragment von Kaunos (D 16 = K 2 = C.Ka 2, 4 und 9): Dafür sollte man *χùra’ai > *χùrai erwarten, wenn es den p-Schwund in Kaunos gegeben hätte. In Kaunos ist allerdings auch das Demotikon Παραβλιος belegt (Marek 2006, 229-30 in der hellenistischen Inschrift Nr. 39, 14, 15 und 32), zu Παραβλεια, das auch mal zur rhodischen Peraia zählte (Marek 2006, 83 mit Anm. 60).
2. Schwund von Nasal vor s
18Der für pareüs in Kindya angenommene Schwund von m vor der Endung -s7 könnte eine Parallele haben: siehe šamsqi[ auf der Stele M 16 = E.Me 24 und šasq- am Beginn der Inschrift von Hyllarima (nicht abgrenzbar), vgl. auch Σασκος neben Σασκως in Halikarnassos und vielleicht Μισκος neben Μισκως in Mylasa (ša- könnte ja Erstglied sein). Schwund von Nasal dürfte auch der Name ksbo in Mylasa belegen, vgl. Χασβως ebenda und in Sekköy bei Mylasa, Κασβωλλις in Halikarnassos, weil er zu lykisch χahba, TL 44a, 31 aber χãhb ‘Enkelkind’ <* h2onsu- (so Melchert 2004, 80) gehören wird. Da ergibt sich also ein in beiden Sprachen faßbarer Lautwandel.
19In Hyllarima entspricht msoτ b, 2 dem θεῶν der folgenden griechischen Zeilen (Adiego). Dafür wird ein Stamm *[mansa-] anzusetzen sein, vgl. lykisch mãhãi > muhãi, selten mahãi ‘Götter’, aber masaiz in den poetischen Texten (Lykisch B)8. In diesem Fall kann der Schwund schon 593 in Ägypten belegt sein: Die in Abu Simbel (AS 3 = E. AS 3) und Murwāw = E. Mu 1 belegte Personenenbezeichnung ünsmsos könnte üns-msos(i) zu analysieren sein, vgl. lykisch B masasi ‘göttlich’ TL 44c, 36. Das msoτ vorausgehende pususoτ dürfte πάντων entsprechen9: Da könnte das Namenglied karisch pun-, lykisch puna- (siehe 5.) angenommen werden, das zu luwisch pūnat- ‘all’, ‘ganz’ gehören dürfte. Dann wäre-susoτ abzutrennen, und das ließe sich zu hieroglyphen-luwisch sunasati (Ablativ) stellen, das im 13. Jh. in der Südburginschrift in Hattusa und der Altarinschrift von Emirgazi nach Aufzählungen von Göttern belegt ist: Hawkins 1995, 34 übersetzt ‘with plenty’, ‘fullness’, und im ersten Fall geht der Aufzählung ‘alle Götter’ (mit Wortzeichen geschrieben) voraus, so daß *māssaninzi *pūnatinzi – sunasati eine Klammer bilden. Es wäre also pusus- <* pun-suns- <* puna-súnasso-zumindest denkbar.
3. Schwund von í [j] nach ś
20Das eine Beispiel dafür ist śías am Beginn der karischen Zeile auf der Statuenbasis von Athen und śas am Beginn der Grabinschrift von Euromos (D 3 = C.Eu 1) vor dem kongruierenden ktais: ‘Dem Verstorbenen’ bzw. ‘Dem verstorbenen Hekataios’? Das andere kδuśioś in einer von Ševoroškin (1994, 143 Ende) mitgeteilten Inschrift von Abydos und kδuśo am Beginn der rechten Seite der Stele von Hyllarima, dazu kδuśolš auf den beiden Armreifen von Kaunos (41* = K 11 = C.xx 5), das sie als Eigentum des dort verehrten Gottes, des ‘Kaunischen Königs’, bezeichnen dürfte10.
21Der für das Karische charakteristische dritte Sibilant ś dürfte aber selbst aus * sj entstanden sein, so daß śí bzw. śi als pleonastische Schreibung für ś aufzufassen sein wird11.
22Die nächsten fünf Punkte betreffen Vereinfachungen des archaischen karischen Graphemsystems, bei denen zu prüfen ist, inwieweit sie mit Lautveränderungen einhergehen. So haben die archaischen karischen Inschriften bemerkenswert viele Vokalzeichen: a und i, griechisch Eta und Omega entsprechend langes e und o, dazu drei Zeichen für u-Laute: u ù (y bei Adiego 2007) und ü (w in Adiegos ursprünglicher Umschrift, ý bei Adiego 2007), wozu die Zeichen í und ú für die Halbvokale kommen (j und w bei Adiego 2007). Diese neun Zeichen erscheinen im Spätkarischen auf sechs oder fünf (Kaunos) reduziert.
4. Verzicht auf í [j]
23Die Verdrängung von í durch i ist offenbar lediglich eine Vereinfachung. Am frühesten ist sie in der Schreibung ägyptischer Neith-Namen belegt: pdneít hat die Inschrift auf dem Sockel einer Votivfigurengruppe mit dieser Göttin (MY M = E.Sa 2) noch im 7. Jh., paneít ist in Abydos belegt (Ab. 2a F = E.Ab 1), aber schon 593 pneit am Gebel Sheik Suleiman und später psmškúneit auf der Stele MY F = E.Me 5. Die Leningrader Isis (4 Š = E.xx 6) hat šarnaí (Lesung nach Schürr 1999, 171 Anm. 11), die Stele M 9 = E.Me 17 šarnai. Die Stele M 1 = E.Me 9 hat arlíom, die Stele M 35 = E.Me 43 arliom (Αρλιωμος in Halikarnassos). Umgekehrt erscheint für das auf den Stelen häufige enklitische Relativpronomen-χi M 28 = E.Me 36-χí.
24Bemerkenswerterweise erscheint am Wortbeginn vor Vokal nur i, sogar in Abydos beim Patronym iaríaś nach paneít. Das spricht dafür, daß es sich um einen reinen Vokal handelt. Das Karische hatte also ebensowenig wie das Lykische ein Phonem [j], so daß auf die Schreibung í für das Allophon von i leicht verzichtet werden konnte. In Karien selbst erscheint í nur auf Münzen im 5. Jh. (D 18 D und E = M36 und 37, senkrecht gestellt, neben der für Kaunos typischen Form des b); in den spätkarischen Inschriften ist es nicht mehr belegt, siehe auch šarkbiom in Mylasa wie auf dem Reptilienreliquiar MY L = E.Sa 1 gegenüber kbíom auf den Stelen M 4 = E.Me 12 und M 24 = E.Me 32 und in Theben (Th. 60 Š = E.Th 13), Κεβιωμος in Sekköy.
5. Verzicht auf ú [w]
25Anders verhält es sich mit der Verdrängung von ú durch u. Im Unterschied zu í ist ú am Wortbeginn belegt und wechselt da in Ägypten häufig mit u.
26So sind auf den Stelen von Saqqâra úśoλ (M 4 = E.Me 12), punúśoλ (M 13 = E.Me 21) und dúśoλ (M 27 = E.Me 35) belegt, dazu pnúśol zweimal in Theben (Eingang links, Gangende rechts = E.Th 27 und 40), aber auch pnuśoλ (M 11 = E.Me 19), tduśoλ (M 16 = E.Me 24, t kleiner: in d korrigiert?) und šaruśoλ (M 22 = E.Me 30), das auch schon 593 am Gebel Sheik Suleiman erscheint (die dritte jüngere Schreibung in dieser Inschrift, siehe 1. und 4.), außerdem in Abydos (Ab. 4 F = E.Ab 6). Spätkarisch sind uśoλ in Stratonikeia (36* = C.St 2, 1), psuśoλ in Kaunos (D 14 = K 4 = C.Ka 1), uśol zweimal in Hyllarima (a, 4 und 5) und iduśol in Mylasa Z. 9 belegt, gräzisiert Υσωλδος und Υσωλλος, Πονυσσωλλος und Σαρυσσωλλος in Halikarnassos, Ιδυσσωλλος in Iasos und Sekköy. Das in Halikarnassos neben Ακταυσσωλλος belegte Ακταυασσις legt nahe, daß im Zuge der Akzentverlagerung auf das Suffix [wa] zu [u] synkopiert wurde, ú also für [wa] steht12. Externe Gleichungen bestätigen das.
27So hat die Stele MY D = E.Me 3 šarúlíat, und úlíat ist in Murwāw und Theben (Th. 53 Š = E.Th 7) belegt, úliat auf dem Münchner Spitzmausreliquiar (MY I = E.xx 2). Da erscheint also immer ú, ebenso bei der kürzeren Form šrúli (M 12 = E.Me 20). Später erscheint der Name aber als Ολιατος in Bargylia und bei Herodot, als Υλιατος in Iasos und Sekköy. Er wird zu keilschriftluwisch *wallijatta- ‘Lobpreis’ gehören. Das Partizip des zugrundeliegenden Verbs ist bereits hieroglyphen-luwisch als ulijamis belegt und kehrt in Balbura als Ολιαμις ‘Gepriesener’ wieder13.
28Úksmu hat die Stele M 28 = E.Me 36 (vor úpe), aber uksmu MY B = E.Me 2, und diesen Lautformen entsprechen Ουαξαμοας und Ουαξαμως in Kilikien (KPN § 1141, 2 und 3), aber Οξαμοας in Lykaonien (Zgusta 1970, 72) und der Kibyratis (Balbura usw.; Hall & Coulton 1990, 112-13 und 133 mit Anm. 79), vergleiche auch den PN waχssepddimi in Lykien (TL 44a, 49 und auf Münzen von Tlos; Schürr 2003b, 96 Anm. 10). Der Lautwandel *wa- zu u- ist aber auch im Lykischen belegt, z. B. in uwa [uwá] neben wawa (Kollektivplural) und uwehi zu wawa- [wáwa-] ‘Rind’.
29Ein weiterer muwa-Name Ägyptens ist punm[u] in Abusir = E.Me 65 (Schürr 2003b, 94-5), während spätkarisch in Taşyaka qoΩomu und in Mylasa Z. 7 kbdmu belegt sind. Es ist also [-mú: wa] schon früher zu [-mú:] geworden, während im Lykischen der Endvokal erhalten blieb: siehe punamuwe[ TL 35, 12 und pu[nam]uwahe (Gen., TL 44b, 14-15). In der Dichtersprache Lykisch B ist allerdings TL 44d als Akk. Pl. urtuz Z. 63 neben urtuwãz Z. 24 zu urttu Z. 50 (m. E. Nom. Sg.), urtu Z. 12 (Akk. Sg.) belegt.
30Griechisch sind aber Παναμυης in Halikarnassos und Priene (Παναμυας auf Kos) und Εκαμυης in Labraunda, Χηραμυης schon im 6. Jh. auf Samos und literarisch Εξαμυ/ης/(Vater des Thales im 7. Jh.) belegt. Diese Namenformen müssen wohl auf eine karische Lautform zurückgehen, die den Endvokal noch bewahrt hatte, und das könnte auch bei den Ortsnamen Κινδυη und Πισυη (zu heth. pissu- ‘Felsen’ nach Neumann 1988, 10; dazu psüš ‘die Felsigen’ für die Ramseskolosse AS 7 = E.AS 7 in Abu Simbel?) der Fall sein; die späteren karischen Lautformen könnten also [k (i) ndú:] und [p (i) sú:] gewesen sein. Κινδυη entspricht in Lykien wohl χãkbi – Κανδυβα mit dem Akzent auf der Stammsilbe und daher dem (auch karischen) Lautwandel * Cw> Cb. Wie sich auch im weiteren zeigen wird, gehen also griechische Lautformen durchaus nicht immer auf das inschriftlich belegte Karische zurück, sondern können älter sein.
31Vor betontem Vokal muß [w] erhalten geblieben sein, und dafür setzte sich auch die Schreibung u durch, so daß es zweiwertig wurde wie i. Spätkarisch ist in Stratonikeia zweimal uodr nach einem Personennamen im Genitiv belegt (36* = C.St 2, 1 und 3). Das dürfte [wó: dr] zu lesen sein und könnte auf das indogermanische Wort für ‘Wasser’ zurückgehen wie lykisch * wedr-. Eine Ableitung davon könnte auf dem großen Stelenfragment in Kaunos belegt sein (D 16 = K 2 = C.Ka2, 4): Vor dem Name χùrpai ist ]nudrma erhalten, und da ließe sich udrma abtrennen, das bei Akzentverlagerung für uodr zu erwartende Resultat [udrmá:]. Vergleiche auch den lykischen Ortsnamen udreki TL 26, 21 in Tlos, dessen erstes Glied wedr- sein wird (zum zweiten vgl. Ανδριακη, Hafen von Myra, wohl aus *ẽtri eki, ‘untere(s) eki’). Es könnte sich dabei auch um einen Ortsnamen handeln, von denen in Karien eine ganze Reihe auf -μα enden, z. B. Υλλαριμα, von dem auf der Stele von Hyllarima ùlarmiτ gebildet ist (b, 2).
32Zwischen Konsonanten ist ú auch belegt, vor allem durch die auf den Stelen von Saqqâra 12mal belegte Personenbezeichnung múdon (dazu je einmal múdou und múton verschrieben). Nur auf der im nahen Abusir gefundenen Stele ist mudo[n] belegt14. Das belegt wohl eine Lautentwicklung [muwadó: n] > [mudó: n], zu dem das in den athenischen Tributlisten belegte Ethnikon ΜυδονɛÞς zu gehören scheint; es dürfte sich um eine Ableitung von [mú:wa] ‘Kraft’ handeln. Und kúri in Theben (Eingang, Innenseite links = E.Th 34), kúar M 23 = E.Me 31 und kuari M 10a = E.Me 18a dürften der gleiche Name sein.
33Einen Lautwandel *-uwa->-u- stützt wohl auch Κυατβης in Halikarnassos gegenüber qutbe in Theben (Th. 54 Š = E.Th 8; Ševoroškin korrigierte die Lesung 1994, 133 in qktbe, aber qutbe ist nach seinen Photos wohl doch vorzuziehen), während in Sardes Κοτοβ/ης/belegt ist (KPN § 707-1)15. In Theben ist daneben auch qtblo belegt (Th. 56 Š = E.Th 10), später Κοτοβαλως in Amyzon, auf der Bronzephiale 34* = C.xx 1 qtblem, Κυτβελημις in Halikarnassos und Κοτβελημος in Sekköy (Κοτοραλημις KPN § 707-2 im fernen Kilikien wird verschrieben sein). Spätkarisch entspricht qutbe wohl [q]tbe in Sinuri (D 9 = C.Si 1).
34Die gleiche Lautentwicklung ist auch im Lykischen belegt, siehe die Adjektivform mutala TL 44d, 33 und den PN mutlẽi M 210 bzw. mutleh TL 150 (Gen., der auch von *mutle/i gebildet sein könnte) zu luwischen muwattalla/i- ‘stark’.
35Am Wortende erscheint beispielsweise-oú 593 in Abu Simbel bei büš esakòδoúš (Akk. Pl.; AS 7 = E.AS 7), in Theben bei tqloú (Eingang rechts = E.Th 32) und kbloú (Gangende links = E.Th 46, Patronym zu prpùriχ), in Abydos bei šamoú (Ab. 3bc F = E.Ab 4-5), in Saqqâra bei iroú (M 6, 8, 19 = E.Me 14, 16, 27) und ituroú (M 24 = E.Me 32), während auch schon 593 in Abu Simbel parśolou (AS 1 = E.AS 1) und in Buhen τrel kδouś (M 50 = E.Bu 1), dann in Saqqâra qdarŕou (M 33 = E.Me 41, neben úpe) und τamou (MY H = E.Me 7) belegt sind. Von diesen Namen sind bemerkenswert viele ägyptischen Ursprungs: iroú, ituroú und τamou, dem wohl mit anderer Lautwiedergabe šamoú entspricht. Bei den ägyptischen Namen ist die Aussprache [-o: w] anzunehmen16, und die Wahl dieser Namen durch Karer dürfte auch davon motiviert gewesen sein, daß karische Namen diesen Ausgang ebenfalls hatten.
36Kδou [kindó:w] wird zu lykisch χñtawa-, χñtewe- ‘regieren’ gehören, so daß in Buhen ein ‘Soundso des Königs’ belegt sein wird, während ‘diese esakòδoúš’ in Abu Simbel die Ramseskolosse bezeichnen dürfte (wie psüš). Der lydische Name katowa-, Καδως (4.-3. Jh. v. Chr., Καδοας 3. Jh. v. Chr.; KPN § 500-7 und 10) könnte daraus früh entlehnt sein, d. h. auf *kandówa-zurückgehen.
37Spätkarisch ist ]uśouś auf dem kleinen Stelenfragment von Kaunos bezeugt (Gen., 30* = K 3 = C.Ka 4). Und Konuk liest eine bisher für lykisch gehaltene und uwug gelesene Münzlegende (M51-52; c. 450-400 v. Chr.) karisch orou, was überzeugend ist. Das wird auch ein Personenname sein, der zu lyk. arawa- ‘Freiheit’ und der Göttin Ερευα = Ἐλευθερά bei Stephanos von Byzanz gehören kann. Dazu kommen die griechischen Schreibung Σαμωυος in Halikarnassos, Σαμωος in Sekköy und Kildara, Μαλοσωος in Lagina und Κοβολδωος in Labraunda, das kbloú in Theben entsprechen wird.
38Hier dürfte u also auch für den Halbvokal verwendet sein. Vergleichbare lykische Namenbildungen könnten etwa slmewe TL 12 oder das bereits zitierte Παρπενναυου (*parpñnewe) sein. Bemerkenswert ist, daß bereits vor 1200 ein analog gebildeter westanatolischer Name belegt ist, der des Königs Tarkassanawa(s) von Mira (zu luwisch tarkassana- ‘Esel’).
39In Kaunos ist ein Zeichen Ω belegt, das auf dem großen Stelenfragment Z. 5 und 9 zwischen zwei o erscheint und ebenso in Taşyaka weiter im Osten. Ševoroškin hatte daher den Lautwert w angenommen. Die Bilingue hat bestätigt, daß das Zeichen nur zwischen dunklen Vokalen erscheint: Z. 16 ebenfalls zwischen o und o, aber auch Z. 7 zwischen o und u und Z. 11 zwischen einem beschädigten, aber kaum anders zu lesenden ù und o. Dabei dürfte Ω auch am Wortende stehen: Auf dem großen Stelenfragment wird Z. 5-punoΩ otrš zu trennen sein, weil nun in der Bilingue Z. 9 otrš = [αὐτο]ύς klar abzutrennen ist. In der Bilingue wird Z. 14 -asoΩ ort vacat zu trennen sein, weil Z. 15 ortnò (von Marek 2006 verbesserte Lesung) klar abzutrennen ist.
40Melcherts Deutung von mdoΩun in der Bilingue (1998) rechnet mit w, und bei qoΩomu in Taşyaka wollte ich das Vorderglied mit lykisch χawa- ‘Schaf’ gleichsetzen17. Andererseits sind ]uśouś und dreimal eine Lautfolge-ouo-belegt (auf dem großen Stelenfragment Z. 6 und 10, in der Bilingue Z. 16). Das spricht sicher dafür, daß auch in Kaunos u zweiwertig war und Ω kein w-Graphem. Es dürfte eher eine Lautentwicklung bezeichnen, die das Kaunische vom übrigen Karischen unterscheidet.
41Eine Münze des lykischen Dynasten Kuprlli (M54, um 450 v. Chr.) hat auch eine linksläufige nichtlykische Legende, mit zwei Zeichen, bei denen es sich um senkrecht gestellte Formen des archaischen und kaunischen ζ und des kaunischen Ω handeln könnte18, neben zwei a lykischer Form und einem Zeichen, das wohl am ehesten ein archaisches, asymmetrisches karisches l ist. Konuk erkennt aber im ersten Zeichen ‘probably 8’. Es könnte demnach ζaΩla oder 8aΩla zu lesen sein. Diese Legende wäre dann ein früher Beleg für die kaunische Alphabetvariante und würde Ω in einem ganz anderen Kontext als später belegen.
6. Verzicht auf ü oder ù
42Daß zwischen dem von Adiego ursprünglich mit w (2007 ý), von mir mit ü umschriebenen Vokalzeichen und ù (Adiego 2007 y) eine Lautbeziehung besteht, belegt am besten die Personenbezeichnung mdaün M 3 = E.Me 11 (zweimal) und M 9 = E.Me 17, aber mdaùn-χi M 10b = E.Me 18b und M 25a = E.Me 33a. Daß der Wechsel mit dem Antreten des Relativpronomens verbunden ist, wird kein Zufall sein. Das Suffix scheint das gleiche zu sein, das später in Kaunos bei den Ethnika kbdùnš (Bilingue Z. 8, lykisch χbidẽñni, in der Dichtersprache χbidewñni) und χur[.]šùnš (D 16 = K 2 = C.Ka 2, 11), beide Akk. Pl. c., belegt ist, wogegen in Sinuri [id]rüin = Ἰδριεύς (D 10 = C.Si 2, Beginn) erscheint. Auf der Stele von Hyllarima ist in der Götterliste (197 v. Chr.) ein Zeus Οαλοινος belegt, wo -οινος dem karischen -üin entsprechen könnte: ‘der von *Wal-’?
43Außerdem wechselt in den archaischen Inschriften ùí-bzw. ùi- mit ü-: ùías[M 1 = E.Me 9, ùiasi[M 17 = E.Me 25 und üasδ M 38 = E.Me 46, ùiśbiks ebenda und üśbiks 35* = C.xx 2.
44Spätkarisch ist in Kindya noch die archaische Form des ü in pareüs belegt, aber in der näheren Umgebung – in Kildara, in Sinuri und nun auch in Mylasa – die von Adiego bis vor kurzem ü (2007 y wie für ù) umschriebene Zeichenform, die m. E. klar davon abgeleitet ist, durch Weglassung der beiden Querstriche, vgl. nun auch die in Iasos C.Ia 7 belegte Form, wo nur der obere Querstrich fehlt. Ich umschreibe daher beide Zeichen mit ü. In Euromos, Hyllarima, Stratonikeia und Kaunos ist dagegen nur ù belegt. Idù<r>iχ in Euromos (D 3 = C.Eu 1) entspricht idüriχ in Mylasa Z. 9, vgl. dort auch parüriχ in Z. 3 und 5, in Sinuri üriχñ (D 9 = C.Si 1) und -ürχ- (D 10 = C.Si 2, 3), Σαυριγος und Σενυριγος in Sekköy, ]ΥΡΙΓ[ in Kaunos (Marek 2006, 133 Nr. 3, 5). In Ägypten entsprechen prpùriχ in Theben und pnùriχ in Abu Simbel (AS 5 = E.AS 5 die ursprüngliche Lesung von Lepsius; das letzte Zeichen wurde offenbar von einem späteren Graffitto zerstört) wie parpeùm > paraeùm dem pareüs in Kindya. Zu dem in Theben belegten ùri (Eingang links = E.Th 26) ließen sich Σινυρι, Theonym und Ortsname (dazu Σενυριγος?), und idraüri am Beginn der Inschrift von Mylasa stellen, falls so abzutrennen ist19. Zu dem Namenglied -üriχ dürften auch ürqso in Mylasa Z. 5 und 10, Υργοσως in Lagina und Υργιλος in Sekköy (Kaunier) gehören. Zweifelhafter erscheint mir das bei šaùriq M 17 = E.Me 25, das in šaùriś zu verbessern sein könnte.
45Nach Konuk ist die Münzlegende NE (M5, 420-390 v. Chr.) karisch, also mù zu lesen und auf Mylasa zu beziehen. In Mylasa müßte dann zu dieser Zeit entweder noch ù neben ü verwendet worden sein oder dieses später an die Stelle von ù getreten sein.
46Irgendein Lautwandel muß mit dem Verzicht auf eines der beiden Zeichen nicht verbunden sein, nur die Vernachlässigung des Lautunterschieds (wohl lang: kurz). Allerdings scheint ein Lautwandel ùí/i-> ü- in den archaischen Inschriften faßbar, während später -üin in Sinuri und vielleicht -οινος in Hyllarima -ùn- in Kaunos zu entsprechen scheint. Bei büš in Abu Simbel, das lykisch ebeis ‘diese’ (Akk Pl.) entsprechen dürfte, hat aber *oi schon ü ergeben.
47Für den Lautwert sind auch Gleichungen mit Omikron zu beachten: das Zweitglied von dtübr und kśatübr in Theben (offener Hof, Sitzbild der Frau des Montemhet = E.Th 2) gehört zu Τοβορορος (für *Τοβορος?) in Halikarnassos und der lykischen Personenbezeichnung tubure/i-, ùbrs in Hyllarima (a, 7-8) gehört zu Οβροκας und Οβορκας in Lagina und entspricht Οβρασις in der Kibyratis (Hall & Coulton 1990, A17) und in Kilikien (KPN § 1069-1), artaù M 14 = E.Me 22 entspricht Αρταος, und bei ùnemord M 21 = E.Me 21 (Lesung nach Schürr 2002, 168-9) entspricht das Erstglied dem Zweitglied von Ερμαδονεμις (KPN § 355-7, Cau 2003, 310) und Περπεννυνεμις (siehe 1.) sowie Ονεμις (Cau 2003, 316) in Lykien.
7. Das Fehlen von e in Kaunos
48Die geringste Zahl von Vokalzeichen hat das Alphabet von Kaunos: Nur a i o u ù. Das sicher nicht zufällige Fehlen des sonst überall belegten e ist sehr merkwürdig, zeigt sich aber auch in den Namengleichungen der Bilingue: nik[uk]la-, lùsikla- und lùsikrata- für Νικοκλῆς, Λυσικλῆς und Λυσίκρατης, aber wohl i[puζ]ini für apple Ἱπποσθένης und otonos- für das Ethnikon Ἀθηναῖος.
49Dem griechischen Eta entsprechen also hier anscheinend drei verschiedene Laute. Dagegen wurde schon in Ägypten Ὀρσικλῆς auf der Stele M 7 = E.Me 15 mit ursχle wiedergegeben (Neumann 1996, 145)20. M 13 = E.Me 21 und M 26 = E.Me 34 erscheint somne, das vielleicht in Stratonikeia in D 12 = C.St 1, 2 wiederkehrt (som[n?]e liest Adiego 2007) und als Σωμνης in Sekköy, in Theben lüχse (Eingang rechts = E.Th 35), vgl. Λυξης, Vater Herodots, und das schon angeführte qutbe. Spätkarisch sind Namen auf -e auch mehrfach belegt, wobei uliade in Stratonikeia (36* = C.St 2, 4) auf Οὐλιάδης zurückgeht, mane in Hyllarima (a, 4 und 7) der weitverbreitete nichtgriechische Name Μανης, lydisch manes, ist.
50Es ist nun nicht wahrscheinlich, daß in Kaunos ein ererbtes langes e aufgegeben worden ist. Eher hat das Kaunische die Entwicklung des karischen e nicht mitgemacht. Bei den Wörtern für ‘Vater’ und ‘Mutter’, die in Saqqâra belegt sind: ted (M 30 = E.Me 38; Lesung von Ševoroškin verbessert) und en (M 24 = E.Me 32), geht es wie bei lykisch tedi und ẽni gegenüber keilschrift-luwisch tātis und ānnis auf Umlaut zurück, vgl. auch Αρβησ(σ)ις in Halikarnassos und lykisch er[b]besi TL 44d, 13 gegenüber Αρβασις (KPN § 85-1) in Kilikien und jetzt auch in Lykien (Cau 2003, 322; Limyra).
51Bemerkenswert ist, daß auch karische Wiedergaben ägyptischer Bastetnamen teilweise umgelautet sind: in Abydos piubeòζ (Ab. 6 F = E.Ab 10) und pdubeòζ (Ab. 10 F = E.Ab 15) gegenüber ttubaζi (Ab. 19 F = E.Ab 25) und ttbaζi (Ab. 28 Y = E.Ab 41), ttbaζi und piub[a]ζi auf der Stele MY A = E.Me 1.
52Das Kaunische wird also den im Lykischen und Karischen belegten i-Umlaut von a nicht mitgemacht haben21, obwohl es ja an der Nahtstelle zwischen beiden Sprachen angesiedelt ist. In griechischen Namenschreibungen ist allerdings Eta belegt: Ein Kaunier Οριδηυμις erscheint in Sekköy zu Zeit des Maussollos (und der Name seines Vaters Ζερμεδυβερος ist vielleicht lykisch), in Kaunos selbst sind in hellenistischer Zeit die Demotika Κυσηρεύς (mehrfach) und Μυσιηρεύς (nur Marek 2006, 227 Nr. 38, 125; s. 2-4 unsicher) belegt. Und Quintus Smyrnaeus verband im 4. Jh. n. Chr. den Berg Ταρβηλος mit Kaunos (siehe Testimonium [102] bei Marek 2006, 39), nach Louis Robert der Sandras Dağ im Hinterland. Sein Name dürfte einfach ‘waldig’ bedeuten und lykisch trbbeli, Nom./Akk. Pl. n. trbbala, entsprechen22. Das scheinen alles nichtkaunische Lautformen zu sein, wobei im letzten Fall wohl Umlaut vorliegt, vielleicht auch bei den Demotika.
8. Verzicht auf λ im Norden
53Die neuen Inschriften von Mylasa und Hyllarima belegen, daß dort λ durch l ersetzt wurde: In Mylasa sind Z. 9 iduśol (Ιδυσσωλλος), Z. 2 tusol (Θυσσωλλος in Mylasa)23, Z. 3 und 5 βanol (Ιβανωλλις von Mylasa bei Herodot), Z. 4 und 7 qζali (wohl Κοσταλδις analog qlaλi M 29 = E.Me 37, M 37 = E.Me 45 und in Thessaloniki 42* = G 2, Κολαλδις, Κυλαλδις in Sekköy) belegt (das zweite Zeichen hat Adiego über den Vergleich mit Κοστωλλις in Mylasa als eine jüngere Form des archaischen ζ identifiziert, das nur in Kaunos bewahrt ist; 2007 ersetzt er die Umschrift ζ durch z). In griechischen Schreibungen ist aber in Mylasa wie im nahen Sekköy λδ öfters belegt.
54In Hyllarima haben wir nun a, 4 und 5 uśol statt uśoλ. In den hier für l verwendeten Zeichenformen sieht Adiego allerdings ein griechisches ‘lambda à marque diacritique’, weil der Basistrich nicht durchgezogen ist, und umschreibt λ. Aber nicht durchgezogen ist der Basisstrich auch bei p in Z. 5 und 7, während in b, 1 der Basisstrich außerdem auch noch nach oben in das Zeichen hineingeschoben ist. In b, 2 und a, 6 erscheint allerdings die normale Form des l, aber in uśbζol a, 6 wird das gleiche Suffix vorliegen. Diese Zeile ist nach Debord von anderer Hand geschrieben als die vorausgehenden. Ich denke, daß auch a, 4-5 von anderer Hand geschrieben sind als die ersten beiden Zeilen in beiden Spalten, und dafür spricht auch das hier weit offene Υ gegenüber der a, 2 und b, 1 verwendeten Form. Damit könnte die Ersetzung von λ auch in b, 2 bei molš, vermutlich ‘die Priester’ (Adiego), und in ùlarmiτ zum ON Υλλαριμα vorliegen, wobei molš auch in Mylasa Z. 1 wiederkehrt. Obwohl diese Inschriften in verschiedenen Alphabetvarianten geschrieben sind (siehe auch 6.), haben sie außerdem auch die Zeichenform H für e gemeinsam, eine jüngere griechische Zeichenform. Das zeigt, daß auch in Euromos (D 8 = C.Eu 2) H e und nicht λ wie in Kaunos bezeichnet, so daß dort zumindest in -iabkol auch Ersetzung von λ vorliegen dürfte. Da sich das Alphabet von Euromos von dem in Mylasa durch den Gebrauch von ù und von dem in Hyllarima durch die Form des i unterscheidet, scheint sich die Ersetzung von λ zusammen mit der neuen Form des e über die Gebiete verschiedener Alphabetvarianten verbreitet zu haben.
55Dagegen ist λ in Iasos (20*b = C.Ia 2, falls die Inschrift dieser Tonscherbe nicht noch archaisch ist), Sinuri, Kildara, Stratonikeia und Kaunos belegt (wo die ursprüngliche Form nur in der Inschrift der Tonscherbe 50* = K 7 = C.Ka 9 bewahrt ist). Die Ersetzung von λ durch l ist also eine nordkarische Erscheinung, und die Belege dafür scheinen geographisch klar von den Belegen für λ abgegrenzt.
56Die Ersetzung ist aber auch schon viel früher in den Graffiti im Grabpalast des Montemhet bei Theben belegt: zweimal pnúśol statt punúśoλ und pnuśoλ, plạt? Th. 49 Š = E.Th 3 und mplat Th. 57 Š = E.Th 11, 3 statt pλat (Ab. 5abc F = E.Ab 7-9) und pλatτ (AS 6 = E.AS 6), kbloú gegenüber Κοβολδωος und mehrfach mla-ne, einmal mla-n (Eingang rechts = E.Th 35) gegenüber mλ-ne in der archaischen Inschrift von Iasos24.
57Da nun auch in der eingangs erwähnten archaischen Inschrift der Oinochoe mla-ne belegt ist (nach der freundlichen Mitteilung von R. Tekoğlu), scheinen die karischen Söldner, die sich in Theben verewigt haben, die Ersetzung von λ durch l aus Karien mitgebracht zu haben. Der Fundort Hydai liegt zwischen Iasos und Mylasa, würde also geographisch zu den viel späteren Belegen für dieses Phänomen passen.
58Bei dem Verzicht auf λ dürfte es sich nicht nur um eine graphische Vereinfachung, sondern einen echten Lautwandel handeln, der eine für das Karische charakteristische Lautunterscheidung beseitigte.
9. Assimilation RL > R
59Arliš, Sohn eines Arlíom, ist auf der Stele M 1 = E.Me 9 belegt, arliš außerdem M 7 = E.Me 15, M 43 = E.Me 51 und Ab. 18 F = E.Ab 24, arliom M 35 = E.Me 43. In Karien ist Αρλισσις in Iasos, Mylasa, Sekköy und Labraunda (Ende des 4. Jhs.) belegt, Αρλιωμος in Halikarnassos, das Ethnikon Αρλισσεῖς zu einem ON Αρλισσος unbekannter Lage in Sekköy und Labraunda (4. Jh.), ein Flurname Αρλαι/α/in Mylasa.
60Aber in Stratonikeia, Lagina und Hyllarima (b, 6) ist Αρισσις, in der da anschließenden Inschrift von 197 v. Chr. als Daimon Αρισσις, Sohn des Ιμβρασις, belegt, in Labraunda (Mitte 3. Jh.?) Αρισσις. In karischer Schrift ist in Hyllarima a, 3 βrsi arišś βrsiś belegt, vermutlich der Sohn des später als Daimon verehrten Mannes (Adiego). In Stratonikeia dürfte bei ]arišmaqλùś[ D 12 = C.St 1, 4 wohl der gleiche Name vorliegen. Die Belege mit und ohne Assimilierung haben ein bemerkenswert konsistentes Verbreitungsgebiet und überschneiden sich nur in Labraunda, wo die Assimilierung erst in hellenistischer Zeit belegt ist. Mit dem Gebiet, in dem l für λ eintritt, überschneidet sie sich nur in Hyllarima, was auch daran liegen mag, daß es weiter nördlich, in Eski Çine und Tralles, nur drei kurze Inschriften gibt (D 1, 2 und 13 = C.Tr 1 – 2 und C.Al 1)25.
61Die Assimilierung ist aber auch schon in Ägypten angebahnt, denn 593 hat in Buhen M 51 = E.Bu 2 arŕiš, wonach sich M 50 = E.Bu 1 ar[ŕ] iš ergänzen läßt (gleichnamige Enkel, siehe Anm. 12). Adiegos Umschrift ŕ für das seltene Zeichen stützt sich auf den Vergleich mit den angeführten Namenformen. Außerdem ist in Saqqâra qdarŕou M 33 = E.Me 41 belegt, das zu luwisch hutarlā- ‘Diener’ bzw. dem PN Hutralis gehören wird (Adiego 1995, 24-5), dessen lautgesetzliche Weiterentwicklung Κυδρηλος, Gründer von Myous (Strabon 14.3.8 (= 633)), sein dürfte (kar. *qdrel). Κοδδαροι, Name einer Bevölkerungseinheit in Sardes in der Spätantike (Philostr., Apollonii Tyan. Epist. λθç), könnte auf Karer zurückgehen und die Assimilation des l belegen. Bei aríom M 34 = E.Me 42 liegt versehentliche Auslassung des l näher als seine vollständige Assimilation.
10. Meidung von b und d am Wortbeginn
62Stimmhafte Verschlußlaute sind wohl in allen anatolischen Sprache am Wortbeginn stimmlos geworden (Melchert 1994, 18-20). Das ist also auch für das Karische anzunehmen. Soweit in karischen Inschriften b- und d- (ein g gibt es nicht) und in griechischen Wiedergaben karischer Namen B-, G-und D-am Wortbeginn belegt sind, wird das eine sekundäre Entwicklung sein. In den spätkarischen Inschriften ist b- entschieden seltener als in den archaischen belegt, soweit sich Wörter klar abtrennen lassen: in Sinuri durch binq (D 9 = C.Si 1), in Kaunos durch bi (D 16 = K 2 = C.Ka 2, 5; enklitisch?). Sonst läßt sich nicht viel dazu sagen.
63Anders bei d-, das in Ägypten hauptsächlich in den Graffiti des Montemhet-Grabes belegt ist: dtübr neben kśatübr Th. 48 Š = E.Th 2 und d übr Th. 51 Š = E.Th 5, wo die Lücke für Auslassung des t spricht, dokmm Th. 50 Š = E.Th 4, dbiks Th. 60 Š = E.Th 13, dsaml... (Eingang links oben = E.Th 16), dbikrm (ebenda, tiefer = E.Th 19), dquq (Gangende rechts = E.Th 44) und dršśiem (Vorraum, linke Säule = E.Th 53). Dazu kommt in Abydos dbkrm (Ab. 28 F = E.Ab 34, s. Schürr 1996c, 154 Anm. 8), in Saqqâra dúśoλ (M 27 = E.Me 35) neben tduśoλ (M 16 = E.Me 24). Um ein klar abtrennbares Vorderglied handelt es sich bei d-tübr, d-biks, d-bikrm und d-bkrm, d-quq und d-úśoλ. Adiego hat damit bereits (1994b, 35) Ιδα-γυγος in Halikarnassos und Ιδ-υσσωλος in Mylasa, Sekköy und Iasos verglichen, und dazu kommt nun id-uśol in Mylasa Z. 9, vergleiche ebenda auch id-üriχ und id-ü<r> iχ in Euromos (D 3 = C.Eu 1). Dieses Vorderglied ist auch in Lykien belegt: siehe etwa ida-zzala = Ειδα-σσαλα in Kadyanda (TL 32v), id-ãχre in Tüse (TL 78) und Ιδ-αγρας an mehreren Orten (KPN § 451-3 und Cau 2003, 302, vgl. 329 Anm. 64), ida-maχzza, idã-maχzzã (Akk.) in Antiphellos (TL 57) und Ιδα-μαξου (Gen.) in Myra (Cau 2003, 316).
64Es ist also sehr wahrscheinlich, daß das Vorderglied d- in den archaischen Inschriften dem spätkarischen id- emtspricht, also Aphärese vorliegt, während in den spätkarischen Inschriften der Vokal bewahrt oder wiederhergestellt ist. In Saqqâra sind zwar auch idmuon M10b, idmns M 25a und b sowie idùes M 48d belegt, aber da ist id- nicht klar abtrennbar. Dem Namen idmuon dürfte jedoch nun dmuon am Beginn der ebenfalls archaischen Inschrift auf der Oinochoe (nach der freundlichen Mitteilung von R. Tekoğlu) entsprechen.
65Spätkarisch ist anlautendes d wohl nur durch dùmš in Kaunos (30* = K 3 = C.Ka 4, 3) und vielleicht auch dù in Hyllarima (a, 1) belegt.
66Unter den griechisch überlieferten Namen dürften Δερσως in Sekköy, Δερσωμανης in Lagina, Δερσω[…]τις in Stratonikeia zu drš-śiem in Theben gehören. Hier ist der Ursprung des d unklar, und dafür könnte von Bedeutung sein, daß in Halikarnassos Ανδαρσως belegt ist, dazu Ανδροσσως aus Halikarnassos in Milet (5. Jh.; Blümel 1998, 164 Anm. 3). Erscheint das karische δ für[nd] nicht am Wortbeginn, während im Lykischen das iranische *Dārayauš in Xanthos TL 44b, 59 mit ñtarijeusehe ‘des Darius’ wiedergegeben wird, Δημοκλείδης im Letoon N 312 mit ñtemuχlida und umgekehrt ñterubila (TL 145) erweitert in Δροβιλασις wiederkehrt (KPN § 314 in Antiphellos, Cau 2003, 310 in Apollonia). Da bezeichnet die Schreibung ñt offenbar den Laut [d] (gegenüber d für [ð]). Dafür, daß das karische d im Unterschied zum Lykischen d einen Verschlußlaut bezeichnete, spricht die Wiedergabe von ägyptischem [t] durch d in Namen wie pdneít, pdtom, pdubeζ, aber durch t in ptnupi und ttubaζi.
67Es wäre also denkbar, daß in drš- das d- auf *δ- bzw. *[Vnd-] zurückgeht und in Ἀνδροσσως bzw. Ανδαρσως eine ältere Lautform bewahrt ist – wobei zumindest im ersten Fall die Anlehnung an griechisch still Ανδρο- eine Rolle gespielt haben dürfte – in Δερσως usw. eine der schon archaischen Schreibung entsprechende.
68Eine Alternative wäre, in Αν-ein Vorderglied zu sehen, vergleiche in Tralles ansiδia (D2 = C.Tr 2) gegenüber sδia (D 1 = C.Tr 1). Ein jüngerer Lautwandel ist in der spätkarischen Meidung von anlautendem d also nicht faßbar, auffällig ist sie aber.
11. Einführung vonñ
69Eine sich erst im Spätkarischen vollziehende Entwicklung ist die Unterscheidung von n und ñ. Erkennbar wurde dieses zweite n mit den Gleichungen χtmñoś = Εκατομνω und pñmunśñ26 = Πονμοοννου auf dem Stelenfragment D 10 = C.Si 2, 1-2 und einem wohl zugehörigen, nur griechisch beschrifteten Stelenfragment in Sinuri. In Theben ist die archaische Schreibung ktmno (Eingang links; ktmn[ Eingang rechts = E.Th 25 und 37) belegt; bei pñmun könnte sich um eine Ableitung von punm[u] in Abydos handeln.
70Der gleiche Namenstamm dürfte in Sinuri bei pisñoi in Z.2, dem archaischen psnλo auf der Bronzephiale 33* = C. Ha 1 und Πισ[.]νως in Pladasa vorliegen, vergleiche wohl heth. pis(e)n- ‘Mann’.
71In Hyllarima ist nun a, 6 uśbζoltñuś belegt, und da wird der gleiche Name abzutrennen sein, der am Beginn der Liste von Apollonpriestern darunter in Ἀριστόδημος ὁ τοῦ Τοννου, Τοννους ὁ τοῦ Ἀριστοδήμου erscheint (so Adiego) – eine überraschende Lautwiedergabe, wenn man pñmunśñ = Πονμοοννου vergleicht. Man muß wohl annehmen, daß Τοννους auf *[tunú:] (etwa aus *[tuwanúwa]?) zurückgeht und tñu eine jüngere Entwicklung ist. Wie schon bei Παναμυης usw., Κυατβης und Πονμοοννος zeigt sich auch hier, daß die Gräzisierung karischer Namen teilweise einen älteren Lautstand bewahrt.
72Außerdem hat dieses Zeichen auch bei der Endung des Akk. Sg.-n abgelöst: In D 10 = C.Si 2 haben wir: mδa pñmunśñ. pδa3χmśuñ (vor χi) und etwa mδa lrλñ pospñ vacat (statt lrTñ. stspñ nach Deroy). Auf dem Steinblock aus dem gleichen Heiligtum (D 9 = C. Si 1; Basis?) mδš: üriχñ. Damit sind in den archaischen Votivinschriften Ägyptens das mehrfach belegte mδa-ne ‘gab ihn’ und mδ’orkn-tün| snn auf der Bronzephiale 33* = C.Ha 1 zu vergleichen27.
73In Stratonikeia dürfte ormñ 36* = C.St 2, 7 nach šqeδ (wohl 3. P. Pl. Prät., der Punkt im q durch Riß zerstört) auch Akk. Sg. sein, vgl. šqem orm Z. 6 mit Partizip. Es gibt aber spätkarische Inschriften, in denen ñ fehlt und als Endung des Akk. Sg. Noch -n belegt ist. Am klarsten ist das in der Bilingue von Kaunos:
74nik[uk]3lan lùsiklas[n? vac.]4 otonosn usw28.
75Νικοκλέα Λυσικλέους Ἀθηναῖο[ν] usw.
76In der Grabinschrift D 14 = K 4 = C.Ka 1 und auf dem großen Stelenfragment (nur zweimal in Z. 10) ist aber ñ belegt, allerdings wohl nicht in dieser Funktion. Das Fehlen in der Bilingue könnte dafür sprechen, daß der Gebrauch von ñ in Kaunos erst später aufkam.
77In Euromos erscheint D 8 = C.Eu 2 nach temaζi, wohl einer Verbform29, Z. 2 śδun. Da wird also auch die ältere Schreibung belegt sein. Das könnte allerdings darin liegen, daß hier ein Vokal vorausgeht. Doch es folgt nach Doppelpunkt śośn-, das auch ein Akkusativ sein kann. Ebenso ist wohl die ältere Schreibung bei pnuśoś in Mylasa Z. 6 gegenüber pñmunśñ im nahen Sinuri bewahrt. Theoretisch könnte also ñ den Westen Kariens nicht erreicht haben, wenn es auch von Hyllarima bis Kaunos verbreitet war. In sein Verbreitungsgebiet fallen die Belege für rl > r, aber es ist nicht klar, ob diese beiden Lautentwicklungen wirklich zusammengehören.
78Auch das Lydische und das Lykische verfügen über ein zweites n (mit ganz anderen Zeichenformen), das ebenfalls bei der Schreibung des Akk. Sg. verwendet wird: im Lykischen nur nach Konsonant, im Lydischen auch nach Vokal. Ansonsten unterscheidet sich aber die Verwendung des ‘Zweit-n’ in allen drei Schriften. Das karische ñ tritt auf jeden Fall nach Konsonanten auf, in Sinuri aber auch nach Vokal – weil ein Konsonant folgt?
79Für die Entwicklung des karischen ñ weg von n haben wir zwei Anhaltspunkte: Für χtmño ist in lykischen Inschriften ekatamla (TL 32e = Εκατομνας) und katamla (TL 32n = Εκατομνας – die Ergänzung von e] durch Kalinka scheint nicht berechtigt – und TL 45, N 320 = Εκατομνως, der karische Dynast) statt des zu erwartenden *ekatamñna belegt. Da ist also eine Dissimilierung mñ > ml eingetreten. Bei diesem Lautersatz könnte allerdings eine Angleichung an esẽnẽmla in den poetischen Inschriften (m. E. etwa ‘Gebieter’) angenommen werden. Aber es scheint einen zweiten Fall dieser Art zu geben: In Sinuri ist später eine Syngeneia Πορμουνου belegt, und es liegt nahe, darin den gleichen Namen wie in Πονμοοννου zu sehen, also eine Dissimilierung ñm > ρμ anzunehmen (so auch Adiego 2000, 137-8), die dafür spricht, daß auch lykisch (e)katamla etwas mit dem Lautcharakter des karischen ñ zu tun hat30.
80Angesichts der abweichenden Lautentwicklungen im Kaunischen ist es bemerkenswert, daß die Aufspaltung von n in n und ñ schließlich auch dort eingetreten ist. Aber in der Grabinschrift D 14 = K 4 = C.Ka 1 ist neben sñis (PN im Dativ) auch die Personenbezeichnung mno wie schon in Saqqâra belegt31: Dafür sollte man analog χtmño in Sinuri wohl *mño erwarten. Das könnte zusammen mit der Seltenheit in dem großen Stelenfragment ein Indiz dafür sein, daß ñ hier nicht genauso verwendet wurde wie an den anderen Orten. Und dann könnte das Fehlen in der Bilingue auch daran liegen.
12. *-śn > -s[nin Kaunos
81Eine weitere Besonderheit von Kaunos wurde schon im vorausgehenden Abschnitt erkennbar: Auch dort ist die Endung des Genitivs Singular-ś, aber beim ‘Accusativus Genitivi’ wird daraus -s, wie die Bilingue zeigt. Das wird mit Assimilation zu erklären sein, umgekehrt wie bei -śñ in Sinuri.
13. Fazit
82Es ist also anhand der bis jetzt bekannten Inschriften möglich, ein wenigstens grobmaschiges Bild von Lautentwicklungen zu entwerfen, die das Spätkarische insgesamt charakterisieren oder regionale Besonderheiten darstellen.
83Im Spätkarischen ist eine schon in den archaischen Inschriften ab 593 faßbare Lautentwicklung wohl allgemein geworden, die den Verzicht auf das Zeichen ú begünstigte: Unbetontes *wa- am Wortbeginn und *uwa im Wortinneren ergaben u, wie das auch im Lykischen der Fall war. Bei anderen Lautentwicklungen ist nicht klar, wie weit sie wirklich allgemein waren: der vielleicht ebenfalls schon in archaischen Inschriften vorkommende Schwund von Nasal vor s, den das Lykische auch teilt, scheint in Kindya, Mylasa und Hyllarima faßbar. Sicher erst im Spätkarischen wird n unter nicht ganz klaren Umständen zu ñ, das in Hyllarima, Sinuri, Stratonikeia und Kaunos belegt ist. Ob es in Kaunos auf die gleiche Weise wie anderswo verwendet wurde, ist jedoch zweifelhaft. Die beiden Nasale betreffenden Lautentwicklungen könnten zusammengehören.
84Darüber hinaus gibt es nun deutliche regionale Lautunterschiede: Das Kaunische32 hat den früh einsetzenden Schwund von intervokalischem p nicht mitgemacht und nicht einmal die vor den frühesten Inschriften vollzogene Entwicklung eines langen [e:]. Es ist also ein konservativer Dialekt, der den auch für das Lykische charakteristischen i-Umlaut von a nicht kennt. Herodot bemerkt (I. 172):
Die Kaunier sind meiner Meinung nach Ureinwohner [im Gegensatz zu den Karern]; sie selber glauben aus Kreta zu stammen [wie die Lykier]. Ihre Sprache haben sie von den Karern übernommen, oder die Karer umgekehrt von den Kauniern – ich kann es nicht entscheiden –; ihren Sitten nach unterscheiden sie sich sehr, nicht nur von den Karern, sondern von allen anderen Menschen (Übersetzung A. Horneffer).
85Ihre Sprache legt nun nahe, daß sie tatsächlich nicht autochthon sind, sondern sich zwischen das ‘Standardkarische’ und das Lykische geschoben haben. Natürlich werden sie nicht aus Kreta stammen, sondern aus dem Landesinneren an die Küste gelangt sein, vielleicht dem Indos folgend. So ist in der Kibyratis beispielsweise Αρμανανις belegt (Balbura; Hall et Coulton 1990, C13 und 40)33, während in Lykien der Name vollständig zu ermmenẽni (TL 121), Ερμενηνις (Cau 2003, 301), Ερμενηννις (KPN § 355-35) umgelautet ist.
86Im Norden Kariens ist dagegen schon in archaischer Zeit eine Neuerung belegt, die auch im oberägyptischen Theben wiederkehrt: Das Zusammenfallen von λ mit l. Die Assimilierung rl > r hat eine deutlich abweichende Verbreitung: Nur in Hyllarima ist beides belegt. Sie scheint durch die Schreibung rŕ aber auch schon in drei Inschriften Ägyptens angebahnt, was für einen schon in archaischer Zeit bestehenden Dialektunterschied sprechen könnte. Klar abgrenzbare Dialektgebiete lassen sich mit Ausnahme des Kaunischen so nicht fassen, aber das ist bei der geringen Zahl der Belege auch nicht anders zu erwarten. Das Vorbild des Griechischen war sicher dafür verantwortlich, daß es im 4. Jh. karische Steininschriften auch im Mutterland gibt. In der spätkarischen Schrift ist der Einfluß des Griechischen ebenfalls deutlich: Für q wird teilweise die jüngere Form des Theta übernommen, für e teilweise die jüngere Form des Eta, und für β Beta in Hyllarima. Für das neue ñ wird Phi entlehnt. Auf die Sprache scheint das Griechische aber gar keinen Einfluß gehabt zu haben. In den karischen Inschriften gibt es auch ebensowenig wie in den lykischen oder den lydischen Symptome, die das Erlöschen der Sprache anzeigen würden. Es gibt nur ein Abbrechen der schriftlichen Überlieferung. Es ist zu erwarten, daß weitere Funde dieses Bild vom Spätkarischen erweitern, verdichten, aber auch verändern werden: Auf neue Überraschungen ist zu hoffen.
Notes de bas de page
1 Die Bronzegefäße 33*-35* = C. Ha 1 und C.xx 1-2 mit Votivinschriften und der ‘assommoir’ (40* = C.xx 3; Schürr 2001b) dürften aus dem gleichen karischen Heiligtum Ägyptens stammen wie der Lion = E.xx 7. Wie bei Adiego 1993, 303-5, sind die damals schon publizierten karischen Inschriften angeführt, die unveröffentlichten Graffiti im Grabpalast des Montemhet bei Theben nach den Photos und Skizzen V. Ševoroškins und teilweise auch Skizzen F. Kaysers (nur mit Lokalisierung), die Stele von Abusir nach Schürr 2003b (= E.Me 65), die Grabinschrift 28* = K 10 = C.Ka 3 in Kaunos nach Schürr 1996d (bei den Inschriften von Kaunos ist mit K auch die Numerierung bei Marek 2006 angegeben). Von den neuen Inschriften in Karien die Bilingue von Kaunos (44* = K 1 = C.Ka 5) nach Frei-Marek 1998 (mit letzten Korrekturen bei Marek 2006, 119-20), die Inschrift 50* = K 7 = C.Ka 9 von Kaunos nach Frei-Marek 2000, 120-22 (vgl. aber auch Schürr 2001a), die Inschrift von Mylasa = C.My 1 nach Blümel – Kızıl 2004 (vgl. auch Adiego 2005, Blümel 2005b und Anm. 10), die linke Hälfte der Stele von Hyllarima D 7a = C.Hy 1a nach Adiego et al. 2005. Da Adiegos Handbook kurz nach Fertigstellung der Druckfassung meines Vortrags erschienen ist, konnte ich die dort eingeführten Inschriftenbezeichnungen (vorgeschaltet E für Egypt, C für Caria und G für Greece) und Münzbezeichnungen mit M (durch Konuk) noch beifügen. Ich übernehme aber nicht die dort ebenfalls eingeführten Änderungen der Umschrift, siehe meine Besprechung (Schürr 2009). Lykische Inschriften sind wie bei Melchert 2004 angeführt. In griechischer Schreibung überlieferte karische Personennamen und Ortsnamen sind, wenn nicht anders angegeben, bei Blümel 1992b und 1998a zu finden; mit KPN werden andere kleinasiatische Personenamen nach Zgusta angeführt. Für Mitteilungen und Gedankenaustausch danke ich Ignacio-Javier Adiego, Wolfgang Blümel, Alexander Herda, Koray Konuk, Christian Marek, Bernhard Schmaltz und Recai Tekoğlu sehr herzlich.
2 Genauer aus Kırcağız, siehe Rumscheid 2005.
3 Marek 2006, 119 und 121; vgl. zur Datierung auch S. 96 Anm. 150.
4 Da muß man also in der Umschrift unterscheiden, während das in Kaunos nicht mehr nötig ist: šš2n-ne und šš2nn. Adiego 2007, 147-8 will allerdings in dem Zeichen eine Variante des a sehen (und 115 Am. 21 in der Felsinschrift Si. 62 F = E.Si 11 ein normales š, was sicher nicht möglich ist, siehe Schürr 1996c). Auf der Münchner Münze des lykischen Dynasten Erbbina (D 18 M = M31) mit zwei karischen Zeichen könnte vielleicht noch das nichtkaunische š statt eines gewendeten kaunischen t belegt sein.
5 Die bis jetzt älteste Inschrift in Kaunos ist 50* = K 7 = C.Ka 9, auf eine Scherbe geritzt, bei der es sich nach der freundlichen Auskunft von Bernhard Schmaltz um den Rand einer Deckelschüssel (Lekanis) handelt, die ins ausgehende 6. Jh. gehören dürfte.
6 Siehe Eilers 1940, 231-2.
7 Das könnte man auch bei sñis: sδisa2s: in der Grabinschrift D 14 = K 4 = C.Ka 1 bei Kaunos annehmen: Dann würde sich der Titel des Toten mit dem lykischen PN hñtihãma TL 75 (Tyberissos) decken. Aber die Grabinschrift in Taşyaka hat qoΩomu sδisa, so daß hier das m ganz geschwunden sein müßte.
8 Da im Lykischen auch ein Stamm mahan- im Dativ Plural mahãna und in Ableitungen belegt ist wie im Luwischen massan(i) -und bei dem in Saqqâra belegten PN msnord (MY D = E.Me 3 und M 40 = E.Me 48; zur Lesung Schürr 2002), bei Stephanos von Byzanz Μασανώραδος, wird mit Metathese gerechnet.
9 Die Endung des Gen. Pl. könnte-o < *[-o: m] sein,-τ ein enklitisches, artikelähnliches Element im Akk. Pl. <*-tVš, vgl. archaisch orkn-tün auf der Phiale 33*. Die Wortstellung im karischen Text entspräche dann *πάντων ἱερεῖες θεῶν mit Tmesis wie in den lykischen Gedichten bei TL 44d, 14 uwedriz: mlat[i] masaiz und TL 55, 5 [u]wedriz: qlei: masa<i>z gegenüber mãhãi huwedri im Normallykischen, ebenfalls ‘alle Götter’.
10 Schürr 1998, 146-7.
11 Schürr 2001a, 116-18, siehe nun auch Melchert apud Adiego 2007, 313 Anm. 3 zur Zurückführung der Genitivendung -ś auf *-osyo.
12 Zum Vorderglied vergleiche vielleicht die Entsprechung von ἐκγόνους in der Bilingue von Kaunos: nur aχt? Das von Frei-Marek rekonstruierte *aχtmskm ist wegen der Tendenz des Karischen zur Endbetonung unwahrscheinlich. Zum Wechsel von ú mit u eine Berichtigung: In Schürr 2001a, 62-3 habe ich angenomen, daß der PN úrm auf dem Lion (ebenso auch in Theben, offener Hof, unklar wo = E.Th 15) dem in Buhen M 50 = E.Bu 1 belegten urm entspricht, offenbar die gleiche Person (Großvater) wie urom M 51 = E.Bu 2, das dem ON Υρωμος, später Ευρωμος, entspricht. Da eine Verkürzung von [uró: m] zu urm aber unwahrscheinlich ist, dürfte urm verschrieben und úrm ein anderer Name sein: [wárVm], vgl. zur Struktur Κυαρεμος in Halikarnassos.
13 Schürr 2003b, 95, Anm. 8
14 Schürr 2003b, 94 und 96.
15 Der in einem hellenistischen Ehrendekret von Kaunos (Nr. 5 in Marek 2006, 136) belegte Θαργυο[, Vater eines Θεόδοτος, könnte zum Wettergottnamen gehören, der in der archaischen Inschrift von Iasos als trquδe belegt ist, spätkarisch in] trqδimr, m. E. ‘Wettergottfeld’ (D 11 = C.Ki 1, 2, Kildara), und trqδosq in Hyllarima (a, 1), gräzisiert im Ortsnamen Ταρκονδαρ/α/ und lykisch als trqqñt-. Der kaunische Beleg könnte auf eine nicht synkopierte Namenform zurückgehen, wie keilschrift-luwisch *Tarhuwant- neben *Tarhunt- (Starke 1990, 136-7).
16 Vittmann 2001, 45 und 54-5.
17 Schürr 2003b, 96 Anm. 9.
18 Innocente 1994, 106 mit unzureichender Wiedergabe S.102, Fig.1.4; nos.1-2 bei Mørkholm & Zahle 1972.
19 Zum folgenden ließe sich in Theben plqodse am Beginn einer längeren Inschrift (Vorraum, linke Säule = E.Th 52) vergleichen, wo an den Namen plqo (M 32 = E.Me 40), Πελεκως, ein enklitisches Element angetreten sein könnte. Also ist vielleicht idraüri-dse mδ-bọ molš tüχr[? (Ergänzung der Umschrift Blümels nach einem Photo von Cengiz Işik) zu segmentieren.
20 Allerdings ist auf dem Lion in ṇtros: prγidas wohl ein Apollonpriester Branchides (im Dativ) belegt, der nach dem Priestergeschlecht des Apollontempels in Didyma benannt sein wird.
21 In griechischen Namenschreibungen ist der Umlaut bis Kilikien faßbar, mag sich also von da aus entlang der Südküste verbreitet haben. Auch das erst in der Kaiserzeit weiter im Landesinneren belegte Pisidische hat den Umlaut mitgemacht: siehe Γδεβετι von Γδαβα (KPN § 206 und 209) und vgl. zu letzterem Καδαυας (KPN § 500-8 im südphrygisch-pisidischen Übergangsgebiet Zgustas), daher wohl auch karisch kδou, und zu ersterem lykisch χñtawati = βασιλεύς, luwisch handawati-, REX-wa/i-ti-. Umso auffälliger ist das Fehlen des Umlauts in Kaunos.
22 Schürr 2006, 117-19.
23 Wegen der Schreibung mit s dürfte dieser Name nicht zu uśoλ gehören, sondern eine Ableitung von Θυσσος sein. Das könnte vielleicht an lykisch tuhe(s)- ‘Geschwisterkind’ angeschlossen werden, das wie die Gräzisierung Τους (Cau 2003, 317; Myra) auch als Frauenname belegt ist, vgl. ksbo in 2
24 Bedeutung etwa ‘ehrte ihn’ (den Montemhet bzw. den Wettergott)?
25 Im Lydischen ist umgekehrt in šelliš gegenüber šerliš das r assimiliert (Gusmani 1964, 194).
26 Nach dem Photo des Abklatsches scheint mir nun diese Lesung möglich und pñmnnśñ vorzuziehen. Zur Schreibung Πονμοοννου ist in Kaunos Μονοοσσος (Nr. 6 in Marek 2006, 137) zu vergleichen. Daß beide Formen ein intervokalisches w voraussetzen (Neumann 1998, 28), ist naheliegend.
27 In diesen Inschriften gibt es auch einen Empfänger im Dativ, D 9 und 10 = C.Si 1 und 2 nicht. Ich nehme an, daß bei mδa ‘die ‘lenierte’ ’Endung der 3. P. Sg. Prät., lykisch -de, geschwunden ist.
28 Statt -s[n für -śñ in Sinuri wäre auch -s[-χi wie -ś-χi in Ägypten denkbar: ‘der des L. (Sohn ist)’. Aber man sollte dann analog *otonos-χi erwarten.
29 Wohl temas-ti zu analysieren, 3. P.Sg. Präsens. Vergleiche piζi in Hyllarima (b, 1) und naζ in Abu Simbel (AS 7 = E.AS 7), das lykisch nestte TL 44d, 51, 3. P. Sg. Präteritum (wohl astte, estte mit der Negation ne) entsprechen dürfte. Der Inschriftenbeginn omobò-χi: temazi śδun: kann also ‘Wer omobò (ist), soll...en den śδu’ bedeuten, was an Formulierungen griechischer Grabepigramme erinnert.
30 Der lykischen Verwandtschaftsbezeichnung epñ-nẽni, wörtlich ‘Nachbruder’, TL 37 (Xanthos) entspricht dagegen das im Letoon belegte Επενηνις (Cau 2003, 301). Da ist also ñ durch Vokal ersetzt. [Π]εδβαασα[ς, Πεδβεασας in Myra (Cau 2003, 316) dürfte zu pñtbahi TL 84, 5 in Sura gehören: *pñtbahaza?
31 Bei sbmnoś in Taşyaka ist wohl nicht sb- ‘und’ abzutrennen, sondern eher ein Kompositum analog dem Personenamen ktmno – χtmño anzunehmen: etwa zu lyk. esbe- ‘Pferd’, also ‘Pferdeknecht’?? Bei ürsbe in Abydos (Ab. 4 F = E.Ab 6, Titel?) könnte es das Zweitglied sein.
32 Wobei ‘Kaunisch’ nicht bedeuten soll, daß dieser Dialekt auf das Gebiet der Stadt Kaunos beschränkt war, siehe die Inschrift von Taşyaka am Westrand des Golfes von Fethiye und die erwähnten Münzen. Meine Beurteilung des Kaunischen ist auch bei Marek 2006, 92 wiedergegeben.
33 SEG 40, 1268.
Auteur
Gründau
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