Symbolismus als „lyrische Koiné“ Zur Wirkungsgeschichte eines literaturtheoretischen Konzepts
p. 77-102
Texte intégral
1Die moderne Poesie ist hundert Jahre alt “,1 so beginnt Enzensbergers 1960 erschienene, 1962 überarbeitete Vorrede zum Museum der „ modernen Poesie: gemeint ist die„ Poesie nach Whitman und Baudelaire, nach Rimbaud und Mallarmé “,2 als ein„ Prozess “aufgefasst, der „ zur Entstehung einer dichterischen Weltsprache“3 geführt habe. Im Gegensatz zu„ Goethes Postulat einer Weltliteratur “, das„ idealisch und beschränkt “ gewesen sei, soll die„ Weltsprache der modernen Poesie “einer radikalen Universalisierung des historischen Prozesses Rechung tragen und„ den Sprung der Geschichte in die Weltgeschichte“4 auch im Bereich der Literatur dokumentieren. In seinem Aufsatz verarbeitet Enzensberger Ergebnisse seiner Romantik-Studien, Benns Ansichten über die modernen Lyrik und deren Systematisierung durch Hugo Friedrich, eine umfassende Belesenheit und Adornos eigentümliche Synthese von Artistik und Engagement. Sein scharfes historisches Bewusstsein unterscheidet seine Hypothese einer„ dichterischen Weltsprache “jedoch von der damals dominierenden ahistorischen Literaturbetrachtung, wie sie etwa durch Gustav René Hockes Manierismus in der Literatur (1959) und Hugo Friedrichs Struktur der modernen Lyrik (1956) glänzend und einflussreich vertreten wurde.5 Friedrich6 beruft sich übrigens auf Benns Ansicht, „ dass sich im Verlauf einer Kulturperiode innere Lagen wiederholen, gleiche Ausdruckszwänge wieder hervortreten “:7 so heißt es 1956, in der Vorrede zur Anthologie Lyrik des expressionistischen Jahrzehnts.
2Indem Enzensberger eine„ Weltsprache “postuliert, ist er besorgt, die Eigenständigkeit und Identität der einzelnen Sprachen zu wahren, da die Autonomie der Sprache ja als eine unabdingbare Errungenschaft der modernen Lyrikentwicklung gilt: „ [...] die lingua franca der modernen Poesie ist nicht als leeres Einerlei, als ein lyrisches Esperanto zu denken. Sie redet in vielen Zungen “.8 Dies ist wohl ein Zeitmotiv, das auf Gustav René Hocke zurückgeht;9 daran knüpft auch Celan an, als er seinen Unwillen äußert gegen„ die Vielen [...], die, wenn sie Übertragungen von Gedichten lesen, irgendein vermeintliches„ höheres Esperanto “im Auge haben [...] “.10 Aber im Unterschied zu Enzensberger setzt er„ lyrisches Esperanto “und moderne Lyrik in eins, verwirft„ das lyrische Allerlei unserer Tage “und notiert in den Vorarbeiten zum Meridian: „ Es gibt keine lyrische Koiné; es gibt eine Sprache des Gedichts “,11 seine spätere Antwort an Martin Flinker vorwegnehmend: „ Dichtung – das ist das schicksalhaft Einmalige der Sprache “.12 Für das „ Allerlei “hat Celan einen Begriff: „ das abendländische Gedicht “aus Benns Marburger Vortrag,13 wo es auch heißt: „ Alles möchte dichten das moderne Gedicht “.14 Diesen„ weltmännischen Zug “der Lyrik verhöhnend, bekennt sich Celan zur„ Dichtung “, dem Gerede von„ moderner Lyrik “setzt er die Sorge um das„ Gedicht heute“15 entgegen.
3Dass Benn„ das absolute Gedicht“16 zu realisieren meinte und Celan es noch als„ unerhörten Anspruch “eines jeden„ wirklichen Gedicht [s]“17 erwog, deutet zwar auf einen gemeinsamen poetologischen Ansatz. Aber Celans schroffe Abweisung der„ modernen Lyrik “zeigt auch – über alle terminologischen Unbestimmtheiten und grundsätzlichen Divergenzen hinaus – die Schwierigkeit von Enzensbergers Bemühung, die er mit allen Literaturwissenschaftlern teilt, die Lyrikentwicklung im zwanzigsten Jahrhundert auf eine einheitliche Formel zu bringen.
4Diese Formel gibt es eigentlich schon: sie heißt Symbolismus und ist seit hundert Jahren ein Problem der Literaturwissenschaft; bei allen pflichtgemäß geäußerten Bedenken wird sie unablässig weiter verwendet. Als Begründung für die Brauchbarkeit dieser„ überstrapazierten Kategorie“18 sei nur auf die mustergültige Synthese von Paul Hoffmann verwiesen:19 er hebt das „ Wirkungspotential “des Symbolismus bei Aufbruch und Propagierung der Moderne hervor (S. 11) und betont aus literarhistorischer Perspektive seine doppelte Funktion als Bezeichnung für einen„ synchronen Zusammenhang “, in dem auch die deutsche Literatur stand (gemeint sind vor allem George, Hofmannsthal und Rilke) und –„ in diachroner Sicht “– für„ ein [e] Dominante des Entwicklungskontinuums moderner Dichtung überhaupt “(S. 18). Das „ Verbindende und Bleibende “sei dabei ein„ Stiltypus “, der„ durch die Idee der „ poésie pure “bestimmt “sei, dessen„ Intention auf die Sprache selbst “und auf die Aktivierung ihrer physischen Potenzen gerichtet sei (S. 15) – nach Friedrichs Formel also„ ein Dichten von der Sprache her “,20 das das Bedeutungspotential der Wörter freigesetzt habe und von Mallarmé radikal vollendet worden sei (S. 16). Obwohl Hugo Friedrich selbst den Begriff„ Symbolismus “in Anführungszeichen setzte und absichtlich vermied und weder George noch Rilke in seine Darstellung einschloss, hat er die wissenschaftliche Rezeption der darunter subsumierten Dichtung wesentlich dynamisiert.
5Über die Verbreitung und Weiterwirkung des Symbolismus liegen unzählige Untersuchungen vor, die je nach Handhabung des Begriffs differenzierend oder nivellierend ausgehen. Es wäre sinnlos, dies alles zu rekapitulieren. Hier soll nur an einigen Beispielen gezeigt werden, unter welchen Bedingungen der Stiltypus und Begriff Symbolismus in die deutschsprachige Dichtung übernommen wurde und welche Anreicherungen, Wandlungen, ja Widerlegungen er dabei erfuhr. Daraus sollte hervorgehen, dass nicht der Symbolismus selbst, sondern die daraus gewonnenen ästhetischen Kategorien am Ende jede Relevanz verlieren. Dass das Werk Celans selbst ein Bestandteil dieser Wirkungsgeschichte ist, sollte dazu anregen, die Erschließung literarischer Beziehungen und die Interpretation übergreifender literarhistorischer Zusammenhänge zu überdenken.
6Die fünfziger und sechziger Jahre haben die hier angesprochenen Probleme in aller Schärfe hervortreten lassen: es sind die Jahrzehnte der zeitgenössischen Celan-Rezeption und auch die Jahre, in denen Benns Lyrik und Poetik in optimaler Übereinstimmung mit dem Zeitgeist ihre breiteste Wirkung erreichten. Die frühe Celan-Rezeption steht bekanntlich im Zeichen des Symbolismus. Noch 1964 erklärte Beda Allemann in seiner Rezension der Niemandsrose – allerdings um die einseitige Referenz auf den Surrealismus zurückzuweisen –, „ dass dieses Werk eine eigenständige Fortführung von den letzten Positionen des europäischen Symbolismus her darstellt “.21 Acht Jahre vorher wurde der eben verstorbene Benn als„ [der] radikale Vollstrecker des symbolistischen Programms “gewürdigt,22 und noch Jahrzehnte später nannte Gadamer Benn und Celan die zwei großen deutschen Dichter der Nachkriegszeit und stellte sie gemeinsam„ [in den] Schatten des Nihilismus “.23
7Nicht zufällig verwahrte sich Celan gegen die Einordnung in die Mallarmé-Tradition mit Argumenten, die sich, wie man Gerhart Baumanns Bericht24 entnommen hat, als eine Widerlegung der„ negativen Kategorien “anhören, mit denen Friedrich die„ Struktur der modernen Lyrik “definierte. Denn im Spannungsfeld der literarischen Diskussion hat dieses Buch die Thesen von Benns poetologischer Selbstdarstellung in eine systematische Beschreibung der Lyrikentwicklung integriert25 und ihnen womöglich noch eine breitere Resonanz verschafft: Rimbaud und Mallarmé hätten die äußersten Grenzen der Dichtung erreicht (S. 118), Gottfried Benn habe„ in Deutschland [...] das alles nachgeholt “(S. 162) und sei somit als Nachfolger Mallarmés ein Vertreter der„ harten Modernität “(S. 10) geworden. Benns Selbstverständnis als Erbe der französischen Symbolisten und Akteur der europäischen Moderne wurde somit wissenschaftlich bestätigt.
8Demgegenüber erfuhr der Symbolismus durch Adornos Valéry-Aufsätze eine Deutung, die die„ poésie pure “gesellschaftlich legitimierte. Die radikal ausgeübte Kunst wurde als Selbsttranszendierung des„ l’art pour l’art “- Prinzips und Überwindung von„ Blindheit und Befangenheit des Kunstwerks “ dargestellt,26 als Weg zum„ ungeteilten Menschen “,27 als„ Resistenz “gegen das „ sozial [e] Einverständnis mit der Entwürdigung des Menschen “.28 Der Künstler, der sich durch Arbeit und Selbstverleugnung der objektiven Notwendigkeit des Kunstwerks unterwerfe, werde – im Gegensatz zu dem„ Subjekt in dem primitiven Sinn des Künstlers, der sich ausdrückt “, zum„ Statthalter des gesamtgesellschaftlichen Subjekts “.29 Mit der paradoxen Formel„ Der Artist als Statthalter “entwarf Adorno ein Gegenmodell zum„ Phänotyp “Gottfried Benns, jenem Individuum, „ das die charakteristischen Züge dieser Epoche evident zum Ausdruck bringt “.30 „ Der Artist als Statthalter “, dem Adorno eine „ tief [e] Einsicht in das gesellschaftliche Wesen von Kunst“31 attestiert, ist also der Antipode des„ Ptolemäers “, der ein„ Doppelleben “führt, Geschäfte und Ästhetik separat behandelt und eine„ Sphäre “kennt, „ die ruht, die nie aufgehoben werden kann, die abschließt: die ästhetische Sphäre “.32 So steht „ der berüchtigte Artist und Ästhet“33 Valéry in Adornos Augen für eine andere Konzeption der ästhetischen Moderne, die die autonome Sprache der„ reinen Kunst “in eine gesellschaftlich relevante Macht verwandelt. Die Vermittlung von Lyrik und Gesellschaft durch Sprache so wie die stellvertretende Funktion des poetischen Subjekts in seinem Verhältnis zur Sprache, wie sie in der Rede Über Lyrik und Gesellschaft (1957)34 dargelegt werden, sind eigentlich schon Themen seiner ersten Valéry-Deutung.
9Solche Ansichten waren wohl dazu angetan, Celans Interesse für Valéry neu zu beleben und das symbolistische Erbe in ein günstigeres Licht zu rücken als die ihm verhasste Artistik seines Gegenspielers Benn. Adornos Widmung seines zweiten Valéry-Aufsatzes an Paul Celan mag diese Annahme bestätigen. Allerdings enthält seine Valéry-Deutung auch die Voraussetzung für die spätere Darstellung Celans als„ Repräsentanten hermetischer Dichtung “und die Rechtfertigung für die„ Abdichtung des Kunstwerks gegen die empirische Realität“35, eines von den schwerwiegenden Missverständnissen, die die beiderseitigen Annäherungsversuche belasteten. Im Grunde konnte Celan keine Vorstellung„ absoluter “Kunst recht sein. Weder Adornos Deutung noch die Übertragung der Jungen Parze, die er als Inbegriff der Kunst betrachtete, konnten ihn mit Valéry versöhnen. Diese schwierige, nicht selten einfühlsame Einübung in einen fremden Stil, brachte ihm vor allem„ das Recht “ein – so erklärte er in einem Brief an Otto Pöggeler –, „ etwas gegen die Kunst zu sagen “.36 Daraus ging die thematische Gegenüberstellung von Kunst und Dichtung im Meridian hervor.
10Die zwei großen Protagonisten der Symbolismus-Rezeption in den fünfziger und sechziger Jahren sind also paradoxerweise Gegenpole der Diskussion um die moderne Lyrik. Sie stehen in einem engen Beziehungsgeflecht mit ihren Vorgängern, aber ihr Traditionsbezug ist von der jeweiligen poetologischen Ausrichtung bedingt. Benn ist um Anschluss an die europäische Moderne bemüht, geht vom Erlebnis der„ Krise des abendländischen Seins“37 aus, sucht sich ein„ Stilprinzip “für die„ Ausdruckswelt “(ebd.), „ eine Philosophie der Komposition und eine Systematik des Schöpferischen “.38 Die kann er nicht bei George, Rilke oder Hofmannsthal finden, dessen„ schönsten Gedichten “ er zwar„ reinster Ausdruck “und„ bewusst artistische Gliederung “zugesteht, die aber – im Gegensatz zur modernen Lyrik –„ in der Sphäre der gültigen Bindungen und der Ganzheitsvorstellungen “verbleiben.39 Gleichwohl ist ihm George ein wichtiger Vermittler des Symbolismus gewesen; Benns Rede auf Stefan George nämlich ist eine entscheidende Phase seiner theoretischen Entwicklung, da sie die Definition des„ l’art pour l’art “– was ja das allererste Anliegen der Blätter für die Kunst war – mit einem von Nietzsche inspirierten transzendenten„ Formgefühl “verbindet.40 Bei Celan haben der „ Beziehungscharakter“41 und der dialogische Habitus der Dichtung das Verhältnis zu seinen Vorgängern ganz anders gestaltet. Auf die unübersehbaren Motivverflechtungen, thematischen Weiterführungen und Widerlegungen, die in die Textur seiner Gedichte eingearbeitet werden, soll hier nicht eingegangen werden. Es genügt, daran zu erinnern, dass er im Zusammenhang mit den Plagiatsbeschuldigungen über den vermeintlichen„ Einfluss Trakls “an Walter Jens schrieb, „ dass erst Wiederbegegnung Begegnung zur ... Begegnung macht “, den Brief als der„ Altmetaphernhändler Paul Celan “unterzeichnete und im Postskript bekannte: „ Die einzigen„ modernen “Verse, die ich heute noch auswendig weiß, sind von George und Rilke “.42
11Mit ihnen teilt er auch den Status eines hervorragenden Übersetzers symbolistischer Dichtung. Dass Übersetzung für alle drei Dichter Spracherkundung und poetologische Positionsbestimmung bedeutet, ist längst erkannt worden. Dabei wurde der Aussagewert der Abweichungen im Hinblick auf den vermeintlichen Anschluss an den Symbolismus bei Celans Vorgängern weit weniger beachtet – was sich ohnehin durch die Originalität seiner Übersetzungspraxis und deren Wesensverwandtschaft mit der eigenen Dichtung erklären lässt.43 Im schon zitierten Brief an Werner Weber über die Übertragung der Jungen Parze erklärt Paul Celan: „ [...] die Sprachen [...] sind verschieden – geschieden durch Abgründe. [...] das übertragene Gedicht muss, wenn es in der zweiten Sprache noch einmal dasein will, dieses Andersund Verschiedenseins, dieses Geschiedenseins eingedenk bleiben.“44 Dabei dürfe sich der Übersetzer aber auch auf die Sprache selbst verlassen, auf ihre eigenständige Reaktion auf die Bemühungen des mit„ Fergendienst“45 Beauftragten: „ es war, wenn ich hier ein Wort Martin Heideggers mitsprechen lassen darf, ein Warten auf den Zuspruch der Sprache “.46
12An dieser Stelle empfiehlt es sich, noch einmal einen kontrastierenden Blick auf Gottfried Benn zu werfen. Benn glaubt nicht an Übersetzung: „ Man kann das Gedicht als das Unübersetzbare definieren “.47 Am Beispiel von Poes Raven zeigt er, daß die Buchstaben nichts bedeuten aber„ nebeneinandergesetzt [...] akustisch und emotionell in unserem Bewusstsein an [schlagen] “, und dass„ nevermore “eben aus diesem Grund nicht„ nimmermehr “ist.48 In der psychophysiologischen Einkleidung steckt wohl die Reminiszenz an Rimbaud „ Alchemie des Wortes “oder – unter Umständen – an Mallarmés„ Geheimnis der Buchstaben “, „ le Mystère dans les lettres “.49 Hier wird ja ersichtlich, dass Benn die Übersetzung aus genau demselben Grund ablehnt, wie sie Celan gutheißt, dem„ Geschiedensein “der Sprachen, und dass beide für die phonetisch-semantische Assoziationsfähigkeit der Wörter gleich empfänglich sind. So beruhen ihre entgegengesetzten Positionen bis zu einem gewissen Grad auf derselben Auffassung von der Autonomie der Sprache, die in der jeweiligen Abwandlung ihren mehr oder weniger entfernten symbolistischen Ursprung verrät: Mallarmés Worte sind erkennbar, denen der Dichter„ die Initiative überlässt “, „ die in Bewegung gebracht werden durch den Zusammenstoß ihrer Ungleichheit “.50 Allerdings sind grundverschiedene Dichtungskonzeptionen daraus geworden. Etwa ein Gedicht wie Benns Lebewohl, das Celan als Beispiel für„ lyrisches Allerlei“51 erwähnt: „ Lebewohl, / Farewell, / und nevermore–: / aller Sprachen Schmerz- und Schattenlaut, / sind dem Herzen, / sind dem Ohre / unaufhörlich / tief vertraut... “.52 Eine Universalisierung der Sprachmagie auf allgemeinmenschlicher Grundlage also, und auf der anderen Seite – bei Celan: eine„ grauere Sprache “,53 ein Durchgang durch„ die Engpässe früherer und anderssprachiger Formen “,54 die Suche nach einem Wort, das die„ Neigung zum Verstummen“55 augenblicklich festhält. Bei Benn, ein Wort, das„ magisch “ und„ ein moderner Totem“56 ist, bei Celan ein Wort, das„ nennt und setzt “.57 Dass die der modernen Lyrik eigentümliche„ Sprachlichkeit aller Selbst- und Welterfahrung“58 so grundverschiedene Formen annehmen kann, ist eine der problematischen Erscheinungen in der Wirkungsgeschichte des Symbolismus.
13Das Postulat eines Kontinuums der„ modernen Lyrik “vom Symbolismus her lässt sich allerdings ohne weiteres durch die Sprachphänomene belegen. Diese phänomenale Ähnlichkeit verdeckt aber Umbrüche und Wandlungen, welche die Voraussetzungen und Leistungen der Dichtung innerhalb der betrachteten hundert Jahre wesentlich modifiziert haben. Im folgenden sollen Beispiele solcher trügerischer Kontinuität analysiert werden und wenn nicht die Abgründe so doch die Klüfte und Risse aufgezeigt werden, die die motivischen und terminologischen Konstanten nur scheinbar überbrücken. Diese Beobachtungen lassen sich schematisch unter drei Stichworte einordnen: Nihilismus, Ontologie und Subjektivität.
14Mallarmés Poetik ist im Anschluss an die Romantik und an Baudelaires „ Korrespondenzen “eine Spätform des Idealismus. Das Gedicht entsteht bekanntlich aus einem„ Spiel der Sprache “, das„ einen Naturvorgang [...] in sein vibrierendes Beinahe-Verschwinden “überträgt, um den„ reinen Begriff “ hervorzubringen – so Mallarmé in einem programmatischen Vorwort.59 Dichtung ist auf die Idee ausgerichtet: die poetische Evokation der Blume etwa entzieht sie ihrer Gegenständlichkeit, enthebt sie„ allen Sträußen “, bis sie als„ die Idee selbst “„ musikalisch aufsteigt “.60 Dies ist Mallarmés sog. Platonismus, an dem seine Schüler überzeugt festhalten – wie Paul Gérardy in seinen Ausführungen über die„ geistige Kunst “in Georges Blättern für die Kunst.61 Allerdings deutet Mallarmé die Idee nicht mehr mit metaphysischer Zuversicht als sinngebende Transzendenz: das zu Erreichende wird als„ zentraler Abgrund geistiger Unmöglichkeit “oder als„ allerhöchste Gussform“62 umschrieben und das angestrebte„ geistige Universum“63 kann nur durch„ Abwesenheit “angedeutet werden. Der Prozess der Entrealisierung durch Sprache mündet ins Schweigen: das Geschriebene ist„ schweigender Aufflug ins Abstrakte “,64 das vollkommene Gedicht wäre„ das schweigende Gedicht aus lauter Weiß “.65 Das Nichts schimmert hier durch und ruiniert den metaphysischen Anspruch der Dichtung, sich dem Absoluten zu nähern. Als verzweifelter Idealist hat Mallarmé das Scheitern seiner Dichtung festgestellt. In diesem Sinne konnte er keine Nachfolger haben.
15Die Poetik des Absoluten konnte nur unter gewandelten Voraussetzungen weitergeführt werden: es waren Nietzsches„ Nihilismus “und seine Proklamierung der Kunst„ als [...] der eigentlich metaphysischen Tätigkeit dieses Lebens “.66 Erst Benn hat die Konsequenz aus Mallarmé und Nietzsche gezogen und„ eine artistische Ausnutzung des Nihilismus “befürwortet, mit dem Vorhaben, „ alle Tragik des nihilistischen Erlebnisses in die formalen und konstruktiven Kräfte des Geistes zu legen “.67 Das Nichts, von Mallarmé als Horizont der Dichtung erkannt, wurde zu ihrer Voraussetzung. Die Form selbst wurde„ absolut“68 und das Ich, von Mallarmé aus dem Gedicht verdrängt, bezog nun dessen Zentrum wieder: „ es gibt nur [...] die Leere / und das gezeichnete Ich.“69 Als Dichter„ nach dem Nihilismus “und Schüler Mallarmés hat Paul Valéry die Aussichtslosigkeit von dessen Poetik erkannt, ihre idealistische Voraussetzung auch nicht übernommen, dies aber verhüllt, indem er die Problematik der„ Abwesenheit “in den Bereich des Bewusstseins verlagerte und von der„ Göttlichkeit “und„ Allmacht “der Sprache träumte.70 Benn holte das dabei Unausgesprochene nach und verknüpfte die Valérysche „ Konstruktion “mit deren nihilistischer Voraussetzung. Damit zog er aber einen Schlusstrich unter den Symbolismus.
16Inzwischen wehrte sich die Dichtung der Jahrhundertwende ebenfalls gegen die extremen Konsequenzen von Mallarmés Dichtung. Schon die Übertragungen zeigen den Widerstand der Dichter gegen den Idealismus der Symbolisten. So hat Roger Bauer nachgewiesen, wie Stefan George die mystisch-metaphysische„ Erhebung “bei Baudelaire„ versinnlichte“71 und wie schwierig es Rilke war, in seinen wenigen Mallarmé-Übersetzungen Äquivalente zu finden für das Nichts und für das Verfahren der„ abolition “:72 „ le néant musicien “(„ tönendes Nichts “) – als Wert der Transzendenz – wird in Rilkes Übertragung zum konkreten„ musikalischen Nein “und„ l’absence éternelle de lit “(„ ewiges Fehlen eines Betts “) – als Ergebnis der Entrealisierung – wird zum„ ewigen Nicht-Bett “als Behauptung eines konkreten Nicht-Seins.73 Dies ist für Rilke im Sinne des Wechselverhältnisses von Sein und Nicht-Sein74 weitaus positiver und vor allem immanenter als Mallarmés reines „ Nichts “. Seit der Untersuchung von Karin Wais75 wissen wir auch, dass dies mit einem eigentümlichen Verständnis von Valérys„ absence “zusammenhängt: was bei Valéry Ausschaltung des Bewusstseins bedeutet – sozusagen eine anthropologische Form des Nichts – ist für Rilke, der dieses Wort in seinen französischsprachigen Texten besonders schätzte, gleichbedeutend mit „ unsichtbar “– also mit der unsichtbaren Seite des einheitlichen Seins. Das Missverständnis ist auch poetologisch relevant und verrät im Zusammenhang der symbolistischen Problematik Rilkes Zurückschrecken vor der Leere, die dem gescheiterten Idealismus droht.
17Dies kann auch an gemeinsamen Motiven wie dem„ Sternbild “oder dem„ Unendlichen “nachgeprüft werden. In seinem Aufsatz über Rilke und Mallarmé hat Beda Allemann76 versucht, auf der Grundlage des Figur-Begriffs die Rilkesche„ Verwandlung ins Unsichtbare “mit dem Verfahren der„ abolition “bei Mallarmé anhand des Sternbild-Motivs zu vergleichen, und darin einen„ poetologischen Imperativ “(S. 73) gesehen. Es ist hier nicht möglich, diese Argumentation im einzelnen zu verfolgen. Ich möchte nur an wenigen Beispielen zeigen, wie schwer es ist, irgendeinen gemeinsamen weltanschaulichen Bezugspunkt für diese Bilder vorauszusetzen. Um die poetische Funktion des Sternbilds bei Mallarmé zu skizzieren, genügen Friedrichs klassische Deutung des Gedichts Ses purs ongles... (Mit blanken Nägeln...) und der Selbstkommentar des Dichters. Das Sonett entstammt – so Mallarmé –„ einer geplanten Studie über das Wort ... Es [...] eignet sich für eine Radierung aus Traum und Leere “, und – zur Deutung des Schlussbildes: „ ein [...] hinsterbender Spiegel, der, indem er gestirnhaft und unbegreiflich den Großen Bären reflektiert, das verlassene Heim mit dem Himmel verbindet “.77 Dies lautet in Friedrichs Übersetzung: „...eine Nixe, / Erlosch’ne Wolke sie im Spiegel, – wiewohl bald, / Im eingerahmt verschlossenen Vergessen, dann / stillsteht des riesigen Gefunkels Siebenklang “.78 Absolute Stille und Zeitlosigkeit treten ein und werden durch den Spiegel in das leere, angsterfüllte Zimmer reflektiert. Dies ist, wie Friedrich erklärt, die Leistung des Gedichts: „ Die Sprache hält an der äußersten Grenze inne, wo es noch möglich ist, durch Tilgung der Dinge im verneinenden Wort selber den Raum zu schaffen, in den das Nichts eintreten kann “.79
18Rilkes Sterne stehen in einem ganz anderenVerhältnis zu dem menschlichen Beobachter. Das Capreser Gedicht Sonnen-Untergang80 gestaltet nach dem Modell von Baudelaires„ Erhebung “eine Erfahrung der Leere und des Nichts: „... Und dein Leben [...] / stieg, soweit Raum war, über das Alles nach oben, / füllend die rasch sich verkühlende Leere der Welt. “Dieser Verflüchtigung des Lebens im All wird aber eine Grenze gesetzt: „ Bis es, im Steigen, in kaum zu erfühlender Ferne / sanft an die Nacht stieß. Da wurden ihm einige Sterne, / als nächste Wirklichkeit, wehrend entgegengestellt “. Diese liebevolle Fürsorge des Universums, das dem menschlichen Leben das Unermessliche heimisch macht und die Angst lindert, erlebt auch Malte in der Erinnerung an Abelone:
In späteren Jahren geschah es mir zuweilen nachts, dass ich aufwachte, und die Sterne standen so wirklich da und gingen so bedeutend vor, und ich konnte nicht begreifen, wie man es hinter sich brachte, so viel Welt zu versäumen.81
19So verleiht Rilkes„ lyrisches Begreifen“82 der Welt den Sternen eine Bedeutung, welche die Wirklichkeit des Unerreichbaren und dessen Einssein mit dem menschlichen Leben nahelegt. Wenn Valéry Mallarmés poetische Gestaltung der„ Konstellation “also in Anlehnung an Kants Erlebnis des gestirnten Himmels83 ganz idealistisch als Transkription eines universalen Gesetzes – als„ Imperativ einer Poesie “und„ Figur eines Gedankens “deutet, so steht hinter Rilkes Sternbildern ein anderer Philosoph: Nietzsche.
20Im Dithyrambus Ruhm und Ewigkeit berichtet Dionysos: „ Ich sehe ein Zeichen –, / aus fernsten Fernen / sinkt langsam funkelnd ein Sternbild gegen mich // Höchstes Gestirn des Seins! Ewiger Bildwerke Tafel! Du kommst zu mir?–“84 Das ist im Gegensatz zur symbolistischen Ästhetik„ die Mysterienlehre der Tragödie, [...] die Grunderkenntnis von der Einheit alles Vorhandenen [...], die Kunst [...] als die Ahnung einer wiederhergestellten Einheit “.85 Die neue Poesie, die mit Zarathustra beginnt, stellt auch Symbole her, aber nicht mehr zur Vermittlung der Transzendenz:
Im dionysischen Dithyrambus wird der Mensch zur höchsten Steigerung seiner symbolischen Fähigkeiten gereizt; etwas Nieempfundenes drängt sich zur Äußerung, die Vernichtung des Schleiers der Maja, das Einssein der Gattung, ja der Natur.86
21Bei Celan sind Sterne einfach„ Menschenwerk “geworden, bieten weder Schutz noch Sinn und„ überfliegen “nur den, „ der, zeltlos auch in diesem bisher ungeahnten Sinne und damit auf das unheimlichste im Freien, mit seinem Dasein zur Sprache geht .... “.87 Dem einzelnen bleibt nichts als das Wort, das nichts vermittelt als„ Stimme “, „ Atem “, „ Kreatürliches “.
22Mit der Konstellation thematisch verwandt ist das Motiv des Unendlichen. Für Rilke ist es ebenfalls von Zarathustras Lebensgefühl bedingt, das die Entfremdung von Innen und Außen überwindet.88 Schon im Florenzer Tagebuch erkennt Rilke die Notwendigkeit, das Unendliche im Modus der Immanenz zu erfahren:
Wir brauchen die Ewigkeit, denn nur sie gibt unseren Gesten Raum; und doch wissen wir uns in enger Endlichkeit. Wir müssen also innerhalb dieser Schranken eine Unendlichkeit schaffen, da wir an die Grenzenlosigkeit nicht mehr glauben.89
23Die in der Dichtung versuchte Angleichung von Innen und Außen wird in einem viel späteren Brief in demselben Sinne begründet: „ So ausgedehnt das„ Außen “ ist, es verträgt mit allen seinen siderischen Distanzen kaum einen Vergleich mit den Dimensionen, mit der Tiefendimension unseres Inneren [...] “.90
24So kann Dichtung die dualistische Spaltung leugnen und überwinden. Dass dieses Problem jedoch weiterhin besteht, zeigt eine Aufzeichnung Celans aus den Vorarbeiten zum Meridian: „ In der Verendlichung spüren wir das Infinitivische, spüren wir jene – von Hofmannsthal oft beschworene –„ scharfe Spitze des Unendlichen “Baudelaires. Es ist, wo Welt gebannt werden will; der uralte Traum, gleichz [eitig] weltfrei zu werden – “.91 Bernhard Böschenstein ist der Vermittlung des Baudelaire-Zitats durch Hofmannsthal nachgegangen und hat den Zusammenhang dieser Notiz mit dem Lebenslauf des Jakob Michael Reinhold Lenz, wie er im Meridian evoziert wird, nachgewiesen.92 Lenz„ lebte hin “[so heißt es] – zum Tode hin, und wäre gern auf dem Kopf gegangen. Celans Erläuterung dazu lautet: „ wer auf dem Kopf geht, der hat den Himmel als Abgrund unter sich “.93 Drückte Baudelaires Formel die unerträgliche Sehnsucht des Künstlers nach dem Absoluten, so wendet Celan diese leidvolle Spannung nach unten: „ der uralte Traum, weltfrei zu werden “, das heißt„ frei von Kontingenz “,94 kann nur noch im Tod erfüllt werden und„ Dichtung eilt voraus “.95
25Das Motiv des Abgrunds verbindet diese Einsicht mit Pascal: Ute Harbusch erinnert mit Recht daran, dass die Vorstellung des Abgrunds für Celan historisch und persönlich bedingt ist, und dass der metaphysische Schrecken dadurch in die menschlich-irdische Dimension zurückgeholt wird.96 Celans Interesse für das Irrationale am Pascalschen Abgrund-Motiv steht außerdem – so Harbusch – im scharfen Gegensatz zu Valérys Abneigung gegen Pascal, dem er ja vorwirft, mit der Vorstellung des Abgrunds rhetorisch zu spielen und sein Erlebnis als„ Artist “zu vermitteln. Ute Harbusch stellt treffend fest, dass Valérys Pascal-Porträt und die Eröffnungsszene der Junge Parze auffallend ähnlich sind: Eine monologische Gegenüberstellung von Ich und Universum, wobei der Blick ins All ein intellektueller und selbstbezogener ist, ein reiner Akt der Selbsterkenntnis. Einem solchen„ Theater des Intellekts“97 konnte Celan nur fremd gegenüberstehen.
26Das Verhältnis des Dichters zum Universum, wie es aus der parallelen Inszenierung von Pascal und der jungen Parze hervorgeht, ist geprägt durch Valérys Abwendung von der idealistischen Sinnsuche. Im Vergleich dazu klingt Benns Urteil über Pascal wie eine Weiterführung von Valérys Gedanken. In seinem Aufsatz Franzosen98 beschreibt er ihn als einen Vorläufer der Artistik, dessen Verzweiflung aber die„ Wendung zum Religiösen “genommen habe, statt sich, wie Nietzsche später empfohlen habe, dem Ästhetischen zuzuwenden. Als Nihilist hätte Pascal – so könnte man Benn ergänzen – die abgründige und die himmlische Unendlichkeit überwunden.
27Diese Einschätzung verrät die Missverständnisse, die mit der Verlegung des Absoluten in die Kunst einhergehen. Die„ Wortkunst des Absoluten “,99 deren Ansätze Benn bei Pascal zu finden glaubt und als„ Artistik “identifiziert, ist eigentlich – genauso wie bei Mallarmé – Andeutung des Absoluten durch Worte, also idealistische Annäherung an das Absolute, und kann nicht mit dem Prinzip der Artistik, der„ Absolutheit der Form“100 gleichgesetzt werden. Es gibt also keinen bruchlosen Übergang von der„ poésie pure “zur Artistik und zum„ absoluten Gedicht “. Dazwischen liegt der Zusammenbruch des Idealismus. Von hier aus wird auch verständlich, warum Celan den Traum vom„ absoluten Gedicht “von sich wies und sich das„ Hinaustreten aus der Kontingenz“101 nur als Weg der Dichtung zum Tode hin vorstellen konnte. Einer verabsolutierten Kunst wie der Artistik musste er„ das Kunstfeindliche, [...] der Involution Verschworene“102 entgegenstellen, das heißt Dichtung als „ Unendlichsprechung von lauter Sterblichkeit und Umsonst “.103
28Was aus dem Symbolismus wird, wenn man ihm die idealistische Grundlage entzieht, wird aus Hugo Friedrichs Deutung von Mallarmés Prosastück Ballette ersichtlich. Die Tanzbewegungen nimmt der Dichter als abstrakte Zeichen wahr, die Ideen veranschaulichen: „ Die Tänzerin ist nicht eine Frau, die tanzt; sie ist keine Frau, sondern eine Metapher, die eines der Urbilder unseres Wesens in sich fasst [...] “.104 Durch das Wort„ Urbild “ präzisiert Friedrich den platonischen Ursprung dieser Vorstellung, um ihn dann anhand der Schlussstelle zu widerlegen. Diese lautet: „ Die Tänzerin liefert Dir [...] die Reinheit Deiner Ideen und schreibt schweigend Deine Vision nieder, in der Weise eines Zeichens, das die Tänzerin ist “.105 Friedrich deutet das Verhältnis von Beobachter und Tänzerin, als wären ihre Bewegungen die Transkription seiner Ideen: „ Der Ballett-Aufsatz ist die entschiedenste Rechtfertigung, die das unbeschränkt kreative Dichten bis dahin gefunden hat “.106 Er sieht in diesen Sätzen die Verwirklichung des„ absoluten Blickes “, der an anderer Stelle hypothetisch erwogen wird; dieser Blick wäre – nach Goebels Übersetzung –„ etwas wie das Scheinwerferlicht, das seit einigen Jahren die Tänzerin des Eden einhüllt [...] und aus ihr in der Tat das allem möglichen Leben entrückte Wesen macht “.107 Es ist also ein abstrahierender Blick, der genauso wie die„ abolition “den betrachteten Gegenstand entrealisiert und zum Zeichen macht. Die„ Vision “eines solches Blicks ist nur Vermittlung, nicht endogene Produktion von Ideen. Indem Friedrich das„ kreative Dichten “ dermaßen verabsolutiert, übersieht er das programmatische„ Verschwinden “ der Dichterstimme aus dem Gedicht und vor allem die Maxime, die sich aus dem letzten Text Mallarmés allmählich als„ Konstellation “heraushebt: „ Nie wird ein Würfelwurf den Zufall aufheben. “Es ist ein Bekenntnis der Ohnmacht des Dichters und der Dichtung, nicht eine Vision des„ absoluten Blicks “. So vollzieht Friedrich nach Benns Vorbild voreilig den Schritt von der„ Wortkunst des Absoluten “zur absoluten Dichtung und verwandelt Mallarmé – zumindest an dieser Stelle – in einen Dichter„ nach dem Nihilismus “.108
29Neben Nihilismus und artistischer Umdeutung des Absoluten ist eine der tiefgreifenden Wandlungen, welche die Rezeption und Nachwirkung des Symbolismus prägten, die existential-ontologische Auflösung von Mallarmés „ Geheimnis “. Dieses Wort bezeichnet in Mallarmés Theorie und Dichtung das vom„ Spiel der Sprache “Evozierte und dessen Verdichtung zum Symbol:
Einen Gegenstand nennen heißt dreiviertel des Genusses am Gedicht zu tilgen [...]: die Sache suggerieren, das ist der Traum. Der vollkommene Gebrauch dieses Geheimnisses ist es, der das Symbol erstellt: nach und nach einen Gegenstand erstehen lassen, um einen Seelenzustand zu zeigen [...]109
30Das Verhältnis von Seele und Welt, das der„ wechselseitige Widerschein“110 der Wörter symbolisch manifestiert, verweist auf eine nicht genannte, durch Attribute der Transzendenz umschriebene Instanz, eine„ zentrale Reinheit “, wovon„ die verborgenen Wesensübereinstimmungen “herrühren.111 Mallarmés Faszination durch die„ Buchstaben“112 bestätigt, daß dieses Geheimnis aus der Sprache selbst hervorgeht, aus der magisch-evokativen Kraft der Wörter, die sich von deren referentieller und„ kommerzieller “Verwendung unterscheidet. In seiner Lobrede auf Mallarmé hat George die poetische Evokation mit der uralten Magie der„ sinnlosen sprüche und beschwörungen “verglichen und deren Geheimnis mit dem von Mallarmé oft herbeigewünschten„ schöne [n] eden das allein ewig ist “,113 identifiziert. Indem George volkstümlichen Buchstabenzauber und platonisches Schönheitsstreben114 so zum Prinzip von Mallarmés Dichtung vereinigte, verwies er auf die ihr innewohnende Ambivalenz, auf die Spannung zwischen Offenbarung reiner Idealität und Aufdeckung okkulter Daseinsgründe.115 So wurde die prinzipiell autonome und zweckfreie„ poésie pure “zum Medium ontologischer Geheimnisse und die geistige Entwicklung bot neue Mittel, die von Mallarmé gelassenen Sinnlücken mit expliziten Inhalten zu füllen. Gerade Hofmannsthals Symbol-Verständnis ist aufgrund seiner Abhängigkeit von Georges Vermittlung116 typisch für die Ambivalenz und Neuorientierung der frühen Symbolismus-Rezeption.
31Das Gespräch über Gedichte – gemeint ist Georges Jahr der Seele – endet mit der Beschreibung eines„ Wunders “: „ Dass es Zusammenstellungen von Worten gibt, aus welchen, wie der Funke aus dem geschlagenen dunklen Stein, die Landschaften der Seele hervorbrechen, die unermesslich sind wie der gestirnte Himmel, Landschaften, die sich ausdehnen im Raum und in der Zeit, und deren Anblick abzuweiden in uns ein Sinn lebendig wird, der über alle Sinne ist.“117 Dies ist ganz wie bei Mallarmé die symbolische Wirkungskraft der Wörter, die„ wie ein [...] Lauffeuer von Lichtern auf Geschmeide“118 eine Gestimmtheit der Seele hervorrufen und sie„ in eine leuchtende Sphäre erheben “.119 Bei allen Goetheschen Voraussetzungen ist das – zumindest phänomenal – ein Bild romantisch-symbolistischer Entgrenzung im Sinne von Hermann Bahrs Symbolismus-Aufsatz, wie ihn Hofmannsthal verstand: „ Bahrs Hypothese. Der französische Symbolismus ist künstlerische Transfiguration der Wirklichkeit “.120 An anderer Stelle aber wird das Symbol auch auf seinen archaischen Ursprung zurückgeführt, das Schlachtopfer, das dem Opfernden „ die Wollust gesteigerten Daseins “und die„ Zuckung des Todes“121 vermittelt. Dieses Erlebnis, „ dass sich [ein] Dasein [...] in dem fremden Dasein aufgelöst hatte “, sieht Hofmannsthal als„ die Wurzel aller Poesie “und als das magische Prinzip des Symbols: „ wir lösen uns auf in den Symbolen “.122
32Solche Vorstellungen sind wohl nicht ohne Nietzsches Bild des Lyrikers zu denken, der„ als dionysischer Künstler, gänzlich mit dem Ur-Einen, seinem Schmerz und Widerspruch, eins geworden “ist.123 Dies sind also die zwei synkretistisch verbundenen Pole des Symbols in Hofmannsthals Aufsatz über Georges Gedichte, die faszinierenden Urgründe des„ ewigen Lebens jenseits aller Erscheinungen“124 und die verklärten Seelenlandschaften. Die Frau am Fenster enthält im Porträt des Vorübergehenden eine poetische Verarbeitung dieser Ambivalenz: der Dichter schuf, so heißt es, „ als den Preis des / Hingegebenen Lebens / Das schwerelose Gebild aus Worten [...] / Unscheinbar wie ein Bündel feuchter Algen, / Doch angefüllt mit allem Spiegelbild / Des ungeheuren Daseins... “.125 Das von Mallarmé ins Musikalisch-Abstrakte enthobene Wort geht hier mit Nietzsches tragischer Daseinserkenntnis eine neuartige, scheinbar widersprüchliche Bindung ein und das Schweigen verschwindet aus dem Horizont des Gedichts.
33„ Das„ Ich “des Lyrikers tönt [...] aus dem Abgrunde des Seins “, hatte Nietzsche erklärt.126 Diese Einsicht hallt in Benns Überzeugung wider, „ dass hinter Faszination und Wort genügend Dunkelheiten und Seinsabgründe liegen, um den Tiefsinnigsten zu befriedigen “.127 Auf dem Weg zur expliziten Ontologisierung wurde das Wort außerdem mit mythisch-anthropologischer Substanz befrachtet: sollten die Worte für Hofmannsthal noch ein „ gewichtloses Gewebe“128 bilden, so sieht sie Benn in Georges Dichtung schon in„ anthropologische Laut- und Lastträger “verwandelt. Bezeichnenderweise hält er diese Entwicklung für eine Konsequenz des Symbolismus: „ ewig unerklärliches Sein der Strophe: – das große Geschlecht der französischen Symbolisten hatte ja gerade sein Werk in diese Richtung vorgetragen “.129 Dieses Urteil ist kennzeichnend für die von Nietzsches„ antimetaphysischer Weltanschauung“130 inspirierte Lektüre des Symbolismus und für die dadurch eingeleitete existential-ontologische Wendung.
34Für das geheimnisvolle Anliegen der Dichtung hat Mallarmé einmal eine begriffliche Formel vorgeschlagen, „ die orphische Auslegung der Erde “.131 Als poetische Formulierung dafür132 gelten jene Verse aus dem Grabtrinkspruch133 auf Théophile Gautier, wo der Dichter dem Nichts widerspricht und die Erde in ein Eden verwandelt, indem seine Stimme„ für Rose und Lilie [...] das Geheimnis eines Namens “erweckt.134 In diesem Vorgang äußert sich das Paradoxe an Mallarmés Symbol, das abstrahiert und verklärt und die Sinnlichkeit der irdischen Welt nur als Folie des„ reinen Nichts “besingen kann. Im Bekenntnis seiner Existenzkrise macht der Dichter diese Gespaltenheit deutlich: die Überzeugung von der„ Wahrheit des Nichts “führt die Poesie nicht auf die schlichte Immanenz zurück, sondern auf die„ Materie “, die sich in den metaphysischen Traum aufschwingt und die„ glorreichen Lügen “von Seele und Göttlichkeit proklamiert.135 Der Versuch einer orphischen Deutung bleibt also von einer dualistischen Erfahrungsstruktur bedingt, welche die Faszination durch das Nichts als Movens der poetischen Welterfassung voraussetzt. Die poetische„ Transposition “kann demnach nur ein Transzendieren sein, das Sinnlichkeit und Gegenständlichkeit in dieser Konfrontation auflöst.
35Auch Valérys explizite Behandlung der Orpheus-Thematik mit Hilfe der Licht-, Feuer- und Gold-Metaphorik drückt die Sublimierung der Welt in die„ unendliche Seele der großen Hymne“136 aus. Sein Paradoxon über den Architekten, ein früher Text, der Themen des von Rilke übersetzten Eupalinos vorwegnimmt, weist auf die„ unsägliche Korrespondenz “zwischen Musik und Architektur hin und beschreibt, wie der Gesang des Orpheus die Welt in einen Tempel verwandelt, dessen„ goldene Mauern “sich„ im allmächtigen Rhythmus “gegen den„ weißglühenden Azur “erheben.137 Dies hört sich an wie eine explizite Verbildlichung von Mallarmés Vorstellung der Poesie als der „ Architektur [eines] Palastes “, der„ bar jeglichen Steins“138 wäre.
36Man könnte versucht sein, solche Bilder der Sakralisierung und Verwandlung der Welt in ein„ geistiges Universum “mit Rilkes Orpheus-Thematik zu vergleichen, etwa mit der abschließenden Anrede des ersten Sonetts: „ da schufst du ihnen Tempel im Gehör “.139 Aber die Motiv-Ähnlichkeit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rilke die Wirkung von Orpheus’ Gesang in die umgekehrte Richtung wendet: nicht die Welt wird zum Tempel, sondern jede Kreatur, die den Gott in sich aufnimmt. Entsteht bei Mallarmé aus dem Gesang„ eine Explosion des Mysteriums zu allen Himmeln seiner unpersönlichen Herrlichkeit “,140 so verwirklicht der Rilkesche Orpheus jene „ Verwandlung “, die der Dichter der Neunten Elegie als seinen„ Auftrag “ erahnt und die dem Willen der Erde entgegenkommt, „ unsichtbar in uns [zu] erstehen “.141
37Mallarmés„ orphische Auslegung der Erde “– und erst recht deren Erläuterung durch Valéry – ist noch mit der romantischen Entgrenzungsdynamik verwandt, die auf ein transzendierendes Weltgesetz ausgerichtet ist. In Mallarmés Poetik der„ Transposition “, die eben deshalb keine Rilkesche „ Verwandlung “ist, klingt noch Novalis’ Bestätigung der„ alten orphischen Sage “, „ der geheimnisvollen Lehre von der Musik als Bildnerin und Besänftigerin des Weltalls “nach, seine Lehre von der„ akustischen Natur der Seele “und der„ Ähnlichkeit des Lichtes und der Gedanken “.142 Was Rilke davon trennt, ist zwar sein monistisches Weltgefühl,143 insbesondere aber Nietzsches Prinzip der„ dionysischen Kunst “,144 sein„ Jasagen zum Leben “,145 in Zarathustras Mahnung zusammengefasst: „ bleibt der Erde treu “.146 Diese Thematik ist in den Sonetten unüberhörbar: „ Voller Apfel, Birne und Banane, / Stachelbeere... Alles dieses spricht / Tod und Leben in den Mund. [...] // Wo sonst Worte waren, fließen Funde, aus dem Fruchtfleisch überrascht befreit... “;147 oder abstrakter: „ Zu dem [...] Vorrat der vollen Natur, den unsäglichen Summen, / Zähle dich jubelnd hinzu und vernichte die Zahl “.148
38Dementsprechend sind Rilkes Worte kein„ stiller Aufflug von Abstraktion “,149 sondern Medien des Seins, wie sie Zarathustra schon erlebte: „ Hier springen dir alle Seins-Worte und Wortschreine auf; alles Sein will hier Wort werden, alles Werden will von dir reden lernen “.150 Eine solche ontologische Dramatisierung des Wortes ist im„ Sagen “der Duineser Elegien noch spürbar: „ [...] aber zu sagen, verstehs, / oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals innig meinten zu sein... “.151 Demgegenüber ist das„ Sagen “, wie es Mallarmé für die neue Poesie bestimmt, „ den Fiktionen geweiht “und „ gewinnt [dadurch] seine Virtualität zurück “.152 Dieser schroffe Gegensatz zu Rilke ist keine bloße Frage der Poetik, sondern rührt von einer diametral entgegengesetzten Weltanschauung her. In aller Deutlichkeit bekannte Valéry etwa, dass die Dinge bei ihm nur ein mitleidiges Lächeln hervorriefen und dass das Wesentliche nur„ Figur “, d.h. sprachliche Form, sein könnte.153 Für die beiden Dichter kann also kein gemeinsamer„ existential-ontologischer Imperativ“154 vorausgesetzt werden. Rilkes orphischer Gesang hat unter Nietzsches Einwirkung eine andere Bedeutung angenommen; sein Wort ist nach Zarathustras Anweisung„ dem Sinn der Erde “und„ aller Dinge Wert“155 verpflichtet, das Wort des Symbolisten hingegen einer„ leer “gewordenen „ Idealität “.156
39Rilke ist Nietzsches Kunsttheorie nicht konsequent gefolgt und blieb bei der Lebensphilosophie stehen, was ihn schon genug vom Symbolismus entfernte: dass das Wort„ Leben “das Wort„ Schönheit “verdrängt habe, dies war laut Valéry das Hauptmoment der geistigen Entwicklung nach 1900.157 Außerdem schreckte Rilke vor der in der Geburt der Tragödie proklamierten „ Erlösung im Scheine“158 und der dadurch implizierten monologischen Selbstverherrlichung des dichtenden Subjekts zurück; die tragische Verabsolutierung des ästhetischen Scheins, das Maskenspiel der Dithyramben, die Zerrissenheit und der Amoklauf des Dionysos widersprachen dem Ethos seiner Dichtung, seinem Willen, „ das Wort„ Tod “ohne Negation zu lesen “,159 und seiner Überzeugung von dem Sinn und dem„ unbeschreiblichen Da-Sein “ des Gedichts.160 Seine„ Ganzheitsvorstellung“161 glaubte er schon bei Baudelaire vorgeprägt zu finden: „ Der Dichter einzig hat die Welt geeinigt, / die weit in jedem auseinanderfällt... “;162 dies war aber ein großes Missverständnis, denn er übersah dabei den idealistischen Ursprung von Baudelaires Schönheitsbegriff.
40Was Rilke zur„ Artistik “fehlte, war eben die von Benn beschriebene „ Tragik des nihilistischen Erlebnisses “.163 Bezeichnenderweise war die Erfahrung des Nichts bei Mallarmé schon gegeben; zu solcher„ Tragik “aber kam es nicht, weil„ die formalen und konstruktiven Kräfte des Geistes“164 in einen Prozess der Entpersönlichung und Entrealisierung gelegt wurden und auf ein transzendentes„ Mysterium “ausgerichtet blieben. Mallarmé glaubte noch an die„ Wahrheit “des Nichts. Erst die von Nietzsche vollzogene Umwertung der„ Wahrheit “in Lüge und der„ scheinbaren Welt “in„ Realität“165 machte „ Artistik “möglich. Benns Parole, „ Nichts, aber darüber Glasur“166 bedeutet in diesem Sinn die artistische Radikalisierung und Aufhebung von Mallarmés Symbolismus.
41Um diesen Überblick über das brüchige Kontinuum der modernen Lyrik abzuschließen, könnte man noch an die vielen Wandlungen des„ Ich “erinnern. Zwischen Rimbauds„ Ich ist ein anderer“167 und Celans umgekehrter Formel „ er als ein Ich“168 liegt ein abwechslungsreiches Kapitel der Lyrikgeschichte, das hier nur knapp skizziert werden kann. Zwei konträre Tendenzen sind darin vereinigt: die Vertreibung des empirischen Ich und der damit verbundenen „ Stimmungen “aus dem Gedicht, und das Bestreben, die Funktion der Lyrik als Seelensprache aufrechtzuerhalten. Schon Mallarmé wollte in demselben Gedicht das Reale tilgen und die„ ganze Seele zusammenfassen “.169 Sein Projekt, sein„ Ich “in ein Medium des„ geistigen Universums“170 zu verwandeln, verrät noch die romantische Quelle seiner Seelenauffassung. Diese ist in Hofmannsthals Besprechung von Georges Gedichten noch spürbar, geht aber in einem umfassenden Seinserlebnis auf, das vom„ dionysischen Prozess “geprägt ist, in dem – so Nietzsche in der Geburt der Tragödie –„ der Künstler [...] seine Subjektivität [...] bereits [...] aufgegeben [hat] “.171 Aber das Wechselspiel von Ich- und Weltzuständen in Hofmannsthals Lyrik zeigt den Widerstand der alten Stimmungen im neuen Zusammenhang von Innen und Außen. Einige Jahre später wurde Rilkes Vorstellung des„ Weltinnenraums “ zur untragischen Formel für das vom dionysischen Künstler erträumte„ Bild, das ihm [...] seine Einheit mit dem Herzen der Welt zeigt “.172 Die frühere Innerlichkeit wurde darin aufgehoben.
42Gleichzeitig mit seinem Kampf gegen die„ Subjektivität “erhob Nietzsche die Lyrik zur allerhöchsten Kunst und im letzten Schritt der Selbstaufopferung forderte Zarathustra seine Seele auf, zu singen: „ O meine Seele, [...], daß ich dich singen hieß, siehe, das war mein letztes! “.173 Gottfried Benn fasste das Neue an dieser Lyrikkonzeption wiederum in eine programmatische Parole: „ [die Sprache] war plötzlich nicht mehr Abbild und Ausdruck des Lebens, [...] sondern sie war eine metaphorische Überspannung des Seins, eine Schöpfung in sich und ohnegleichen “.174 Damit lieferte er den Schlüssel für die Deutung seiner und der modernen Lyrik überhaupt als„ Seinsdichtung “. „ Immer wieder gilt es, sein„ Ich “dem„ Ist “zum Opfer zu bringen “,175 erklärte Walter Jens in Anlehnung an Rimbauds Objektivierungsformel. Den Aspekt der Verwandlung und Instrumentalisierung des Ich, den Rimbaud wohl zuerst meinte, entwickelte Benn mit dem Begriff des„ lyrischen Ich “ weiter, das zum Exponenten und zur ästhetischen Lösung einer Krise der Kultur und der Wirklichkeitserfahrung wurde.176 Der artistische Solipsismus und die Verherrlichung der„ anthropologischen Wirklichkeit der geistigen Formen“177 stellten das Ich als fiktive Verdichtung aller schöpferischen Potenzen – im Widerspruch zu Mallarmés Vorbild der Entpersönlichung – wieder in den Mittelpunkt des Gedichts. Andererseits stand das Bestreben des Lyrikers, „ seine lyrische Substanz zu dokumentieren“178 auch im Gegensatz zu Valérys Vorstellung des„ reinen Ich “,179 die Mallarmés Vision des Ich als Medium des Geistes radikalisierte. Schließlich ermöglichten die ausgeprägte Existentialisierung der Lyrik180 und die Funktion des„ Phänotyps “die Wiedereinführung von„ Stimmungen “, die im zynisch-modernen Ton das alte Gefühl der Vergänglichkeit zur neuen Geltung brachten. Die so entstandene „ anthropologische Elegie“181 lag denkbar fern von Benns symbolistischer Referenz.
43Weder im„ reinen Ich “noch im„ verlorenen Ich“182 – diesen zwei extremen Fiktionen der lyrischen Moderne – konnte Celan das„ Personhafte “der Sprache,183 „ die Gegenwart des Menschlichen“184 wiedererkennen, die er sich vom Gedicht erhoffte. Die ungemeine Dramatisierung des Humanen, das Pathos von„ Hand und Herz “,185 die Betonung des„ Einmaligen “und„ Stimmhaften “ arbeiteten der von der Kunst geschaffenen„ Ich-Ferne“186 entgegen und banden das Ich an ein historisches Datum, von dem es sich„ herschreib [en]“187 sollte, – „ ein im Prozess des Schreibens sich verdeutlichendes Ich, das – kein lyrisches Ich ist “, erklärte Celan.188 Dies alles war Absage an eine Poesie, die sich in „ Wortkünsten“189 erschöpfte und weiterhin Gesang bleiben wollte, nachdem sie das Ich entlassen oder zur Fiktion erklärt hatte. Von solcher„ Lyrik “wollte Celan nichts mehr hören.190
44Dass die radikale Abwendung von der„ modernen Lyrik “im Erlebnis der jüngsten Geschichte begründet lag, haben Celans Zeitgenossen kaum wahrgenommen. Auch bei der Einschätzung seiner Bindung an den Symbolismus und an die„ Tradition der Moderne “wurde das Bewusstsein einer unüberbrückbaren„ Zeitenschrunde“191 nicht selten übersehen oder unterschätzt.„ Dante tot –, eine große Leere / Zwischen den Jahrhunderten / bis zu meinen Wortschatzzitaten –... “,192 so schrieb Benn 1946 und dies war noch – mit Adorno zu reden –„ die Selbstherrlichkeit des Subjekts und seines Ausdrucks aus den heroischen Tagen der neuen Kunst “.193 Für Celan war das schützende Rollenspiel des lyrischen Ich nicht mehr möglich: ein Zitat wurde„ mit [...] dem eigenen Lebensatem verantwortet “,194 die Erkundung fremder Dichtung war„ Begegnung “im Bewusstsein des„ Geschiedenseins “ durch Sprache und Zeit. Dem von Benn am Ende seiner Probleme der Lyrik beschworenen„ großartigen “, „ wahrhaft abendländische [n] “„ Hegelwort “vom „ Leben des Geistes“195 konnte sich der„ unter dem Neigungswinkel seiner Kreatürlichkeit“196 Sprechende nicht mehr anschließen.
45Und damit sind wir bei den anfangs gestellten Fragen wieder angekommen. 1960 hielt Enzensberger Rimbauds Forderung„ wir müssen unbedingt modern sein“197 für immer noch aktualisierbar und ein Jahr später datierte Walter Jens den Beginn der„ jungen deutschen Literatur der Moderne “auf die Tagung der Gruppe 47 im Frühjahr 1952.198 Unter den dabei aufgetretenen Autoren war Paul Celan, den man als den größten deutschsprachigen Dichter des Jahrhunderts erkennen sollte, und der entschieden anti-modern war. Er war kein reaktionärer Gegner der Moderne, auch kein Avant-Gardist, nicht einmal ein Postmoderner, denn er wollte nicht„ dekonstruieren “. Er kannte die Dichtung der Moderne wie kein anderer, war dadurch„ hindurchgegangen “, konnte sich aber darein nicht einfügen, weil er die„ vergleichbare [n] Aufgaben “nicht erkannte, auf die – wie Enzensberger meinte – die„ vergleichbaren Lösungen kommen“199 sollten. Für Celan hatte die Zeit – nicht in der poetisch beliebten Form der Vergänglichkeit, sondern in der tödlichen der Geschichte – die Bemühung um große Zusammenhänge vereitelt und den Dichter in die ursprüngliche Situation der um Wort und Wirklichkeit ringenden Kreatur zurückversetzt.
46Celan ist zwar ein Extremfall und sein Werk dürfte für jeden Literaturhistoriker ein unüberwindliches Paradox sein. Aber auch solche Werke, die sich sonst problemlos in die Moderne einschreiben und auf den „ Symbolismus “zurückführen lassen, zeigen schwerwiegende Divergenzen, welche die Annahme eines Kontinuums ernsthaft in Frage stellen. Weder die Sterne noch das Unendliche, weder das Absolute noch das Nichts sind gleichgeblieben, nicht einmal die Sprache konnte ihre vielgerühmte Autonomie vor Funktionalisierung bewahren, und Orpheus wurde zum gemeinsamen Nenner für unvereinbare poetische Worte. Mallarmé und Nietzsche haben da eine sonderbare Konstellation gebildet, woraus Kräfte hervorgegangen sind, welche die gemeinsamen Motive und Themen vielfältig gebogen und transformiert haben. Soll das heißen, könnte man mit Enzensberger fragen, dass„ moderne Poesie “„ bloß eine terminologische Attrappe“200 wäre? Es gibt selbstverständlich Zusammenhänge, thematische Konvergenzen, vergleichbare Schreibtechniken, aber der„ innere Zusammenhang “, wonach Enzensberger fragt,201 ergibt sich nicht einfach aus der Summe der gemeinsamen Merkmale. Auch Adornos idealistisch-subversive Integration von„ poésie pure “und „ Engagement “, auf die Enzensbergers Argumentation hinzielt, wird von Celans Dichtung widerlegt.
47Eine Teilantwort können wir wiederum bei Celan finden. Sie betrifft nicht die literarhistorischen und ästhetischen Kategorien, sondern die Methode des Lesens. Celans Dichtung hat die Leser zu einem neuen Modus des Lesens aufgefordert, den Peter Szondi auf den Begriff brachte, indem er von„ Textwirklichkeit “sprach.202 Celan selbst bezeichnete das Schreiben als ein„ Hindurchgehen “,203 aber dieses Bild lässt sich auch auf das Lesen und Aufdecken literarischer Bezüge anwenden. Fachbegriffe wie„ wandernde Motive“204 oder„ Genitivmetapher “wies Celan zurück, sprach satt dessen von„ ein [em] unter Herzensnot Zueinander-Geboren-Werden der Worte “.205 Für die ganz besondere Eigenschaft des poetischen Wortes, die aus diesen Erfahrungen hervorgeht, hat Celan den Begriff„ Besetzbarkeit “notiert,206 eine Vorstellung, die auf Mandelstamm zurückzuführen sein soll und Valérys Ansicht von der Autorität der Sprache als System radikal widerspricht.207 Dies kennzeichnet Celans eigene Methode des Lesens, dass er die Worte aus dem ursprünglichen Kontext löst, sie mit eigenen Erfahrungen besetzt und in ein neues„ Textgeschehen “einfügt.208 Nimmt man zu der„ Besetzbarkeit “ weitere poetologische Konzepte Celans wie die„ dichterische Wörtlichkeit “ oder die„ Einmaligkeit “hinzu, so kommt man zu dem Schluss, dass es keine kontinuierliche Entwicklung geben kann, sondern nur eine Reihe punktueller Aktualisierungen unter existentiell bedingten Perspektiven. Dann müsste man Enzensberger auch zugeben, dass„ nur die Literatur [...] Literaturgeschichte schreiben [kann] “;„ Resorption der Vergangenheit im Vorgang des Schreibens “ nennt er dies, und stellt das Axiom auf: „ was in ihm nicht aufgehoben wird, das ist nicht zu retten “.209 Demzufolge wäre die angemessene Fragestellung nicht, wie der Symbolismus rezipiert und was davon gerettet wurde, sondern wie die Autoren der Moderne am Symbolismus weiterschrieben, bis sie ihn aufhoben und unkenntlich machten.
Notes de bas de page
1 Hans Magnus Enzensberger, Weltsprache der modernen Poesie. Einzelheiten II, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1984, S. 7.
2 Ebd.
3 Ebd., S. 19.
4 Ebd., S. 18.
5 Vgl. dazu im Zusammenhang mit Paul Celan: Ute Harbusch, Gegenübersetzungen. Paul Celans Übertragungen französischer Symbolisten, Göttingen, Wallstein, 2005, S. 37 ff.
6 Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, Hamburg, Rowohlt, 1956. Zitiert nach der revidierten Ausgabe 1966, Reinbek, Rowohlt, 1988, S. 61.
7 Gottfried Benn, Gesammelte Werke in vier Bänden, hrsg. von Dieter Wellershoff, Stuttgart, Klett-Cotta, 1986, Band IV, S. 380.
8 Weltsprache der modernen Poesie, op. cit., S. 20.
9 Hinweis bei Harbusch, op. cit., S. 446.
10 Brief an Werner Weber, 26.03.1960. Zitiert nach: „ Fremde Nähe “. Celan als Übersetzer, hrsg. von Axel Gellhaus u.a., Marbach, Deutsche Schillergesellschaft, 1997, S. 397.
11 Paul Celan, Der Meridian. Endfassung, Vorstufen, Materialien, hrsg. von B. Böschenstein und H. Schmull, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1999, S. 170-171 [Tübingen Ausgabe = TA].
12 Paul Celan, Gesammelte Werke in fünf Bänden, hrsg. von Beda Allemann u.a., Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1983, Band III, S. 175.
13 Gesammelte Werke I, op. cit., S. 499.
14 Ebd., S. 528.
15 Der Meridian, TA, op. cit., S. 151.
16 Gesammelte Werke I, op. cit., S. 524.
17 Der Meridian, GW III, op. cit., S. 199.
18 Sandra Pott, Poetiken. Poetologische Lyrik, Poetik und Ästhetik von Novalis bis Rilke, Berlin, De Gruyter, 2004, S. 376.
19 Paul Hoffmann, Symbolismus, München, Finck, 1987 [UTB 526].
20 Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 32.
21 Neue Rundschau, Nr. 75, 1964, zitiert nach Harbusch, op. cit., S. 51.
22 Hans Egon Holthusen, Rede auf Gottfried Benn (1956), in: Das Schöne und das Wahre, München, Piper, 1958. Zitiert nach Else Buddeberg, Probleme um Gottfried Benn, in: DVjS 34, 1960, S. 132.
23 Hans-Georg Gadamer, Im Schatten des Nihilismus, in: Gedicht und Gespräch. Essays, Frankfurt a. M., Insel, 1990, S. 91-114.
24 Gerhart Baumann, „… durchgründet vom Nichts… “, in: Études Germaniques 25 (1970), S. 287.
25 Vgl. Rémy Colombat, Hugo Friedrich ou les incertitudes de la modernité, in: Revue d’Allemagne, 16, 1984, H. 4, S. 591-695. Im vorliegenden Band S. 19-44.
26 Theodor W. Adorno, Der Artist als Statthalter, in: Noten zur Literatur, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1981, S. 117.
27 Ebd., S. 118.
28 Ebd., S. 125.
29 Ebd., S. 126.
30 Gottfried Benn, Doppelleben, Gesammelte Werke IV, op. cit., S. 143-144.
31 Der Artist als Statthalter, op. cit., S. 120.
32 Doppelleben, Gesammelte Werke IV, op. cit., S. 159.
33 Der Artist als Statthalter, op. cit., S. 120.
34 In: Noten zur Literatur, op. cit., S. 56-57.
35 Ästhetische Theorie. Gesammelte Schriften VII, hrsg. von Rolf Tiedemann, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1970, S. 477. Zitiert nach Hans Holzkamp, Celan, Valéry und Niemand, in: Forschungen zu Paul Valéry II – Valéry und die deutschsprachige Welt, hrsg. von Karl Alfred Bühler und Jürgen Schmidt-Radefeldt, Forschungs- und Dokumentationszentrum Paul Valéry der Universität Kiel, 1998, S. 87. Vgl. auch Hans Holzkamp, Classicisme et crise. Benjamin, Raphael et Adorno, lecteurs de Valéry, in: Bulletin des Études Valéryennes, 19, 1992, Nr. 61, S. 75-118.
36 Zit. nach Leonard Moore Olschner, Der feste Buchstab. Erläuterungen zu Paul Celans Gedichtübertragungen, Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht, 1985, S. 203.
37 Lebensweg eines Intellektualisten. Gesammelte Werke IV, op. cit., S. 42.
38 Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 496.
39 Ebd., S. 498.
40 Rede auf Stefan George, Gesammelte Werke I, ebd., S. 475.
41 Beda Allemann, Nachwort zu Paul Celan, Ausgewählte Gedichte. Zwei Reden, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1968, S. 163.
42 Brief vom 19. Mai 1961. Zitiert nach Paul Celan – Die Goll-Affäre, hrsg. von Barbara Wiedemann, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 2000, S. 532-533.
43 Vgl. Axel Gellhaus, „ Das Übersetzen und die Unübersetzbarkeit. Notizen zu Paul Celan als Übersetzer “, in: Poetik der Transformation. Paul Celan – Übersetzer und übersetzt, hrsg. von Alfred Bodenheimer und Shimon Sandbank, Tübingen, Niemeyer, 1998, S. 7-20.
44 Zit. nach Fremde Nähe, op. cit., S. 397.
45 Brief an Peter Schifferli, 1. April 1954, Fremde Nähe, ebd., S. 399.
46 An Werner Weber, Fremde Nähe, ebd., S. 398.
47 Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 510. Friedrich übernahm dieses Postulat, vgl. Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 93-94.
48 Probleme der Lyrik, op. cit., S. 510-511.
49 Mallarmé, Œuvres complètes, Paris, Gallimard (= Bibliothèque de la Pléiade), 1945.
50 Mallarmé, Crise de vers. Œuvres complètes, ebd., S. 366. Übersetzung H. Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 135.
51 Der Meridian, TA, op. cit., S. 171.
52 Benn, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 149-150.
53 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 167.
54 Celan, Der Meridian, TA, op. cit., S. 161.
55 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 197.
56 Benn, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 390.
57 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 167.
58 Hermann Korte, „ Deutschsprachige Lyrik seit 1945 “, in: Geschichte der deutschen Lyrik, hrsg. von Holznagel/Kemper/Korte/Mayer/Schnell/Sorg, Stuttgart, Reclam, 2004, S. 609.
59 Œuvres complètes, op. cit., S. 857. Übersetzung nach Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 125.
60 Ebd.
61 Vgl. Manfred Durzak, Der junge Stefan George. Kunsttheorie und Dichtung, München, Fink, 1968, S. 81-82.
62 „ gouffre central d’une spirituelle impossibilité “, „ suprême moule “, Œuvres complètes, op. cit., S. 333.
63 Brief an Villiers. Zit. Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 129.
64 „ l’écrit, envol tacite d’abstraction “, Œuvres complètes, op. cit., S. 385, Übersetzung Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 118.
65 „ le poëme tu, aux blancs “, Œuvres complètes, ebd., S. 367. Übersetzung Hugo Friedrich, ebd..
66 Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. Werke in drei Bänden, hrsg. von Karl Schlechta, München, Hanser, 1966, Band I, S. 20.
67 Benn, Nach dem Nihilismus, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 159.
68 Vgl. G. Benn, Dorische Welt, Gesammelte Werke I, ebd., S. 292: „ Stil ist der Wahrheit überlegen... “.
69 Nur zwei Dinge, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 342.
70 „ Je ne sais quel être indépendant de toute personne, – une divinité du langage, – qu’illumine la Toute-Puissance de l’Ensemble des Mots “. Paul Valéry, Œuvres, Paris, Gallimard (= Bibliothèque de la Pléiade), 1957, Band II, S. 635.
71 Roger Bauer, Zur Übersetzungstechnik Stefan Georges, in: Stefan George Kolloquium, hrsg. von Heftrich / Klussmann / Schrimpf, Köln, Wienand, 1971, S. 160-167.
72 Roger Bauer, Rilke, traducteur de Mallarmé: de ‘Tombeau’ à ‘Grabmal’. In: Blätter der Rilke-Gesellschaft, Heft 19, 1992, S. 57-73.
73 Aus Mallarmé, Une dentelle s’abolit, Œuvres, op. cit., S. 74. In Klammern stehende Übersetzungen: Gerhard Goebel, in: Stéphane Mallarmé, Gedichte. Französisch und Deutsch, Gerlingen, Lambert Schneider, 1993, S. 141. Rilkes Übertragung wird nach R. Bauer zitiert.
74 Vgl. Sonette an Orpheus II/13: „ sei – und wisse zugleich des Nicht-Seins Bedingung “. Sämtliche Werke, Frankfurt a. M., Insel, 1987, Band I, S. 759.
75 Studien zu Rilkes Valéry-Übertragungen, Tübingen, Niemeyer, 1967, S. 146-149.
76 Rilke und Mallarmé. Entwicklung einer Grundfrage symbolistischer Poetik. In: Rilke in neuer Sicht, hrsg. von Käte Hamburger, Stuttgart, Kohlhammer, 1971, S. 63-82.
77 Zit. nach Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 128.
78 Ebd., S. 129.
79 Ebd., S. 130.
80 Sämtliche Werke II, op. cit., S. 29.
81 Ebd. VI, S. 894.
82 Vgl. Vorrede zu einer Vorlesung aus eigenen Werken, SW VI, op. cit., S. 1097.
83 Vgl. Allemann, op. cit., S. 73.
84 Nietzsche, Werke II, op. cit., S. 1262.
85 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 62.
86 Ebd., S. 28.
87 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 186.
88 Vgl. Also sprach Zarathustra, Werke II, op. cit., S. 463: „ wie gäbe es ein Außer-mir? Es gibt kein Außen! “.
89 Rilke, Tagebücher aus der Frühzeit, hrsg. von Ruth Sieber-Rilke und Carl Sieber, Frankfurt a. M., Insel, 1973, S. 62.
90 Rilke, Briefe, hrsg. von Karl Altheim, Frankfurt a. M., Insel, 1980, S. 871 (Brief an Nora Purtscher-Wydenbruck, 11. August 1924).
91 Der Meridian, TA, op. cit., S. 126.
92 Bernard Böschenstein, Quelques observations sur les choix et les utilisations des citations dans les matériaux du “Méridien”. In: Études Germaniques 55 (2000) N° 3, S. 634-645.
93 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 195.
94 Vgl. Brief an Werner Weber, in: Fremde Nähe, op. cit., S. 398.
95 Celan, Der Meridian, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 194.
96 Ute Harbusch, Gegenübersetzungen, op. cit., S. 301.
97 Vgl. Celan, Der Meridian, TA, op. cit., S. 154: „ Die Zeit, da, wie in der Jungen Parze, das Gedicht sich als ein Théâtre de l’Intellect, eine Bühne, auf der [der] Geist sich ein Schauspiel gab, – diese Zeit ist vorbei “.
98 Benn, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 328.
99 Benn, ebd.
100 Benn, Nach dem Nihilismus, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 161.
101 Celan, Der Meridian, TA, op. cit., S. 126.
102 Ebd., S. 149.
103 Celan, Der Meridian, GW III, op. cit., S. 200.
104 Mallarmé, Ballets. Œuvres complètes, op. cit., S. 304. Übersetzung Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 137.
105 Mallarmé, ebd., S. 307; Friedrich, ebd., S. 137.
106 Friedrich, ebd., S. 137.
107 Mallarmé, Gedichte. Französisch – Deutsch, op. cit., S. 177.
108 Andere Interpreten sind Friedrich gefolgt. Vgl. Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 136: „ Aber das metaphysische Scheitern bedeutete zugleich Mallarmés poetischen Triumph. [...] im Ringen um Entstofflichung und spirituelle Transparenz hat er der Sprache ein Äußerstes abverlangt und ihr ein Höchstes an suggestiver Kraft und Nuancierung abgewonnen. “; Karl Pestalozzi, Die Entstehung des lyrischen Ich, Berlin, Walter De Gruyter, 1970, S. 282, zit. nach P. Hoffmann, op. cit., S. 136: „ Dem Aufschwung ist es nicht gelungen, sich von dem Medium, das ihn ermöglichte, zu befreien. Er gelangte, statt zum reinen Absoluten, nur bis zur Absolutheit der Sprache. “Was dabei aber übersprungen wird, ist die vorsätzliche, von Benn theoretisch begründete„ Ausnutzung des Nihilismus “.
109 Mallarmé, Réponse à l’enquête sur l’évolution littéraire, Œuvres complètes, op. cit., S. 869, übersetzt von G. Goebel, op. cit., S. 225.
110 Mallarmé, Œuvres complètes, ebd., S. 366, übersetzt von G. Goebel, ebd., S. 225.
111 „ Tout le mystère est là: établir les identités secrètes par un deux-à-deux qui ronge et use les objets, au nom d’une centrale pureté. “Mallarmé, zit. nach Jean-Yves Tadié, Introduction à la vie littéraire du XIXe siècle, Paris, 1970, S. 114. Deutsche Fassung in: Jean Bazaine, Notizen zur Malerei der Gegenwart, 1959, übersetzt von Paul Celan, zit. nach Ute Harbusch, op. cit., S. 83.
112 Mallarmé, Magie, Œuvres complètes, op. cit., S. 399-400. Vgl. Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 134.
113 Stefan George, Werke in zwei Bänden, Stuttgart, Klett-Cotta, 1984, Band 1, S. 506 und 508. Vgl. Ludwig Lehnen, Politik der Dichtung. George und Mallarmé. Vorschläge für eine Neubewertung ihres Verhältnisses. In: George-Jahrbuch 4 (2003-2004), S. 1-35, insb. S. 13-19.
114 Vgl. Manfred Durzak, op. cit., S. 81.
115 „ Dichtung heißt: durch die auf ihren wesenhaften Rhythmus zurückgeführte menschliche Sprache wird der geheimnisvolle Sinn der Aspekte des Daseins („ sens mystérieux des aspects de l’existence “) zum Ausdruck gebracht. “Mallarmé, Antwort auf eine Umfrage, La Vogue 18.4.1886, zit. nach Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 130.
116 Vgl. Bernhard Böschenstein, Hofmannsthal, George und die französischen Symbolisten. In: Leuchttürme. Von Hölderlin zu Celan. Wirkung und Vergleich, Frankfurt a. M., Insel, 1977, S. 224-246.
117 Hofmannsthal, Das Gespräch über Gedichte, in: Gesammelte Gedichte in zehn Einzelbänden, hrsg. von Bernd Schoeller, Frankfurt a. M., Fischer, 1979. Erzählungen, erfundene Gespräche..., op. cit., S. 509.
118 Mallarmé, Crise de vers, Œuvres complètes, op. cit., S. 366: „ comme une virtuelle traînée de feux sur des pierreries “. Übersetzt von G. Goebel, op. cit., S. 225.
119 Carl August Klein, Über Stefan George. Eine neue Kunst. In: Blätter für die Kunst I/2 1892, S. 46. Zit. nach Ludwig Lehnen, Politik der Dichtung, op. cit., S. 13.
120 Notiz von 1893, zitiert nach: Peter Sprengel, Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1870-1900, München, Beck, 1998, S. 119.
121 Hofmannsthal, Das Gespräch über Gedichte, op. cit., S. 502.
122 Ebd., p. 503.
123 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 37.
124 Ebd.
125 Hofmannsthal, Gesammelte Werke, Gedichte und Dramen I, op. cit., S. 328-329.
126 Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 37.
127 Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 524.
128 Poesie und Leben, Gesammelte Werke, Reden und Aufsätze I, op. cit., S. 15.
129 Benn, Rede auf Stefan George, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 467.
130 „ Eine antimetaphysische Weltanschauung, gut – aber dann eine artistische. “Nietzsche, zitiert nach: Benn, Nach dem Nihilismus, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 161.
131 Mallarmé, Correspondance, Band II, hrsg. von Henri Mondor und Lloyd James Austin, Paris, Gallimard 1965, S. 301.
132 Vgl. Jean-Yves Tadié, Introduction à la vie littéraire du XIXe siècle, Paris, Bordas, 1970, S. 113.
133 Mallarmé, Toast funèbre, Œuvres complètes, op. cit., S. 54-55.
134 Vgl. Gerhard Goebels Kommentar, Gedichte…, op. cit., S. 340.
135 „… je veux me donner ce spectacle de la matière, ayant conscience d’être, et cependant, s’élançant forcenément dans le rêve qu’elle sait n’être pas, chantant l’Âme et toutes les divines impressions pareilles qui se sont amassées en nous depuis les premiers âges, et proclamant, devant le Rien qui est la vérité, ces glorieux mensonges! “ Mallarmé, Propos sur la poésie, Monaco, Éditions du Rocher, 1953, S. 66. Zit. nach Tadié, Introduction à la vie littéraire du XIXe siècle, op. cit., S. 112-113.
136 Valéry, Paradoxe sur l’architecte, Œuvres II, op. cit., S. 1406.
137 „ Ainsi, se manifeste l’indicible correspondance, l’intime infinité qu’il faut discerner […] entre l’antique magnificence d’un grand temple héroïque et tel andante brûlant de flammes glorieuses! “Ebd., S. 1404;„ Le dieu chante, et, selon le rythme tout-puissant, s’élèvent au soleil les fabuleuse pierres, et l’on voit grandir vers l’azur incandescent, les murs d’or harmonieux d’un sanctuaire. “Ebd., S. 1405-1406.
138 Mallarmé, Kritische Schriften, Übers. Goebel, op. cit.,S. 223; Crise de vers, Œuvres complètes, op. cit., S. 366: „… l’architecture du palais, le seul habitable; hors de toute pierre… “.
139 Rilke, Sämtliche Werke I, op. cit., S. 731.
140 Mallarmé, Kritische Schriften, Übers. Goebel, op. cit., S. 223; Crise de vers, Œuvres complètes, op. cit., S. 365: „ Quelque explosion du Mystère à tous les cieux de son impersonnelle magnificence… “.
141 Rilke, Sämtliche Werke I, op. cit., S. 720.
142 Novalis, Aus dem„ Allgemeinen Brouillon “, § 54. In: Werke, hrsg. und kommentiert von Gerhard Schulz, zweite neubearbeitete Auflage, München, Beck, 1981, S. 462.
143 Vgl. Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 199.
144 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 93.
145 Nietzsche, Götzendämmerung – Was ich den Alten verdanke, Werke II, op. cit., S. 1032.
146 Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Werke II, ebd., S. 280.
147 Rilke, Sonette an Orpheus I/13, Sämtliche Werke I, op. cit., S. 739.
148 Rilke, Sonette an Orpheus II/23, ebd., S. 760.
149 Mallarmé, Œuvres, S. 385: „ envol tacite d’abstraction “, Übers. Goebel, Kritische Schriften, op. cit., S. 271.
150 Nietzsche, Ecce Homo, Werke II, op. cit., S. 1132.
151 Rilke, Die neunte Elegie, Sämtliche Werke I, op. cit., S. 718.
152 Mallarmé, Crise de vers, Œuvres complètes, op. cit., S. 368: „… le dire […] retrouve chez le Poëte, par nécessité constitutive d’un art consacré aux fictions, sa virtualité “; Übers. Goebel, Kritische Schriften, op. cit., S. 228.
153 Valéry, Mauvaises pensées et autres, Œuvres II, op. cit., S. 1534: „ Les choses me faisaient sourire de pitié […] je savais que l’essentiel était figure “.
154 Beda Allemann, Rilke und Mallarmé, op. cit., S. 78.
155 Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Werke II, op. cit., S. 339.
156 Vgl. Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, op. cit., S. 47: „ leere Idealität “.
157 Valéry, Œuvres II, op. cit., S. 1554.
158 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 40.
159 Brief an Gräfin Sizzo, 06.01.1923. Rilke, Briefe, hrsg. von Karl Altheim, Frankfurt a. M., Insel, 1980, S. 806-807.
160 Rilke, Brief an Gräfin Sizzo 01.06.1923, ebd., S. 841.
161 Vgl. Benn, Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 498.
162 Rilke, Baudelaire, Sämtliche Werke II, op. cit., S. 246.
163 Benn, Nach dem Nihilismus, Werke I, op. cit., S. 159.
164 Ebd.
165 Nietzsche, Ecce Homo, Werke II, op. cit., S. 1066: „ Die “wahre Welt” und die “scheinbare Welt” – auf deutsch: die erlogene Welt und die Realität “.
166 Benn, Lebensweg eines Intellektualisten, Gesammelte Werke IV, op. cit., S. 42.
167 Rimbaud, Œuvres complètes, Paris, Gallimard (= Bibliothèque de la Pléiade), 1970, S. 250.
168 Celan, Der Meridian, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 194.
169 Mallarmé, Toute l’âme résumée, Œuvres complètes, op. cit., S. 73.
170 Mallarmé, Brief an Cazalis, zitiert nach Paul Hoffmann, Symbolismus, op. cit., S. 129: „ Ich bin jetzt entpersönlicht; Ich bin nicht länger der Stéphane Mallarmé, den du gekannt hast, sondern lediglich ein Mittel, wodurch das geistige Universum sichtbar werden und sich entwickeln kann durch das, was ich einst war “.
171 Nietzsche, Die Geburt der Tragödie, Werke I, op. cit., S. 37.
172 Ebd.
173 Nietzsche, Also sprach Zarathustra, Werke II, op. cit., S. 469.
174 Benn, Rede auf Stefan George, Werke I, op. cit., S. 466.
175 Walter Jens, Statt einer Literaturgeschichte, Pfullingen, Neske, 1978, S. 17.
176 Vgl. Benn, Epilog und lyrisches Ich, Gesammelte Werke IV, op. cit., S. 7-14.
177 Benn an Erich Pfeiffer-Belli, 30.04.1936. Zitiert nach Das Gottfried Benn-Brevier, hrsg. von Jürgen P. Wallmann, München, dtv/Klett-Cotta, 1986, S. 82.
178 Benn, Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 503.
179 Valéry, Œuvres I, op. cit., S. 1228.
180 Vgl. Benn, Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 497: „ das Wort nimmt [...] beim primären Lyriker die unmittelbare Existenz auf “.
181 Benn, Altern als Problem für Künstler, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 558.
182 Benn, Verlorenes Ich, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 215.
183 Celan, Der Meridian, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 189.
184 Ebd., S. 190.
185 Celan, Lektürenotizen zu Heidegger, „ Einführung in die Metaphysik “. Paul Celan. La bibliothèque philosophique, hrsg. von Alexandra Richter, Patrick Alac, Bertrand Badiou, Paris, Éditions Rue d’Ulm/ENS, 2004, S. 351. Vgl. Brief an Hans Bender, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 177.
186 Celan, Der Meridian, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 193.
187 Ebd., S. 201.
188 Zitiert nach Dietlind Meinecke, Über Paul Celan, Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1973, S. 30.
189 Celan, Gesammelte Werke III, op. cit., S.175. Vgl. auch Der Meridian TA, op. cit., S. 110.
190 Vgl. Celan, Der Meridian, TA, ebd., S. 151.
191 Celan, Weggebeizt, Atemwende, Gesammelte Werke II, op. cit., S. 31.
192 Benn, – Gewisse Lebensabende, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 242.
193 Adorno, Jene zwanziger Jahre. Zitiert nach Lyrik nach Auschwitz? Adorno und die Dichter, hrsg von Petra Kiedaisch, Stuttgart, Reclam, 1995, S. 50.
194 Celan, Der Meridian TA, op. cit., S. 156.
195 Benn, Probleme der Lyrik, Gesammelte Werke I, op. cit., S. 532.
196 Celan, Der Meridian, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 197.
197 Enzensberger, Weltsprache der modernen Poesie, op. cit., S. 7.
198 Walter Jens, Deutsche Literatur der Gegenwart, München, Piper, 1961, S. 150.
199 Weltsprache der modernen Poesie, op. cit., S. 16.
200 Ebd., S. 17.
201 Ebd., S. 13.
202 Peter Szondi, „ Lecture de ‘Strette’. Essai sur la poésie de Paul Celan. “ P. S., Poésies et poétiques de la modernité, hrsg. von Mayotte Bollack, Lille, Presses universitaires de Lille, 1981, S. 168.
203 Celan, Bremer Rede, Gesammelte Werke III, op. cit., S. 186.
204 Celan, Brief an Walter Jens. Zitat in Die Goll-Affäre, op. cit., S. 531-533.
205 Celan, Der Meridian TA, op. cit., S. 158.
206 Vgl. Ute Harbusch, op. cit., S. 312.
207 Vgl. Rémy Colombat, « La Jeune Parque de Paul Celan », Études Germaniques 55 (2000) Nr 3, S. 504. Im vorliegenden Band S. 433-451.
208 Wie von den Herausgebern der Dokumentation zu Celans Wissenschaftlicher Bibliothek neuerdings bestätigt wurde. Vgl. op. cit., S. 732.
209 Enzensberger, Weltsprache der modernen Poesie, op. cit., S. 11.
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